VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGE 143 II 617  Materielle Begründung
Abruf und Rang:
RTF-Version (SeitenLinien), Druckversion (Seiten)
Rang: 

Zitiert durch:

Zitiert selbst:

Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 4
Erwägung 5
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
44. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. GastroSuisse und hotelleriesuisse je gegen Suissimage Schweizerische Genossenschaft für die Urheberrechte an audiovisuellen Werken und Mitb. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
 
 
2C_685/2016 / 2C_806/2016 vom 13. Dezember 2017
 
 
Regeste
 
Art. 1 Abs. 2, 10 Abs. 1 und 2 lit. e und f, 19 Abs. 1 lit. a, 22 Abs. 2 URG; Art. 11bis Abs. 1 Ziff. 2 und 3 RBÜ; Art. 8 WCT; Gemeinsamer Tarif 3a Zusatz betreffend die Entschädigung für den Sendeempfang in Gästezimmern von Hotels; entschädigungsfreier Privatgebrauch.  
Aufgrund der Kritik in der Lehre (E. 5.2.2), des Wortlautes der Bestimmung (E. 5.2.3), der seit 1993 weiter entwickelten völkerrechtlichen Verpflichtungen (E. 5.2.4) und der entsprechenden Rechtsprechung (E. 5.2.5) ergibt sich (in teilweiser Abkehr von BGE 119 II 51), dass die Weitersendung von Werken in Gästezimmer von Hotels eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 11bis Abs. 1 RBÜ darstellt, weshalb Art. 22 Abs. 2 URG nicht anwendbar ist (E. 5.2.6). Der Konsum von Radio- und Fernsehsendungen in Hotelzimmern stellt auch keinen entschädigungsfreien Privatgebrauch im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a URG dar (E. 5.3).  
 
