BGer 5A_812/2008 | |||
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BGer 5A_812/2008 vom 07.01.2009 | |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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5A_812/2008/bnm
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Urteil vom 7. Januar 2009
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II. zivilrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
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Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
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Gerichtsschreiber von Roten.
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Parteien
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M.________,
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Beschwerdeführerin,
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vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Stutz,
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gegen
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Vormundschaftsbehörde F.________, Gemeindeammann,
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Gegenstand
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Obhutsentzug,
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Beschwerde gegen die Präsidialverfügung der Vormundschaftsbehörde F.________ vom 26. November 2008.
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Sachverhalt:
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A.
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T.________, geboren am xxxx 2008, ist die Tochter von M.________, Jahrgang 1988, und V.________, Jahrgang 1978. Ende Oktober 2008 ging bei der Vormundschaftsbehörde F.________ eine Gefährdungsmeldung betreffend T.________ ein. Nach Anhörung der Kindeseltern beauftragte die Vormundschaftsbehörde die Jugend-, Ehe- und Familien-Beratungsstelle (JEFB-Stelle) mit Abklärungen. Das Bezirksamt B.________ zeigte der Vormundschaftsbehörde am 25. November 2008 die erneute Gefährdung des Kindeswohls an und wies die Kindesmutter am 26. November 2008 im Rahmen einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung in die Klinik K.________ ein.
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B.
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Die Präsidentin der Vormundschaftsbehörde entzog den Kindeseltern nach kurzfristig erfolgter Anhörung am 26. November 2008 die Obhut und brachte das Kind T.________ im Kinderheim unter. Sie sistierte das Besuchsrecht der Kindesmutter für die Dauer bis zu einem Erledigungsbeschluss durch die Vormundschaftsbehörde, während dem Kindesvater ein vollumfängliches Besuchsrecht zugestanden wurde. Gemäss Rechtsmittelbelehrung ist die vorsorglich erlassene Präsidialverfügung nicht mit Beschwerde anfechtbar und fällt mit der Rechtskraft des gesetzlich vorgeschriebenen beschwerdefähigen Erledigungsbeschlusses der Vormundschaftsbehörde über die Massnahme (Art. 420 Abs. 2 ZGB) dahin.
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C.
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Gegen die Präsidialverfügung vom 26. November 2008 erhob die Kindesmutter kantonale Beschwerde. Das Bezirksamt B.________ trat darauf nicht ein mit der Begründung, dass die Beschwerde gegen superprovisorische Beschlüsse bzw. Präsidialverfügungen unzulässig sei und erst gegen den zwingend und ohne Verzug nachzuholenden Beschluss der Vormundschaftsbehörde offen stehe (Entscheid vom 2. Dezember 2008).
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D.
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Gegen die Präsidialverfügung vom 26. November 2008 hat die Kindesmutter auch Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie beantragt dem Bundesgericht, die angefochtene Präsidialverfügung aufzuheben und ihr ein uneingeschränktes Kontakt- und Besuchsrecht einzuräumen und das Kind bei ihren Eltern unterzubringen. Sie ersucht, die beantragten Verfügungen vorläufig sofort zu treffen und für vollstreckbar zu erklären und ihr für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Der Präsident der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen abgewiesen (Verfügung vom 5. Dezember 2008). Es sind die Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
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E.
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Mit Beschluss vom 8. Dezember 2008 hat die Vormundschaftsbehörde F.________ den Präsidialentscheid vom 26. November 2008 aufgehoben und durch eine neue Verfügung ersetzt. Darin wurden der Obhutsentzug und die Unterbringung bestätigt, ein uneingeschränktes Besuchsrecht der Eltern gegenüber ihrer Tochter im Kinderheim gestattet, der Auftrag an die JEFB-Stelle betreffend Abklärungen bestätigt und ergänzt und einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung entzogen. Die Beschwerdeführerin hat dem Bundesgericht am 23. und 24. Dezember 2008 weitere Belege eingereicht, namentlich die Verfügung des Bezirksamtes B.________ vom 13. Dezember 2008, mit der ihre Entlassung aus der Klinik K.________ angeordnet wurde, sowie den Beschluss der Vormundschaftsbehörde F.________ vom 22. Dezember 2008, mit dem der Obhutsentzug rückgängig gemacht und das Kind T.________ in die Obhut seiner Eltern zurückgegeben wurde. Die Beschwerdeführerin hat sich in ihrer Eingabe vom 23. Dezember 2008 zu den Kostenfolgen einer allfälligen Gegenstandslosigkeit des Beschwerdeverfahrens geäussert und formell den Antrag gestellt, das Beschwerdeverfahren abzuschreiben, eventualiter ihre Beschwerde antragsgemäss gutzuheissen, und in jedem Fall die Vorinstanz kostenpflichtig zu erklären.
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Erwägungen:
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1.
