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Informationen zum Dokument  BGE 103 Ia 505 - Gebr. Hoffmann AG  Materielle Begründung
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Zitiert durch:
BGE 112 II 107 - Erschliessungsvereinbarung
BGE 122 I 328 - von Tscharner
BGE 106 Ia 254 - Lehrerbildung
BGE 106 Ia 28 - Wohnsitzpflicht der St. Galler Professoren
BGE 105 Ia 207 - Legalitätsprinzip

Zitiert selbst:
BGE 94 I 513 - Steueramt Rorschach

Regeste
Sachverhalt
Erwägungen:
1. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt der Gr ...
2. a) Die Vereinbarung vom 9. Juli 1960 hat die Erschliessung des ...
3. Kommt der Vereinbarung dieser Sinn zu, so fragt sich, ob sie r ...
4. a) Erweist sich eine Verwaltungsverfügung als fehlerhaft, ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher  
 
76. Urteil vom 12. Oktober 1977 i.S. Gebr. Hoffmann AG gegen Einwohnergemeinde Thun und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
 
 
Regeste
 
Art. 4 BV (Treu und Glauben); Kanalisationsanschlussgebühr, öffentlichrechtlicher Vertrag.  
2. Auslegung öffentlichrechtlicher Verträge (E. 2).  
3. Zulässigkeit öffentlichrechtlicher Verträge (E. 3a); Rechtmässigkeit eines Vertrags, der vorsieht, dass für den Anschluss eines Grundstücks an die Kanalisation bei Erstellung eines Fabrikneubaus Gebühren nach Massgabe des bei Vertragsschluss geltenden Reglements zu entrichten sind (E. 3b).  
4. Nach den Regeln von Treu und Glauben kann nicht jeder rechtliche Mangel eines öffentlichrechtlichen Vertrags zu dessen Ungültigkeit führen. Die Rechtswirkungen des Vertrags sind - grundsätzlich gleich wie im Falle fehlerhafter Verwaltungsverfügungen - unter Abwägung des Interesses nach richtiger Durchführung des objektiven Rechts und des Vertrauensschutzinteresses des Bürgers zu bestimmen (E. 4).  
 
Sachverhalt
 
BGE 103 Ia, 505 (506)Die Gebrüder Hoffmann AG, Thun, beschäftigte im Jahre 1960 rund 800 Personen und galt als zweitgrösstes privates Unternehmen in der Gemeinde Thun. Die Firmenleitung sah sich seit Ende der fünfziger Jahre veranlasst, eine Verlegung und Erweiterung des Betriebs zu planen. Im Jahre 1959 traten die Gebr. Hoffmann AG und die Einwohnergemeinde Thun in Verhandlungen über die Beschaffung eines Baugrundstücks auf dem Gebiet der Gemeinde Thun. Für die Gebr. Hoffmann AG stand im damaligen Zeitpunkt neben der Neuerrichtung des Betriebs in Thun eine Verlegung in die Ostschweiz in Frage, wo die Firma bereits ein geeignetes Baugrundstück besass, oder in eine der Nachbargemeinden von Thun, von woher die Firma bereits günstige Baulandangebote erhalten hatte. Am 9. Juli 1960 schlossen die Gebr. Hoffmann AG und die Einwohnergemeinde Thun nach längeren Verhandlungen einen öffentlich beurkundeten Tauschvertrag und eine damit im Zusammenhang stehende Vereinbarung. Im Tauschvertrag verpflichtete sich die Einwohnergemeinde, der Gebr. Hoffmann AG ein Industrieareal im Halte von 50'536 m2 zu übertragen. Die Gemeinde gab dieses Land, das sie zum Teil von Dritten hatte beschaffen müssen, zu einem Tauschwert ab, der teilweise unter den Anschaffungskosten lag. In der Vereinbarung wurde die Erschliessung des Industrieareals geregelt und hinsichtlich der Kanalisation unter anderem bestimmt, dass sich die gesetzlichen Einkaufsgebühren in die städtische Kanalisation nach den stabilisierten Brandversicherungswerten der zu erstellenden Gebäude richteten. Hinzu komme ein kleiner Zuschlag pro m2 Bodenfläche des Grundstücks. Über die Höhe der Gebühren sei Art. 20 der Bauordnung der Gemeinde Thun (BauO) massgebend. Diese Bestimmung wurde in der bei Abschluss der Vereinbarung geltenden Fassung vom 11. Oktober 1942 wörtlich wiedergegeben.
