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Informationen zum Dokument  BGer 4A_123/2015  Materielle Begründung
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BGer 4A_123/2015 vom 25.08.2015
 
{T 0/2}
 
4A_123/2015
 
 
Urteil vom 25. August 2015
 
 
I. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Klett, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Niquille,
 
Gerichtsschreiber Leemann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
MIPA Baumatec AG,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Michael Hunziker,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Mipa Lacke + Farben AG,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Beutler,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Firmen- und Markenrecht,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau, 1. Kammer, vom 21. Januar 2015.
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
 
B.
 
Mit Urteil vom 21. Januar 2015 hiess das Handelsgericht des Kantons Aargau das (mittels Auslegung ergänzte) Klagebegehren Ziffer 4 gut, es verbot der Beklagten unter Strafandrohung im Widerhandlungsfall, mit Wirkung ab dem 45. Tag nach rechtskräftigem Urteil die Firma "MIPA Baumatec AG" zu führen und verpflichtete sie, die Löschung beim zuständigen Handelsregisteramt innerhalb von 44 Tagen nach Rechtskraft des Urteils anzumelden. In Gutheissung des Klagebegehrens Ziffer 7 verbot das Handelsgericht der Beklagten zudem unter Strafandrohung, den im Begehren abgebildeten Auftritt in der Schweiz im Zusammenhang mit Produkten aus der Klasse 2 der Nizza-Klassifikation, namentlich "Farben, Lacke, Farbstoffe, Holzschutzmittel und Rostlösemittel", im Geschäftsverkehr zu verwenden. Die übrigen Begehren wies das Handelsgericht ab, soweit es darauf eintrat.
1
 
C.
 
 
D.
 
 
Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1.1. Es geht um eine Zivilrechtsstreitigkeit im Zusammenhang mit geistigem Eigentum bzw. über den Gebrauch einer Firma. Dafür sieht das Bundesrecht (Art. 5 Abs. 1 lit. a und c ZPO [SR 272]) eine einzige kantonale Instanz vor (Art. 75 Abs. 2 lit. a BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen, die sich gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) richtet, ist demnach unabhängig vom Streitwert zulässig (Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG).
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1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Mit Blick auf die Begründungspflicht des Beschwerdeführers (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) behandelt es aber grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind; es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; 137 III 580 E. 1.3; 135 III 397 E. 1.4). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
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1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist (BGE 133 III 393 E. 3 S. 395).
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Erwägung 2
 
2.1. Die Beschwerdeführerin erhebt keine rechtsgenügende Sachverhaltsrüge, indem sie unter Hinweis auf eine Klagebeilage und ihre Duplik vorbringt, es sei aktenkundig, dass sie Putze und Dispersionsfarben anbiete, mithin Produkte, die beim Betrieb einer Baustelle benötigt würden. Ebenso wenig zeigt sie auf, noch vermag einzuleuchten, weshalb die Vorinstanz als notorisch (vgl. Art. 151 ZPO) hätte voraussetzen müssen, dass "weder ein Lackverarbeiter noch ein Industriebetrieb Produkte für den Betrieb einer Baustelle braucht".
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2.2. Die Beschwerdeführerin vermag auch keine Aktenwidrigkeit aufzuzeigen, indem sie unter Hinweis auf eine Duplik- und eine Klagebeilage behauptet, die "A.________, in U.________" sei der "offizielle Vertriebspartner der B.________ für die Kantone BS/BL/SO/AG/ZH/VS (nur deutschsprachiger Teil) /LU/OW/NW/UR/SZ/ZG", woraus folge, dass die Beschwerdegegnerin nur in der Ostschweiz tätig sei. Die Beschwerdeführerin zeigt weder mit Aktenhinweis auf, dass sie im kantonalen Verfahren entsprechende Behauptungen erhoben hätte, noch geht aus ihren Ausführungen hervor, inwiefern sich die Vorinstanz infolge eines Versehens mit den Akten in Widerspruch gesetzt haben soll.
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2.3. Auch die vorinstanzliche Feststellung, wonach die deutsche B.________ der Beschwerdegegnerin mit Lizenzvertrag vom 19. April 2013 eine ausschliessliche Lizenz für die international eingetragene Marke "mipa" eingeräumt hat, vermag die Beschwerdeführerin nicht als willkürlich auszuweisen. Sie verweist lediglich auf die soeben erwähnte Duplikbeilage, aus der sich ergeben soll, dass die deutsche Muttergesellschaft B.________ in bestimmten Kantonen der Deutschschweiz einen anderen Vertriebspartner habe, weshalb entgegen dem abgeschlossenen Lizenzvertrag keine ausschliessliche Lizenz vorliege, zeigt aber nicht mit Aktenhinweisen auf, im Rahmen des kantonalen Verfahrens entsprechende Tatsachenbehauptungen aufgestellt zu haben. Abgesehen davon stellt sie dem angefochtenen Entscheid lediglich unter Hinweis auf die fragliche Beilage ihre eigene Ansicht gegenüber, ohne darzulegen, inwiefern die vorinstanzliche Feststellung das Willkürverbot (Art. 9 BV) verletzen würde. Nachdem die Vorinstanz gestützt auf das Vertragsdokument vom 19. April 2013 zur Überzeugung gelangte, es liege eine ausschliesslichen Lizenz vor, geht auch der Vorwurf der Verletzung der Beweislastregel (Art. 8 ZGB) ins Leere (vgl. BGE 138 III 193 E. 6.1 S. 202 mit Hinweisen).
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2.4. Neu und damit unbeachtlich (Art. 99 Abs. 1 BGG) ist das Vorbringen, die Beschwerdegegnerin habe die Marke "mipa" für die beanspruchten Waren nicht gebraucht. Entsprechend ist das auf diese tatsächliche Behauptung gestützte Argument, die Beschwerdegegnerin müsse sich nach Art. 12 MSchG den Nichtgebrauch der Marke entgegenhalten lassen, nicht zu hören.
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2.5. Die Beschwerdeführerin erhebt zudem keine hinreichende Verfassungsrüge (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG), wenn sie der Vorinstanz ohne weitere Begründung vorwirft, die Vorinstanz begründe nicht, weshalb "Mipa" origineller sein soll als "Baumatec" und gestützt darauf eine Gehörsverletzung (Art. 29 Abs. 2 BV) behauptet. Insbesondere legt sie in keiner Weise dar, inwiefern ihr die Begründung des angefochtenen Entscheids verunmöglicht hätte, diesen sachgerecht anzufechten (vgl. BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188; 134 I 83 E. 4.1 S. 88; 133 III 439 E. 3.3 S. 445; je mit Hinweisen).
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Erwägung 3
 
