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Informationen zum Dokument  BGE 114 II 159 - Ewiger Bierlieferungsvertrag  Materielle Begründung
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Zitiert durch:
BGE 117 II 273 - Fertighaus

Zitiert selbst:
BGE 93 II 290 - Wasserversorgungsanlage Saurenhorn

Regeste
Sachverhalt
A.
B.
Erwägungen:
Erwägung 2
2. Das Obergericht verwirft das Begehren auf Schadenersatz fü ...
Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher  
 
25. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung
 
vom 21. Juni 1988 i.S. Brauerei X. AG gegen F. AG (Berufung)  
 
Regeste
 
Art. 2 und 27 ZGB. Kündigung eines zeitlich unbegrenzten Bierlieferungsvertrags.  
Kündbarkeit "ewiger" Verträge. Voraussetzungen. Eigenständige Bedeutung von Art. 2 ZGB (E. 2a).  
Beginn der massgeblichen Vertragsdauer (E. 2b). Teilnichtigkeit gemäss Art. 20 Abs. 2 OR als Folge zeitlich übermässiger Bindung; Zulässigkeit einer Vertragsdauer von zwanzig Jahren im konkreten Fall (E. 2c).  
 
BGE 114 II, 159 (160)Sachverhalt
 
 
A.
 
Mit Vertrag vom 28. Oktober 1967 verpflichtete sich die F. AG, in sämtlichen gegenwärtigen und künftigen Gaststätten auf dem Flugplatzareal Y. und allenfalls hinzugepachteten Grundstücken "für alle Zeit" nur X.-Biere zum Ausschank zu bringen und das Bier sowie Coca-Cola und S.-Mineralwasser ausschliesslich bei der Brauerei X. AG zu beziehen; die Brauerei verpflichtete sich ihrerseits, die notwendigen Buffeteinrichtungen gratis zur Verfügung zu stellen.
1
Am 20. September 1973 schlossen die Parteien eine neue Vereinbarung. Danach war die F. AG wiederum zum ausschliesslichen Bierbezug bei der Brauerei und überdies zum fast ausschliesslichen Bezug von Mineralwasser bei der M. AG verpflichtet. Die Brauerei übernahm einen Kostenanteil von Fr. 8'000.- für die Einrichtung des Buffets des Flugplatzrestaurants und gewährte für die Restkosten von Fr. 6'558.- ein verzinsliches, in zehn jährlichen Raten rückzahlbares Darlehen. Für den Fall, dass der F. AG die Einhaltung der Bezugsverpflichtung "aus irgend einem Grunde nicht mehr möglich sein" sollte, sah der Vertrag die sofortige Rückzahlung des noch offenen Darlehensbetrags und des noch nicht amortisierten Teils der jährlich mit 5% abzuschreibenden Fr. 8'000.- vor.
2
Mit Brief vom 9. Mai 1984 kündigte die F. AG den Vertrag per 15. August 1984 unter Anerkennung der bis dahin entstehenden finanziellen Verpflichtungen. In der Folge machte die Brauerei neben dem nicht amortisierten Anteil der Buffetkosten von unstreitig Fr. 3'600.- (die Darlehensschuld war getilgt) Schadenersatz für entgangenen Gewinn geltend, da ihr der unbefristete Vertrag jedenfalls während zwanzig Jahren einen Anspruch auf LieferungBGE 114 II, 159 (160) BGE 114 II, 159 (161)von Bier und Mineralwasser gewährt habe. Die F. AG lehnte unter Berufung auf Art. 27 ZGB und Art. 20 OR jede vertragliche Verpflichtung über den von ihr gesetzten Endtermin hinaus ab.
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B.
 
