BVerfGE 78, 77 - Publikation der Entmündigung


BVerfGE 78, 77 (77):

Die öffentliche Bekanntmachung der Entmündigung wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht (§ 687 ZPO) ist mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) unvereinbar.
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 9. März 1988
– 1 BvL 49/86 –
in dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung des § 687 der Zivilprozeßordnung – Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Amtsgerichts Detmold vom 28. Juli 1986 (15 C 8/83) –.
 
Entscheidungsformel:
§ 687 der Zivilprozeßordnung ist mit Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.
Das gilt nicht für die Wiederaufhebung einer bereits bekanntgemachten Entmündigung, wenn der Betroffene in die Bekanntmachung einwilligt.
 


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Gründe:
 
A.
Gegenstand der Vorlage ist die Frage, ob § 687 der Zivilprozeßordnung (ZPO), der die öffentliche Bekanntmachung der Entmündigung einer Person wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht anordnet, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
I.
Nach § 6 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) kann entmündigt werden, wer infolge von Geisteskrankheit oder von Geistesschwäche seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag (Nr. 1), wer durch Verschwendung sich oder seine Familie der Gefahr des Notstandes aussetzt (Nr. 2) oder wer infolge von Trunksucht oder Rauschgiftsucht seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag oder sich oder seine Familie der Gefahr des Notstandes aussetzt oder die Sicherheit anderer gefährdet (Nr. 3). Die wesentlichen Wirkungen der Entmündigung ergeben sich aus den §§ 104 ff. BGB. Eine wegen Geistesschwäche, Verschwendung, Trunksucht oder Rauschgiftsucht entmündigte Person ist nach § 114 BGB beschränkt geschäftsfähig. Die Entmündigung wegen Geisteskrankheit bewirkt gemäß § 104 Nr. 3 BGB Geschäftsunfähigkeit. Ein volljähriger Entmündigter erhält nach § 1896 BGB einen Vormund.
Das Verfahren in Entmündigungssachen ist in den §§ 645 bis 687 ZPO geregelt. Die zur Prüfung gestellte Vorschrift hat ihren bis heute gültigen Wortlaut durch Nr. 176 des Gesetzes betreffend Änderungen der Zivilprozeßordnung vom 17. Mai 1898 (RGBl. S. 256) erhalten. Sie lautet:
    § 687
    Die Entmündigung einer Person wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht sowie die Wiederaufhebung einer solchen Entmündigung ist von dem Amtsgericht öffentlich bekanntzumachen.
Nach allgemeiner Ansicht hat die öffentliche Bekanntgabe einer Entmündigung den Zweck, Dritte zu schützen, die mit der entmündigten Person in rechtsgeschäftlichen Kontakt treten. Sie soll jene

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vor Schäden bewahren, die ihnen aus Unkenntnis über die beschränkte Geschäftsfähigkeit der entmündigten Person entstehen könnten. Vereinzelt wird § 687 ZPO überdies eine erzieherische Funktion beigemessen. Die Veröffentlichung solle auf die entmündigte Person einwirken und sie zu sozialadäquatem Verhalten motivieren.
Die Veröffentlichungspflicht bezieht sich nur auf Entmündigungen wegen Verschwendung, Trunksucht und – nach herrschender Meinung – wegen Rauschgiftsucht sowie auf die Wiederaufhebung einer solchen Entmündigung. Bei Entmündigungen wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche sieht § 687 ZPO dagegen keine öffentliche Bekanntmachung vor. Diese Differenzierung wurde ursprünglich damit begründet, daß es im Fall von Geisteskranken keiner Warnung bedürfe, weil deren Zustand für Dritte ohnehin erkennbar sei.
Die Bekanntmachung ist für die rechtliche Wirkung der Entmündigung ohne Bedeutung. Sie erschöpft sich in ihrer Warnfunktion.
II.
Die Betroffene des Ausgangsverfahrens ist wegen Trunksucht entmündigt worden. Das Amtsgericht hat das Entmündigungsverfahren hinsichtlich der noch ausstehenden öffentlichen Bekanntmachung ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt,
ob die durch § 687 ZPO zwingend vorgeschriebene öffentliche Bekanntmachung der Entmündigung wegen Trunksucht mit dem in Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes normierten Gebot zum Schutz der allgemeinen Persönlichkeitsrechte vereinbar ist. Das Amtsgericht hält die Vorschrift für verfassungswidrig. Bei ihrer Gültigkeit würde es die Entmündigung öffentlich bekanntmachen. Bei Verfassungswidrigkeit will es dagegen – wie sich aus dem Gesamtzusammenhang des Vorlagebeschlusses ergibt – die öffentliche Bekanntgabe nicht anordnen.
Die öffentliche Bekanntmachung der Entmündigung wegen Trunksucht bedeute einen schwerwiegenden Eingriff in das allge

