VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 5A_715/2009  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 5A_715/2009 vom 14.12.2009
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5A_715/2009
 
Urteil vom 14. Dezember 2009
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
 
Bundesrichter L. Meyer, von Werdt,
 
Gerichtsschreiber Schett.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Erbengemeinschaft der Z.________ sel., bestehend aus:
 
1. A.________,
 
2. B.________,
 
3. C.________,
 
4. D.________,
 
5. E.________,
 
alle vertreten durch Rechtsanwältin Susanne
 
Jenny Wiederkehr,
 
6. F.________,
 
7. G.________,
 
8. H.________,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Vermächtnisklage,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Glarus vom 18. September 2009.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Klage vom 11. November 2005 verlangte X.________ von den Mitgliedern der Erbengemeinschaft der Z.________ sel. gestützt auf ein Testament vom 18. Dezember 1999 die Auszahlung eines Vermächtnisses von Fr. 440'000.-- zuzüglich Zins sowie die Herausgabe einer Standuhr und eines Regulateurs. Das Kantonsgericht Glarus wies diese Begehren mit Urteil vom 27. März 2007 vollumfänglich ab.
 
B.
 
Auf Berufung von X.________ hin hiess das Obergericht des Kantons Glarus die Klage im Umfang von Fr. 10'000.-- gut. Ferner verurteilte es die Beklagten auf Herausgabe des Regulateurs. Soweit weitergehend wies es die Klage ab (Urteil vom 18. September 2009).
 
C.
 
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 26. Oktober 2009 gelangt X.________ (nachfolgend Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. Er beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und diesen kostenfällig an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung zurück zu weisen.
 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher Endentscheid über eine Vermächtnisklage, deren Streitwert Fr. 30'000.-- übersteigt, womit die Beschwerde in Zivilsachen grundsätzlich gegeben ist (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG).
 
1.2 Die Beschwerdeschrift hat ein Rechtsbegehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerde in Zivilsachen ein reformatorisches Rechtsmittel ist (Art. 107 Abs. 2 BGG), muss der Beschwerdeführer grundsätzlich einen Antrag in der Sache, einen sog. materiellen Antrag stellen. Anträge auf Geldforderungen sind zu beziffern (BGE 134 III 235 E. 2 S. 236 f.). Anträge auf Rückweisung an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung oder blosse Aufhebungsanträge genügen nur, wenn das Bundesgericht im Falle der Gutheissung in der Sache nicht selbst entscheiden könnte, weil die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz fehlen (BGE 134 III 379 E. 1.3 S. 383). Auf eine Beschwerde mit formell mangelhaftem Rechtsbegehren kann das Bundesgericht ausnahmsweise dann eintreten, wenn sich aus der Beschwerdebegründung, allenfalls in Verbindung mit dem angefochtenen Entscheid, "zweifelsfrei" bzw. "ohne weiteres" ergibt, was der Beschwerdeführer in der Sache verlangt (BGE 133 II 409 E. 1.4 S. 414 f.; 134 V 208 E. 1 S. 210) oder - im Falle zu beziffernder Rechtsbegehren - welcher Geldbetrag zuzusprechen ist (BGE 134 III 235 E. 2 S. 236 f.). Aus dem angefochtenen Entscheid und der Beschwerdeschrift ergibt sich nun ohne weiteres, dass der Beschwerdeführer die Bezahlung von Fr. 440'000.-- von den Beschwerdegegnern verlangt, sodass insofern auf die Beschwerde eingetreten werden kann.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, indem das Obergericht seine Ausführungen samt Anträgen und Beweiseingaben nicht geprüft und sichtbar im Entscheid nicht berücksichtigt habe. Damit macht der Beschwerdeführer zumindest sinngemäss eine Verletzung der Begründungspflicht geltend. Die auf Art. 29 Abs. 2 BV fussende Pflicht des Gerichts, seine Entscheide zu begründen, bedeutet indes nicht, dass es sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen widerlegt. Vielmehr kann es sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann (BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88). In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (vgl. BGE 133 III 439 E. 3.3).
 
