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Informationen zum Dokument  BGer 5D_19/2021  Materielle Begründung
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BGer 5D_19/2021 vom 01.03.2022
 
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5D_19/2021
 
 
Urteil vom 1. März 2022
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter von Werdt, Bovey,
 
Gerichtsschreiber Zingg.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Diezig,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staat Wallis,
 
Inkassostelle und Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen, Avenue de la Gare 23, Postfach 478, 1951 Sitten,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Definitive Rechtsöffnung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Wallis, Zivilkammer, vom 4. Dezember 2020 (C3 20 145).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
1
Mit Entscheid vom 17. August 2020 erteilte das Bezirksgericht Brig, Östlich-Raron und Goms dem Staat Wallis in der gegen A.________ gerichteten Betreibung Nr. xxx des Betreibungsamtes Brig, Östlich-Raron und Goms die definitive Rechtsöffnung für Fr. 20'339.50 nebst Zins zu 5 % seit 27. April 2020.
2
B.
3
Gegen diesen Entscheid erhob A.________ am 27. August 2020 Beschwerde beim Kantonsgericht Wallis. Er beantragte, die definitive Rechtsöffnung zu verweigern, eventuell die Sache an das Bezirksgericht zurückzuweisen. Mit Beschwerdeantwort vom 21. September 2020 beantragte der Staat Wallis die Abweisung der Beschwerde.
4
Mit Entscheid vom 4. Dezember 2020 wies das Kantonsgericht die Beschwerde ab.
5
C.
6
Gegen diesen Entscheid hat A.________ (Beschwerdeführer) am 26. Januar 2021 subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die definitive Rechtsöffnung nicht zu erteilen. Allenfalls sei die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
7
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.
8
 
Erwägungen:
 