Sachverhalt
 
BGE 143 II, 617 (618)A.
1
A.a Am 4. Dezember 2007 genehmigte die Eidgenössische Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten BGE 143 II, 617 (619)Schutzrechten (im Folgenden: ESchK bzw. Schiedskommission) auf Antrag von fünf zugelassenen Verwertungsgesellschaften den Gemeinsamen Tarif 3a betreffend den Empfang von Sendungen, Aufführungen mit Ton- und Tonbildträgern zur allgemeinen Hintergrund-Unterhaltung (nachfolgend: GT 3a).
2
A.b Keine Genehmigung erteilte die ESchK dagegen mit Beschlüssen vom 26. März 2010 einem GT 3a TV (Empfang von Fernsehsendungen ausserhalb des privaten Bereichs sowie gewisse Vorführungen von Tonbild-Trägern) und einem GT 3a Radio und Tonträger (Empfang von Radiosendungen ausserhalb des privaten Bereichs und Aufführungen mit Tonträgern zur allgemeinen Hintergrund-Unterhaltung), die den bisherigen Tarif hätten ersetzen sollen. Am 8. und 18. Dezember 2008 hatte die ESchK die Tarifvorlagen zunächst zur Überarbeitung zurückgewiesen, um die beantragten Tariferhöhungen glätten und bestimmte Nutzer, darunter Hotels und Spitäler, weniger belasten zu lassen. Mit der Erhebung von Vergütungen für die Nutzung in Hotel- und Spitalzimmern hatte sie sich dabei im Grundsatz einverstanden erklärt. Da die überarbeiteten Anträge ihren Änderungswünschen jedoch zu wenig Rechnung trugen, wies sie sie schliesslich ab und verlängerte stattdessen den bisherigen GT 3a.
3
A.c Das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum als Aufsichtsbehörde wies die fünf Verwertungsgesellschaften mit Verfügung vom 7. Juni 2011 an, bis zum Vorliegen einer rechtsgenüglichen Tarifgrundlage auf den Einzug von Vergütungen für Radio- und Fernsehnutzungen in Hotel- und Spitalzimmern sowie in Ferienhäusern und Ferienwohnungen - gestützt auf den bestehenden GT 3a - zu verzichten. Die gegen diese Verfügung erhobenen Beschwerden der Verwertungsgesellschaften wiesen das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil B-3896/2011 vom 14. Mai 2012 und das Bundesgericht mit Urteil 2C_580/2012 vom 13. November 2012 ab.
4
A.d Am 11. Mai 2012 unterbreiteten die fünf Verwertungsgesellschaften der ESchK einen Zusatztarif zum GT 3a betreffend die Entschädigung für den Sendeempfang und Aufführungen von Ton- und Tonbildträgern ohne Veranstaltungscharakter in Gemeinschaftsräumen und Gästezimmern von Hotels, Spitälern, Gefängnissen und Ferienwohnungen (GT 3a Zusatz) zur Genehmigung. Die ESchK kündigte an einer Anhörung vom 26. Oktober 2012 mündlich an, sie werde diesen Tarif genehmigen, falls seine Berechnungsweise an den GT 3a angepasst werde. Ohne den massgebenden BGE 143 II, 617 (620)Nutzerverbänden (namentlich GastroSuisse bzw. hotelleriesuisse) das rechtliche Gehör zu gewähren, erteilte sie einer entsprechend geänderten Tarifvorlage vom 1. November 2012 mit Beschluss vom 30. November 2012 die Genehmigung, die sie zuerst im Dispositiv und am 7. März 2013 in begründeter Form eröffnete.
5
A.e Das Bundesverwaltungsgericht hob - auf Beschwerde von GastroSuisse und hotelleriesuisse hin - diesen Beschluss aus formellen Gründen (Gehörsverletzung) auf und wies die Sache zu neuem Entscheid an die ESchK zurück (Urteil B-6540/2012 vom 14. März 2014). Als materielles Zwischenergebnis führte es aus, der Sendeempfang in Gästezimmern sei ein Wahrnehmbarmachen von Sendungen nach Art. 10 Abs. 2 lit. f des Urheberrechtsgesetzes (URG; SR 231.1), falle nicht unter die freie Weitersendung nach Art. 22 Abs. 2 URG und sei vergütungspflichtig. Das Gebot der Tarifeinheit werde durch einen Zusatztarif nicht verletzt. Dieser Rückweisungsentscheid wurde beim Bundesgericht nicht angefochten.
6
A.f Am 30. Juli 2014 unterbreiteten die fünf Verwertungsgesellschaften der ESchK einen neuen Entwurf für einen GT 3a Zusatz, der flächenunabhängige Pauschalbeträge pro Standort für Gefängnisse und abgestufte Pauschalen nach der jährlichen Dauer der Vermietung für vermietete Ferienwohnungen und -häuser vorsah.
7
B. Die ESchK genehmigte den GT 3a Zusatz mit Verfügung vom 2. März 2015 im Anschluss an eine mündliche Verhandlung vom gleichen Tage. Sie führte aus, der Tarif lehne sich in der Bemessung der Vergütungen eng an den GT 3a an, vermeide sprunghafte Erhöhungen, da er auf die Fläche der Räume abstelle, und führe zu keinen höheren Vergütungen, als wenn der GT 3a auf Gästezimmer erstreckt würde. Die Nutzung in Gästezimmern erfolge zwar sporadischer, dann aber intensiver als z.B. in einem Kaufhaus. Das von den Nutzerverbänden grundsätzlich akzeptierte Berechnungssystem sei darum angemessen. Dass technische Entwicklungen der Telekommunikation mit der Zeit zu neuen Nutzungsformen führten, beeinflusse die Vergütungshöhe nicht.
8
Am 7. Juli 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden ab, soweit es darauf eintrat.
9
C. Mit je separaten Eingaben vom 9. August bzw. 9. September 2016 führen GastroSuisse (Verfahren 2C_685/2016) und hotelleriesuisse (Verfahren 2C_806/2016) beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragen, das Urteil des BGE 143 II, 617 (621)Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2016 sei aufzuheben und dem GT 3a Zusatz die Genehmigung abzusprechen bzw. dieser sei nicht zu genehmigen. Die hotelleriesuisse beantragt eventualiter, der GT 3a Zusatz sei an die Vorinstanz bzw. die erste Instanz zurückzuweisen, "mit der Weisung, die Vergütung angemessen zu senken (...)".
10
Die II. öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat am 31. August 2017 beschlossen, zur Klärung der Tragweite von Art. 22 Abs. 2 URG ein Verfahren nach Art. 23 Abs. 1 BGG mit der I. zivilrechtlichen Abteilung zu eröffnen. Die von der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung verneinte Rechtsfrage lautete: "Wird die Weitersendung von Werken in Gästezimmer von Hotels von der Erlaubnis gemäss Art. 22. Abs. 2 URG erfasst?" Die I. zivilrechtliche Abteilung hat am 17. Oktober 2017 beschlossen, auf einen Gegenantrag zu verzichten.
11
(Zusammenfassung)
12
 
Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 4
 
13
14
BGE 143 II, 617 (622)4.3 Die Vorinstanz hat sich im Urteil B-6540/2012 vom 14. März 2014 - als materielle Vorfrage (vgl. nicht publ. E. 3.2) - ausführlich mit der Frage befasst, ob der Sendeempfang in Gästezimmern gebührenpflichtig sei. Sie hat diese Frage im Ergebnis bejaht und dazu zunächst ausgeführt, die Signalverteilung in Gästezimmern sei nicht als Weitersendung (Art. 10 Abs. 2 lit. e URG), sondern als Wahrnehmbarmachung (Art. 10 Abs. 2 lit. f URG) zu qualifizieren (vgl. erwähntes Urteil E. 8.5). Weiter hat die Vorinstanz dargelegt, der Radio- und Fernsehempfang in Gästezimmern entspreche einer gebührenpflichtigen öffentlichen Wahrnehmbarmachung im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. f URG i.V.m. Art. 35 Abs. 1 URG (vgl. erwähntes Urteil E. 8.6 und 8.7). Schliesslich hat die Vorinstanz ausgeführt, bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise komme die Rolle des Werkverwenders nicht dem (Hotel-)Gast, sondern dem Betreiber des Gästezimmers bzw. dem Hotelier zu, welcher für gewöhnlich einen Gewinnzweck verfolge, und deshalb keinen erlaubten Eigengebrauch gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. a URG geltend machen könne (vgl. erwähntes Urteil E. 8.8 und 8.9).
15
16
 