Am 15. November 1985 klagte die Brauerei beim Amtsgericht S. gegen die F. AG auf Zahlung von Fr. 19'800.- nebst Zins. Das Amtsgericht wies die Klage am 28. August 1986 ab, soweit es darauf eintrat. Auf Appellation der Klägerin hin bestätigte das Obergericht des Kantons Luzern den erstinstanzlichen Entscheid mit Urteil vom 14. September 1987. Die von der Klägerin dagegen eingereichte Berufung heisst das Bundesgericht gut und hebt das obergerichtliche Urteil auf.
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Erwägungen:
 
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 2
 
2. Das Obergericht verwirft das Begehren auf Schadenersatz für entgangenen Gewinn, da die Kündigung zugelassen werden müsse, nachdem die Beklagte von 1967 bis Ende 1984 Bier und Mineralwasser bezogen habe, da eine über die siebzehn Jahre hinaus andauernde Bezugsverpflichtung die wirtschaftliche Freiheit der Beklagten unzumutbar einschränken würde. Die Klägerin anerkennt den Grundsatz, dass übermässig bindende Verträge teilnichtig und gemäss Art. 20 Abs. 2 OR auf das nach Art. 27 ZGB zulässige Mass einzuschränken sind. Indessen sei nicht vom 1967, sondern vom 1973 abgeschlossenen, hinsichtlich Leistungsgegenstand und Geltungsbereich verschiedenen Vertrag auszugehen, der entsprechend dem Abschreibungssatz von 5% mindestens zwanzig Jahre dauern sollte, was vor Art. 27 ZGB standhalte.
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a) Nach Lehre und Rechtsprechung können Verträge nicht auf unbegrenzte Zeit abgeschlossen werden (BGE 113 II 210 f. mit Hinweisen). Ihre Kündbarkeit ergibt sich aus Art. 27 ZGB, wonach die persönliche und wirtschaftliche Handlungsfreiheit nicht übermässig eingeschränkt werden darf, oder aus Art. 2 ZGB, wonach das Beharren einer Partei auf einer übermässigen Bindung als zweckwidrige Rechtsausübung und damit als rechtsmissbräulich erscheint (BGE 93 II 300 f. E. 7 und BGE 103 II 185 f. E. 4 zu Art. 27 ZGB; BGE 97 II 399 f. E. 7 zu Art. 2 ZGB; MERZ, OR Allgemeiner Teil, in Schweizerisches Privatrecht, Bd. VI/1, S. 129; derselbe in ZBJV 109/1973, S. 98 f. zu BGE 97 II 390; LIVER, ZBJV 105/1969, S. 11 f. und ZBJV 109/1973, S. 89 f. Anm. 1 zu BGE 93 II 290 bzw. BGE 97 II 390). Wann der Zeitpunkt gekommen ist, in dem das Vertragsverhältnis gekündigt werden kann,BGE 114 II, 159 (161) BGE 114 II, 159 (162)lässt sich nur von Fall zu Fall entscheiden (so mit Bezug auf den Bierlieferungsvertrag MAX WÜTHRICH, Der Bierlieferungsvertrag nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1929, S. 31) und hängt namentlich von der Intensität der Bindung des Verpflichteten und vom Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ab (LIVER, ZBJV 109/1973, S. 90 Anm. 1). Daher stellt die vom Bundesgericht für eine Bezugspflicht von Bier als zulässig erachtete Dauer von fünfzehn Jahren (BGE 40 II 233 Nr. 42) keine feste Grenze dar, wie auch aus BGE 93 II 300 E. 7 hervorgeht, wo unter Bezugnahme auf jenen Entscheid bloss eine diese Dauer "erheblich übersteigende" Bezugspflicht als unverbindlich betrachtet wird.
7
