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Informationen zum Dokument  BGer 9C_91/2009  Materielle Begründung
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BGer 9C_91/2009 vom 07.12.2009
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
9C_91/2009
 
Urteil vom 7. Dezember 2009
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
 
Bundesrichter Kernen, Seiler,
 
Gerichtsschreiber R. Widmer.
 
Parteien
 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Z.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt, Dr. Conrad Frey,
 
substituiert durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Dubs,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Alters- und Hinterlassenenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 25. November 2008.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Gemäss einer Meldung des kantonalen Steueramtes vom 19. September 2006 zuhanden der Ausgleichskasse hatte Z.________ als Mitglied der Konzernleitung der Unternehmung X.________ in den Jahren 2001 und 2002 als Teilhaber der Y.________ AG mit dem Verkauf seiner Aktien an die Unternehmung X.________ erhebliche Gewinne erzielt. Mit zwei Verfügungen vom 24. November 2006 verpflichtete die Ausgleichskasse des Kantons Zürich Z.________ zur Bezahlung persönlicher AHV/IV/EO-Beiträge von Fr. 147'926.40 für das Jahr 2001 sowie von Fr. 66'133.80 für das Jahr 2002 (je einschliesslich Verwaltungskosten) auf den in den entsprechenden Jahren erzielten Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit in der Höhe von Fr. 1'534'100.- (2001) und Fr. 682'500.- (2002). Auf Einsprache hin hielt die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 13. Februar 2007 an ihrem Standpunkt fest, dass es sich beim Gewinn aus dem Verkauf der Aktien der Y.________ AG um Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit handle.
 
B.
 
In Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den angefochtenen Einspracheentscheid auf mit der Feststellung, dass Z.________ auf den aus dem Verkauf der Aktien der Y.________ AG erzielten Kapitalgewinnen keine persönlichen Beiträge bezahlen müsse (Entscheid vom 25. November 2008).
 
C.
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Ausgleichskasse, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei das beitragspflichtige Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit von Z.________ für das Jahr 2001 auf Fr. 1'513'600.- und für das Jahr 2002 auf Fr. 675'000.- festzusetzen.
 
Während Z.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
 
2.
 
2.1 Die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht Erwerbstätiger richtet sich u.a. danach, ob das in einem bestimmten Zeitraum erzielte Erwerbseinkommen als solches aus selbstständiger oder aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist (Art. 5 und 9 AHVG sowie Art. 6 ff. AHVV). Nach Art. 5 Abs. 2 AHVG gilt als massgebender Lohn jedes Entgelt für in unselbstständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit; als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit gilt nach Art. 9 Abs. 1 AHVG jedes Einkommen, das nicht Entgelt für in unselbstständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt.
 
Nach der Rechtsprechung beurteilt sich die Frage, ob im Einzelfall selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit vorliegt, nicht auf Grund der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien. Entscheidend sind vielmehr die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die zivilrechtlichen Verhältnisse vermögen dabei allenfalls gewisse Anhaltspunkte für die AHV-rechtliche Qualifikation zu bieten, ohne jedoch ausschlaggebend zu sein. Als unselbstständig erwerbstätig ist im Allgemeinen zu betrachten, wer von einem Arbeitgeber in betriebswirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig ist und kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt.
 
Aus diesen Grundsätzen allein lassen sich indessen noch keine einheitlichen, schematisch anwendbaren Lösungen ableiten. Die Vielfalt der im wirtschaftlichen Leben anzutreffenden Sachverhalte zwingt dazu, die beitragsrechtliche Stellung einer erwerbstätigen Person jeweils unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Weil dabei vielfach Merkmale beider Erwerbsarten zu Tage treten, muss sich der Entscheid oft danach richten, welche dieser Merkmale im konkreten Fall überwiegen (BGE 123 V 162 E. 1, 122 V 171 E. 3a, 283 E. 2a, 119 V 161 E. 2 mit Hinweisen).
 
Als beitragspflichtiges Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit gilt nicht nur unmittelbares Entgelt für geleistete Arbeit, sondern grundsätzlich jede Entschädigung oder Zuwendung, die sonstwie aus dem Arbeitsverhältnis bezogen wird, soweit sie nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von der Beitragspflicht ausgenommen ist (BGE 133 V 556 E. 4 S. 558). Zu dem für die Berechnung der Beiträge massgebenden Lohn gehören insbesondere Gratifikationen, Treue- und Leistungsprämien sowie der Wert von Arbeitnehmeraktien, soweit dieser den Erwerbspreis übersteigt und der Arbeitnehmer über die Aktien verfügen kann (Art. 7 lit. c Satz 1 AHVV). Als Arbeitnehmeraktien gelten nach der Rechtsprechung auch Aktien einer mit der Arbeitgeberin nicht identischen, aber wirtschaftlich mit ihr verbundenen Firma, sofern nur die Arbeitnehmer diese Aktien zu einem Vorzugspreis erwerben können (BGE 102 V 152 E. 2 S. 154).
 