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Am 15. September 1960 beantragte das Stadtbauamt dem Bauvorsteher der Einwohnergemeinde Thun, Art. 20 der Bauordnung BGE 103 Ia, 505 (507)von 11. Oktober 1942 sei im Sinne einer Erhöhung der Kanalisationsanschlussgebühren zu ändern. Dieser Antrag den die Baubehörden kurzfristig stellten und den sie bei Abschluss des Tauschvertrages und der Vereinbarung noch nicht erwogen hatten, wurde damit begründet, die Erhöhung der Anschlussgebühren dränge sich auf, da die Gemeinde vor sehr kostspieligen Kanalisationsbauten stehe. Mit Stadtratsbeschluss vom 28. Oktober 1960, gebilligt in der Gemeindeabstimmung vom 3./4. Dezember 1960, wurde Art. 20 BauO antragsgemäss geändert, wobei die Gebührensätze erhöht und als Bemessungsgrundlage der geschätzte Zustandswert der Gebäude, statt wie bis anhin der stabilisierte Brandversicherungswert, gewählt wurde.
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Im Herbst 1962 wurde die Liegenschaft der Gebr. Hoffmann AG an die Kanalisation angeschlossen. Mit Rechnung vom 12. Mai 1964 forderte die Einwohnergemeinde Thun von der Firma gestützt auf den geänderten Art. 20 BauO eine Kanalisationsanschlussgebühr von Fr. 164'211.20, was 20% der Brandversicherungssumme des Fabrikneubaus entspricht, ferner mit Rechnung vom 20. Mai 1965 eine Kanalisationsanschlussgebühr von Fr. 40'065.90 für die durch einen Lagerhausanbau geschaffene Wertvermehrung. Die Gebr. Hoffmann AG bezahlte in der Folge Fr. 55'466.10 und 10'952.--, entsprechend der bisherigen Fassung von Art. 20 BauO. Im übrigen bestritt sie die Forderung mit der Begründung, die Parteien hätten sich in der Vereinbarung darauf geeinigt, die bei Anschluss der Liegenschaft an die Kanalisation zu entrichtenden Gebühren seien nach Massgabe des bei Vertragsschluss geltenden Reglements zu berechnen.
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Auf Klage der Einwohnergemeinde Thun hin verurteilte der Regierungsstatthalter von Thun die Gebr. Hoffmann AG zur Zahlung der Gebührenrestanz. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern bestätigte diesen Entscheid, im wesentlichen mit der Begründung, der wörtlichen Wiedergabe des alten Art. 20 BauO in der Vereinbarung vom 9. Juli 1960 komme nicht der Sinn zu, dass die Elemente der Gebührenerhebung ein für allemal festgelegt worden seien und dass sie von einer allfälligen Reglementsänderung nicht berührt würden. Vielmehr sei anzunehmen, dass der fragliche Teil der Vereinbarung nur dazu bestimmt gewesen sei, die Gebr. Hoffmann AG auf ihre reglementarischen Pflichten hinzuweisen.
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BGE 103 Ia, 505 (508)Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde der Gebr. Hoffmann AG gut.
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Erwägungen:
 
1. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt der Grundsatz von Treu und Glauben nicht nur im Privatrecht, sondern auch im öffentlichen und namentlich im Verwaltungsrecht. Er bedeutet insoweit, wie das Bundesgericht in BGE 94 I 520 E. 4a ausgeführt hat, dass der Rechtsverkehr zwischen Bürger und Verwaltung von gegenseitigem Vertrauen getragen sein muss und berechtigtes Vertrauen Schutz verdient. Soweit der Grundsatz treuwidriges Verhalten der Behörden verbietet und den Schutz berechtigten Vertrauens des Bürgers gewährleistet, folgt er unmittelbar aus Art. 4 BV und besitzt er grundrechtlichen Charakter. Behördliches Verhalten, das berechtigtes Vertrauen des Bürgers verletzt, etwa bei unrichtigen Auskünften, widersprüchlichem Verhalten oder beim Widerruf von Verwaltungsverfügungen, verstösst deshalb unmittelbar gegen die genannte Verfassungsgarantie. Ob ein solcher Vorstoss vorliegt, prüft das Bundesgericht ohne Einschränkung seiner Kognition. Es verhält sich insoweit nicht anders, als wenn eine Verletzung des bundesrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör, auf unentgeltliche Rechtspflege oder des Verbots des überspitzten Formalismus in Frage steht (BGE 102 Ia 579 E. 6; BGE 98 Ia 432; BGE 97 I 497 E. 2c; BGE 94 I 521 f.).