Geht es um die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung, ist das Bundesgericht zurückhaltend in der Annahme eines Verstosses gegen Art. 27 ZGB. Eine vertragliche Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit wird nur dann als übermässig angesehen, wenn sie den Verpflichteten der Willkür eines anderen ausliefert, seine wirtschaftliche Freiheit aufhebt oder in einem Masse einschränkt, dass die Grundlagen seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet sind (BGE 111 II 337 E. 4 mit Hinweis). Das gilt grundsätzlich auch für juristische Personen. So hat das Bundesgericht die Unzulässigkeit der Delegation von dem obersten Organ vorbehaltenen Kompetenzen damit begründet, die Körperschaft würde ihr Selbstbestimmungsrecht verlieren und sich fremder Willkür ausliefern, was einer Entmündigung gleichkäme und als ebenso unzulässig erscheine wie der Verzicht einer natürlichen Person auf ihre Rechts- und Handlungsfähigkeit (BGE 67 I 265 oben; vgl. auch BGE 71 I 187 Nr. 33 sowie 51 II 333 ff. E. 2).
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Die zulässige Dauer der Bindung hängt vom Gegenstand der Beschränkung ab: Sie ist bei Verpflichtungen zu wiederkehrenden Leistungen oder Bezügen kürzer als beim Verzicht, während einer absehbaren Dauer über eine Sache zu verfügen (BGE 93 II 300 E. 7 mit Hinweisen). So kann ein Vermieter trotz der Unzulässigkeit zeitlich unbegrenzter Mietverträge (BGE 103 II 185 f. E. 4) gegenüber dem Mieter für lange Zeit auf die Möglichkeit verzichten, das Mietverhältnis zu kündigen (BGE 56 II 190 ff.).
9
Die eigenständige Bedeutung von Art. 2 ZGB kommt in Fällen zum Tragen, wo es nicht ersichtlich ist, dass der Verpflichtete in seinen finanziellen Interessen ernstlich beeinträchtigt wird (BGE 97 II 399 f. E. 7 mit Hinweis auf LIVER, ZBJV 105/1969, S. 9 ff.). Entscheidend ist dann, ob die Rechtsausübung dem Zweck zuwiderläuft, den die Kontrahenten seinerzeit mit dem Abschluss desBGE 114 II, 159 (162) BGE 114 II, 159 (163)Vertrags verfolgt haben (a.a.O. S. 400); indessen kommt es auch bei Art. 2 ZGB massgeblich auf die Intensität der Bindung an (LIVER, ZBJV 109/1973, S. 90 Anm. 1; zum Kriterium des Zwecks vgl. auch BGE 107 II 219 f. E. 3b).
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Die letzte Verpflichtung datiert aus dem Jahr 1973. Für die Frage der zulässigen Bindungsdauer auf das Jahr 1967 zurückzugreifen, besteht kein Anlass. Wohl sah der erste Vertrag eine Bezugsverpflichtung "für alle Zeit" vor. Das wäre jedoch höchstens dann erheblich, wenn die Beklagte den zweiten Vertrag unter dem Einfluss der fortbestehenden Verpflichtung abgeschlossen hätte. Ein solcher Zusammenhang ist vorliegend nicht ersichtlich; insbesondere fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten für den Bestand einer Zwangssituation der Beklagten. Die Parteien stellten ihre vertraglichen Beziehungen im Jahre 1973 freiwillig auf eine neue Grundlage, indem sie die Bezugsverpflichtung der Beklagten hinsichtlich des Mineralwassers und die Gegenleistungen der Klägerin neu festlegten; dabei wurden die letzteren durch die konkrete Umschreibung des Leistungsinhalts wesentlich erweitert. Selbst wenn die Beklagte durch die vorbestehende Verpflichtung in ihrer Handlungsfreiheit beeinträchtigt gewesen wäre, müsste sie sich entgegenhalten lassen, dass es ihr freigestanden hätte, den ebenfalls unbefristeten Vertrag von 1967 wegen übermässiger Bindung anzufechten und sich die finanziellen Mittel anderweitig zu beschaffen, statt 1973 Hand zu einem neuen Vertrag zu bieten.
