BGer 6B_571/2009 | |||
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BGer 6B_571/2009 vom 28.12.2009 | |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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6B_571/2009
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Urteil vom 28. Dezember 2009
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Strafrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Favre, Präsident,
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Bundesrichter Wiprächtiger, Bundesrichterin
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Jacquemoud-Rossari.
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Gerichtsschreiber Briw.
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Parteien
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X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Friedrich Droste,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, 4410 Liestal,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Grobe Verletzung von Verkehrsregeln (Schweigen des Angeklagten zur Identität des Fahrzeuglenkers),
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Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, vom 19. Mai 2009.
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Sachverhalt:
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A.
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Der Präsident des Strafgerichts Basel-Landschaft sprach am 8. Januar 2009 X.________ (in Bestätigung eines Strafbefehls vom 22. März 2006) der groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig und büsste ihn mit 900 Franken (bei einer Probezeit von 1 Jahr für die Löschung des Eintrags im Strafregister).
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Der Strafgerichtspräsident erachtete X.________ nicht nur als Halter, sondern auch als Lenker seines Fahrzeugs, als mit diesem am 28. August 2005 auf der A2 in Richtung Basel die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h um massgebliche 51 km/h überschritten wurde.
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B.
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Das Kantonsgericht Basel Landschaft hiess am 19. Mai 2009 die Appellation des Angeklagten teilweise gut und fand ihn der groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig (Art. 90 Ziff. 2 i.V.m. Art. 32 Abs. 2 SVG und Art. 4a Abs. 1 VRV). Wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots setzte es die Busse auf 600 Franken herab (mit einjähriger Probezeit für die Löschung des Strafregistereintrags).
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Es führte aus, die Haltereigenschaft sei ein Indiz für die Täterschaft. Verweigere der Halter Angaben über den Lenker, müsse davon ausgegangen werden, dass er das Fahrzeug selber gelenkt habe (mit Hinweis auf Praxis 90/2001 Nr. 110 E. 3).
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C.
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X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das kantonsgerichtliche Urteil aufzuheben und ihn freizusprechen.
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In der Vernehmlassung beantragen Kantonsgericht und Staatsanwaltschaft die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft hält fest, der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers sei im Januar 2006 im Besitz der Originalakten gewesen. Der Strafbefehl vom 22. März 2006 sei auf dieser Grundlage ergangen. Diese Akten seien am 10. Juli 2006 ein zweites Mal nicht eingeschrieben an die alte Adresse des Rechtsvertreters versandt worden und seither verschwunden. Der Polizeirapport sei anhand gespeicherter Daten wieder erstellt worden. Ein Einwand zur Haltereigenschaft sei erst vor Kantonsgericht erhoben worden.
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Der Beschwerdeführer nahm dazu Stellung.
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Erwägungen:
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1.
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Der Beschwerdeführer macht geltend, mangels tauglicher Beweismittel habe sich die Vorinstanz keine fehlerfreie Überzeugung zu seiner Täterschaft bilden können. Art. 6 EMRK und Art. 32 BV schützten sein Recht auf Aussageverweigerung.
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2.
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Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, "wenn sie offensichtlich unrichtig" (Art. 105 Abs. 2 BGG), d.h. willkürlich, ist (BGE 133 II 249 E. 1.2.2). Es gilt eine qualifizierte Rügepflicht (BGE 134 I 83 E. 3.2; 133 IV 286 E. 1.4). Die Vorinstanz nimmt willkürfrei an, dass der Beschwerdeführer Halter des Fahrzeugs war (zum Willkürbegriff BGE 134 I 140 E. 5.4).
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3.
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Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer habe als Halter keine Angaben zum Lenker des Fahrzeugs gemacht. Es müsse angenommen werden, dass er es selber zur Tatzeit gelenkt hatte.
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3.1 Sie beruft sich dazu (oben E. B) auf das Urteil 1P.641/2000 vom 24. April 2001 E. 3 (deutsche Übersetzung in: Praxis 90/2001 Nr. 110). Nach diesem Urteil kann der Strafrichter nicht einfach aus dem Schweigen auf die Schuld schliessen. "C'est seulement si les preuves à charge appellent une explication que l'accusé devrait être en mesure de donner, que l'absence de celle-ci peut permettre de conclure, par un simple raisonnement de bon sens, qu'il n'existe aucune explication possible et que l'accusé est coupable".
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Diese Erwägung bekräftigt lediglich die allgemein anerkannte Praxis, dass Schweigen die Annahme der Täterschaft nicht ausschliesst, wenn diese nicht zweifelhaft ist.
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3.2 Das Bundesgericht stützte sich hier auf die frühere Rechtsprechung des EGMR. Inzwischen entschied es, dass auch das Recht, sich nicht selbst zu belasten (nemo-tenetur-Grundsatz), einer Verurteilung wegen Vereitelung einer Blutprobe nicht entgegensteht (BGE 131 IV 36). Sich auf das Aussageverweigerungsrecht zu berufen oder die Möglichkeit ins Spiel zu bringen, nicht gefahren zu sein, hindert nicht, eine Täterschaft anzunehmen (Urteil 6B_676/2008 vom 16. Februar 2009 E. 1.3; Urteil 6B_41/2009 vom 1. Mai 2009).
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Die Grosse Kammer des EGMR führte in der Sache O'Halloran und Francis gegen Grossbritannien vom 29. Juni 2007 aus, die unter Strafandrohung erfolgte Aufforderung an einen Fahrzeughalter, die Person zu nennen, die das Fahrzeug während der Geschwindigkeitsüberschreitung gelenkt hatte, verstosse nicht gegen das Recht, zu schweigen und sich nicht selbst zu belasten (teilweise publ. in: forumpoenale 1/2008 S. 2 mit Bemerkungen von WOLFGANG WOHLERS). Sie wies darauf hin, dass sich jeder Halter oder Lenker eines Motorfahrzeugs der Strassenverkehrsgesetzgebung unterwirft ("All who own or drive motor cars know that by doing so they subject themselves to a regulatory regime. [...] Those [...] can be taken to have accepted certain responsibilities and obligations as part of the regulatory regime relating to motor vehicles [...]" [Ziff. 57]).
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Somit ergeben sich nach der neueren bundesgerichtlichen und konventionsrechtlichen Rechtsprechung für Halter und Lenker von Motorfahrzeugen aus ihrer Akzeptanz der Strassenverkehrsgesetzgebung und ihrer Fahrberechtigung gewisse Obliegenheiten.
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3.3 Vorliegend beschränkte sich der Beschwerdeführer bei der Befragung durch den Strafgerichtspräsidenten zum Grund seiner Einsprache gegen den Strafbefehl, zu seinem Aufenthaltsort zur Zeit der Bildaufnahme und zur Frage, ob er seinen Porsche eventuell ausgeliehen hatte, auf die Erklärungen, er möchte dazu nichts sagen (act. 75). Es spricht alles dafür und nichts dagegen, dass der Beschwerdeführer selber seinen Porsche in jenem Zeitpunkt gelenkt hatte, als er geblitzt wurde. Unter diesen Umständen auf seine Täterschaft zu schliessen, verstösst nicht gegen Art. 6 Ziff. 2 EMRK und Art. 32 Abs. 1 BV.
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3.4 Gemäss § 46 Abs. 1 StPO/BL ist bei Aussageverweigerung das Verfahren ohne Rücksicht darauf weiterzuführen. Das war vorliegend der Fall. Eine willkürliche Auslegung ist nicht ersichtlich.
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4.
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Die Beschwerde ist abzuweisen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 28. Dezember 2009
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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Favre Briw
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