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Informationen zum Dokument  BGE 139 III 155  Materielle Begründung
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Regeste
Aus den Erwägungen:
Erwägung 2
3. Da der Begriff des Bonus im Obligationenrecht nicht definiert  ...
Erwägung 4
Erwägung 5
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21. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Bank X. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
 
 
4A_520/2012 vom 26. Februar 2013
 
 
Regeste
 
Art. 322 und 322d OR; Qualifikation einer Sondervergütung (Bonus) als freiwillige Gratifikation oder Lohnbestandteil?  
 
BGE 139 III, 155 (155)Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 2
 
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Dabei wurde vorgesehen, dass die PIP-Anteile über einen Zeitraum von 5 Jahren (während der sogenannten Vesting-Periode) gesperrt bleiben, wobei der Arbeitnehmer erst nach Ablauf der Laufzeit über den gesperrten Aktienbonus verfügen kann (Aufschubklausel). Während dieser Dauer können die Anteile linear zu 20 % pro Jahr (erstmals im Januar 2007) "gevestet" werden, d.h. der Anteil wird für den Arbeitnehmer damit unentziehbar. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Sperrfrist verliert der Arbeitnehmer die nicht "gevesteten" PIP-Anteile (Verfallklausel).
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BGE 139 III, 155 (156)2.2 Die Vorinstanz hat im Wesentlichen erwogen, dass es sich bei den PIP-Anteilen, d.h. beim aufgeschobenen bzw. gesperrten Aktienbonus, um eine freiwillige Gratifikation handle, weshalb der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Auszahlung des Bonus habe.
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Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe die PIP-Anteile zu Unrecht als Gratifikation qualifiziert. Bei den PIP-Anteilen handle es sich vielmehr um einen Anteil am Geschäftsergebnis, somit um einen Lohnbestandteil (s. E. 4). Hinzu komme, dass der Bonus im Verhältnis zum Fixlohn nicht akzessorisch sei, weshalb die PIP-Anteile auch aus diesem Grund im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als Lohnbestandteil zu qualifizieren seien (s. E. 5). Schliesslich bringt der Beschwerdeführer vor, dass ihm unabhängig von der rechtlichen Qualifikation der PIP-Anteile mit Ziffer 4.7 des Dokuments "Salärrevision und Bonuszuteilung" zugesichert worden sei, dass er auch im Kündigungsfall Anspruch auf Barauszahlung des aufgeschobenen Aktienbonus habe (s. nicht publ. E. 6).
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3.1 Eine Gratifikation ist eine Sondervergütung, welche der Arbeitgeber neben dem Lohn bei bestimmten Anlässen, wie Weihnachten oder Abschluss des Geschäftsjahrs, ausrichtet (Art. 322d Abs. 1 OR). Sie zeichnet sich gegenüber dem Lohn dadurch aus, dass sie zum Lohn hinzutritt und immer in einem gewissen Masse vom Willen des Arbeitgebers abhängt. Die Gratifikation wird damit ganz oder zumindest teilweise freiwillig ausgerichtet (BGE 131 III 615 E. 5.2 S. 620; BGE 129 III 276 E. 2 S. 278). Dies ist anzunehmen, wenn dem Arbeitgeber zumindest bei der Festsetzung der Höhe des Bonus ein Ermessen zusteht. Ein solches Ermessen ist zu bejahen, wenn die Höhe des Bonus nicht nur vom Erreichen eines bestimmten Geschäftsergebnisses, sondern zudem auch von der subjektiven Einschätzung der persönlichen Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber abhängig gemacht wird (Urteil 4A_28/2009 vom 26. März 2009 E. 2.3 mit Hinweis). Ein im Voraus festgesetzter und fest vereinbarter Betrag kann daher keine Gratifikation sein (BGE 136 III 313 E. 2 S. 317 mit Hinweisen).
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3.2 Überdies darf eine Gratifikation, um den Charakter einer Sondervergütung zu wahren, neben dem Lohn nur eine zweitrangige BGE 139 III, 155 (157)Bedeutung haben. Die entsprechende Grenze kann nicht einfach in einer festen Verhältniszahl zwischen dem vereinbarten Lohn und der freiwilligen Gratifikation liegen. Vielmehr sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. So hat bei einem niedrigen Einkommen ein kleiner Einkommensunterschied mehr Bedeutung als bei einem hohen Einkommen. Entsprechend kann bei einem hohen Einkommen der als Gratifikation ausgerichtete Teil der Leistung prozentual zum Lohn grösser sein als bei einem niedrigen Einkommen (BGE 131 III 615 E. 5.2. S. 621). Immerhin erscheint der akzessorische Charakter dann kaum mehr gewahrt, wenn die Gratifikation regelmässig einen höheren Betrag erreicht als der Lohn (BGE 129 III 276 E. 2.1 S. 279 f.).
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Erwägung 4
 