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Das Bundesgericht hat freilich in zwei neueren Fällen eine andere Auffassung vertreten und ausgeführt, eine freie Prüfung greife - gleich wie insbesondere beim Verhältnismässigkeitsprinzip - nur dann Platz, wenn der Grundsatz von Treu und Glauben im Zusammenhang mit einem speziellen, seinerseits eine freie Prüfung erheischenden verfassungsmässigen Recht angerufen werde (BGE 102 Ia 71 f.; BGE 99 Ia 67). An dieser Einschränkung ist, was den Grundsatz von Treu und Glauben anbelangt, indes schon in BGE 102 Ia 579 E. 6 nicht mehr festgehalten worden, und jene Entscheide haben insoweit als überholt zu gelten (vgl. auch die Kritik von SAMELI, Treu und Glauben im öffentlichen Recht, ZSR 96/1977, S. 389 f.). Das heisst allerdings nicht, dass die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben in allen Fällen der freien Prüfung unterliege. Diese greift nur soweit Platz, als der Grundsatz den Schutz berechtigten BGE 103 Ia, 505 (509)Vertrauens des Bürgers in das Verhalten der Behörden gewährleistet und grundrechtlichen Charakter hat. Das trifft nicht zu, wie das Bundesgericht in BGE 102 Ia 579 E. 6 für den Zivilprozess ausgeführt hat, soweit der Grundsatz von Treu und Glauben sich nicht auf das Verhalten des Richters, sondern auf jenes der Prozessparteien bezieht. Grundrechtlicher Charakter fehlt ihm überdies, soweit er eine Regel für die Auslegung von Rechtsgeschäften darstellt und verlangt, dass der Sinn öffentlichrechtlicher Verträge nach dem Vertrauensprinzip zu ermitteln ist (dazu näher unter E. 2b). Insoweit kann seine Handhabung auf staatsrechtliche Beschwerde hin nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür überprüft werden.
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b) Öffentlichrechtliche Verträge sind grundsätzlich gleich wie privatrechtliche nach den Regeln von Treu und Glauben (Vertrauensprinzip) auszulegen. Das bedeutet, dass einer Willensäusserung der Sinn zu geben ist, den ihr der Empfänger aufgrund der Umstände, die ihm im Zeitpunkt des Empfangs bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, in guten Treuen en durfte und beilegen musste. Bei der Auslegung öffentlichrechtlicher Verträge ist freilich besonders zu beachten, dass die Verwaltung beim Abschluss solcher Verträge dem öffentlichen Interesse Rechnung zu tragen hat. In Zweifelsfällen ist deshalb zu vermuten, dass sie keinen Vertrag abschliessen wollte, der mit den von ihr wahrzunehmenden öffentlichen Interessen in Widerspruch steht, und dass sich der Vertragspartner hierüber Rechenschaft gab. Indessen wäre es verfehlt, in allen Fällen der dem öffentlichen Interesse besser dienenden BGE 103 Ia, 505 (510)Auslegung den Vorzug zu geben. Die Wahrung des öffentlichen Interesses findet ihre Schranke vielmehr gerade im Vertrauensprinzip, d.h. sie darf nicht dazu führen, dass dem Vertragspartner des Gemeinwesens bei der Vertragsauslegung Auflagen gemacht werden, die er beim Vertragsschluss vernünftigerweise nicht voraussehen konnte (BGE 93 I 511 E. 3 mit Hinweisen; vgl. BGE 98 Ia 269). Die Anwendung dieser Grundsätze prüft das Bundesgericht auf das Vorliegen von Willkür hin (E. 1); gleich verhält es sich hinsichtlich der im angefochtenen Entscheid enthaltenen tatsächlichen Annahmen.
