BGer 5A_84/2009 | |||
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BGer 5A_84/2009 vom 19.03.2009 | |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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5A_84/2009
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Urteil vom 19. März 2009
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II. zivilrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
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Bundesrichter L. Meyer, von Werdt,
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Gerichtsschreiber Schett.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführerin,
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vertreten durch Rechtsanwalt Christian Schroff,
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gegen
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Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Parteientschädigung (Obhutsentzug),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrats des Kantons Thurgau vom 15. Dezember 2008.
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Sachverhalt:
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A.
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A.a X.________ (Beschwerdeführerin) ist die Mutter von Y.________ (geboren im 1992). Gemäss Scheidungsurteil vom 12. April 1996 wurde der Mutter die elterliche Sorge zugeordnet und dem Vater Z.________ ein Besuchsrecht eingeräumt. Am 6. Juni 2006 errichtete die Vormundschaftsbehörde eine Beistandschaft zugunsten der Tochter. Mit Beschluss vom 4. Oktober 2006 entzog die Vormundschaftsbehörde A.________ der Beschwerdeführerin in Anwendung von Art. 310 Abs. 2 ZGB die Obhut über ihre Tochter. Am 5. Oktober 2006 führte die Mutter Beschwerde beim Departement für Justiz und Sicherheit (DJS) des Kantons Thurgau und beantragte, der Beschluss der Vormundschaftsbehörde A.________ vom 4. Oktober 2006 sei aufzuheben.
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A.b Mit Beschluss vom 11./13. August 2008 stimmte die Vormundschaftsbehörde A.________ einem Antrag des Beistandes auf Platzierung der Tochter bei einer Pflegefamilie zu, nachdem sowohl die Eltern als auch die Tochter dieser Massnahme vorgängig zugestimmt hatten. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin allerdings am 21. August 2008 beim DJS Vormundschaftsbeschwerde mit der Behauptung, der Tochter gehe es bei der Pflegefamilie nicht gut und sie wolle nun doch zu ihr zurückkehren.
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B.
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B.a Mit Eingabe vom 22. Oktober 2008 führte die Beschwerdeführerin Rechtsverzögerungsbeschwerde beim Regierungsrat des Kantons Thurgau. Sie beantragte, das DJS sei zu verpflichten, über die Beschwerden vom 4. Oktober 2006 und vom 20./21. August 2008 bis spätestens Ende November 2008 einen Entscheid zu fällen.
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B.b Am 27. Oktober 2008 urteilte das DJS in einem Entscheid sowohl über die Beschwerde vom 5. Oktober 2006 als auch über diejenige vom 21. August 2008.
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B.c Mit Entscheid vom 15. Dezember 2008 schrieb die Staatskanzlei die Aufsichtsbeschwerde vom 22. Oktober 2008 zufolge Gegenstandslosigkeit ab, verzichtete auf die Erhebung von Verfahrenskosten und sprach der Beschwerdeführerin nach summarischer Würdigung der Erfolgsaussichten keine Parteientschädigung zu.
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C.
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Am 2. Februar 2009 gelangt die Beschwerdeführerin mit Beschwerde in Zivilsachen und gleichzeitig Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht und beantragt, der Entscheid vom 15. Dezember 2008 sei aufzuheben und ihr sei für das Aufsichtsbeschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 746.20 zuzusprechen. Für das Verfahren vor Bundesgericht ersucht sie um Gewährung des Rechts auf unentgeltliche Rechtspflege.
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In ihren Vernehmlassungen beantragen das DJS und die Staatskanzlei des Kantons Thurgau Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne.
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Erwägungen:
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1.
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Das Bundesgericht überprüft von Amtes wegen und mit freier Kognition seine Zuständigkeit bzw. die Zulässigkeit der ihm unterbreiteten Beschwerden (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 134 III 115 E. 1 S. 117 mit Hinweisen).
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1.1 Der angefochtene Entscheid ist kantonal letztinstanzlich (Art. 75 Abs. 1 BGG) und betrifft die Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen einer gegenstandslos gewordenen Rechtsverzögerungsbeschwerde. Er ist mit dem in der Hauptsache zulässigen Rechtsmittel anzufechten (BGE 134 V 138 E. 3 S. 143 f.; 134 I 159 E. 1.1 S. 160). In der Hauptsache geht es um Kindesschutzmassnahmen und damit um eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 ZGB).
