BVerfGE 18, 121 - Fiskusprivileg
Das sogenannte Fiskusprivileg des § 32 MietSchG ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 1. Juli 1964
-- 1 BvR 375/62 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Hausfrau ... -- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt ... -- gegen die Urteile des Landgerichts München II vom 19. Juni 1962 -- 6 S 72/61 -- und des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen vom 29. März 1961 -- 2 C 86/61 --, mittelbar gegen § 32 Absatz 4 Satz 1 Buchstabe c Mieterschutzgesetz.
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A.
1. Nach § 1 des Mieterschutzgesetzes (MSchG) vom 1. Juni 1923 (jetzt i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1942, RGBl. I S. 712) können Mietverhältnisse über Wohnräume grundsätzlich vom Vermieter nicht gekündigt werden, vielmehr muß er auf Aufhebung klagen, wobei die Klage nur auf bestimmte Tatbestände wie Vertragsverletzungen des Mieters, Verzug mit der Entrichtung des Mietzinses oder überwiegenden Eigenbedarf des Vermieters gestützt werden kann (vgl. des näheren §§ 2 bis 4b MSchG). Hiervon macht § 32 MSchG eine Ausnahme; sein Absatz 1 lautet:
    "Hat jemand mietweise oder auf Grund eines sonstigen Rechtsverhältnisses ein Gebäude oder den Teil eines Gebäudes inne, das im Eigentum oder in der Verwaltung des Reichs oder eines Landes steht und entweder öffentlichen Zwecken oder zur Unterbringung von Angehörigen der Verwaltung des Reichs oder des Landes zu dienen bestimmt ist oder bestimmt wird, so finden die §§ 1-31 keine Anwendung."
Nach Absatz 2 und 3 des § 32 hat der Mieter unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Ersatz seiner Umzugskosten. Die Absätze 1 bis 3 des § 32 gelten nach Absatz 4 Satz 1 Buchst. c entsprechend:
    "c) wenn Räume in einem Gebäude, das nicht im Eigentum oder in der Verwaltung des Reichs, eines Landes oder einer Gemeinde (Gemeindeverbandes) steht, für Beamte des Reichs, eines Landes oder einer Gemeinde oder für Angestellte oder Arbeiter im öffentlichen Dienst zur Verfügung zu halten sind und benötigt werden."
2. Die Beschwerdeführerin ist Mieterin einer Wohnung in einem Häuserblock in Garmisch-Partenkirchen, der im Eigentum eines Immobilienmaklers steht. Dieser bestellte im Jahre 1960 zugunsten der Bundesrepublik Deutschland -- Bundesfinanzverwaltung -- eine beschränkt-persönliche Dienstbarkeit des Inhalts, daß eine größere Anzahl von Wohnungen auf die Dauer von zehn Jahren nur von Bundesbediensteten, die die Bundesrepublik Deutschland dem Eigentümer benenne, bewohnt werden dürfen. Unter Vorlage eines Schreibens der Bundesvermögensstelle, wonach ein dringender Bedarf an der Wohnung der Beschwerdeführerin zur Unterbringung von Angehörigen der Bundesverwaltung bestehe, erhob der Vermieter Räumungsklage, die in beiden Instanzen Erfolg hatte.
3. Mit der Verfassungsbeschwerde gegen die gerichtlichen Urteile rügt die Beschwerdeführerin Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG; zugleich begehrt sie die Feststellung, daß § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c des Mieterschutzgesetzes mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Zur Begründung führt sie aus: § 32 MSchG sei eine aus der Zeit vor 1945 stammende Bestimmung, die erkennbar von der damaligen Auffassung über das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern geprägt sei. Es könne aus rechtsstaatlicher Sicht schon nicht eingesehen werden, daß Mieter in Wohnungen, die im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, ohne Bestandsschutz sein sollten. Das Fiskusprivileg in der besonders manipulierbaren Form des § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c MSchG bevorzuge aber darüber hinaus ohne einleuchtenden Grund die Angehörigen des öffentlichen Dienstes und die Hauseigentümer, die sich auf dem Umweg über die Einräumung von Wohnungsnutzungsrechten der lästigen Fesseln des Mieterschutzgesetzes entledigen und sich dadurch persönliche Vorteile bei der Mietpreisgestaltung verschaffen könnten. Unter der Herrschaft des Grundgesetzes könne die Tatsache, daß ein Wohnungseigentümer sich nachträglich entschließe, der öffentlichen Hand ein Vergabe- oder Nutzungsrecht an ihm gehörenden Wohnungen einzuräumen, nicht derartig weitreichende Folgen nach sich ziehen, wie sie der Wegfall des Mieterschutzes zur Zeit bedeute.