Erwägung 5
 
17
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist in Übereinstimmung mit der bundesgerichtlichen Praxis und dem überwiegenden Teil der Lehre davon auszugehen, dass dort, wo ein Hotel mittels eigener Antenne Radio- oder TV-Programme empfängt und diese in die Hotelzimmer weiterleitet, eine Weitersendung im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. e URG und nicht ein Wahrnehmbarmachen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. f URG vorliegt, da hier ein neuer Wiedergabeakt an einen unbestimmten Empfängerkreis erfolgt (BGE 119 II 51 E. 2c S. 60; BGE 139 IV 1 E. 4.1.1 S. 7; BARRELET/EGLOFF, Das neue Urheberrecht, 3. Aufl. 2008, N. 37 zu Art. 10 URG; PFORTMÜLLER, in: BGE 143 II, 617 (623) Urheberrechtsgesetz [URG], 2. Aufl. 2012, N. 13 zu Art. 10 URG; REHBINDER/VIGANÒ, Kommentar Urheberrecht, 3. Aufl. 2008, N. 21 zu Art. 10 URG; REHBINDER, Schweizerisches Urheberrecht, 3. Aufl. 2000, S. 142; CHERPILLOD, in: Commentaire romand, Proprieté intellectuelle, 2013, N. 28 zu Art. 10 URG; DESSEMONTET, in: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, SIWR II/1, 3. Aufl. 2014, Rz. 589). Daran vermag auch der kurze Hinweis im Urteil 2C_580/2012 vom 13. November 2012 E. 2.1 ("Es geht dabei um Rechte nach Art. 10 Abs. 2 lit. f [...]") nichts zu ändern, da sich im erwähnten Urteil die hier umstrittene Frage (noch) gar nicht stellte und sich das Bundesgericht damit nicht materiell auseinanderzusetzen hatte.
18
19
5.2.1 Das Bundesgericht hat in einem Entscheid vom 8. Februar 1993 (BGE 119 II 51 "CNN"), der sich noch auf das alte, per Ende Juni 1993 aufgehobene Bundesgesetz vom 7. Dezember 1922 betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst (aURG; BS 2 817; in der Fassung vom 24. Juni 1955, AS 1955 855) bezog, ausgeführt, es liege keine öffentliche Mitteilung eines durch Rundfunk gesendeten Werkes im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Ziff. 6 aURG vor, wenn mittels eines Kabels in den Zimmern eines Hotels ("Noga Hilton" in Genf) das durch eine Parabolantenne empfangene Programm einer ausländischen Fernsehstation verbreitet werde. Vielmehr handle es sich um ein blosses Empfangen von Sendungen, das nicht von den Ausschliesslichkeitsrechten des Urhebers erfasst werde. Das Bundesgericht hat dies damit begründet, die Parabolantenne versorge ausschliesslich die 413 Zimmer des "Noga Hilton", so wie eine Gemeinschaftsantenne eines Mehrfamilienhauses, und die Sendung des Fernseh-Programms finde nur in einem einzigen Gebäude statt (BGE 119 II 51 E. 3b S. 60 f.).
20
BGE 143 II, 617 (624)5.2.2 Dieses Urteil ist in der Literatur seither auf breite Kritik gestossen, die das Ergebnis mehrheitlich als unbefriedigend bzw. falsch bezeichnet (BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 9 zu Art. 22 URG; REHBINDER/VIGANÒ, a.a.O., N. 6 zu Art. 22 URG; CHERPILLOD, in: SIWR II/1, a.a.O., Rz. 589 und 877 [a.M. noch: CHERPILLOD, in: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, SIWR II/1, 2. Aufl. 2006, S. 293]; FRANZ E. MAHR, Fernsehen im Hotelzimmer, AJP 2008 S. 178 f.; a.M.: VON BÜREN, Die Übermittlung urheberrechtlich geschützter Werke von hotelinternen Zentralen mittels Draht in die Hotelzimmer nach schweizerischem Urheberrecht, GRUR International 1986 S. 443 ff.). So bezweifeln BARRELET/EGLOFF, ob der Gesetzgeber, der sich auf die Rechtsprechung in BGE 107 II 71 und BGE 110 II 67 bezogen hatte, wirklich auch Hotels einbeziehen wollte. Gemäss REHBINDER/VIGANÒ hat das Bundesgericht entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut auf die räumliche Ausdehnung und nicht die zahlenmässige Grösse des Empfängerkreises abgestellt. CHERPILLOD und MAHR verweisen in ihrer Kritik schliesslich auf ein Urteil des EuGH vom 7. Dezember 2006.
21