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c) In Ziff. 2 der Vereinbarung wird einleitend festgelegt, dass die Einwohnergemeinde Thun für die Aufnahme und Ableitung der Abwässer des Quartiers Hännisweg samt denjenigen der Gebr. Hoffmann AG auf ihrem eigenen Terrain ein Pumpwerk erstelle und dass das Industrieareal durch öffentliche Leitungen zu diesem Pumpwerk nicht berührt werde. Dieser Abschnitt und die entsprechenden, den Bau von Strassen und Werkleitungen betreffenden Vertragsbestimmungen legen die Annahme nahe, dass die Vereinbarung vorab dazu bestimmt war, die Erschliessung des Industrieareals durch die Einwohnergemeinde Thun sicherzustellen und hinsichtlich der Art und Weise - Linienführung, Zeitpunkt der Erstellung der Strassen usw. - näher zu umschreiben. Die Vereinbarung erschöpft sich indes nicht in derartigen Abreden, sondern bezieht sich zusätzlich darauf, in welchem Umfang die Beschwerdeführerin an die Kosten der zu erstellenden öffentlichen Werke beizutragen habe. In Ziff. 2 der Vereinbarung nimmt die Kostenregelung den weitaus grösseren Platz ein. Es wird in dieser Hinsicht ausgeführt, dass sich die gesetzlichen Gebühren für den Einkauf in die städtische Kanalisation nach den stabilisierten Brandversicherungswerten der zu erstellenden Gebäude richteten und dass ein kleiner Zuschlag pro m2 Bodenfläche hinzukomme. Ferner wird ausgeführt, dass hinsichtlich der Höhe der Gebühren Art. 20 der Bauordnung der Gemeinde Thun massgebend sei. Diese Bestimmung wird in der Folge wörtlich wiedergegeben. Berücksichtigt man bei der Auslegung dieses Vertragspassus die dem Abschluss der Vereinbarung vorangegangenen Verhandlungen, so ergibt sich, dass die Einwohnergemeinde Thun mit den wiedergegebenen Bestimmungen vorab klarstellen wollte, dass das Industrieareal nicht auf Kosten der Gemeinde an die Kanalisation angeschlossen werden könne, sondern dass BGE 103 Ia, 505 (511)die Beschwerdeführerin die normalen, der Bauordnung entsprechenden Gebühren zu entrichten habe. Im Laufe der Vertragsverhandlungen hatte die Beschwerdeführerin nämlich verlangt, dass die Kosten der Kanalisation von der Gemeinde zu tragen seien. Dazu hatten sich die Gemeindevertreter jedoch nicht bereitgefunden und erklärt, ein Verzicht auf die in der Bauordnung festgelegten Kanalisationsanschlussgebühren sei rechtlich nicht möglich. Von dieser Vorgeschichte der Vereinbarung geht auch das Verwaltungsgericht aus, und es kann nicht gesagt werden, dass die Vertragsauslegung insoweit willkürlich sei. Unhaltbar ist dagegen die Auffassung, der Abmachung komme einzig diese Bedeutung zu. Aus den Unterlagen, welche den Gang der Vertragsverhandlungen wiedergeben, geht in klarer Weise hervor, dass die Beschwerdeführerin neben dem Ziel, für den Fall der Neuerrichtung des Betriebs in Thun möglichst günstige Bedingungen auszuhandeln, vor allem bestrebt war, über sichere und umfassende Grundlagen für die bevorstehenden unternehmerischen Dispositionen zu verfügen. So führte an der Besprechung vom 16. Februar 1960 einer der Vertreter der Firma aus, noch nicht restlos geklärt seien verschiedene Punkte, u.a. hinsichtlich der Strassenbeiträge und der Kanalisation. Darüber müsse für die Beurteilung der finanziellen Fragen völlige Klarheit herrschen. Weiter wurde ausgeführt, die Firma sei an sich gewillt, in Thun zu bleiben, die finanziellen Fragen spielten aber eine entscheidende Rolle. Bei dieser Sachlage durfte die Beschwerdeführerin Ziff. 2 der Vereinbarung mit der wörtlichen Wiederaufgabe von Art. 20 BauO nach dem Vertrauensprinzip klarerweise so verstehen, dass die aufgrund des geplanten Fabrikneubaus zu entrichtenden Kanalisationsanschlussgebühren nach Massgabe der wiedergegebenen Bestimmung festgesetzt würden. Für die Beschwerdeführerin bestand dabei kein Grund zur Annahme, dass ein solcher Inhalt der Vereinbarung den von der Gemeinde zu wahrenden öffentlichen Interessen widerspreche. Bei dieser Sachlage ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht haltbar, Ziff. 2 der Vereinbarung sei lediglich so zu verstehen, dass sich die Beschwerdeführerin verpflichtet habe, zu gegebener Zeit die dem massgebenden Reglement entsprechende Anschlussgebühr zu entrichten, und dass die wörtliche Wiedergabe von Art. 20 BauO nur über das im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Recht orientiert habe. Vielmehr muss der Vereinbarung BGE 103 Ia, 505 (512)klarerweise der Inhalt beigemessen werden, die Gebühren für den Einkauf in die städtische Kanalisation würden ungeachtet einer allfälligen Änderung des Reglements nach Massgabe der bei Vertragsschluss geltenden Bauordnung erhoben.