4. Der Bundesminister der Justiz und der Bayerische Justizminister halten § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c MSchG für vereinbar mit dem Grundgesetz. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat mitgeteilt, daß der Bundesgerichtshof die Vorschriften des § 32 Abs. 1 und 2 sowie Abs. 4 Satz 1 Buchst. c MSchG angewandt habe, ohne ihre Verfassungsmäßigkeit in Frage zu stellen.
5. Während des Verfahrens ist im Zusammenhang mit der Aufhebung der Wohnraumbewirtschaftung (Erstes Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften; Gesetz über Wohnungsbeihilfen; Gesetz zur Änderung von Fristen des Gesetzes über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Miet- und Wohnungsrecht -- sämtlich vom 29. Juli 1963, BGBl. I S. 505 ff.) der Mieterschutz in größeren Teilen des Bundesgebiets, den sogenannten "weißen Kreisen", aufgehoben worden, nicht jedoch im Landkreis Garmisch-Partenkirchen (Verordnung der Bayerischen Staatsregierung zur Durchführung der §§ 3 dd, 21 und 22 Abs. 1 des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes vom 29. Oktober 1963, BayGVBl. S. 209).
 
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c MSchG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Die Beschwerdeführerin sieht einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in der verschiedenen Behandlung der von § 32 MSchG betroffenen Mietverhältnisse einerseits, der unbeschränkt unter Mieterschutz stehenden Mietverhältnisse andererseits.
Art. 3 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber eine willkürlich ungleiche Behandlung des in den wesentlichen Punkten Gleichen. Art. 3 Abs. 1 GG ist daher verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden läßt. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzuerkennen. Nur die Einhaltung der äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit ist vom Bundesverfassungsgericht nachzuprüfen; die Unsachlichkeit der getroffenen Regelung muß evident sein, wenn Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sein soll (BVerfGE 12, 326 [333, 337 f.]; 12, 341 [348]; 9, 124 [130]; 2, 118 [119]; 1, 264 [276]).
2. § 32 Abs. 1 MSchG betrifft Mietverhältnisse über Gebäude oder Gebäudeteile, die im Eigentum oder in der Verwaltung des Bundes oder eines Landes stehen. Der verbreitete Ausdruck "Fiskusprivileg" ist aber ungenau. Die Bestimmung begründet kein "persönliches" Privileg des Fiskus; grundsätzlich stehen auch Räume in Gebäuden, die dem Staat gehören oder von ihm verwaltet werden, unter Mieterschutz. § 32 Abs. 1 knüpft die Freistellung vom Mieterschutz vielmehr an die weitere Voraussetzung, daß die Räume entweder öffentlichen Zwecken oder zur Unterbringung von Verwaltungsangehörigen zu dienen bestimmt sind; nur unter dieser Voraussetzung entfällt der Mieterschutz. Privilegiert ist also der öffentliche Zweck, freigestellt ist nicht der "öffentliche Besitz", sondern der "öffentliche Bedarf".
Daß diese Sonderregelung durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist, liegt auf der Hand. Die öffentliche Verwaltung kann ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn ihr die erforderlichen personellen und sachlichen Mittel zur Verfügung stehen. Dazu gehört nicht nur die Beschaffung der notwendigen Diensträume, sondern auch die Unterbringung der erforderlichen Bediensteten am Dienstort. Eine Regelung, die dies erleichtert, dient der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und liegt deshalb im Interesse aller Staatsbürger. Die Bestimmung der betroffenen Räume für diese Zwecke rechtfertigt die Ausnahmebestimmung des § 32 Abs. 1 MSchG.
3. Verletzt § 32 MSchG den Gleichheitssatz an sich nicht, so bedarf doch der Mieter, dessen Mietverhältnis zugunsten des öffentlichen Bedarfs beendet wird, zum Ausgleich eines besonderen Schutzes seiner Interessen. Die Differenzierung in § 32 MSchG überschreitet aber weder die durch die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit gezogenen Grenzen, noch ist sie dem Mieter gegenüber übermäßig oder unzumutbar. Auch in anderer Richtung stellt des Gesetz die Interessen des Mieters gegenüber den Interessen des Vermieters zurück, so im Falle des überwiegenden Eigenbedarfs (§ 4 MSchG) und noch ausgeprägter bei Werk- und Betriebswohnungen (§§ 20 ff.); in dieser Linie liegt auch die Ausnahme des § 32 Abs. 1 MSchG.