Diesen Anforderungen kommt der angefochtene Entscheid offensichtlich nach. Im Übrigen ist nicht restlos klar, was der Beschwerdeführer dagegen einwendet bzw. mit seinen Einwendungen bezweckt. Soweit er behauptet, das Testament vom 18. Dezember 1999 sei gefälscht worden (Ziffer 2 Seite 4 der Beschwerde), hätte dies zur Konsequenz, dass dieses nichtig ist und es demzufolge kein Testament gibt, aus welchem er Ansprüche ableiten könnte. Wenn er aber mit seinem Fälschungsvorwurf meint, die Zahl "10000" sei nachträglich von einer Drittperson in das Testament eingefügt worden, stellt er eine tatbeständliche Feststellung in Frage.
 
Vorab ist festzustellen, dass der vom Obergericht bestellte Gutachter keine Anhaltspunkte für eine Dritturheberschaft des Testaments vom 18. Dezember 1999 gefunden hat; dass er umgekehrt nicht belegen kann, dass die Zahl von der Erblasserin geschrieben wurde, schmälert die Bedeutung der ersten Feststellung nicht. Sodann würde das Testament, selbst wenn die Zahl "10000" von einer Drittperson eingefügt worden wäre, nicht per se ungültig, sondern die eingefügte Zahl bliebe unbeachtlich (BGE 129 III 580 E. 2 S. 581 f.). Das Obergericht liess indessen gerade diese Frage, nämlich ob die Erblasserin die Zahl "10000" selber in das Testament geschrieben habe, ausdrücklich offen und stellte bei seiner Auslegung desselben auf einen Entwurf vom 17. Dezember 1999 ab. Damit ist dem Vorwurf der fehlerhaften Sachverhaltsfeststellung die Grundlage entzogen; darauf kann nicht eingetreten werden. Vielmehr stellt sich die Frage, ob das Obergericht das Testament bundesrechtskonform ausgelegt hat, was der Beschwerdeführer ebenfalls beanstandet und folglich nachfolgend zu prüfen ist.
 
3.
 
Nach Auffassung des Beschwerdeführers geht aus dem Wortlaut des Testaments klar hervor, dass ihm die Erblasserin ein Vermächtnis von Fr. 440'000.-- habe ausrichten wollen.
 
3.1 Das Testament stellt eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung dar. Bei seiner Auslegung ist der wirkliche Wille des Erblassers zu ermitteln. Auszugehen ist vom Wortlaut. Ergibt dieser für sich selbst betrachtet eine klare Aussage, entfallen weitere Abklärungen. Sind dagegen die testamentarischen Anordnungen so formuliert, dass sie ebenso gut im einen wie im andern Sinn verstanden werden können, oder lassen sich mit guten Gründen mehrere Auslegungen vertreten, dürfen ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Beweismittel zur Auslegung herangezogen werden. Stets hat es jedoch bei der willensorientierten Auslegung zu bleiben; eine Auslegung nach dem am Erklärungsempfänger orientierten Vertrauensprinzip fällt ausser Betracht. Die Erben oder andere Bedachte haben keinen Anspruch auf Schutz ihres Verständnisses der letztwilligen Verfügung; es kommt mit andern Worten nicht darauf an, wie sie die Erklärung des Erblassers verstehen durften und mussten, sondern einzig darauf, was der Erblasser mit seiner Äusserung sagen wollte. Auf Grund der Vorstellung, dass der Erklärende das geschriebene Wort dem allgemeinen Sprachgebrauch (Verkehrssprache, Rechtssprache) entsprechend versteht, gilt die Vermutung, dass Gewolltes und Erklärtes übereinstimmen. Indessen kann die vom Erklärenden verwendete Bezeichnung oder Ausdrucksweise sich als missverständlich oder als unrichtig erweisen, sei es wegen eines blossen Verschriebs, sei es deshalb, weil Ausdrücke in einer von der Verkehrs- oder Rechtssprache abweichenden Bedeutung verwendet wurden. Nach der ausdrücklichen Vorschrift von Art. 18 Abs. 1 OR, die bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen sinngemäss heranzuziehen ist (Art. 7 ZGB), ist der wirkliche Wille beachtlich, nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise. Wer sich auf einen vom objektiv verstandenen Sinn und Wortlaut abweichenden Willen des Erblassers beruft, ist beweispflichtig und hat entsprechende Anhaltspunkte konkret nachzuweisen. Nach ständiger Rechtsprechung prüft das Bundesgericht die Auslegung einer letztwilligen Verfügung durch die kantonale Instanz frei. Gebunden ist es indessen an die tatsächlichen Feststellungen, aus denen sich der innere Wille des Erblassers ergibt (s. zum Ganzen: BGE 131 III 106 E. 1 und 2).
 