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meine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen. Sie sei geeignet, ihren Ruf zu schädigen, ihr Ehrgefühl zu verletzen und ihr Ansehen zu mindern, zumal Alkoholismus in weiten Bevölkerungskreisen als Folge von Haltlosigkeit und Willensschwäche gelte. In ihren Auswirkungen habe die Veröffentlichung strafenden Charakter. Statt den Besserungswillen der Alkoholiker zu fördern, zerstöre sie ihr Selbstwertgefühl und damit eine wichtige Voraussetzung der Heilbehandlung. Zum Schutz höherrangiger Interessen sei eine öffentliche Bekanntmachung nicht geboten. Sie sei weder im Interesse eines Schutzes des Rechtsverkehrs noch zum Schutz der Betroffenen selbst erforderlich, wie schon der Verzicht auf die öffentliche Bekanntmachung bei einer Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche belege. An die Bekanntmachung seien auch keine unmittelbaren Rechtswirkungen geknüpft.
III.
Zu der Vorlage haben sich geäußert: der Bundesminister der Justiz namens der Bundesregierung, der Präsident des Bundesgerichtshofs, Datenschutzbeauftragte sowie die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.V.
1. Der Bundesminister hat mitgeteilt, daß die zur Prüfung gestellte Vorschrift im Rahmen der geplanten Reform des Entmündigungsrechts entfallen solle, und im übrigen auf eine Stellungnahme verzichtet.
2. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat mitgeteilt, der zuständige Senat habe § 687 ZPO bisher noch nicht anwenden müssen. Damit zusammenhängende Rechtsfragen stünden auch nicht zur Entscheidung an. Von einer Stellungnahme zu der Vereinbarkeit der Vorschrift mit dem Grundgesetz hat er abgesehen.
3. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, die Datenschutzbeauftragten der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland sowie die Datenschutzkommission des Landes Rheinland-Pfalz halten

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die Vorschrift für verfassungswidrig; die Landesbeauftragten für den Datenschutz der Länder Schleswig-Holstein und Bremen halten sie für verfassungsrechtlich bedenklich.
Sie sind mit im wesentlichen übereinstimmender Begründung der Ansicht, daß die Vorschrift unverhältnismäßig in das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht des Einzelnen eingreife, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Es erscheine fraglich, ob die öffentliche Bekanntmachung zum Schutz des Rechtsverkehrs geeignet sei. Wegen der geänderten Lebensverhältnisse, etwa der gesteigerten Mobilität und veränderter Formen des Wirtschaftens, und der begrenzten Verbreitung der jeweiligen Veröffentlichungsorgane erlange nur ein Teil derjenigen, die mit dem Entmündigten im Rechtsverkehr in Berührung kämen, von dessen eingeschränkter Geschäftsfähigkeit Kenntnis und werde vor ihr gewarnt. Eine erzieherische, generalpräventive Einwirkung sei bei Berücksichtigung der vielfältigen Ursachen von Suchterkrankungen gerade nicht zu erwarten; die stigmatisierenden Wirkungen der öffentlichen Bekanntmachung erschwerten vielmehr die sozialstaatlich gebotenen Bemühungen um Heilung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Mehrere Datenschutzbeauftragte sind der Ansicht, daß den berechtigten Interessen des Rechtsverkehrs jedenfalls durch einen geringeren Eingriff Rechnung getragen werden könne, etwa durch ein einzelfallbezogenes individuelles Auskunftsrecht gegenüber dem Vormundschaftsgericht oder der Vormundschaftsbehörde bei begründeten Zweifeln an der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit.
Die öffentliche Bekanntmachung sei vor allem nicht im engeren Sinn verhältnismäßig. Sie begründe die Gefahr der sozialen Abstempelung oder Isolierung der entmündigten Person, teils auch ihrer Familienangehörigen, namentlich in kleineren und mittelgroßen Gemeinden, und gefährde so die soziale Wiedereingliederung sowie die Überwindung der nach heutigem Verständnis krankheitsbedingten Entmündigùngsursachen. Der Kreis derjenigen, die von der Entmündigung Kenntnis erlangten, sei nicht auf potentielle Geschäftspartner der entmündigten Person begrenzt. Ebensowenig sei sichergestellt, daß die Information nur zur Prüfung der Ge

