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Informationen zum Dokument  BGE 119 IV 107 - Rechtsüberholen  Materielle Begründung
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Zitiert durch:
BGE 122 IV 103 - Von Roll

Zitiert selbst:
BGE 117 IV 124 - Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
BGE 114 IV 116 - New York City

Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Beschl ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher  
 
18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. März 1993 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 84 OG, Art. 269 BStP; Verletzung des Beschleunigungsgebots im Strafverfahren; staatsrechtliche Beschwerde oder Nichtigkeitsbeschwerde?  
 
Sachverhalt
 
BGE 119 IV, 107 (108)Das Bezirksgericht Zofingen sprach S. am 19. Januar 1989 des Rechtsüberholens auf der Autobahn und der Behinderung des Verkehrs gemäss Art. 35 Abs. 1 bis 3, Art. 44 Abs. 1 SVG und Art. 36 Abs. 5 VRV sowie des Einhaltens eines ungenügenden Abstandes gemäss Art. 34 Abs. 3 und 4 SVG schuldig und verurteilte ihn in Anwendung von Art. 90 Ziff. 2 SVG zu einer Busse von Fr. 350.--. Das Obergericht des Kantons Aargau wies eine gegen dieses Urteil eingereichte Berufung am 20. April 1989 ab.
1
Eine dagegen geführte eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde hiess das Bundesgericht mit Entscheid vom 15. November 1989 gut, hob das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 20. April 1989 auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
2
Das Obergericht des Kantons Aargau sprach S. am 11. Januar 1990 wiederum der groben Verletzung von Verkehrsregeln unter Anwendung anderer Bestimmungen des SVG schuldig und bestätigte die in seinem ersten Urteil ausgesprochene Busse. Gegen diesen und den nachfolgenden gleichlautenden Entscheid des Obergerichts vom 6. Dezember 1990 erhob S. zwei staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, welche das Bundesgericht mit Urteilen vom 29. Juni 1990 und 22. Oktober 1991 guthiess.
3
BGE 119 IV, 107 (109)Mit Urteil vom 19. August 1992 erklärte das Obergericht des Kantons Aargau S. der groben Widerhandlung gegen das SVG begangen durch Rechtsüberholen auf der Autobahn und Behinderung des Verkehrs gemäss Art. 35 Abs. 1 bis 3 SVG und des Fahrens mit ungenügendem Abstand gemäss Art. 34 Abs. 4 SVG schuldig und bestätigte die Busse von Fr. 350.--. Von der Verletzung von Art. 34 Abs. 3 und 44 Abs. 1 SVG sowie Art. 36 Abs. 5 VRV sprach es ihn frei.
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Gegen dieses Urteil führt S. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
5
Das Obergericht des Kantons Aargau hat auf Gegenbemerkungen, die Staatsanwaltschaft auf Vernehmlassung verzichtet. Eine in derselben Sache eingereichte staatsrechtliche Beschwerde wies der Kassationshof ab.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen:
 
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a) Die Rüge der unmittelbaren Verletzung der EMRK oder der Bundesverfassung ist mit staatsrechtlicher Beschwerde vorzubringen. Mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde können lediglich Rügen einer mittelbaren Verletzung der Bundesverfassung oder der EMRK, d.h. einer nicht verfassungs- bzw. nicht konventionskonformen Auslegung und Anwendung von Bundesrecht, erhoben werden (BGE 116 IV 388 E. 1, BGE 114 Ia 377, BGE 114 IV 26 E. 4, je mit Hinweisen).
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b) Die Frage, ob das Rechtsverzögerungsverbot oder Beschleunigungsgebot gemäss Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt BGE 119 IV, 107 (110)wurde, betrifft die unmittelbare Verletzung der Bundesverfassung bzw. der EMRK. Die entsprechenden Rügen sind daher mit der staatsrechtlichen Beschwerde vorzubringen.
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Demgegenüber betrifft die Frage, welche Folgen eine Verletzung des Beschleunigungsgebots für die Auslegung und Anwendung eidgenössischen Strafrechts hat, die mittelbare Verletzung von Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Wird eine derartige Verletzung festgestellt und der Verfahrensverzögerung im Rahmen der Strafzumessung Rechnung getragen oder dadurch, dass der Täter zwar schuldig gesprochen, aber von Strafe Umgang genommen oder das Verfahren gar eingestellt wird (vgl. BGE 117 IV 129 E. d), handelt es sich um eine verfassungs- und EMRK-konforme Auslegung und Anwendung des in Frage stehenden Bundesstrafrechts. Die Frage, ob eine kantonale Instanz eine bundesrechtliche Strafbestimmung zu Recht nicht angewendet hat, weil die Verurteilung mit der EMRK nicht zu vereinbaren wäre, kann daher mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde aufgeworfen werden (BGE 117 IV 125, BGE 114 IV 119 E. bb). Dasselbe gilt im umgekehrten Fall, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, das Bundesrecht sei nicht verfassungs- bzw. konventionsgemäss ausgelegt und angewendet worden.
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c) Soweit der Beschwerdeführer einwendet, die Vorinstanz habe eine Verletzung des Beschleunigungsgebots gemäss Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu Unrecht verneint, ist danach auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten.
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Zu prüfen ist indes, ob die Verfahrensdauer von viereinhalb Jahren besondere Sanktionen nach sich ziehen muss (vgl. dazu BGE 117 IV 129). Dies ist für den zu beurteilenden Fall zu verneinen. Zwar erscheint die Verfahrensdauer für eine grobe Verletzung von Verkehrsregeln, die keine besonderen Beweiserhebungen wie Expertisen erforderte und eine Busse von Fr. 350.-- zur Folge hatte, als überdurchschnittlich lang. Es ist jedoch zu beachten, dass sie für den Beschwerdeführer zu keiner besonderen Belastung geführt hat. Insbesondere ist er keinen Beschränkungen infolge strafprozessualer Massnahmen zur Sicherung des Verfahrens unterworfen worden und hat keine Beeinträchtigung des sozialen Ansehens oder wirtschaftliche Nachteile erlitten. Im übrigen stand auch kein gravierender Schuldvorwurf in Frage, der eine besondere Belastung hätte herbeiführen können. Die Ungewissheit, ob er wegen einer Verkehrsregelverletzung zu einer nicht hohen Busse verurteilt werden würde, wog nicht schwer. In diesem Zusammenhang ist auch der Umstand zu würdigen, dass der Beschwerdeführer sämtliche BGE 119 IV, 107 (111)Beschwerdemöglichkeiten ausgeschöpft hat. Zwar hat ihm die Vorinstanz daraus zu Recht keinen Vorwurf gemacht, zumal er mit seinen Rechtsmitteln jeweils im wesentlichen durchdrang. Dennoch kann nicht völlig ausser acht gelassen werden, dass dieses Vorgehen geeignet war, das Verfahren zu verlängern (Entscheid der EMRK vom 1. Juli 1992 i.S. Schertenleib, VPB 1992 Nr. 54; HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, S. 163).
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Deshalb hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, wenn sie die lange Verfahrensdauer nicht strafmildernd berücksichtigt oder ihr auf andere Weise Rechnung getragen hat.
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