1.
9
Der Streitwert der Angelegenheit liegt unter Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) und eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird nicht geltend gemacht (Art. 74 Abs. 2 lit. a i.V.m. Art. 42 Abs. 2 BGG). Damit ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) das zutreffende Rechtsmittel. Diese ist grundsätzlich zulässig (Art. 114 i.V.m. Art. 75, Art. 115, Art. 117 i.V.m. Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 1 lit. c BGG).
10
Mit der Verfassungsbeschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG). Verfassungsrügen müssen gemäss dem strengen Rügeprinzip von Art. 117 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet werden. Dies bedeutet, dass anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids klar und detailliert darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 133 II 396 E. 3.1 S. 399; 142 III 364 E. 2.4 S. 368).
11
2.
12
Nach den Erwägungen des Kantonsgerichts werden mit dem Betreibungs- und Rechtsöffnungsverfahren vom Staat Wallis (Beschwerdegegner) bevorschusste Kindesunterhaltsbeiträge von Januar 2012 bis April 2020 für die Kinder des Beschwerdeführers (B.________, geb. 10. Juni 2002, C.________, geb. 2005, und D.________, geb. 2008) geltend gemacht, wie sie im gerichtlichen Vergleich vom 26. November 2011, im Urteil des Bezirksgerichts Brig, Östlich-Raron und Goms vom 6. Oktober 2016 und in der genehmigten Besuchs- und Unterhaltsregelung vom 16. Juli 2018 festgesetzt worden sind. Der Beschwerdeführer stelle nicht in Frage, dass diese Urkunden, die mit dem Rechtsöffnungsgesuch eingereicht worden seien, definitive Rechtsöffnungstitel darstellten. Zudem sei eine mit "Vollmacht-Abtretung" übertitelte Urkunde eingereicht worden, gemäss welcher die seit Beginn der vom Beschwerdegegner anerkannten Inkassoperiode fällig gewordenen Unterhaltsbeiträge sowie die während der Gültigkeit der Vollmacht-Abtretung fällig werdenden Beiträge an den Beschwerdegegner abgetreten werden. Diese Urkunde sei am 17. November 2016 von der Kindsmutter unterzeichnet worden. Unstrittig sei, dass die Inkassoperiode mit den Unterhaltsbeiträgen für Januar 2012 begonnen habe.
13
Im kantonalen Verfahren machte der Beschwerdeführer geltend, B.________ sei während des Rechtsöffnungsverfahrens volljährig geworden und könne daher ohne seine Zustimmung nicht mehr durch die Kindsmutter vertreten werden und der Beschwerdegegner sei nicht berechtigt, die Ansprüche des volljährigen Sohnes durchzusetzen. Das Kantonsgericht hat dazu zunächst die Erwägungen des Bezirksgerichts wiedergegeben, wonach der Minderjährigenunterhalt von B.________ von Januar 2012 bis April 2020 durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin mit der Urkunde "Vollmacht-Abtretung" an den Beschwerdegegner abgetreten worden sei. Der Beschwerdegegner mache die Forderung in eigenem Namen und nicht als Bevollmächtigter geltend, sodass eine Zustimmung des volljährig gewordenen Kindes nicht erforderlich sei. Das Kantonsgericht hat dazu erwogen, dass sich der Beschwerdeführer mit dieser zutreffenden Erwägung nicht rechtsgenüglich auseinandersetze. Namentlich werde nicht geltend gemacht, dass die Abtretung des Minderjährigenunterhalts durch die Kindsmutter nicht rechtskonform erfolgt sein soll. Damit gehe die Zuständigkeit für die Geltendmachung vollständig auf den Zessionar über und er sei in keiner Weise auf eine Zustimmung des Zedenten angewiesen, dies im Gegensatz zur Vertretung oder Prozessstandschaft, wo eine solche Zustimmung erforderlich wäre. Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Mündigenunterhalt beziehe, gehe dies an der Sache vorbei, da dieser nicht Verfahrensgegenstand sei.
14
Der Beschwerdeführer habe sodann die ungenaue Bezeichnung der in Betreibung gesetzten Forderung geltend gemacht. Das Kantonsgericht hat erwogen, die Aufteilung nach Perioden sei kein Selbstzweck, sondern solle dem Schuldner ermöglichen zu erkennen, für welche Forderung er betrieben werde, und sich angemessen zu verteidigen (unter Hinweis auf BGE 141 III 173 E. 2.2.2). Der Beschwerdeführer sei in der Lage gewesen, für die Zeit ab Dezember 2016 die Tilgung und für die Zeit davor die Verjährung bzw. rechtsmissbräuchliches Verhalten geltend zu machen. Damit zeige sich, dass die im Zahlungsbefehl enthaltenen Informationen grundsätzlich hinreichend gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe zudem geltend gemacht, dass die Forderung auch auf die drei Kinder aufzuteilen gewesen wäre. Das Kantonsgericht hat dazu erwogen, dass die Unterhaltsforderungen insgesamt an den Beschwerdegegner zediert worden seien und im Vergleich vom 26. Mai 2011 für den ersten Zeitabschnitt bis November 2016 ohnehin nur ein Pauschalbetrag von Fr. 4'000.-- vereinbart worden sei. Es sei nicht ersichtlich, welchen Informationsnutzen eine Aufteilung nach den Kindern hätte.
15
3.
16
Zunächst macht der Beschwerdeführer geltend, das Kantonsgericht habe nicht begründet, weshalb Abtretung und Prozessstandschaft unterschiedlich zu behandeln seien. Dadurch sei Art. 29 Abs. 2 BV verletzt worden.