 
Erwägung 4
 
4.1. Die Vorinstanz erwog, die Firma "Mipa Lacke + Farben AG" bestehe, abgesehen von der gesetzlich vorgeschriebenen Angabe der Gesellschaftsform, aus dem Wort "Mipa" und der Sachbezeichnung "Lacke + Farben". Im Gedächtnis haften bleibe der charakteristische Bestandteil "Mipa", der auch an prominenter erster Stelle stehe. Vergleiche man sodann die klägerische Firma mit "MIPA Baumatec AG", ergebe sich der Gesamteindruck, dass der Bestandteil "MIPA" bzw. "Mipa" dominierend sei. Die Beschwerdeführerin verwende das Akronym zwar in Grossbuchstaben, während die Beschwerdegegnerin es in Gross- und Kleinschreibung verwende; die unterschiedliche Schreibweise falle aber bei gleicher Aussprache nicht ins Gewicht. Im Gesamteindruck steche "mipa" besonders hervor und habe aufgrund seiner Stellung besondere Prägungskraft; es handle sich dabei um den erinnerungsträchtigen Teil.
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4.2. Die Firma einer Aktiengesellschaft muss sich von allen in der Schweiz bereits eingetragenen Firmen von Gesellschaften in der Rechtsform der AG, der GmbH und der Genossenschaft deutlich unterscheiden (Art. 951 Abs. 2 OR), ansonsten der Inhaber der älteren Firma wegen Verwechslungsgefahr auf Unterlassung des Gebrauchs der jüngeren Firma klagen kann (vgl. Art. 956 Abs. 2 OR; BGE 131 III 572 E. 3 S. 575; 122 III 369 E. 1 S. 370). Der Begriff der Verwechslungsgefahr ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung für das gesamte Kennzeichenrecht einheitlich zu umschreiben (BGE 128 III 401 E. 5 S. 403; 127 III 160 E. 2a S. 165; 126 III 239 E. 3a). Es handelt sich dabei um eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht grundsätzlich frei geprüft wird (BGE 128 III 353 E. 4 S. 359 mit Hinweisen).
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Erwägung 4.3
 
4.3.1. Die streitigen Firmen beginnen beide mit dem Element "Mipa" bzw. "MIPA". Auch die Beschwerdeführerin räumt ein, dass es sich dabei nicht um ein gebräuchliches Wort mit erkennbarem Sinngehalt handelt. Sie behauptet lediglich, es sei in beiden Fällen aus den Anfangsbuchstaben von Nach- und Vornamen der Gründer der jeweiligen Gesellschaften zusammengesetzt, macht jedoch zu Recht nicht geltend, dass dies für Aussenstehende erkennbar wäre.
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Erwägung 5
 