a) Die materielle Erleichterung der Mietbeendigung in § 32 Abs. 1 MSchG -- Beendigung des Mietverhältnisses nach freiem Entschluß des Vermieters ohne Notwendigkeit einer Begründung -- ist durch den öffentlichen Zweck geboten. Entsprechende Regelungen finden sich in den §§ 20 ff. MSchG. Eine Abwägung zwischen dem "Eigenbedarf" der öffentlichen Hand und den Interessen des Mieters, wie sie in § 4 MSchG vorgesehen ist, kommt naturgemäß nicht in Betracht.
b) Die verfahrensrechtliche Erleichterung -- Beendigung des Mietverhältnisses durch privatrechtliche Erklärung (Kündigung) statt gerichtlicher Aufhebung -- verschlechtert zwar die Rechtsstellung des Mieters erheblich. Jedoch darf vom Fiskus erwartet werden, daß er nicht willkürlich kündigt, sondern nur, "wenn die Beendigung des Mietverhältnisses im dienstlichen Interesse aus besonders zwingenden Gründen erforderlich erscheint" (vgl. die Amtliche Begründung zum Entwurf von 1921, Reichsarbeitsblatt 1921, Amtlicher Teil S. 960 ff.). Zugunsten dieser Regelung läßt sich auch anführen, daß hier weder -- wie in den Fällen der §§ 2 f. MSchG -- ein vertragswidriges Verhalten des Mieters festgestellt noch -- wie bei § 4 MSchG -- eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorgenommen werden soll. Daher ist es vertretbar, daß das Gesetz in diesem Falle von einer präventiven Kontrolle durch den Richter absieht.
Eine gerichtliche Nachprüfung der Kündigung (repressive Kontrolle) gewährt dem Mieter in den Fällen des § 32 MSchG der Räumungsprozeß. Gegenüber der Räumungsklage kann er geltend machen, die ausgesprochene Kündigung sei unwirksam, weil ihre Voraussetzungen, insbesondere der öffentliche Bedarf, nicht gegeben seien. Der vorliegende Fall zeigt, daß diese Möglichkeit durchaus praktische Bedeutung hat; der Mieter kann damit erreichen, daß die Behörde dem Gericht ihren Bedarf nachweisen muß.
c) Die von 1923 bis 1933 geltende Fassung des Mieterschutzgesetzes schrieb für den Fall der Eigenbedarfsklage wie für den des § 32 MSchG vor, daß im Urteil die Vollstreckung der Räumung von der Sicherstellung ausreichenden Ersatzraums abhängig zu machen sei. Diese Sicherung des Mieters ist jetzt durch § 30 des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes (WBewG) i.d.F. vom 23. Juni 1960 (BGBl. I S. 389/418) ersetzt. Danach muß das Vollstreckungsgericht, wenn das Mietverhältnis auf Grund der §§ 4, 4 b, 22 bis 23 MSchG (Eigenbedarf, Werk- und Betriebswohnungen) aufgehoben wird, auf Antrag des Schuldners die Vollstreckung einstweilen einstellen, solange nicht eine angemessene anderweite Unterbringung des Schuldners und seiner Familie gesichert ist; bei besonders dringendem Bedarf genügt an Stelle der angemessenen eine ausreichende Unterbringung, wenn sie dem Schuldner zugemutet werden kann. Diese Bestimmung gilt nach § 30 Abs. 3 WBewG grundsätzlich in gleicher Weise bei der Verurteilung zur Räumung auf Grund von § 32 MSchG. Damit sind die Interessen des Mieters ausreichend gewahrt. Die Bedeutung des Unterschieds zwischen Mieterschutz und freier Kündigung liegt also weniger in der Durchführung der Aufhebung des Mietverhältnisses als darin, daß der private Vermieter das Aufhebungsverlangen vor einem Richter begründen muß, während der Fiskus nur die öffentliche Zweckbestimmung zu behaupten braucht und dem Mieter ihre Widerlegung überlassen kann.
d) Der auf Eigenbedarfsklage zur Räumung verurteilte Mieter hat Anspruch auf Ersatz seiner Umzugskosten (§ 4 Abs. 3); dasselbe gilt im Falle der Kündigung nach § 32 MSchG (Abs. 2, Abs. 4 Satz 2 ebenda). Dagegen besteht kein Anspruch auf Ersatz weiter gehenden Schadens; der ideelle Wert des Heimes wird also nicht entschädigt. Bei einem grundsätzlich auf Zeit geschlossenen Mietverhältnis mag das nicht unberechtigt scheinen, jedenfalls aber gilt es in allen Fällen; eine Verletzung des Gleichheitssatzes kommt insoweit nicht in Betracht.