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c) Soweit die 1973 wiederum auf unbegrenzte Zeit eingegangene Bezugsverpflichtung die nach Art. 27 ZGB zulässige Höchstdauer überschreitet, führt sie zur Teilnichtigkeit des Vertrags gemäss Art. 20 Abs. 2 OR, die durch Vertragsergänzung aufgrund des hypothetischen Parteiwillens zu beheben ist (BGE 107 II 218 f. E. 3a und b mit Hinweisen; JÄGGI/GAUCH, N. 498 ff. zu Art. 18 OR; neuestens ROLAND HÜRLIMANN, Teilnichtigkeit von SchuldverträgenBGE 114 II, 159 (163) BGE 114 II, 159 (164)nach Art. 20 Abs. 2 OR, Diss. Freiburg 1984, S. 78 ff. sowie CLAIRE HUGUENIN, Nichtigkeit und Unverbindlichkeit als Folgen anfänglicher Vertragsmängel, Diss. Bern 1984, S. 50 f.; a.A. BUCHER, OR Allgemeiner Teil, S. 234 ff.). Dieser Wille lässt sich aufgrund des für den Buffetkostenanteil vereinbarten Amortisationssatzes von 5% ermitteln. Danach gingen die Parteien im Jahr 1973 davon aus, die von der Klägerin übernommenen Fr. 8'000.- würden durch Bezug von Getränken während zwanzig Jahren kompensiert. Damit steht fest, dass die Parteien einen auf die Zeit von 1973 bis 1993 beschränkten Vertrag abgeschlossen hätten, wenn sie sich der Unzulässigkeit ewiger Verträge bewusst gewesen wären. Zu prüfen bleibt die Vereinbarkeit dieser Dauer mit Art. 27 und 2 ZGB:
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aa) Die Verpflichtung der Beklagten zu einem Tun gebietet es zwar, die Zulässigkeit der Bindung grundsätzlich strenger zu beurteilen, als wenn über die Dauer einer Unterlassungspflicht zu befinden wäre. Trotzdem überschreiten zwanzig Jahre die nach Art. 27 ZGB zulässige Höchstdauer im vorliegenden Fall nicht. Die Beklagte führt das Restaurant nicht als natürliche Person, sondern als Aktiengesellschaft, deren Haupttätigkeit im Betrieb des Flughafens Y. besteht. Die Führung des Flughafenrestaurants stellt einen Nebenbetrieb innerhalb dieses umfassenden Tätigkeitsbereichs dar, auch wenn damit nichts über die Höhe der daraus erzielten Einkünfte gesagt ist. Die streitige Bezugsverpflichtung beschlägt ihrerseits nur einen Teil dieses Nebenbetriebs, umfasst sie doch nicht einmal sämtliche Getränke. Sie ist deshalb keinesfalls geeignet, die wirtschaftliche Freiheit der Beklagten auch nur wesentlich einzuschränken, geschweige denn aufzuheben oder die Grundlagen ihrer wirtschaftlichen Existenz zu gefährden. Ebensowenig kann davon gesprochen werden, dass der Vertrag die Beklagte der Willkür der Klägerin ausliefere und sie entmündige. Entscheidend ist schliesslich, dass der Bezugspflicht eine beachtliche Leistung der Klägerin gegenübersteht, die mehr als die Hälfte der Kosten für die Einrichtung des Buffets à fonds perdu übernommen und den Rest vorgeschossen hat.
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bb) Indem die Klägerin auf der weiteren Erfüllung des zweiten Vertrags beharrt hat, kann ihr auch kein Rechtsmissbrauch durch zweckwidrige Rechtsausübung vorgeworfen werden. 1973 hat sie ihre an die Beklagte à fonds perdu erbrachte Leistung erkennbar von der Bedingung abhängig gemacht, dass die Beklagte als GegenleistungBGE 114 II, 159 (164) BGE 114 II, 159 (165)mindestens bis zum Jahr 1993 für das Flugplatzrestaurant Bier und Mineralwasser bei der Klägerin und der M. AG beziehen werde.BGE 114 II, 159 (165)
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