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schäftsfähigkeit verwendet werde. Gegenüber dem Schutz der Interessen der entmündigten Person könne dem Interesse des Rechtsverkehrs, durch eine öffentliche Bekanntmachung gewarnt zu werden, kein Vorrang zukommen. Dies gelte um so mehr, als die Bekanntmachung für die prozessualen und sachlichen Wirkungen der Entmündigungsentscheidung unerheblich sei und der Gesetzgeber selbst in den quantitativ überwiegenden Fällen der Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen Vorrang vor dem Informationsinteresse der Allgemeinheit eingeräumt habe.
In den meisten Stellungnahmen werden entsprechende verfassungsrechtliche Einwände auch gegen die öffentliche Bekanntmachung der Wiederaufhebung einer Entmündigung wegen Trunksucht oder Verschwendung geltend gemacht. Die Datenschutzkommission des Landes Rheinland-Pfalz weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß sich die Veröffentlichung der Aufhebung der Entmündigung aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht umgehen lasse, wenn die Entmündigung selbst öffentlich bekannt gemacht worden sei; dies sei bereits bei der Gewichtung der Eingriffsschwere der ursprünglichen Veröffentlichung zu berücksichtigen.
4. Die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.V. hält die Vorschrift ebenfalls für verfassungswidrig und weist darauf hin, daß die Warn- und Schutzfunktion bei der überwiegenden Zahl der Rechtsgeschäfte leer laufe, weil dem Geschäftspartner die Identität des Vertragspartners regelmäßig unbekannt sei.
 
B.
Die Vorlage ist zulässig. Die Vorlagefrage bedarf allerdings der Klarstellung und Erweiterung.
1. Das vorlegende Gericht hat in einer den Anforderungen des Art. 100 Abs. 1 GG und des § 80 Abs. 2 BVerfGG genügenden Weise dargelegt, daß es für seine Entscheidung auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm ankommt. Auch handelt es sich bei der öffentlichen Bekanntmachung unabhängig davon, ob sie funktional als Justizverwaltungstätigkeit oder als Rechtsprechung ein

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zustufen ist, um eine Entscheidung im Sinn des Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 2 BVerfGG (vgl. BVerfGE4,45 [48]; 7,183 [186]; 31, 43 [44 f.]). Die Vorlage scheitert ferner nicht daran, daß § 687 ZPO als vorkonstitutionelles Recht der Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG entzogen wäre. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung sind selbst bei wörtlicher Übereinstimmung mit der vor Inkrafttreten des Grundgesetzes geltenden Fassung nachkonstitutionelles Recht (vgl. BVerfGE 8,210 [213 f.]; 10,185 [191 f.]; 35,41 [45 f.]).
2. Die Vorlage beschränkt sich zutreffend auf die für das Ausgangsverfahren erhebliche Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, daß § 687 ZPO die öffentliche Bekanntmachung der Entmündigung wegen Trunksucht zwingend vorschreibt. Hieraus folgt indes keine Beschränkung der verfassungsgerichtlichen Prüfung, wenn andernfalls ein sachgerechtes Ergebnis vereitelt würde (vgl. BVerfGE 70,191 [198]).
a) Eine Beschränkung der Prüfung auf den Veröffentlichungszwang ließe die richterliche Veröffentlichungsbefugnis unberührt. Eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift, die eine im richterlichen Ermessen stehende Bekanntmachung weiterhin erlaubte, widerspräche jedoch dem Wortlaut wie auch dem mit der Norm verbundenen Zweck und überschritte so die Grenzen der Auslegung (vgl. BVerfGE 54, 277 [299 f.]; 71, 81 [105] m.w.N.). Die Vorlagefrage muß daher lauten, ob § 687 ZPO mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit nach ihr eine Entmündigung wegen Trunksucht öffentlich bekanntzumachen ist.
b) Die Vorlagefrage bezieht sich, wie vom Ausgangsfall geboten, nur auf die Bekanntmachung einer Entmündigung wegen Trunksucht. Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die gegen die Bekanntgabe der Entmündigung im Fall von Trunksucht sprechen, gelten jedoch ebenso bei einer Entmündigung wegen Verschwendung. Ferner ist die in § 687 ZPO außerdem vorgeschriebene öffentliche Bekanntmachung der Wiederaufhebung einer Entmündigung mit der Veröffentlichung der Entmündigung sachlich derart verknüpft, daß diese Gesetzespflicht nicht ohne Offenbarung der vorhergehenden Entmündigung erfüllt werden kann. Aus diesem

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Grunde ist es im Interesse einer sachgerechten Lösung geboten, die Prüfung auch auf den nicht entscheidungserheblichen Teil der Vorschrift auszudehnen und § 687 ZPO insgesamt einer verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen.
 
