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Informationen zum Dokument  BGer 8C_486/2009  Materielle Begründung
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BGer 8C_486/2009 vom 06.07.2009
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_486/2009
 
Urteil vom 6. Juli 2009
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichter Frésard, Maillard,
 
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.
 
Parteien
 
W.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle Luzern,
 
Landenbergstrasse 35, 6002 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (vorinstanzliches Verfahren),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
 
vom 1. Mai 2009.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die IV-Stelle des Kantons Luzern sprach W.________ am 4. März 2009 eine ganze Invalidenrente ab 1. November 2006 zu.
 
B.
 
W.________ reichte dagegen am 3. April 2009 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Luzern ein. Dieses forderte sie am 8. April 2009 auf, bis 27. April 2009 einen Kostenvorschuss von Fr. 700.- zu leisten. W.________ ersuchte am 28. April 2009 mittels persönlich überbrachtem Schreiben um Verlängerung der Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses bis zum Entscheid über ihr gleichzeitig gestelltes Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Das Verwaltunsgericht trat mit Entscheid vom 1. Mai 2009 mangels Leistung des Kostenvorschusses resp. rechtzeitiger Einreichung eines Gesuches um unentgeltliche Rechtspflege auf die Beschwerde nicht ein.
 
C.
 
W.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Begehren, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und das Verwaltungsgericht anzuweisen, ihre Beschwerde unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zu behandeln. Bei Befangenheit der kantonalen Richterin sei die Behandlung der Beschwerde durch eine andere Person anzuordnen. Zudem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege für das letztinstanzliche Verfahren.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Die Beschwerde richtet sich gegen den vorinstanzlichen Nichteintretensentscheid. Das Bundesgericht hat daher zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht auf das bei ihr erhobene Rechtsmittel nicht eingetreten ist. Dagegen kann auf den in der letztinstanzlichen Beschwerde gestellten materiellen Antrag nicht eingetreten werden (BGE 132 V 74 E. 1.1 S. 76 mit Hinweis).
 
2.
 
Die Beschwerdeführerin rügt, die Aufforderung zur Leistung eines Kostenvorschusses sei lediglich mit einem einfachen Schreiben und ohne Rechtsmittelbelehrung erfolgt. Auch sei sie nicht auf die Möglichkeit der unentgeltlichen Rechtspflege hingewiesen worden, obwohl sich ihre Mittellosigkeit aus ihrer Beschwerde ergeben habe. Weiter beruft sie sich auf telefonische Auskünfte und macht Befangenheit der kantonalen Richterin geltend.
 
3.
 
Nach Art. 69 Abs. 1bis IVG ist das Beschwerdeverfahren abweichend von Art. 61 lit. a ATSG bei Streitigkeiten um die Bewilligung oder Verweigerung von IV-Leistungen vor dem kantonalen Versicherungsgericht kostenpflichtig. § 195 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes vom 3. Juli 1972 über die Verwaltungsrechtspflege (SRL 40; VRG) lautet:
 
"Die Behörde kann von der Partei, die ein Verfahren einleitet und kostenpflichtig werden kann, einen angemessenen Vorschuss zur Sicherstellung der amtlichen Kosten verlangen.
 
Wenn die Partei den Vorschuss trotz Androhung der Folgen innert eingeräumter Frist nicht leistet und das Verfahren nicht von Amtes wegen durchzuführen ist, braucht die Behörde auf die Rechtsvorkehr nicht einzutreten."
 
Die Kantone sind von Verfassungs wegen nicht gehalten, eine Nachfrist einzuräumen (Urteil 1C_330/2008 vom 21. Oktober 2008, E. 3.2).
 
4.
 
Schriftliche Verfügungen sind als solche zu bezeichnen, wenn sie in Briefform eröffnet werden. Bei prozessleitenden Verfügungen wird diese Vorschrift nicht mit der gleichen Strenge gehandhabt, wie sie für erstinstanzliche Sachentscheide richtigerweise am Platz ist. Den Formvorschriften ist grundsätzlich Genüge getan, wenn aus dem Inhalt des Schreibens und aus den Umständen unzweideutig hervorgeht, dass es sich um eine autoritative, prozessleitende Anordnung handelt, auch wenn diese nicht ausdrücklich als Verfügung bezeichnet wird (ASA 76 S. 617 E. 2b [2A.164/2001]).
 