2.2 Wie die Vorinstanz richtig dargelegt hat, besteht für die Ausgleichskassen bei der Beurteilung der Frage, ob ein Einkommensbestandteil massgebenden Lohn darstellt oder nicht, keine Bindung an die steuerrechtliche Betrachtungsweise. Allerdings sollen sie nicht ohne sachlichen Grund von der Auffassung der Steuerbehörde abweichen (BGE 133 V 346 E. 4 S. 347).
 
3.
 
Im vorliegenden Fall qualifizierte das kantonale Steueramt den mit dem Verkauf der Aktien der Y.________ AG erzielten Gewinn zunächst mit eingehender Begründung als massgebenden Lohn, meldete dann aber nachträglich ohne jede Begründung Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit. Der Einspracheentscheid der Ausgleichskasse wiederum befasste sich hauptsächlich mit der Frage, ob überhaupt Erwerbseinkommen vorliege oder allenfalls von Vermögensertrag auszugehen sei, nicht aber mit der Qualifikation des Einkommens als solches aus selbstständiger oder unselbstständiger Erwerbstätigkeit. Ob die Ausgleichskasse sich an die ursprüngliche, einlässlich begründete Qualifikation des Einkommens durch das kantonale Steueramt hätte halten müssen, wie die Vorinstanz ausführt, ist nicht entscheidend, da jedenfalls das kantonale Gericht auch eine selbstständige Beurteilung vorgenommen hat.
 
4.
 
4.1 Bei den Aktien der Y.________ AG handelte es sich nicht um Mitarbeiteraktien im herkömmlichen Sinn, da der Beschwerdegegner diese aus eigenen Mitteln käuflich erworben hat. Indessen hat die Vorinstanz für das Bundesgericht sachverhaltlich verbindlich festgestellt, dass die Beteiligung an der Y.________ AG ein Arbeitsverhältnis mit der Unternehmung X.________ voraussetzte und Mitgliedern der Konzernleitung vorbehalten war. Der Zweck bestand in der Beteiligung der Konzernleitungsmitglieder am Anlageerfolg der Unternehmung X.________; die Angehörigen des obersten Kaders des Konzerns konnten die Aktien von ihrer Arbeitgeberin erwerben und hatten ein Verkaufsrecht, das es ihnen erlaubte, die Aktien der Y.________ AG zum gestiegenen Wert wieder an die Unternehmung X.________ zu veräussern, was der Beschwerdegegner denn auch getan hat. Auch in zeitlicher Hinsicht war die Beteiligung an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gebunden. Ohne Anstellungsverhältnis mit der Unternehmung X.________ wäre es den Konzernleitungsmitgliedern nicht möglich gewesen, Kapitalgewinne im gegebenen Ausmass zu erzielen. Gestützt auf diese tatbeständlichen Grundlagen ist die Folgerung der Vorinstanz, das Einkommen stehe in einem engen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, richtig. Dass vom Kursgewinn der Aktien der Y.________ AG die Arbeitnehmer profitierten, spricht entgegen den Vorbringen in der Beschwerde nicht gegen, sondern vielmehr für diese Betrachtungsweise: Es ist gerade der Zweck von Arbeitnehmeraktien und ähnlichen Instrumenten, dass daraus ein Vorteil zu Gunsten der Arbeitnehmer resultiert. Auch der Umstand, dass die Arbeitnehmer als Mitglieder der Konzernleitung durch ihre eigenen Entscheide den Wert der Mitarbeiteraktien optimieren konnten, ändert nichts daran, dass sie den Veräusserungsgewinn nur wegen ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer der Unternehmung X.________ erzielen konnten.
 
4.2 Demgegenüber vermag die von der Ausgleichskasse vertretene Ansicht, Kauf und Verkauf der Aktien der Y.________ AG seien Ausdruck gewerbsmässigen Wertschriftenhandels und der Erlös bilde Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit, nicht zu überzeugen. Gegen das Vorliegen selbstständiger Erwerbstätigkeit spricht nebst den vorstehend dargelegten Argumenten insbesondere die Tatsache, dass der Beschwerdegegner kein Unternehmerrisiko nach Art eines selbstständig Erwerbenden zu tragen hatte. Denn nach den Feststellungen der Vorinstanz trug auf Grund des den Konzernleitungsmitgliedern eingeräumten Verkaufsrechts und der weiteren Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen letztlich die Unternehmung X.________ als Arbeitgeberin und nicht der Beschwerdegegner das Risiko fallender Aktienkurse.
 
5.
 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Ausgleichskasse aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Diese hat dem Beschwerdegegner überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 7'000.- werden der Ausgleichskasse des Kantons Zürich auferlegt.
 
3.
 
Die Ausgleichskasse des Kantons Zürich hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 7. Dezember 2009
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Meyer Widmer
 
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