5.1. Die Vorinstanz erwog, bei dem von der Beschwerdeführerin verwendeten Zeichen
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fielen die in kleinerer Schrift auf der zweiten Zeile angeordneten Wörter "Baumaschinen" und "Baumaterial" in der Wahrnehmung weniger auf als das auf der ersten Zeile stehende und durch Fettmarkierung hervorstechende "MIPA". Das autoähnliche graphische Element steche ebenfalls weniger hervor, zumal es sich um eine Kombination von drei unterschiedlich stark geschwungenen Pinselstrichen handle (zwei schwarzen und einem blauen), so dass der Betrachter kein klares Objekt darin erkennen könne. Auf jeden Fall vermöge dieses Bildelement den Gesamteindruck nicht derart zu ändern, dass eine Ähnlichkeit zu verneinen wäre. Weil nicht genau erkennbar sei, was es darstellen solle, werde das Bildelement vom Durchschnittskonsumenten wohl eher als reines Dekorationselement wahrgenommen. In der Gesamtbetrachtung des Internetauftritts der Beschwerdeführerin steche "MIPA" stärker hervor als die weiteren Zeichenbestandteile, die eher schwach kennzeichnungskräftig seien, da sie Sachbegriffen gleichkämen. Zudem werde "MIPA" durch Fettmarkierung und blaue Farbe hervorgehoben und graphisch so zentriert, dass der Betrachter zuerst dieses Wort wahrnehme und erst auf den zweiten Blick die weiteren Wörter und das Bildelement. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin das Kennzeichen "MIPA" (unter anderem) im Zusammenhang mit denselben Produkten (d.h. Farben) wie die Beschwerdegegnerin verwende. Insgesamt schaffe das Zeichen der Beschwerdeführerin daher die Gefahr einer Verwechslung mit der Marke der Beschwerdegegnerin.
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Erwägung 5.2
 
5.2.1. Der Markeninhaber kann anderen verbieten lassen, Zeichen zu gebrauchen, die der älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt (Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG). Eine solche besteht, wenn das jüngere Zeichen die ältere Marke in ihrer Unterscheidungsfunktion beeinträchtigt. Dies ist der Fall, wenn zu befürchten ist, dass die massgeblichen Verkehrskreise sich durch die Ähnlichkeiten der Zeichen irreführen lassen und Waren, die das eine oder das andere Zeichen tragen, dem falschen Markeninhaber zurechnen, oder falls das Publikum die Zeichen zwar auseinanderzuhalten vermag, aufgrund ihrer Ähnlichkeit aber falsche Zusammenhänge vermutet (BGE 128 III 96 E. 2a, 441 E. 3.1 S. 445; 127 III 160 E. 2a S. 165 f.; 122 III 382 E. 1 S. 384).
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5.2.2. Die Beschwerdeführerin stellt im Zusammenhang mit dem von der Vorinstanz geschützten markenrechtlichen Anspruch zu Recht nicht in Frage, dass es sich bei der Verwendung des strittigen Zeichens auf ihrer Internetseite um einen kennzeichenmässigen Gebrauch im geschäftlichen Verkehr handelt, der unter die Verbotsrechte des Markeninhabers nach Art. 13 Abs. 2 lit. e MSchG fällt (vgl. Florent Thouvenin / LARA DORIGO, in: Michael Noth und andere [Hrsg.], Markenschutzgesetz [MSchG], 2009, N. 75 zu Art. 13 MSchG). Sie beruft sich aber auch hier zu Unrecht darauf, "mipa" komme keine bzw. nur geringe Kennzeichnungskraft zu. Sie verkennt, dass keine Bedeutung von "mipa" ersichtlich ist, die für die beanspruchten Waren der Klasse 2 (Farben, Lacke, Farbstoffe, Holzschutzmittel und Rostlösemittel) beschreibend sein könnte; vielmehr erscheint das Zeichen für diese Waren als Phantasiebezeichnung, die entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht durchaus kennzeichnungskräftig ist. Davon, dass aufgrund eines angeblich geringen Schutzumfangs der Marke bereits kleine Abweichungen oder Zusätze einen genügenden Zeichenabstand begründen könnten, kann keine Rede sein.
16
 
Erwägung 6
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. 
 
2. 
 
3. 
 
4. 
 
Lausanne, 25. August 2015
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Klett
 
Der Gerichtsschreiber: Leemann
 
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