§ 32 Abs. 1 MSchG ist daher in dem bisher erörterten Umfang mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
4. Nach § 32 Abs. 1 MSchG braucht die Bestimmung für öffentliche Zwecke nicht schon bei Beginn des Mietverhältnisses vorgelegen zu haben; sie kann auch erst während der Dauer eines schon bestehenden Mietverhältnisses erfolgen. Dies ergibt sich aus den Worten "oder bestimmt wird", die im Jahre 1926 durch eine Novelle eingefügt wurden. Diese Erstreckung des "Fiskusprivilegs" ist ebenfalls durch den öffentlichen Zweck gerechtfertigt, dem der frei zu machende Raum dienen soll. Der Staat kann nicht darauf beschränkt sein, die für seine öffentlichen Funktionen nötigen Gebäude selbst zu bauen; er muß auch die Möglichkeit haben, vorhandene Gebäude zu erwerben und sie nach Maßgabe des Bedarfs öffentlichen Zwecken zuzuführen. Andernfalls wäre die Einrichtung neuer Behörden aufs äußerste erschwert, solange nicht ausreichend Diensträume und Wohnräume für die Beamten neu gebaut sind. Dasselbe gilt, wenn ein bereits im Eigentum oder in der Verwaltung der öffentlichen Hand stehendes Gebäude erst nachträglich für öffentliche Zwecke benötigt und ihnen gewidmet wird. Dem Interesse des Mieters genügt auch hier der Vollstreckungsschutz des § 30 WBewG.
Auch insoweit ist § 32 Abs. 1 MSchG nicht willkürlich und ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob sich aus dem Mietverhältnis eine privatrechtliche Pflicht des Vermieters ergibt, den Mieter von dem Entschluß, die Räume für öffentliche Zwecke zu bestimmen, so bald als möglich zu verständigen, damit er für eine anderweite Unterbringung sorgen kann.
5. Über die Fälle des § 32 Abs. 1 MSchG geht Abs. 4 Satz 1 Buchst. c zum Nachteil des Mieters noch hinaus: Den Räumen in Gebäuden, die im Eigentum oder in der Verwaltung der öffentlichen Hand stehen, werden gleichgestellt Räume in privaten Gebäuden, wenn sie für öffentliche Bedienstete zur Verfügung zu halten sind und benötigt werden.
Diese Gleichstellung ist erst durch eine Novelle vom 31. August 1938 (§ 5 der Zweiten Verordnung zur Ausführung der Verordnung über Kündigungsschutz für Miet- und Pachträume, RGBl. I S. 1070) herbeigeführt worden. Es läßt sich jedoch nicht sagen, daß die Vorschrift so eindeutig totalitärem Staatsdenken entstamme, daß sie schon deshalb verfassungsrechtlich beanstandet werden müsse. Es handelt sich eher um eine folgerichtige Weiterentwicklung des dem § 32 Abs. 1 MSchG zugrunde liegenden Gedankens in Anpassung an die Entwicklung neuer Methoden zur Deckung des staatlichen Raumbedarfs. Wie die Äußerungen im damaligen Schrifttum zeigen, gab Anlaß zu der Novelle der Umstand, daß § 1 der Ersten Ausführungsverordnung zu der genannten Verordnung vom 4. Dezember 1937 (RGBl. I S. 1325) den gesetzlichen Mieterschutz nahezu lückenlos auf alle Wohnungen ausgedehnt und insbesondere Neubauten einbezogen hatte. Daraus ergaben sich Unzuträglichkeiten für Räume, die ihrer Bestimmung nach für besondere Zwecke verfügbar bleiben sollten (Rexroth, DJ 1938, 1415 ff.; 1274 ff.; DJ 1937, 1918 ff.; Pfundner-Neubert, Das neue Deutsche Reichsrecht, II b 3 S. 43, 47 f.). Die Zweite Ausführungsverordnung vom 31. August 1938 sollte demgegenüber diejenigen Ausnahmen herstellen, die sich angesichts der Zweckbestimmung bestimmter Räume im Interesse der öffentlichen Verwaltung als notwendig erwiesen hatten. Die Raumgruppe des § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c MSchG bildet dabei für den Bereich der öffentlichen Verwaltung das Gegenstück zu der in § 23b für den Bereich der Privatwirtschaft ähnlich privilegierten Raumart. Nach dieser Bestimmung gelten die erleichterten Aufhebungsmöglichkeiten für Werk- und Betriebswohnungen auch dann, wenn die Räume dem Betriebsinhaber nicht gehören oder von ihm gemietet sind, aber