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1.2 Der angefochtene Entscheid ist selbständig ergangen; ein (verfahrensmässiger) Bezug zum Hauptverfahren besteht nicht. Die Beschwerdeführerin verlangt, dass ihr für das Aufsichtsbeschwerdeverfahren eine Parteientschädigung von Fr. 746.20 zuzusprechen sei. Es ist hier folglich von einer vermögensrechtlichen Angelegenheit auszugehen, deren Streitwert weniger als Fr. 30'000.-- beträgt. Die Beschwerdeführerin macht wohl eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geltend, unterlässt indessen jegliche Begründung hiezu. Deshalb ist die vorliegende Beschwerde als subsidiäre Verfassungsbeschwerde entgegenzunehmen (Art. 113 BGG); die Beschwerde in Zivilsachen erweist sich als unzulässig.
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1.3 Mit der Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten nur insofern, als eine Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG). Entsprechend den altrechtlichen Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 133 III 393 E. 6 S. 397).
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2.
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Die Beschwerdeführerin rügt in ihrer Eingabe eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, indem ihr die Stellungnahme des DJS im Aufsichtsbeschwerdeverfahren - die zwar nur, aber immerhin, aus deren Entscheid in der Sache selbst bestand - von der Vorinstanz nie zugestellt wurde, was von dieser auch nicht bestritten wird.
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2.1 Der verfassungsmässige Gehörsanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV) gilt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung als ein solcher formeller Natur. Die Rüge ist hier vorweg zu behandeln, weil die Verletzung des Gehörsanspruchs ungeachtet der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids führt (vgl. BGE 132 V 387 E. 5.1 S. 390). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs als persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht umfasst unter anderem das Recht auf Stellungnahme zum Beweisergebnis. Dabei hat die neue und entscheidende Akten beiziehende Behörde den Betroffenen darüber zu orientieren. Der Anspruch einer Partei, im Rahmen eines streitigen Verfahrens zu replizieren, bildet einen Teilgehalt des verfassungsmässigen Anspruchs auf rechtliches Gehör und gewährleistet, dass die Partei nicht nur von der Behörde über den Eingang neuer Akten orientiert werden muss, sondern ausserdem die Möglichkeit zur Replik erhält (BGE 132 I 42 E. 3.3.3 S. 46; 124 II 132 E. 2b S. 137).
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Auf die Aufhebung eines angefochtenen Entscheids kann praxisgemäss in Fällen verzichtet werden, in denen die Verletzung des Akteneinsichtsrechts nicht besonders schwer wiegt und dadurch geheilt wird, dass die Partei, deren rechtliches Gehör verletzt wurde, sich vor einer Instanz äussern kann, welche sowohl die Tat- als auch die Rechtsfragen uneingeschränkt überprüft (BGE 115 V 305 E. 2h; RKUV 1992 Nr. U 152 S. 199 E. 2e). Von einer Rückweisung der Sache zur Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Verwaltung ist im Sinne einer Heilung des Mangels selbst bei einer schwer wiegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs dann abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGE 132 V 387 E. 5.1 S. 390).
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Die Befugnis des Bundesgerichts zur Überprüfung des Sachverhalts ist beschränkt; im Verfassungsbeschwerdeverfahren kann es nur eingreifen, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 116 BGG beruhen. Bei den von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen geht es auch um Sachverhaltsfragen, die den Ausgang des Verfahrens beeinflussen konnten, weshalb die Verletzung des rechtlichen Gehörs im bundesgerichtlichen Verfahren nicht geheilt werden kann (vgl. BGE 132 V 387 E. 5.1). Deshalb wurde der Gehörsanspruch der Beschwerdeführerin verletzt.
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3.
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Nach dem Gesagten muss die Verfassungsbeschwerde gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und zwecks Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Vorinstanz zurückgewiesen werden, ohne die Begründetheit der übrigen Rügen zu prüfen. Lediglich der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass sich das Bundesgericht in der Sache selbst nur mit den im Zusammenhang mit dem angefochtenen Entscheid stehenden Rügen zu befassen hätte, nicht aber mit solchen, welche den Entscheid in der Obhutssache selbst betreffen.
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Dem Kanton Thurgau dürfen als unterliegender Partei keine Gerichtskosten auferlegt werden (Art. 66 Abs. 4 BGG). Hingegen hat er der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Auf die Beschwerde in Zivilsachen wird nicht eingetreten.
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2.
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Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Regierungsrats des Kantons Thurgau vom 15. Dezember 2008 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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3.
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Es werden keine Kosten erhoben.
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4.
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Der Kanton Thurgau wird verpflichtet, die Beschwerdeführerin mit Fr. 1'800.-- für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen.
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5.
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Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist gegenstandslos.
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6.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Regierungsrat des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 19. März 2009
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Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
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Hohl Schett
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