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Informationen zum Dokument  BGer 4A_67/2022  Materielle Begründung
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BGer 4A_67/2022 vom 11.04.2022
 
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4A_67/2022
 
 
Urteil vom 11. April 2022
 
 
I. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
 
Bundesrichterinnen Kiss, May Canellas,
 
Gerichtsschreiber Brugger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Artan Sadiku,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
B.________ AG,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Marianne I. Sieger,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Krankentaggelder,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich, V. Kammer,
 
vom 16. Dezember 2021 (KK.2020.00017).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.________ (Kläger, Beschwerdeführer) war ab dem 15. Juni 2015 bei der C.________ GmbH als Vorarbeiter Fassade angestellt und über seine Arbeitgeberin bei der B.________ AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin) krankentaggeldversichert. Mit Krankheitsmeldung vom 10. Dezember 2018 meldete die Arbeitgeberin der Beklagten, dass der Kläger seit dem 7. September 2018 arbeitsunfähig sei. Die Beklagte richtete zunächst Taggelder aus. Später liess sie den Kläger an mehreren Tagen observieren und teilte ihm am 20. Juni 2019 mit, dass er rückwirkend per 7. September 2018 aus dem versicherten Personenkreis ausgeschlossen werde, keine weiteren Taggeldleistungen erfolgen würden und die Rückforderung der bereits bezahlten Taggeldleistungen sowie Überwachungskosten ausdrücklich vorbehalten bleibe.
1
 
B.
 
Mit Eingabe vom 6. März 2020 erhob der Kläger am Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Klage. Er beantragte, die Beklagte sei zur Zahlung von Krankentaggeldern vom 1. Februar bis 20. Oktober 2019 in der Höhe von insgesamt Fr. 38'560.-- nebst Zins zu verpflichten.
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Mit Urteil vom 16. Dezember 2021 erwog das Sozialversicherungsgericht, dem Kläger sei der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ab dem 1. Februar 2019 misslungen. Überdies sei erstellt, dass der Kläger gegenüber der Beklagten anspruchsrelevante Tatsachen wahrheitswidrig dargestellt habe, was den Tatbestand der betrügerischen Begründung des Versicherungsanspruchs im Sinne von Art. 40 VVG erfülle. Der eingeklagte Anspruch erweise sich daher als mehrfach unbegründet. Die Klage sei abzuweisen.
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C.
 
Dagegen erhebt der Beschwerdeführer Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, das Urteil der Vorinstanz sei aufzuheben und ihm seien die Krankentaggelder vom 1. Februar 2019 bis 20. Oktober 2019 in der Höhe von Fr. 38'560.-- nebst Zins zu bezahlen. Eventualiter sei das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
4
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten beigezogen, aber auf das Einholen von Vernehmlassungen zur Beschwerde verzichtet.
5
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Unter Vorbehalt einer rechtsgenüglichen Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. Erwägung 2) ist daher auf die Beschwerde einzutreten.
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1.2. Der Beschwerdeführer beantragt als Verfahrensantrag, dass ihm nach Eingang der Beschwerdeantwort ein Replikrecht zu gewähren sei (Rechtsbegehren Ziff. 4). Da auf die Einholung einer Beschwerdeantwort verzichtet wurde (Sachverhalt C), entfällt auch das Replikrecht.
7
 
2.
 
2.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und 96 BGG gerügt werden. Die Beschwerde ist hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (BGE 134 II 244 E. 2.1). In der Beschwerdeschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Unerlässlich ist, dass die Beschwerde auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerdeschrift nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 140 III 86 E. 2 S. 89, 115 E. 2 S. 116).
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2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 117; 135 III 397 E. 1.5). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).
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Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2). Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1).
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3.
 
Die Vorinstanz legte im angefochtenen Entscheid vorab dar, dass unter den vorliegenden Umständen die aus der Observation gewonnenen Erkenntnisse bei der Entscheidfindung berücksichtigt werden könnten und es sich dabei entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht um rechtswidrig beschaffte Beweismittel handle.
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Mit diesen Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht hinreichend auseinander noch zeigt er rechtsgenüglich auf (Erwägung 2.1), dass die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hätte, indem er pauschal behauptet, dass eine Observation erst erfolgen dürfe, wenn die medizinischen Abklärungen erfolglos verlaufen seien, die Observation einen schweren Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte darstelle und "keineswegs" verhältnismässig gewesen sei.
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4.
 