nach Gesetz oder Rechtsgeschäft für Angehörige eines bestimmten Betriebes oder einer bestimmten Art von Betrieben zur Verfügung zu halten sind. Die Übertragung des in § 23b enthaltenen Rechtsgedanken auf die Fälle des § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c trägt der Tatsache Rechnung, daß der Fiskus sich bei der Beschaffung von Dienstwohnungen im wesentlichen der gleichen Rechtsformen und wirtschaftlichen Mittel bedient wie die Privatwirtschaft. Er baut, kauft und mietet nicht nur selbst Häuser und Wohnungen, sondern er fördert auch die Schaffung von Dienstwohnungen durch Dritte, die er zwischen sich und seine Bediensteten schaltet; er ruft Wohnungsunternehmungen, Beamtenheimstätten und dergleichen ins Leben und fördert sie, finanziert deren Bauvorhaben oder unterstützt sie mit Zuschüssen und bedingt sich dafür ein Verfügungsrecht über die so geschaffenen Wohnungen aus (Bettermann, Kommentar zum Mieterschutzgesetz, § 32 Randziffer 300, 301). § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c ist die konsequente rechtliche Folge aus dieser tatsächlichen Entwicklung. Bei dem zunehmenden Umfang der staatlichen Aufgaben ist es weder möglich noch zweckmäßig, daß der Staat alle von ihm benötigten Räume selbst baut oder zu Eigentum erwirbt. Es bestehen daher ausreichende Gründe dafür, die Sachregelung des § 32 Abs. 1 MSchG auch auf diese Fälle zu erstrecken.
Allerdings bringt die Zwischenschaltung eines privaten Vermieters Gefahren für den Mieter. Der private Hauseigentümer bietet nicht dieselbe Gewähr für eine vorsichtige, sachlichen und sozialen Gesichtspunkten Rechnung tragende Handhabung des Kündigungsrechts wie der Fiskus; persönliche Zu- und Abneigungen, finanzielle Interessen können seine Entscheidung beeinflussen. Trotzdem trägt die Vorschrift die Gefahr einer "Manipulierbarkeit" nicht in einem solchen Maße in sich, daß sie verfassungsrechtlich beanstandet werden müßte. Zwar kann die Zweckbindung zugunsten der öffentlichen Verwaltung, wie aus der Verweisung auf Absatz 1 folgt, jederzeit herbeigeführt werden und sich dann, wie im vorliegenden Falle, auch gegenüber bereits bestehenden Mietverhältnissen auswirken. Der zwischengeschaltete private Unternehmer hat es jedoch nicht in der Hand, sich auf dem Wege über § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c MSchG unberechtigte persönliche Vorteile auf Kosten des Mieters zu verschaffen. Der Umstand, daß Wohnungen unter § 32 MSchG fallen, ist ohne Einfluß auf die Preisbindung von Mieten nach den allgemeinen Mietpreisvorschriften. Sodann liegt es nicht im Belieben eines privaten Hauseigentümers, die Zweckbindung einer Wohnung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c herbeizuführen; er kann zwar der öffentlichen Hand ein Mieterbenennungsrecht anbieten, aber ob sein Angebot angenommen und ob davon Gebrauch gemacht wird, entscheidet die beteiligte Behörde nach Maßgabe des dienstlichen Bedarfs. Die Rechtmäßigkeit der Kündigung und damit das Vorliegen ihrer Voraussetzungen im Einzelfall unterliegt der gerichtlichen Kontrolle im Räumungsprozeß. Daß die Behörde verpflichtet ist, dem Vermieter die von ihm dem Mieter zu erstattenden Umzugskosten zu ersetzen (§ 32 Abs. 2 Abs. 4 Satz 2), wird dazu beitragen, sie zur Vorsicht zu mahnen.
Hiernach verstößt die Schlechterstellung des Mieters im Falle des § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c gegenüber der Stellung des durch Mieterschutz Geschützten weder an sich noch nach Art und Ausmaß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Ob andere Regelungen zweckmäßiger sein könnten (vgl. Roquette, JZ 1952, 71 und Kommentar zum Mieterschutzgesetz 1956, Anm. 1 zu § 32; Bettermann, Randziffer 98 a, 118, 380, 404 aaO), hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu prüfen.