17
Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich die betroffene Person über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 145 III 324 E. 6.1 S. 326; 142 II 49 E. 9.2 S. 65; 137 II 266 E. 3.2 S. 270; 136 I 229 E. 5.2 S. 236).
18
Das Kantonsgericht hat den Unterschied zwischen Zession und Prozessstandschaft hinsichtlich des Erfordernisses der Zustimmung durch das volljährig gewordene Kind dargestellt. Dies genügt den Begründungsanforderungen. Der Beschwerdeführer war ohne weiteres in der Lage, den angefochtenen Entscheid sachgerecht anzufechten. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist unbegründet. Das Kantonsgericht hat dem Beschwerdeführer im Übrigen vorgehalten, sich nicht mit der erstinstanzlichen Begründung auseinandergesetzt zu haben, welche die Zustimmung des Kindes mit dem Hinweis auf den Unterschied von Handeln in eigenem und fremdem Namen ebenfalls für entbehrlich hielt. Auf die ungenügende Begründung der kantonalen Beschwerde, die insoweit an sich zu einem Nichteintretensentscheid hätte führen müssen, geht der Beschwerdeführer nicht ein.
19
4.
20
Der Beschwerdeführer sieht sodann eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 BV darin, dass die Zession nicht gleich wie die Prozessstandschaft behandelt worden sei. Weshalb diesbezüglich eine Verfassungsverletzung vorliegen soll, wird jedoch in den teilweise nicht leicht verständlichen Ausführungen nicht plausibel gemacht. Der Beschwerdeführer übergeht, dass eine Prozessstandschaft nicht dasselbe wie eine Zession ist und Letztere im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Forderungen längst stattgefunden hat. Weshalb diese bezüglich der gegenüber dem Schuldner noch nicht durchgesetzten Minderjährigenunterhaltsbeiträge aufgrund verfassungsmässiger Rechte mit der Volljährigkeit des Kindes rückwirkend entfallen oder in ihren Wirkungen abgeschwächt werden soll, legt der Beschwerdeführer nicht hinreichend dar, woran weder die stete Wiederholung des eigenen Standpunkts noch die Vorbringen etwas ändern, dass die Kindsmutter im einen wie im andern Fall nicht Gläubigerin gewesen sei und das Gemeinwesen mit der Zession bessergestellt werde. Dies alles genügt den strengen Anforderungen an eine Verfassungsrüge nicht.
21
5.
22
Der Beschwerdeführer macht ausserdem geltend, es sei unklar, welche Forderungen durch die Kindsmutter mit dem Formular "Vollmacht-Abtretung" zediert worden seien. Gemäss dem Formular solle es sich um alle der Kindsmutter und den Kindern zustehenden Unterhaltsbeiträge handeln und nicht nur um die durch den Staat effektiv vorgeschossenen, was Art. 289 Abs. 2 ZGB widerspreche. Die Handlungsweise des Gemeinwesens sei willkürlich (Art. 9 BV) und verstosse mangels gesetzlicher Grundlage gegen Art. 5 Abs. 1 BV. Aus den Akten sei nicht ersichtlich, welche Vorschussleistungen das Gemeinwesen tatsächlich geleistet habe. Bereits im vorinstanzlichen Verfahren sei mehrmals eingewendet worden, dass die Zusammenstellung des Beschwerdegegners unübersichtlich sei und nicht nachvollzogen werden könne.
23
Das Kantonsgericht hat festgestellt, dass Verfahrensgegenstand Kindesunterhaltsbeiträge bilden, die durch den Beschwerdegegner bevorschusst worden sind (oben E. 2 am Anfang). Der Beschwerdeführer geht auf diese Feststellung nicht ein und er legt nicht dar, dass er den Umfang der tatsächlich erfolgten Bevorschussung im kantonalen Verfahren in Frage gestellt hätte. Der Beschwerdeführer verweist zwar darauf, er habe auf die unübersichtliche Zusammenstellung des Beschwerdegegners verwiesen. Er belegt jedoch nicht mit präzisen Aktenhinweisen, wann er dies getan haben will und dass sich seine Einwände gegen den Umfang der tatsächlich getätigten Vorschüsse gerichtet hätten. Das Kantonsgericht hat den Einwand der Unübersichtlichkeit offenkundig dahingehend verstanden, dass der Beschwerdeführer den Zahlungsbefehl als zuwenig detailliert erachtete. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass das Kantonsgericht ihn diesbezüglich missverstanden hätte. Des Weiteren stützt der Beschwerdeführer seine Argumentation vor Bundesgericht auf die Legalzession von Art. 289 Abs. 2 ZGB. Das Kantonsgericht hat sich einzig mit der "Vollmacht-Abtretung" vom 17. November 2016 befasst und nicht mit der Legalzession. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass er sich im kantonalen Verfahren auf Letztere berufen hätte, und er übergeht, dass er nach den kantonsgerichtlichen Feststellungen die Rechtmässigkeit der Abtretung nicht bestritten hat. Auch diesbezüglich genügt die Beschwerde den Rügeanforderungen nicht.
24
6.
25
Die Beschwerde ist damit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
26
7.
27
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 1 BGG).
28
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Wallis, Zivilkammer, mitgeteilt.
 
Lausanne, 1. März 2022
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Escher
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg
 
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