5.2.3 In der Tat erscheint es schon aufgrund des Wortlauts ("auf eine kleine Empfängerzahl beschränkt") zumindest zweifelhaft, ob der Gesetzgeber auch Hotels (im konkreten Fall von BGE 119 II 51 mit über 400 Zimmern) einem Mehrfamilienhaus gleichstellen wollte (vgl. auch Botschaft vom 19. Juni 1989 zum URG, BBl 1989 III 544 Ziff. 212.52 zu Art. 21 Abs. 3 VE). Dem Gesetzgeber ging es in erster Linie um die Vermeidung von hässlichen Antennenwäldern auf Hausdächern (OERTLI, a.a.O., N. 21 zu Art. 22 URG), und nicht um Antennen, welche eine Werkverwendung im Sinne der öffentlichen Wahrnehmbarmachung ermöglichen sollen. Die Überlegung, dass ein Hotelzimmer in gewisser Hinsicht, insbesondere in Bezug auf den Schutz der Privatsphäre, mit einer Privatwohnung verglichen werden könnte, ist für die Abgrenzung nicht relevant, da es nicht darum geht, ob der Ort der Wiedergabe privat oder öffentlich ist, sondern ob die Weitersendung an einen individuell bestimmbaren und persönlich verbundenen oder einen grösseren Personenkreis erfolgt (BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 9 zu Art. 22 URG).
22
5.2.4 Zu berücksichtigen sind ferner die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz (vgl. auch Art. 1 Abs. 2 URG), die sich seit dem 8. Februar 1993 erheblich weiter entwickelt haben (vgl. BGE 136 III 232 E. 6.2 S. 237 ff.). So hat sich die Schweiz sowohl im Rahmen der Berner Übereinkunft (Art. 9 Abs. 2 der Berner Übereinkunft zum BGE 143 II, 617 (625)Schutz von Werken der Literatur und Kunst, abgeschlossen in Paris am 24. Juli 1971 [RBÜ; SR 0.231.15; für die Schweiz in Kraft getreten am 25. September 1993]) als auch im TRIPS-Abkommen (Art. 13 des WTO-Abkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum [SR 0.632.20] Anhang 1C S. 413 ff.; für die Schweiz in Kraft getreten am 1. Juli 1995) insbesondere verpflichtet, weder die normale Auswertung eines Werks zu beeinträchtigen noch die berechtigten Interessen der Urheber unzumutbar zu verletzen. Dem Urheber kommt das ausschliessliche Recht zu, jede öffentliche Wiedergabe des durch Rundfunk gesendeten Werkes mit oder ohne Draht zu erlauben, wenn diese Wiedergabe von einem anderen als dem ursprünglichen Sendeunternehmen vorgenommen wird oder durch Lautsprecher oder andere Vorrichtungen zur Übertragung von Zeichen, Tönen oder Bildern erfolgt (Art. 11bis Abs. 1 Ziff. 2 und 3 RBÜ, Art. 8 WIPO-Urheberrechtsvertrag [WCT; SR 0.231.151; für die Schweiz in Kraft getreten am 1. Juli 2008]). Dieses Recht kommt auch den ausübenden Künstlern zu (Art. 6 WIPO-Vertrag vom 20. Dezember 1996 über Darbietungen und Tonträger [WPPT; SR 0.231.171.1; für die Schweiz in Kraft getreten am 1. Juli 2008]). Der Gesetzgebung der Verbandsländer bleibt zwar vorbehalten, die Voraussetzungen für die Ausübung der obenstehenden Rechte festzulegen, doch beschränkt sich die Wirkung dieser Voraussetzungen ausschliesslich auf das Hoheitsgebiet des Landes, das sie festgelegt hat. Sie dürfen in keinem Fall das Urheberpersönlichkeitsrecht oder den Anspruch des Urhebers auf eine angemessene Vergütung beeinträchtigen, die mangels gütlicher Einigung durch die zuständige Behörde festgesetzt wird (Art. 11bis Abs. 2 RBÜ).
23
24
Zwar wenden die Beschwerdeführerinnen - gestützt auf das Privatgutachten von Büren vom 19. März 2013 - an sich zu Recht ein, dass Entscheide des EuGH bezüglich der Richtlinie 2001/09 für die schweizerischen Gerichte nicht präjudiziell seien und eine BGE 143 II, 617 (626)Bindungswirkung fehle. Indes räumen auch die Beschwerdeführerinnen ein, dass das Urteil als Interpretationshilfe bei der Auslegung unklarer Rechtssätze dienen könne. In der Literatur wird auf das erwähnte EuGH-Urteil verwiesen und dieses als Argument gegen die Anwendung von Art. 22 Abs. 2 URG auf Hotelzimmer verwendet (BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 9 zu Art. 22 URG; REHBINDER/VIGANÒ, a.a.O., N. 6 zu Art. 22 URG; OERTLI, a.a.O., N. 24 zu Art. 22 URG; CHERPILLOD, in: SIWR II/1, a.a.O., Rz. 877; MAHR, a.a.O., S. 178 f.). Sodann hat auch das Bundesgericht (in Bezug auf die Richtlinie 93/83/EWG) erkannt, dass diese zwar als solche in der Schweiz nicht anwendbar ist, die Idee einer Harmonisierung mit dem europäischen Recht jedoch die Denkweise des Gesetzgebers im Rahmen der Annahme des neuen Urheberrechts im Jahre 2012 beeinflusst hat. Gemäss den bundesgerichtlichen Erwägungen erweist sich die Richtlinie 93/83/EWG daher als eines der Elemente, mit denen der zum Urheberrecht gemäss URG führende Sachverhalt erfasst werden kann (BGE 136 III 232 E. 6.4 S. 242 mit Hinweis).