C.
§ 687 ZPO ist mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar.
1. Das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfaßt die Befugnis jedes Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen (Recht auf informationelle Selbstbestimmung – vgl. BVerfGE 65, 1 [41 ff.]). Zu den geschützten Daten gehören auch Akt und Status der Entmündigung sowie die persönlichen Umstände, die zur Entmündigung geführt haben.
In dieses Recht wird nicht nur dann eingegriffen, wenn der Staat vom Einzelnen die Bekanntgabe persönlicher Daten verlangt oder diese der automatisierten Datenverarbeitung zuführt. Die Möglichkeiten und Gefahren der automatischen Datenverarbeitung haben zwar die Notwendigkeit eines Schutzes persönlicher Daten deutlicher hervortreten lassen, sind aber nicht Grund und Ursache ihrer Schutzbedürftigkeit. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt vielmehr wegen seiner persönlichkeitsrechtlichen Grundlage generell vor staatlicher Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten und ist nicht auf den jeweiligen Anwendungsbereich der Datenschutzgesetze des Bundes und der Länder oder datenschutzrelevanter gesetzlicher Sonderregelungen beschränkt. Eine öffentliche Bekanntmachung, wie sie § 687 ZPO für bestimmte Fälle der Entmündigung vorsieht, ist dabei lediglich eine Sonderform staatlicher Datenübermittlung. Sie bewirkt die Weitergabe personenbezogener Daten an einen unbestimmten und nicht überschaubaren Empfängerkreis inner- und außerhalb von Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen in dem als berechtigt unterstellten Interesse der Empfänger, und zwar ohne

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Verwendungsbeschränkungen oder ergänzende verfahrensrechtliche Schutzvorkehrungen.
Im Gegensatz dazu stellt sich die Bekanntgabe der Aufhebung einer Entmündigung gewissermaßen als Beseitigung des Eingriffs dar. Da unter den heutigen Kommunikations- und Mobilitätsbedingungen jedoch die Wahrscheinlichkeit gering ist, daß die Empfängerkreise der beiden Bekanntmachungen identisch sind, erweist sich die öffentliche Mitteilung der Wiederbemündigung als neuerlicher Eingriff, indem sie die Entmündigung nochmals publik macht.
2. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muß vielmehr Einschränkungen dieses Rechts im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen. Solche Beschränkungen bedürfen aber nach Art. 2 Abs. 1 GG einer gesetzlichen Grundlage und müssen dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügen. Es verlangt, daß eine Grundrechtsbeschränkung von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt wird, das gewählte Mittel zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 71, 183 [196 f.] m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt § 687 ZPO nicht.
a) Zweck der Regelung ist im wesentlichen der Schutz des Rechtsverkehrs, dessen Teilnehmer über die beschränkte Geschäftsfähigkeit der entmündigten Person informiert werden sollen, um sich vor Schäden im Zusammenhang mit Rechtsgeschäften ohne die erforderliche Genehmigung oder Zustimmung des Vormunds schützen zu können. Einen solchen Zweck durfte der Gesetzgeber im Interesse eines zuverlässig funktionierenden Rechtsverkehrs verfolgen.
Dagegen trägt dieser Grund nicht die Bekanntgabe der Wiederaufhebung einer Entmündigung. Diese Bekanntmachung dient vielmehr in erster Linie der Beseitigung der Folgen einer vorangegangenen Entmündigungsbekanntmachung und damit letztlich den Interessen der vormals entmündigten Person. Auch dieser Regelungszweck ist aber verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.