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BGE 139 III, 155 (158)4.3 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass es für die Berechnung des Bonus bzw. für die PIP's keine Formel gegeben habe. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat der Bonus denn auch nicht in einem zum Voraus festgesetzten und fest vereinbarten Betrag bestanden. Vielmehr kam die Vorinstanz zum Schluss, dass die Höhe des Bonus eine reine Ermessenssache und demnach vom Willen des Arbeitgebers abhängig gewesen sei. Nach der zitierten Rechtsprechung (vgl. E. 3.1) schliesst eine Qualifikation des Bonus als Gratifikation nicht aus, dass der Bonus in gewissem Masse auch vom Erreichen eines bestimmten Geschäftsergebnisses abhängig gemacht wurde. Dass für die Berechnung des Bonus bzw. der PIP's jedoch ausschliesslich das Geschäftsergebnis massgebend gewesen wäre resp. dass vertraglich vereinbart worden wäre, dass der Bonus ausschliesslich auf einer klaren Prozentzahl am Gesamtergebnis basiere, findet in den Feststellungen der Vorinstanz keine Stütze. Der Beschwerdeführer vermag denn auch nicht darzutun, dass die Parteien eine Beteiligung des Beschwerdeführers an einem jährlich messbaren Geschäftsergebnis vereinbart hätten. Die Rüge der Verletzung von Art. 322a OR ist unbegründet. Die Vorinstanz hat den Bonus bzw. die PIP-Anteile zu Recht als Gratifikation qualifiziert.
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Erwägung 5
 
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5.3 Die zitierte bundesgerichtliche Rechtsprechung (vgl. E. 3.2), wonach eine Gratifikation - um den Charakter einer BGE 139 III, 155 (159)Sondervergütung zu wahren - im Verhältnis zum Lohn akzessorisch sein muss, basiert auf dem Gedanken, dass es dem Arbeitgeber verwehrt sein soll, die eigentliche Vergütung des Arbeitnehmers in Form einer (freiwilligen) Gratifikation auszurichten. Der Lohn stellt einen notwendigen und wesentlichen Vertragsbestandteil eines arbeitsvertraglichen Verhältnisses dar, womit der Arbeitgeber zur Zahlung eines Lohnes verpflichtet ist. Es ist demnach nicht zulässig und widerspricht dem Sinn der Norm (Art. 322d OR), wenn die Gratifikation - als freiwillige, vom Wohlwollen und Ermessen des Arbeitgebers abhängige Sondervergütung - das ausschliessliche oder hauptsächliche Entgelt des Arbeitnehmers darstellt (vgl. Urteil 4C.364/2004 vom 1. Juli 2005 E. 2.2).
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Sobald der eigentliche Lohn jedoch ein Mass erreicht, das die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers bei Weitem gewährleistet bzw. seine Lebenshaltungskosten erheblich übersteigt, kann die Höhe der Gratifikation im Verhältnis zum Lohn kein tragbares Kriterium mehr sein, um über den Lohncharakter der Sondervergütung zu entscheiden (sinngemäss WOLFGANG PORTMANN, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 19 zu Art. 322d OR; so auch REHBINDER/STÖCKLI, in: Berner Kommentar, 2010, N. 1 zu Art. 322d OR; REMY WYLER, Droit du travail, 2. Aufl. 2008, S. 169; CONRADIN CRAMER, Der Bonus im Arbeitsvertrag, 2007, S. 110 ff.). Bei derartigen Einkommensverhältnissen, die nicht nur bei Weitem die Kosten für einen angemessenen Lebensunterhalt des Arbeitnehmers, sondern auch den Durchschnittslohn um ein Vielfaches übersteigen, lässt sich ein Eingriff in die Privatautonomie der Parteien durch ein entsprechendes Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers nicht legitimieren. Es besteht kein Anlass mehr, mit Mitteln des Arbeitsrechts korrigierend zugunsten des Arbeitnehmers in das Verhältnis zwischen geschuldetem Salär und der im Ermessen des Arbeitgebers stehenden zusätzlichen (freiwilligen) Entschädigung einzuschreiten. Unter dieser Voraussetzung ist, in Präzisierung der Rechtsprechung, das Verhältnis der Höhe dieser Sondervergütung zum Fixlohn ohne Bedeutung.
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Das Verhältnis zwischen dem Bonus und dem Lohn ist demnach nicht entscheidrelevant, weshalb auf die diesbezüglichen Argumente des Beschwerdeführers nicht weiter eingegangen werden muss. In diesem Sinne hat die Vorinstanz die PIP-Anteile zu Recht als Gratifikation (Art. 322d OR) qualifiziert. Entsprechend hat der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf die Auszahlung des aufgeschobenen Aktienbonus.
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