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a) Es entspricht einer älteren Auffassung, dass die Verwaltung nur dann auf dem Wege des öffentlichrechtlichen Vertrages handeln darf, wenn sie dazu im Gesetz ausdrücklich ermächtigt wird (vgl. FLEINER, Institutionen, 8. A., S. 210 ff.; RUCK, Schweizerisches Verwaltungsrecht, 3. A, I, S. 123 f.; GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, S. 448). In der neueren Rechtsprechung und Lehre hat sich demgegenüber der Grundsatz gefestigt, dass die Handlungsform des öffentlichrechtlichen Vertrages auch stillschweigend zugelassen sein kann, sofern sie vom Gesetz nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird (vgl. ZWAHLEN, Le contrat de droit administratif, ZSR 77/1958, II, S. 624 a; GYGI, Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zu verwaltungsrechtlichen Grundfragen, ZbJV 102/1966, S. 127; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 223; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. A., I, S. 282; FLEINER-GERSTER, Verwaltungsrecht, S. 136; vgl. ferner die Regelung des deutschen Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 25. Mai 1976, nach dessen § 54 ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden kann, soweit nicht Rechtsvorschriften entgegenstehen). Vertragliche Vereinbarungen über Erschliessungsgebühren kommen in der Praxis häufig vor (vgl. BGE 103 Ia 34), und es ist wohl nicht die Meinung des Verwaltungsgerichts, dass die Einwohnergemeinde Thun im vorliegenden Falle schon an sich nicht auf dem Wege des öffentlichrechtlichen Vertrages habe handeln dürfen. Fraglich ist einzig, ob der Inhalt der geschlossenen Vereinbarung gegen zwingende Rechtsvorschriften verstösst und der Vertrag insoweit rechtswidrig ist. Das Verwaltungsgericht bejahte dies mit der Begründung, Kanalisationsanschlussgebühren seien nach der ständigen Rechtsprechung aufgrund des Tarifs zu erheben, der im Zeitpunkt des Anschlusses gelte. Soweit die Vereinbarung eine von diesem Grundsatz abweichende Zusicherung enthalte, stelle sie deshalb einen Abgabenvergünstigungsvertrag dar, der rechtswidrig BGE 103 Ia, 505 (513)sei, weil für eine vertragliche Änderung der gesetzlich festgelegten Abgabeleistung weder im kantonalen noch im kommunalen Recht eine ausdrückliche Grundlage bestehe.