25
5.2.6 In Anbetracht der Kritik in der Lehre (vgl. E. 5.2.2 hiervor), des Wortlautes der Bestimmung (vgl. E. 5.2.3 hiervor), der seit 1993 weiter entwickelten völkerrechtlichen Verpflichtungen (vgl. E. 5.2.4 hiervor) sowie der entsprechenden Rechtsprechung (vgl. E. 5.2.5 hiervor) ist - in teilweiser Abkehr von BGE 119 II 51, der sich indes noch auf das inzwischen aufgehobene aURG bezog - als Ergebnis festzuhalten, dass eine Weitersendung von Werken in Gästezimmer von Hotels eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art 11bis Abs. 1 RBÜ darstellt. Somit ist Art. 22 Abs. 2 URG auf die Weitersendung von Werken in Gästezimmern von Hotels nicht anwendbar, weshalb hier grundsätzlich von einer gebührenpflichtigen Weitersendung auszugehen ist. Dieses Resultat berücksichtigt auch die in den letzten Jahren eingetretenen technologischen Entwicklungen für den Empfang von Werken, die mit grosser Wahrscheinlichkeit ohnehin dazu führen werden, dass der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang neue Fragestellungen wird regeln müssen (vgl. auch E. 5.3.3 hiernach).
26
27
BGE 143 II, 617 (627)5.3.1 Gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. a URG dürfen veröffentlichte Werke zum Eigengebrauch verwendet werden. Als Eigengebrauch gilt u.a. jede Werkverwendung im persönlichen Bereich und im Kreis von Personen, die unter sich eng verbunden sind, wie Verwandte oder Freunde.
28
5.3.2 Dazu hat die Vorinstanz zu Recht festgehalten, dass bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Ausweitung der kostenlosen Lizenz auf Nutzungen mit kommerzieller Wirkung unzulässig erscheint. Ein Gewinnzweck des Werkverwenders ist nach geltendem Recht nicht mit dem erlaubten Eigengebrauch nach Art. 19 Abs. 1 lit. a URG vereinbar bzw. mit der Nutzung dürfen keine Einnahmen angestrebt werden (vgl. Urteil 2A.142/1994 vom 24. März 1995 E. 5c; REHBINDER/VIGANÒ, a.a.O., N. 17 zu Art. 19 URG; GASSER, in: Urheberrechtsgesetz [URG], a.a.O., N. 8 zu Art. 19 URG; BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 9 zu Art. 19 URG). Als ebenso zutreffend erweist sich die Folgerung der Vorinstanz, wonach Werkverwender in den Gästezimmern nicht der Hotelgast, sondern der Werkvermittler, also der Betreiber des Gästezimmers bzw. der Hotelier, ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass den Nutzungshandlungen von Art. 10 Abs. 2 lit. a-f URG gemeinsam ist, dass sie nicht beim eigentlichen Werkgenuss ansetzen, sondern Handlungen beschreiben, die im Sinne einer Werkvermittlung notwendig sind, um den Werkgenuss zu ermöglichen. Die Berechtigung des Urhebers muss demzufolge schon eine Stufe vor dem Werkgenuss einsetzen, nämlich bei der Werkvermittlung (REHBINDER, a.a.O., Rz. 61).
29
Damit erweist sich der Schluss der Vorinstanz, wonach der Hotelier, der in der Regel einen Gewinnzweck verfolgt, für sich keinen erlaubten Eigengebrauch geltend machen kann, nicht als bundesrechtswidrig.
30
5.3.3 An diesem Ergebnis vermag auch die von den Beschwerdeführerinnen wiederholt angerufene "Konvergenz der Technologien" nichts zu ändern. Dazu hat die Vorinstanz alles Wesentliche dargelegt: In der Tat stellt sich dabei die Frage, wie viel Infrastruktur vom Werkvermittler zur Verfügung gestellt werden muss, damit für die mögliche Wahrnehmung von Radio- und Fernsehsendeinhalten Urheberrechts- und Leistungsschutzgebühren fällig werden (Stichwort WLAN-Netzwerk, Smartphone etc.). Die Vorinstanz hat zu Recht ausgeführt, dass es Sache des Gesetzgebers sei, den geänderten technologischen Verhältnissen allenfalls Rechnung zu tragen (vgl. BGE 143 II, 617 (628)erwähntes Urteil vom 14. März 2014 E. 8.10 bzw. angefochtenes Urteil E. 5.4). Aus diesem Grund kann auch dem von der hotelleriesuisse angeführten Entscheid IZR 21/14 des deutschen Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2015 keine entscheidende Bedeutung zukommen, da sich dieser unbestrittenermassen auf den Empfang des digitalen terrestrischen Fernsehprogramms (DVB-T) bezieht.
31
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).