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b) Die öffentliche Bekanntmachung der Entmündigung vermag die mit ihr bezweckte Warnung zwar nur insoweit zu entfalten, als die Teilnehmer am Rechtsverkehr sie tatsächlich zur Kenntnis genommen haben und überdies wissen, daß die entmündigte Person und der potentielle Geschäftspartner identisch sind. Das wird einerseits wegen der Anonymität der Lebensverhältnisse, der Mobilität der Bevölkerung, der Reichweite der Publikationsorgane und der Überfülle von Informationen nur noch selten der Fall sein. Andererseits stellt aber die automatische Datenverarbeitung neuartige zentrale Speicherungs- und Abrufmöglichkeiten für derartige Informationen zur Verfügung, die bei berechtigtem Interesse (vgl. § 32 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz) genutzt werden können und von denen auch zunehmend Gebrauch gemacht wird. Für die Eignung der Regelung zur Zweckerreichung ist das genügend.
Danach kann auch der Bekanntgabe der Wiederbemündigung die Tauglichkeit zur Erreichung des Schutzzwecks nicht abgesprochen werden. Die unbeabsichtigten Nebenwirkungen, die dadurch eintreten, daß Personen, denen die Entmündigung nicht bekannt war, nachträglich darüber informiert werden, stellen die Eignung nicht in Frage.
c) Zur Erreichung des gesetzgeberischen Zwecks ist die öffentliche Zugänglichkeit der Information auch erforderlich. Ob das ebenfalls für die heute geübte, von § 687 ZPO aber nicht näher geregelte Art und Weise der Bekanntgabe gilt oder ob andere Veröffentlichungsformen, etwa in Gestalt von Auskunfts- oder Einsichtsrechten, möglich wären, die dem Schutzzweck in gleicher Weise dienen können, aber das Persönlichkeitsrecht der entmündigten Person weniger beeinträchtigen, kann hier dahingestellt bleiben.
d) Jedenfalls führt eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der Gründe, die ihn rechtfertigen, zu dem Ergebnis, daß die Grenzen des Zumutbaren überschritten sind. Auf der einen Seite ist zu berücksichtigen, daß die öffentliche Bekanntmachung keine Rechtswirkung entfaltet, sondern sich in einer breit gestreuten, nicht zweckgebundenen Warnung erschöpft. Außerdem hat der Gesetzgeber selbst für die überwiegende Zahl von Entmündigungen (weniger als 10 vom Hundert entfallen auf

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Verschwendung, Trunksucht und Rauschgiftsucht – vgl. BTDrucks. 10/5970, S. 7 f.) auf eine Bekanntmachung verzichtet. Auf der anderen Seite bedeutet die öffentliche Bekanntmachung einer Entmündigung wegen Trunksucht oder Verschwendung eine tiefgreifende Beschränkung der grundrechtlich gewährleisteten Befugnis des Einzelnen, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Die Schwere des Eingriffs ergibt sich aus dem Inhalt der Bekanntmachung. Sie besagt nicht nur etwas über die für den Rechtsverkehr erhebliche Eigenschaft der Geschäftsfähigkeit, sondern betrifft die Person als ganze. Sie kann die Gefahr der sozialen Abstempelung hervorrufen und die am Sozialstaatsprinzip orientierten Hilfsmaßnahmen zur Überwindung der Sucht und zur sozialen Wiedereingliederung erschweren. Die an einen unbestimmten und unbestimmbaren Personenkreis gerichtete öffentliche Bekanntmachung erreicht zudem – wie dargelegt – neben denjenigen, deren Interessen sie zu dienen bestimmt ist, auch eine nicht überschaubare Zahl anderer Personen. Die Datenverwendung läßt sich unter diesen Umständen nicht auf die Prüfung der Geschäftsfähigkeit begrenzen. Überdies erschwert die Veröffentlichung eine "Löschung" der bekanntgegebenen Informationen bei Wiederaufhebung der Entmündigung.
Zwar sieht § 687 ZPO die Bekanntmachung der Wiederaufhebung einer Entmündigung vor. Wie ausgeführt wurde, begründet er damit jedoch einen neuerlichen Eingriff. Dieser trifft die Person, deren Entmündigung wieder aufgehoben worden ist, in einer für ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft besonders wichtigen und kritischen Phase. Er läßt erhebliche Auswirkungen auf die Resozialisierung der vormals entmündigten Person erwarten und beeinträchtigt diese ebenfalls in unzumutbarer Weise.
Allerdings muß in Fällen, in denen die Entmündigung bereits öffentlich bekannt gemacht worden ist, der Betroffene die Möglichkeit behalten, die Bekanntgabe der Aufhebung seiner Entmündigung zu erlangen. Nur mit dieser die Altfälle betreffenden Einschränkung steht daher § 687 ZPO mit dem Grundgesetz im Widerspruch.
 


BVerfGE 78, 77 (88):

D.
Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Prüfung, ob § 687 ZPO überdies gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil er zwischen der Entmündigung wegen Verschwendung und Trunksucht einerseits und derjenigen wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche andererseits differenziert.
(gez.) Herzog Niemeyer Heußner Henschel Seidl Grimm Söllner Dieterich