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b) Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass Abgabepflichtigen Vergünstigungen im Grundsatz nur gewährt werden dürfen, wenn und soweit der betreffende Abgabeerlass es zulässt (BGE 103 Ia 34 mit Hinweisen). Abgabevergünstigung bedeutet dabei, dass einem Abgabepflichtigen eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Sonderbehandlung gewährt wird, die ihm wirtschaftliche Vorteile bringt. Keine eigentlichen Abgabevergünstigungsverträge bilden deshalb, wie das Bundesgericht im erwähnten Urteil ausgeführt hat, die häufig vorkommenden Abreden über Strassenbeiträge oder Erschliessungsgebühren, nach welchen der Grundeigentümer keine Anstösserbeiträge oder sonstigen Gebühren zu entrichten hat, dafür jedoch eine andere vollwertige Gegenleistung (z.B. Landabtretung) erbringen muss. Ein eigentlicher Abgabevergünstigungsvertrag liegt auch im hier zu beurteilenden Falle nicht vor. Mit der Vereinbarung vom 9. Juli 1960 wurde der Beschwerdeführerin keine von der damals geltenden gesetzlichen Regelung abweichende Sonderbehandlung gewährt. Vereinbart wurde nur, dass für den Anschluss des neuerworbenen Industrieareals und die Erstellung des geplanten Fabrikneubaus Kanalisationsgebühren nach Massgabe der bei Vertragsschluss geltenden Bauordnung zu entrichten seien. Die Vergünstigung ergab sich erst als Resultat einer Änderung der Bauordnung, von deren Eintritt im Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine der Parteien Kenntnis hatte, wie im angefochtenen Entscheid unwiderlegt ausgeführt wird. Unter diesen Umständen kann von einem eigentlichen Abgabevergünstigungsvertrag offensichtlich nicht gesprochen werden, ebensowenig wie im Falle einer steuerlichen Vorveranlagung, welcher die Vereinbarung in der Wirkung nahe kommt (vgl. IMBODEN, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, ZSR 77/1958, II, S. 194 a; ZWAHLEN, a.a.O., S. 548 a ff.). Es ist freilich richtig, dass die vertragliche Zusicherung, auf einen Abgabetatbestand finde die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Regelung Anwendung, schon von Anbeginn weg wenigstens virtuell eine Begünstigung des Abgabepflichtigen in sich schliessen kann. Eine derartige Vereinbarung hat sich deshalb in einem engen Rahmen zu halten, soll aus ihr nicht ein unzulässiger Abgabevergünstigungsvertrag BGE 103 Ia, 505 (514)werden. Dieser Rahmen wäre dann überschritten, wenn sich die Geltungsdauer der Vereinbarung über eine längere Zeit erstrecken würde oder eine Gesetzesänderung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits in Aussicht stände (vgl. für die steuerliche Vorveranlagung: ZWAHLEN, a.a.O., S. 550 a). So verhielt es sich bei Abschluss der hier interessierenden Vereinbarung jedoch nicht.
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Mit diesen Feststellungen ist über die Rechtmässigkeit der Vereinbarung freilich noch nicht endgültig entschieden. Es wäre weiter zu prüfen, ob die darin enthaltene Zusage nach dem kantonalen oder kommunalen Recht selbst dann nicht hätte erteilt werden dürfen, wenn sie keine eigentliche Abgabevergünstigung bewirkte, sondern lediglich dahin ging, die Gebühren für den Einkauf in die Kanalisation würden nach Massgabe der bei Vertragsschluss geltenden Bauordnung erhoben, ungeachtet einer allfälligen Änderung des Reglements. Wie es sich damit verhält, braucht im vorliegenden Falle jedoch nicht näher untersucht zu werden, da ein solcher Mangel nach den Regeln des Vertrauensschutzes nicht zur Ungültigkeit des Vertrages führen könnte, wie aus den folgenden Erwägungen hervorgeht.
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4. a) Erweist sich eine Verwaltungsverfügung als fehlerhaft, so ist sie nur unter besonderen Voraussetzungen nichtig. Begünstigt sie den Bürger, so kann sie von der Verwaltung auch nicht ohne weiteres widerrufen werden. Ein Widerruf ist vielmehr nur aufgrund einer Wertabwägung und lediglich dann möglich, wenn der richtigen Durchführung des objektiven Rechts der Vorrang vor dem Interesse an der Wahrung der Rechtssicherheit zukommt (BGE 100 Ib 302 f. mit Hinweisen; vgl. zu den Widerrufsgrundsätzen im einzelnen: GRISEL, a.a.O., S. 209 ff.; IMBODEN/RHINOW, a.a.O., I, Nr. 41). Sind die Rechtswirkungen eines fehlerhaften öffentlichrechtlichen Vertrages zu bestimmen, so kann nichts grundsätzlich anderes gelten. Das Vertrauensschutzinteresse des Bürgers ist auch in diesem Fall zu berücksichtigen, liegt es doch im Wesen jedes Vertrages, dass er dazu bestimmt ist, Vertrauen im Hinblick auf das zukünftige Verhalten des Vertragspartners zu begründen. Es lässt sich deshalb mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbaren, wenn sich Rechtsmängel eines öffentlichrechtlichen Vertrages, der den Bürger begünstigt, ohne weiteres zu dessen Nachteil auswirken. Vielmehr hat auch diesfalls BGE 103 Ia, 505 (515)eine Abwägung zwischen dem Interesse an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts und dem Vertrauensschutzinteresse des Bürgers stattzufinden (vgl. auch die eingehende gesetzliche Regelung, die in § 59 des erwähnten deutschen Verwaltungsverfahrensgesetzes für den Fall der Fehlerhaftigkeit öffentlichrechtlicher Verträge getroffen wurde). Ob der Bürger in seinem Vertrauen auf den Bestand des Vertrages zu schützen sei, prüft das Bundesgericht mit freier Kognition (E. 1).
