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Informationen zum Dokument  BGE 129 IV 338  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Der Beschwerdeführer macht geltend, Art. 305ter Abs. 1 St ...
3. Den Tatbestand von Art. 305ter Abs. 1 StGB erfüllt, wer b ...
8. Der Richter verfügt die Einziehung von Vermögenswert ...
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50. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
6S.263/2002 vom 27. Oktober 2003
 
 
Regeste
 
Art. 305ter Abs. 1 StGB; mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften.  
Mangelnde Sorgfalt bei der Abklärung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten im konkreten Fall bejaht (E. 3).  
Art. 59 StGB; Einziehung von Vermögenswerten.  
Die als Entgelt für die Geldtransporte erlangten Provisionen unterliegen der Einziehung (E. 8).  
 
Sachverhalt
 
BGE 129 IV, 338 (338)A.- X. ist seit rund 25 Jahren als Wechselagent und professioneller Geldkurier tätig. Im Jahr 1995 nahm er das Angebot des Mitangeklagten BGE 129 IV, 338 (339)Z. an, gegen eine Provision von 3-3.5% des Wertes Bargeld in englischer Währung von London in die Schweiz zu transportieren. In der Zeit von Mai bis November 1995 transportierte er in ca. 20 Malen Bargeld im Gesamtwert von umgerechnet rund 13 Millionen Schweizer Franken von London in die Schweiz. Er wechselte das Geld in der Schweiz in Schweizer Franken und zahlte es auf ein Konto einer von ihm beherrschten Unternehmung bei einer Bank ein, über welches er zeichnungsberechtigt war. Er liess in der Zeit von Mai bis November 1995 nach Abzug der ihm zustehenden Provision die Gelder gemäss den Instruktionen des Mitangeklagten Z. auf Konten der von diesem als Geschäftsführer und Hauptaktionär beherrschten A. AG bei zwei Banken in Zürich überweisen oder in bar per Post dem Mitangeklagten Z. zukommen. Einen Teil der Gelder liess er im Rahmen eines vom Mitangeklagten Z. eingefädelten Kompensationsgeschäfts auf das Konto einer anderen Person bei einer Bank in Zürich überweisen. X. war bei allen diesen Transaktionen die Identität des an den Geldern wirtschaftlich Berechtigten nicht bekannt und er unterliess es, diesbezügliche Abklärungen zu treffen. Stattdessen begnügte er sich mit den Angaben des Mitangeklagten Z., wonach es sich um Gelder eines jüdischen Konzerns beziehungsweise um Schwarzgelder (Steuerfluchtgelder) respektive um Gelder aus Hotels beziehungsweise aus Casinos handle.
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B.- Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X. am 27. März 2002 in Bestätigung des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 30. April 2001 der mangelnden Sorgfalt bei Finanzgeschäften (Art. 305ter Abs. 1 StGB) schuldig. Es verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 8 Monaten, unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 15 Tagen. X. wurde verpflichtet, dem Staat als Ersatz für nicht mehr vorhandenen widerrechtlich erlangten Vermögensvorteil Fr. 10'000.- zu bezahlen.
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C.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben.
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Das Bundesgericht weist die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
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Aus den Erwägungen:
 
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BGE 129 IV, 338 (340)2.1 Die Vorinstanz hält fest, der Beschwerdeführer habe nicht lediglich Bargeld von London in die Schweiz transportiert, sondern dieses zudem in der Schweiz in eine andere Währung gewechselt, auf Bankkonten einbezahlt und dann auf andere Konten weiter überwiesen beziehungsweise in bar weitergeleitet. Der Beschwerdeführer gehöre daher zweifelsfrei zu dem von Art. 305ter Abs. 1 StGB erfassten Täterkreis.