3.2 Aus dem praktisch ohne Interpunktion und ohne objektiv nachvollziehbare Unterscheidung zwischen Gross- und Kleinschreibung handschriftlich verfassten Text
 
"... also ich Z.________ verfüge, über haushalt gegenstand coup(p)on am hause W.________ habe ich so 440 000 fr. eingesetzt an meinen neffen für all seine arbeit die er alles gratis und zur vollsten zufriedenheit aus geführt hat, ist das nicht zu viel 10000 auch bekommt er sämtlich uhren die im hause sind, ..." (Interpunktion und Kleinschreibung gemäss angefochtenem Entscheid),
 
und unter Zuhilfenahme des inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmenden, einen Tag zuvor verfassten Entwurfs
 
"... also ich Z.________ verfüge über mein haushalt sparnisse und coupon folgendermassen im hause W.________ habe ich so in allem 440 dausend fr eingesetzt und mein wille ist 10 dausent an X.________ für alle seine arbeiten ..." (Interpunktion und Kleinschreibung gemäss angefochtenem Entscheid),
 
leitete das Obergericht ab, dass die Erblasserin den Haushalt und das Haus W.________ zu Fr. 440'000.-- bewertet haben wollte, dass sie mit "neffe" den Beschwerdeführer gemeint habe, und dass sie diesem für alle seine Arbeiten, die er offenbar unentgeltlich ausgeführt habe, Fr. 10'000.-- habe vermachen wollen.
 
3.3 Der Beschwerdeführer beanstandet die Erwägung des Obergerichts, wonach es zur korrekten Auslegung des Testaments nicht auf die Gross- und Kleinschreibung ankomme. Die Erblasserin habe die Zeile 12 mit einem grossen Buchstaben "A" begonnen, sodass der Satz wie folgt gelesen werden müsse:
 
"Am Hause W.________ habe ich so 440 000 fr. eingesetzt an meinen Neffen für all seine Arbeit die er alles gratis und zur vollsten Zufriedenheit ausgeführt hat," (Interpunktion und Grossschreibung gemäss Beschwerdeschrift).
 
Es ist indessen nicht einsichtig, was der Beschwerdeführer aus dieser Änderung am Text ableiten will. Auch bei dieser Schreibweise kann nicht geschlossen werden, dass der Betrag von Fr. 440'000.-- in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Beschwerdeführer gesetzt werden muss bzw. dass die Erblasserin ihm diesen Betrag hat zukommen lassen wollen. Bei der Lesart des Beschwerdeführers "habe ich so 440 000 eingesetzt an meinen Neffen für all seine Arbeit ..." stünde der Hinweis auf das Haus W.________ grammatikalisch betrachtet im luftleeren Raum, und der Verweis darauf ergäbe daher überhaupt keinen Sinn. Berücksichtigt man aber die Fortsetzung des Testaments,
 
"an meinen neffen für all seine arbeit die er alles gratis und zur vollsten zufriedenheit aus geführt hat, ist das nicht zu viel 10000 auch bekommt er sämtlich uhren ..." (Interpunktion und Kleinschreibung gemäss angefochtenem Urteil),
 
ergibt sich vielmehr der Schluss, zu welchem auch das Obergericht gelangt ist, nämlich dass der Beschwerdeführer für seine Leistungen mit Fr. 10'000.-- zuzüglich Uhren abgegolten werden soll. Blendet man die Zahl "10000" aus dem Testament vom 18. Dezember 1999 aus und zieht man wie das Obergericht zur Auslegung desselben den Entwurf vom 17. Dezember 1999 als ausserhalb der Testamentsurkunde liegendes Beweismittel, dessen Authentizität der Beschwerdeführer nicht in Frage stellt, zu Rate, erscheinen die Folgerungen des Obergerichts schlüssig; eine bundesrechtswidrige Auslegung des Testaments ist nicht zu erkennen.
 
4.
 
Nach dem Gesagten muss die Beschwerde abgewiesen werden, soweit darauf eingetreten werden kann. Damit wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Den Beschwerdegegnern ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 8'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Glarus schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 14. Dezember 2009
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
 
Hohl Schett
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).