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b) Eine solche Interessenabwägung kann nicht mit Hinblick auf die Grundsätze unterbleiben, die für die Geltung behördlicher Auskünfte und Zusagen entwickelt worden sind. Danach stellen behördliche Zusicherungen nur solange eine schutzwürdige Vertrauensgrundlage dar, als keine Gesetzesänderung eintritt, was bedeutet, dass der Bürger bei einer Änderung der Rechtslage nicht gestützt auf früher erteilte Auskünfte eine vom Gesetz abweichende Behandlung verlangen kann (BGE 102 Ia 337 mit Hinweisen; vgl. auch SAMELI, a.a.O., S. 371 ff.). Aus dieser Rechtsprechung lässt sich für den vorliegenden Fall jedoch nichts ableiten. Der wiedergegebene Grundsatz gilt schon für Zusagen und Auskünfte nicht absolut, sondern erleidet eine Ausnahme, wenn sich solche Zusicherung auf die Rechtsänderung selber beziehen und von der Behörde erteilt wurden, in deren Kompetenz die Rechtsänderung liegt (BGE 102 Ia 337). Er kann auch nicht gelten, wenn eine vertragliche Vereinbarung eben dahin geht, dass ein künftiger Tatbestand aufgrund der Rechtslage beurteilt werde, wie sie bei Abschluss des Vertrages galt.
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c) Geht man deshalb von den in lit. a dargelegten Grundsätzen aus, so vermag eine Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben dann nicht durchzudringen, wenn zwischen der Verwaltung und einem Privaten ein eigentlicher, widerrechtlicher Abgabevergünstigungsvertrag geschlossen wurde. Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung und Lehre, dass solche Verträge unwirksam sind, wenn sie sich nicht auf das Gesetz stützen, und es ist nicht zweifelhaft, dass bei einer Güterabwägung diesfalls der richtigen Durchführung des objektiven Rechts der Vorrang vor der Beibehaltung der durch den Vertrag geschaffenen Rechtslage zukommt (BGE 94 I 450). In der Lehre wird sogar die Auffassung vertreten, dass solche Verträge schlechthin nichtig seien (vgl. die Hinweise bei IMBODEN, a.a.O., S. 198 a). Die hier in Frage stehende Vereinbarung stellt BGE 103 Ia, 505 (516)jedoch keinen solchen Abgabevergünstigungsvertrag dar. Nimmt man an, dass die Einwohnergemeinde Thun die in der Vereinbarung enthaltene Zusage nicht erteilen durfte, so fällt bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zugunsten der Beschwerdeführerin insbesondere in Betracht, dass sowohl sie wie die Einwohnergemeinde Thun ohne weiteres davon ausgingen, die geschlossene Vereinbarung sei rechtlich zulässig. Es ist auch nicht bestritten, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der Notwendigkeit, einen neuen Standort für ihr Unternehmen zu bestimmen und unter verschiedenen Varianten eine Auswahl zu treffen, ein erhebliches und schützenswertes Interesse daran besass, für die zu treffenden unternehmerischen Dispositionen über sichere und umfassende Grundlagen zu verfügen. Es kommt hinzu, dass es auch in dem von der Gemeinde Thun zu wahrenden öffentlichen Interesse lag, der Beschwerdeführerin eine entsprechende vertragliche Zusage zu erteilen, um damit einem Wegzug des Unternehmens mit dem daraus folgenden Verlust von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen entgegenzuwirken. Schliesslich fällt ins Gewicht, dass das Bauvorhaben der Beschwerdeführerin ohne Verzögerung erstellt und der Kanalisationsanschluss bereits ca. zwei Jahre nach Abschluss der Vereinbarung vollzogen wurde. Bei dieser Sachlage kommt dem Vertrauensschutzinteresse der Beschwerdeführerin der Vorrang vor der richtigen Durchführung des materiellen Rechts zu, und es ist mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar, wenn das Verwaltungsgericht die Kanalisationsanschlussgebühr für das von der Vereinbarung erfasste Bauvorhaben aufgrund der erhöhten Ansätze des neuen Reglements berechnete. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben.
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