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2.3 Art. 305ter Abs. 1 StGB umschreibt ein echtes Sonderdelikt (TRECHSEL, Schweiz. Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., 1997, Art. 305ter StGB N. 2; MARK PIETH, Basler Kommentar, StGB II, 2003, Art. 305ter StGB N. 7; STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht, Bes. Teil II, 5. Aufl. 2000, § 55 N. 47; SCHMID, Kommentar Einziehung, Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Bd. II, 2002, § 6 N. 41, 64, je mit Hinweisen). Täter kann nur sein, wer berufsmässig fremde Vermögenswerte annimmt, aufbewahrt, anlegen oder übertragen hilft. Gemäss den Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates ist die Täterdefinition mit der Umschreibung der Tätigkeit zusammen zu lesen. Die Umschreibung der Tätigkeit ("... annimmt, aufbewahrt, ...") habe für sich allein aber wenig Gewicht. Sie habe die Funktion, die Branche bezeichnen zu helfen. Sie soll das Gesamtfeld der typischen Transaktionen des Finanzsektors abdecken. Die Täterumschreibung in Art. 305ter Abs. 1 StGB erfasse die im Finanzsektor tätigen Personen als Branche. Gemeint seien neben den Banken und Finanzinstituten (einschliesslich Parabanken) etwa Treuhänder, Anlageberater, Finanzverwalter, "Money Changers", Edelmetallhändler und Geschäftsanwälte (zum Ganzen Botschaft des Bundesrates über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches [Gesetzgebung über Geldwäscherei und mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften], BBl 1989 II 1061 ff., S. 1088 f.). Es sollen nicht beliebige Geschäftsleute erfasst werden, welche im Rahmen ihrer Berufsausübung beispielsweise fremde Vermögenswerte annehmen. Austauschgeschäfte von Waren oder Dienstleistungen gegen Geld seien zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen (z.B. nicht beim Gold- und Edelsteinhandel). Der Anwendungsbereich von Art. 305ter StGB sei jedoch auf die typischerweise missbrauchsanfälligen BGE 129 IV, 338 (341)Branchen beschränkt. Dazu gehörten Geschäfte mit liquiden oder sehr leicht liquidierbaren Werten (Botschaft, a.a.O., S. 1088 f.).
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Massgebend ist, ob die Berufstätigkeit dem Finanzsektor zuzurechnen ist, was sich auch aus der Marginalie von Art. 305ter StGB ("Mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften") ergibt (TRECHSEL, a.a.O., Art. 305ter StGB N. 2, mit Hinweisen). Bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs ist das - später erlassene - Bundesgesetz vom 10. Oktober 1997 zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Finanzsektor (Geldwäschereigesetz, GwG; SR 955.0) heranzuziehen (siehe MARK PIETH, a.a.O., Art. 305ter StGB N. 9, mit Hinweisen), welches Art. 305ter StGB unter anderem auch hinsichtlich des Täterkreises konkretisiert (SCHMID, a.a.O., § 6 N. 55 f., 58). Das Geldwäschereigesetz regelt nach Art. 1 die Bekämpfung der Geldwäscherei und die Sicherstellung der Sorgfalt bei Finanzgeschäften und gilt gemäss Art. 2 Abs. 1 für "Finanzintermediäre". Nach Art. 2 Abs. 3 GwG sind Finanzintermediäre auch Personen, die berufsmässig fremde Vermögenswerte annehmen oder aufbewahren oder helfen, sie anzulegen oder zu übertragen, insbesondere unter anderem Personen, die Dienstleistungen für den Zahlungsverkehr erbringen, namentlich für Dritte elektronische Überweisungen vornehmen (lit. b), für eigene oder fremde Rechnung mit Banknoten oder Münzen handeln (lit. c) oder Vermögen verwalten (lit. e). Finanzintermediäre sind unter anderem auch die Spielbanken nach dem Spielbankengesetz (Art. 2 Abs. 2 lit. e GwG).