Verfügungen sind mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen; aus mangelhafter Eröffnung darf der betroffenen Person kein Nachteil erwachsen (Art. 49 Abs. 3 ATSG). In der Praxis wird bei Aufforderungen zur Leistung von Kostenvorschüssen häufig auf eine Rechtsmittelbelehrung verzichtet. Dies liegt daran, dass kaum je die Vorschusspflicht als solche bestritten wird, sondern vielmehr entweder ein Fristverlängerungs- oder Wiedererwägungsgesuch oder aber ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung gestellt wird. Erst im Anschluss an eine abschlägige Behandlung dieser Gesuche besteht in der Regel ein Bedürfnis zur Ergreifung eines Rechtsmittels (ASA 76 S. 617 E. 3 [2A.164/2001]).
 
5.
 
5.1 Mit eingeschriebenem Brief vom 8. April 2009 forderte die Vorinstanz die Versicherte unter Beilage eines Einzahlungsscheins gestützt auf Art. 69 Abs. 1bis IVG in Verbindung mit § 195 VRG auf, bis 27. April 2009 einen Kostenvorschuss von Fr. 700.- zu leisten, und drohte an, bei nicht oder nicht rechtzeitiger Leistung des Kostenvorschusses werde auf die Beschwerde unter Kostenfolge nicht eingetreten.
 
5.2 Die Vorinstanz durfte gestützt auf Art. 69 Abs. 1bis IVG in Verbindung mit § 195 VRG einen Kostenvorschuss erheben. Das Schreiben vom 8. April 2009 stellt unzweifelhaft eine autoritative Anordnung des Gerichts und damit eine Verfügung dar. Auch werden darin die Folgen bei Nichterfüllung unzweideutig angedroht. Damit ist die Erhebung eines Kostenvorschusses mittels Verfügung vom 8. April 2009 nicht zu beanstanden. Zu prüfen bleibt, wie es sich mit der fehlenden Rechtsmittelbelehrung verhält.
 
5.3 In ihrer Eingabe vom 28. April 2009 bestritt die Beschwerdeführerin nicht die Zulässigkeit eines Kostenvorschusses an sich, sondern ersuchte um Fristerstreckung und machte Mittellosigkeit geltend. Somit hätte sie auch bei vorhandener Rechtsmittelbelehrung nicht den Kostenvorschuss an sich angefochten, so dass ihr aus der fehlenden Rechtsmittelbelehrung kein Nachteil erwachsen ist. Zudem ist fraglich, ob diese Kostenvorschussverfügung als Zwischenverfügung überhaupt einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirkt, was Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde an das Bundesgericht wäre (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; vgl. auch Urteil 2C_214/2009 vom 11. Juni 2009, E. 2). Weiter ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht prüfte, da es nicht innert Frist eingereicht wurde und ihrer Beschwerde vom 3. April 2009 auch nicht sinngemäss ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entnommen werden kann. Indem die Vorinstanz angesichts des nicht geleisteten Kostenvorschusses und des verspätet eingereichten Gesuches um unentgeltliche Rechtspflege auf die Beschwerde vom 3. April 2009 nicht eingetreten ist, hat sie Bundesrecht nicht verletzt. Daran vermögen auch die übrigen Rügen nichts zu ändern. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern die kantonale Richterin befangen gewesen sein soll, bloss weil sie pflichtgemäss das Dossier vor Erhebung des Kostenvorschusses studiert hatte. Auch kann die Beschwerdeführerin sich nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen, da einerseits die geltend gemachten telefonischen Auskünfte in keiner Weise belegt sind und die Beschwerdeführerin andererseits nicht nach Erhalt der gerügten Auskünfte vom 28. April 2009 nachteilige Dispositionen traf, sondern die massgebliche Frist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war.
 
6.
 
Das Verfahren ist kostenpflichtig. Die unterliegende Versicherte hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird infolge Aussichtslosigkeit abgewiesen (Art. 64 Abs. 1 BGG).
 
7.
 
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt wird.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 200.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 6. Juli 2009
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
Ursprung Riedi Hunold
 
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