II.
Wenngleich die Verfassungsbeschwerde ausdrücklich nur Art. 3 Abs. 1 GG als verletzt bezeichnet, könnte ihr Vorbringen auch als Rüge einer Verletzung von Art. 14 GG verstanden werden. Auch dieser Gesichtspunkt vermag ihr jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen.
1. Der Mieterschutz ist keine selbständige Rechtsposition, die als solche durch Art. 14 GG geschützt sein könnte, sondern eine Verstärkung der vertraglichen Rechte des Mieters. Ob diese -- besonders etwa unter dem Gesichtspunkt des Besitzschutzes -- als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG angesehen werden können, kann dahingestellt bleiben. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG wäre der Gesetzgeber jedenfalls befugt, Inhalt und Schranken dieses Rechts zu bestimmen. Dabei tritt das Recht des Mieters in Konflikt mit dem seinerseits durch Art. 14 GG geschützten Eigentum des Vermieters; gerade in einem solchen Fall ist die Abgrenzung der beiderseitigen Befugnisse Sache des Gesetzgebers.
Bei dieser Abgrenzung muß er auch der durch Art. 14 Abs. 2 GG ausgesprochenen Sozialbindung des Eigentums des Vermieters Rechnung tragen. Bei der Bedeutung, die die Wohnung als Mittelpunkt der menschlichen Existenz auch dann hat, wenn sie nicht im Eigentum der Bewohner steht, sondern nur gemietet ist (vgl. die Wertentscheidung des Art. 13 GG), können sich für den Gesetzgeber besondere verfassungsrechtliche Pflichten zum Schutze der Mieter ergeben. So kann die Sozialbindung des Eigentümers dem Gesetzgeber Anlaß geben, in Zeiten des Wohnungsmangels der Gruppe der Mieter besonderen Schutz angedeihen zu lassen. Umgekehrt muß aber der Gesetzgeber, wenn er einen solchen Schutz gewährt, befugt sein, sachlich gebotene Ausnahmen zu machen. Die Schaffung eines "sozialen Mietrechts" läßt dem Gesetzgeber viele Möglichkeiten; Sache seines Ermessens ist es, in welcher Form und mit welcher Intensität er der Wohnungsmiete Bestandsschutz gewähren will.
In Ausübung der in Art. 14 Abs. 1 GG ihm erteilten Ermächtigung muß der Gesetzgeber sowohl die Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten des Privateigentums beachten wie auch alle übrigen Normen und Wertentscheidungen der Verfassung; er darf Inhalt und Schranken des Eigentums nicht in einer Weise bestimmen, die grob sachwidrig ist und in die Interessen der Beteiligten ohne Grund oder übermäßig eingreift (vgl. BVerfGE 14, 263 [277 f.]). Daß diese Voraussetzungen gewahrt sind, ist bereits anläßlich der Prüfung an Hand des allgemeinen Gleichheitssatzes dargelegt worden. Auch wenn man eine eigentumsähnliche Rechtsposition des Mieters nach Art. 14 Abs. 1 GG unterstellt, ist die seine Stellung beschränkende Regelung des § 32 Abs. 1 und besonders des § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c MSchG zulässig, weil -- wie ausgeführt -- berechtigte Gründe des öffentlichen Interesses hierfür gegeben sind, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht verletzt ist und die rechtsstaatliche Kontrolle erhalten bleibt.
III.
Ist die Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c MSchG als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, so bleibt zu prüfen, ob ihre Anwendung durch die Gerichte in vorliegendem Falle Verfassungsrecht verletzt.
Eine gerichtliche Entscheidung verletzt Art. 3 GG nur dann, wenn die Rechtsanwendung und das eingeschlagene Verfahren bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich sind und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruhen (BVerfGE 13, 132 [150]). Dafür fehlt jeder Anhaltspunkt. Schon dem Amtsgericht lag die schriftliche Bestätigung der Bundesvermögensstelle dafür vor, daß für die Wohnung dringender öffentlicher Bedarf bestand. Das Landgericht hat hierüber weiteren Beweis erhoben. Die Würdigung der Tatsachen und Beweisergebnisse muß den ordentlichen Gerichten vorbehalten bleiben; für Willkür (vgl. hierzu BVerfGE 4, 1 [7]) ist nichts ersichtlich.