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Täter im Sinne von Art. 305ter Abs. 1 StGB kann sein, wer Finanzgeschäfte tätigt, d.h. Finanzdienstleistungen erbringt (SCHMID, a.a.O., § 6 N. 69, 75, 112). In der Lehre finden sich nur spärliche Äusserungen zur Frage, ob der Geldtransporteur unter Art. 305ter Abs. 1 StGB fällt (bejahend etwa SCHMID, a.a.O., § 6 N. 113, mit Hinweis auf deren Bedeutung in der Praxis). Die Transporteure könnten im kritischen Abgrenzungsbereich liegen (siehe GEORG FRIEDLI, Die gebotene Sorgfalt nach Art. 305ter Strafgesetzbuch für Banken, Anwälte und Notare, in: Mark Pieth [Hrsg.], Bekämpfung der Geldwäscherei - Modellfall Schweiz?, 1992, S. 123 ff., 127, betreffend Transport von Wertsachen).
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Diese Tätigkeiten des Beschwerdeführers sind im Lichte der vorstehenden Erwägungen jedenfalls in ihrer Gesamtheit als Finanzgeschäft, d.h. als eine Finanzdienstleistung zu qualifizieren, und der Beschwerdeführer fällt daher unter den Anwendungsbereich von Art. 305ter StGB.
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3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die gebotene Sorgfalt beurteile sich nach der konkreten Situation, wobei der Besonderheit der einzelnen Berufe Rechnung zu tragen sei. Vorliegend sei zu beachten, dass die inkriminierten Transaktionen im Jahre 1995 erfolgt seien. Damals sei man sich der Problematik von gewaschenem und insbesondere vorgewaschenem Geld weniger bewusst gewesen als heute. Es habe damals dem üblichen Standard genügt, dass der Lieferant garantiere, die Gelder seien nicht kriminellen Ursprungs. Er habe den Auftraggeber, den Mitangeklagten Z., als langjährigen, seriösen Geschäftspartner gekannt und sich vergewissert, dass hinter diesem der Mitangeklagte V. stehe, den er ebenfalls gekannt habe. Er habe auch gewusst, dass er die transportierten Gelder in der Schweiz auf Konten der A. AG bei einer Schweizer Bank einzuzahlen habe. Der Auftraggeber Z. habe ihm mitgeteilt, bei den zu transportierenden Geldern handle es sich um Schwarzgeld, um Steuerfluchtkapital. Der Beschwerdeführer habe verschiedene Sicherheitsmassnahmen getroffen. Er habe vom Auftraggeber Z. eine Unbedenklichkeitsgarantie verlangt und erhalten. Er habe sich darauf verlassen, dass der Auftraggeber Z. mit der Unterzeichnung der Unbedenklichkeitsgarantie auch zum Ausdruck bringe, dass ihm die wirtschaftlich Berechtigten bekannt seien. Er habe die Unbedenklichkeitsgarantie einer Bank in Chiasso vorgelegt, wo ihm versichert worden sei, dass man das Geld wechseln würde. Er habe einen hohen Polizeibeamten kontaktiert. Dieser habe ihn zwar allgemein vor den mit solchen Geschäften verbundenen Gefahren gewarnt, ihn aber nicht darauf hingewiesen, dass er in jedem Fall den wirtschaftlich Berechtigten abklären müsse. Dies mache deutlich, dass man sich im Jahr 1995 BGE 129 IV, 338 (343)der Problematik der Kenntnis des wirtschaftlich Berechtigten noch nicht bewusst gewesen sei. Zu beachten sei insbesondere auch, dass er nur Geldtransporteur gewesen sei. An die Sorgfaltspflicht eines Geldtransporteurs dürften keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden. Er habe durch die von ihm getroffenen Vorkehrungen die nach den Umständen gebotene Sorgfalt bei der Abklärung des wirtschaftlich Berechtigten aufgewendet und daher seine Sorgfaltspflicht, sofern eine solche überhaupt bestanden habe, nicht verletzt.