Der Beschwerdeführer beanstandet die vorinstanzliche Beweiswürdigung, wonach ihm der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit nicht gelungen sei.
13
4.1. Die Vorinstanz ging auf die einzelnen Unterlagen ein und kam zusammengefasst zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer mit diesen Dokumenten die Arbeitsunfähigkeit ab dem 1. Februar 2019 nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachzuweisen vermöge.
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4.2. Die Vorinstanz ging entsprechend davon aus, dass der Beschwerdeführer eine Beweiserleichterung geniesse, indem er nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des geltend gemachten Anspruches darzutun habe. Das Bundesgericht hat jedoch in einem kürzlich gefällten Urteil entschieden, dass bei Versicherungsfällen, wie dem vorliegenden, für die behauptete Arbeitsunfähigkeit nicht das reduzierte Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, sondern das ordentliche Beweismass der vollen Überzeugung gilt (Urteil 4A_117/2021 vom 31. August 2021 E. 3.3.1, zur Publikation vorgesehen). Umsomehr gilt daher, dass dem Beschwerdeführer der Nachweis unter dem strengeren, ordentlichen Beweismass nicht gelungen ist.
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Zudem ist zu beachten, dass das Bundesgericht in die vorinstanzliche Beweiswürdigung nur eingreift, wenn sie willkürlich ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Gericht Sinn und Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkannt hat, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweismittel unberücksichtigt gelassen oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen gezogen hat (BGE 140 III 264 E. 2.3; 137 III 226 E. 4.2; 136 III 552 E. 4.2). Inwiefern die Beweiswürdigung willkürlich sein soll, ist in der Beschwerde klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 134 II 244 E. 2.2). Namentlich genügt es nicht, einzelne Beweise anzuführen, die anders als im angefochtenen Entscheid gewichtet werden sollen, und dem Bundesgericht in appellatorischer Kritik die eigene Auffassung zu unterbreiten, als ob diesem freie Sachverhaltsprüfung zukäme (vgl. BGE 140 III 264 E. 2.3; 116 Ia 85 E. 2b). Die Beweiswürdigung ist mithin nicht schon dann willkürlich, wenn sie nicht mit der Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmt, sondern bloss, wenn sie offensichtlich unhaltbar ist (BGE 141 III 564 E. 4.1; 135 II 356 E. 4.2.1).
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4.3. Der Beschwerdeführer genügt diesen Anforderungen nicht. Er schildert bloss die einzelnen Dokumente aus seiner eigenen Sicht und behauptet, dass ihm damit der Beweis der Arbeitsunfähigkeit gelungen und die widersprechende Würdigung der Vorinstanz willkürlich sei. Er legt aber nicht rechtsgenüglich dar, inwiefern die Beweiswürdigung der Vorinstanz geradezu offensichtlich unrichtig im genannten Sinn wäre. Darauf ist nicht einzutreten.
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Das Gleiche gilt, wenn er bezüglich einzelner Dokumente behauptet, die Vorinstanz habe den Sachverhalt in tatsachenwidriger Weise festgestellt, ohne aber rechtsgenüglich darzulegen, inwiefern die Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig wären (Erwägung 2.2).
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4.4. Fehl geht die Rüge des Beschwerdeführers, wonach die Vorinstanz nicht gewürdigt habe, dass er nach dem aktenkundigen Schreiben der Klinik D.________ vom 16. Mai 2019 zwischen dem 16. Mai und dem 27. Juni 2019 "elf (!!!) Arzttermine" gehabt habe und alleine diese hohe Frequenz an Arztterminen auf eine schwere körperliche Beeinträchtigung bzw. eine bestehende Arbeitsunfähigkeit schliessen lasse.
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Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ging die Vorinstanz sehr wohl auf das Bestätigungsschreiben der Klinik D.________ bezüglich der anstehenden Behandlungstermine ein und legte dar, dass daraus nicht hervorgehe, ob und inwieweit der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt im Hinblick auf seine berufliche Tätigkeit funktionell eingeschränkt gewesen sei. Dass solches aus dem Schreiben der Klinik entgegen den Feststellungen der Vorinstanz hervorgehen würde, macht der Beschwerdeführer nicht geltend (Erwägung 2.2). Im Übrigen lässt sich einzig aus einer hohen Anzahl von Arztterminen auch nicht auf eine konkrete Arbeitsunfähigkeit schliessen.
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5.
 
Die Vorinstanz legte ausführlich dar, warum sie unter den gegebenen Umständen auf eine Zeugenbefragung von Dr. E.________ und Dr. F.________ sowie auf die Einholung eines Gerichtsgutachtens in einer antizipierten Beweiswürdigung verzichtete.
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Damit setzt sich der Beschwerdeführer nicht hinreichend auseinander (Erwägung 2.1) noch zeigt er rechtsgenüglich auf, inwiefern die Vorinstanz in Willkür verfallen wäre, als sie auf die Zeugenaussagen und die Einholung des Gutachtens verzichtete (vgl. BGE 146 III 73 E. 5.2.2 mit Hinweisen), indem er bloss entgegen der Auffassung der Vorinstanz behauptet, dass aus den Aussagen der beiden Ärzte "wohl" entscheidrelevante Erkenntnisse zu erwarten gewesen wären und es dem Gerichtsgutachter "ohne weiteres" möglich gewesen wäre, den Beschwerdeführer zu untersuchen und rückwirkend Aussagen zu seiner Arbeitsfähigkeit zu machen.
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6.
 
Damit trägt bereits die Haupterwägung der Vorinstanz, wonach es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine Arbeitsunfähigkeit ab dem 1. Februar 2019 nachzuweisen. Auf die Eventualerwägung der Vorinstanz, wonach auch eine betrügerische Begründung des Versicherungsanspruches vorliege, und die dagegen erhobenen Rügen des Beschwerdeführers, braucht bei dieser Sachlage nicht eingegangen zu werden.
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7.
 
Die Beschwerde ist nach dem Ausgeführten abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann.
24
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdegegnerin hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung, da ihr aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein entschädigungspflichtiger Aufwand erwachsen ist (Art. 68 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, V. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 11. April 2022
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Hohl
 
Der Gerichtsschreiber: Brugger
 
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