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Der Beschluss der Vormundschaftsbehörde vom 8. Dezember 2008 hat die vor Bundesgericht angefochtene Präsidialverfügung vom 26. November 2008 aufgehoben bzw. ersetzt, so dass das Anfechtungsobjekt im vorliegenden Beschwerdeverfahren und folglich das Interesse an der Beurteilung der vor Bundesgericht erhobenen Rügen nachträglich weggefallen ist. Der Beschluss der Vormundschaftsbehörde vom 22. Dezember 2008 hat anschliessend das Verfahren der Obhutsenziehung mit Fremdplatzierung als Ganzes hinfällig werden lassen. In Fällen von Gegenstandslosigkeit erklärt das Bundesgericht die Beschwerde nach Vernehmlassung der Parteien ohne weitere Parteiverhandlung als erledigt und entscheidet mit summarischer Begründung über die Prozesskosten auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP). Es steht ihm dabei ein weites Ermessen zu. Die Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen hat in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahrens abzustellen. Sie erfolgt auf Grund einer lediglich summarischen Prüfung, bei der nicht auf alle Rügen einzeln und detailliert einzugehen ist, und mit bloss summarischer Begründung, weil nicht auf dem Weg über den Kostenentscheid ein materielles Urteil gefällt oder vorweggenommen werden darf (vgl. BGE 118 Ia 488 E. 4a S. 494 f.; Urteil K 139/2003 vom 2. Dezember 2004, E. 2.1, in: Anwaltsrevue 2005 S. 123).
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2.
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Gemäss § 59 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch und Partnerschaftsgesetz (EG ZGB, SAR 210.100) ist Vormundschaftsbehörde der Gemeinderat. Das Gesetz über die Einwohnergemeinden (Gemeindegesetz, SAR 171.100) sieht vor, dass es für die Verhandlungsfähigkeit des Gemeinderates der absoluten Mehrheit des Rates bedarf (§ 42 Abs. 1) und für die Gültigkeit eines Beschlusses die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder erforderlich ist (§ 42 Abs. 2), dass aber der Gemeindeammann in dringlichen Fällen die erforderlichen Anordnungen erlässt und darüber dem Gemeinderat an der nächsten Sitzung Bericht erstattet (§ 45 Abs. 5 des Gemeindegesetzes). Der Gemeindeammann als Präsident der Vormundschaftsbehörde übt somit lediglich deren Kompetenzen in Dringlichkeitsfällen und im Sinne eines vorläufigen Verfügens aus und handelt in Vertretung der Vormundschaftsbehörde an deren Stelle, bis diese selbst zusammentritt und in ordentlicher Besetzung entscheidet. Der Gemeinderat als Vormundschaftsbehörde wiederum ist gleichsam Rechtsmittelinstanz gegenüber den insoweit vorläufigen Verfügungen der selbstständigen Verwaltungsorgane und -behörden (vgl. BAUMANN, Aargauisches Gemeinderecht, 3.A. Zürich 2005, S. 330 und S. 357 ff.).
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Auf Grund der kantonalen Verfahrensregelung fehlt der angefochtenen Präsidialverfügung die Letztinstanzlichkeit gemäss Art. 75 Abs. 1 BGG. Sie unterliegt der Überprüfung und Abänderbarkeit in der Sache durch die Vormundschaftsbehörde, deren Beschluss wiederum gemäss Art. 420 ZGB bei der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde angefochten werden kann (vgl. zum Begriff der Letztinstanzlichkeit: BGE 133 III 585 E. 3.1 S. 586; 134 III 524 E. 1.3 S. 527). Es verhält sich nicht anders als im Falle superprovisorisch angeordneter Massnahmen, die nicht als letztinstanzlich gelten, wenn das Gericht nach kantonalem Recht verpflichtet ist, eine Verhandlung anzusetzen, um die Parteien anzuhören und über die Aufrechterhaltung der superprovisorisch verfügten Massnahmen zu entscheiden (Urteil 5A_678/2007 vom 8. Januar 2008 E. 3, betreffend Obhutsentzug, in: SZZP 2008 S. 185 f. und ZVW 2008 S. 232, mit Hinweisen).
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Aus den dargelegten Gründen wäre nach dem mutmasslichen Verfahrensausgang auf die Beschwerde nicht einzutreten gewesen. Die Beschwerdeführerin wird damit für das gegenstandslos gewordene Beschwerdeverfahren kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Entgegen ihrer Darstellung kann sie sich nicht darauf berufen, sie habe in guten Treuen Beschwerde geführt, war doch die angefochtene Präsidialverfügung mit einer eindeutigen und zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen. Richtig dürfte sein, dass die Beschwerdeführerin mit einer Vielzahl von Eingaben und Beschwerden letztlich die Aufhebung der Kindesschutzmassnahmen erreicht hat. Ob ihr daraus ein Anspruch auf Erstattung von Kosten erwächst, ist indessen nicht Gegenstand des vorliegenden, sondern allenfalls eines kantonalen Verfahrens betreffend die Beschlüsse der Vormundschaftsbehörde vom 8. bzw. 22. Dezember 2008, die gemäss Rechtsmittelbelehrung innert Frist beim Bezirksamt B.________ angefochten werden können.
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3.
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Die Beschwerdeführerin wird zwar kostenpflichtig, doch ist auf die Erhebung von Kosten mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse und die konkreten Umstände zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird insoweit gegenstandslos. Was die unentgeltliche Rechtsvertretung anbetrifft, kann dem Gesuch der Beschwerdeführerin nicht entsprochen werden. Auf Grund der kantonalen Verfahrensordnung und der eindeutigen Rechtsmittelbelehrung hätten die vor Bundesgericht gestellten Anträge von Beginn an als unzulässig erkannt werden müssen (Art. 64 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird als gegenstandslos abgeschrieben.
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2.
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Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos ist.
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3.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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4.
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Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und der Vormundschaftsbehörde F.________ schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 7. Januar 2009
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Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
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Hohl von Roten
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