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3.2 Die Vorbringen des Beschwerdeführers stehen teilweise im Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz und sind daher insoweit im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277bis BStP). Sie sind im Übrigen unbegründet. Dass der Beschwerdeführer auf Grund der Auskünfte des Mitangeklagten Z. allenfalls davon ausgehen durfte, das Geld sei "sauber" beziehungsweise nicht krimineller Herkunft, ist unerheblich. Die Identifikationspflicht im Sinne von Art. 305ter Abs. 1 StGB besteht unabhängig davon und auch bei "sauberem" Geld. Dass der Mitangeklagte Z. durch die Ausstellung einer Unbedenklichkeitsgarantie nach der Meinung des Beschwerdeführers auch zum Ausdruck brachte, ihm seien die wirtschaftlich Berechtigten bekannt, ist ebenfalls unerheblich. Der Beschwerdeführer musste die Identität der wirtschaftlich Berechtigten abklären, auch wenn er, wie er behauptet, davon ausgegangen sein sollte, diese seien dem Auftraggeber Z. bekannt. Der Beschwerdeführer war im Übrigen nicht bloss Transporteur des Geldes, sondern übte diesbezüglich weitere Tätigkeiten aus, indem er das Geld in der Schweiz wechselte, auf ein Bankkonto einer von ihm beherrschten Unternehmung einzahlte und die Gelder gemäss den Instruktionen des Mitangeklagten Z. weiterleitete. Unter den gegebenen Umständen wäre der Beschwerdeführer, der innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten in ca. 20 Malen Bargeld im Gesamtwert von umgerechnet rund 13 Millionen Schweizer Franken von London in die Schweiz transportierte, zumindest verpflichtet gewesen, sich, etwa vom Mitangeklagten Z., Dokumente vorlegen zu lassen, welche die Identität des wirtschaftlich Berechtigten auswiesen (vgl. dazu auch Art. 3 ff. GwG).
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(...)
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BGE 129 IV, 338 (344)Der Richter kann von einer Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde (Art. 59 Ziff. 2 Abs. 2 StGB). Den durch eine strafbare Handlung erlangten Vermögensvorteil sieht die Vorinstanz in den Provisionen, welche der Beschwerdeführer für die Geldtransporte erhielt. Da dieser Vermögensvorteil nicht mehr vorhanden war, musste auf eine staatliche Ersatzforderung erkannt werden. Diese wurde mit Rücksicht auf die misslichen finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers erheblich reduziert.
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8.2 Art. 305ter Abs. 1 StGB umschreibt nicht ein Unterlassungs-, sondern ein Begehungsdelikt. Die Pflicht zur Feststellung der Identität des wirtschaftlich Berechtigen mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt besteht nur dann und deshalb, wenn und weil in Bezug auf fremde Vermögenswerte eine der in Art. 305ter Abs. 1 StGB umschriebenen Handlungen vorgenommen wird. Straftat ist die Vornahme einer Handlung im Sinne von Art. 305ter Abs. 1 StGB an Vermögenswerten, an welchen Personen wirtschaftlich berechtigt sind, deren Identität nicht mit der gebotenen Sorgfalt festgestellt wurde (siehe BGE 125 IV 139 E. 3b S. 142; TRECHSEL, a.a.O., Art. 305ter StGB N. 6; STRATENWERTH, a.a.O., § 55 N. 51; SCHMID, a.a.O., § 6 N. 46, 190, je mit Hinweisen; anderer Auffassung Botschaft des Bundesrates, BBl 1989 II 1061ff., S. 1089). Im vorliegenden Fall besteht die strafbare Handlung unter anderem im Transport von fremden Geldern, an welchen eine Person wirtschaftlich berechtigt war, deren Identität der Beschwerdeführer nicht gehörig festgestellt hat. Für diese mangels gehöriger Identifikation des Berechtigten strafbaren Geldtransporte hat der Beschwerdeführer die Provisionen erhalten. Er hat mithin den Vermögenswert im Sinne von Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 StGB durch eine strafbare Handlung erlangt.
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BGE 129 IV, 338 (345)Der vorliegende Fall unterscheidet sich wesentlich von dem in BGE 125 IV 4 beurteilten Sachverhalt. Dort ging es um die Veräusserung von Sachen, die nach der irrtümlichen subjektiven Vorstellung des Verkäufers aus einer Straftat stammten. Der Verkäufer erfüllte daher den Tatbestand des untauglichen Versuchs der Hehlerei. Die Veräusserung war aber objektiv nicht tatbestandsmässig, da die Sachen in Tat und Wahrheit nicht aus einer Straftat stammten.
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