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Informationen zum Dokument  BGer 1B_450/2021  Materielle Begründung
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BGer 1B_450/2021 vom 09.02.2022
 
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1B_450/2021
 
 
Urteil vom 9. Februar 2022
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Jametti, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Chaix, Bundesrichter Müller,
 
Gerichtsschreiberin Kern.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich,
 
Besondere Untersuchungen,
 
Zweierstrasse 25, 8004 Zürich.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; unentgeltliche Rechtspflege,
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts
 
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 29. Juli 2021
 
(UE200427-O/Z2).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
1
Am 2. Mai 2018 erstattete A.________ Strafanzeige gegen Rechtsanwalt Dr. iur. B.________ wegen mehrerer Straftaten, insbesondere wegen Betrugs, Hehlerei und Geldwäscherei. Die Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich nahm die Untersuchung mit Verfügung vom 5. November 2020 nicht an die Hand.
2
B.
3
A.________ erhob Beschwerde gegen diese Verfügung bei der III. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich. Mit Präsidialverfügung vom 27. Januar 2021 wurde A.________ zur Bezahlung einer Prozesskaution von Fr. 3'000.-- aufgefordert. Innert Zahlungsfrist ersuchte dieser um unentgeltliche Rechtspflege. Das Obergericht wies dieses Gesuch mit Verfügung vom 29. Juli 2021 ab.
4
C.
5
A.________ erhob am 20. August 2021 beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen und beantragt, die Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich vom 29. Juli 2021 sei aufzuheben und die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Weiter stellt er ein Gesuch um aufschiebende Wirkung sowie um unentgeltliche Rechtspflege im Verfahren vor dem Bundesgericht.
6
Die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz verzichten auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde sowie auf einen Antrag betreffend aufschiebende Wirkung.
7
D.
8
Mit Verfügung vom 3. September 2021 erkannte das präsidierende Mitglied der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.
9
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Der angefochtene Entscheid ist ein kantonal letztinstanzlicher Zwischenentscheid, der geeignet ist, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinn von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu bewirken (vgl. Urteil 1B_502/2019 vom 23. Dezember 2019 E. 1 mit Hinweisen). Gegen ihn steht grundsätzlich die Beschwerde in Strafsachen offen (vgl. Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 BGG). Zur Rüge, ihm sei im vorinstanzlichen Verfahren zu Unrecht die unentgeltliche Rechtspflege verweigert worden, ist, da dies einer formellen Rechtsverweigerung gleichkäme, der Beschwerdeführer nach Art. 81 Abs. 1 BGG unabhängig von seiner Legitimation in der Sache berechtigt (BGE 146 IV 76 E. 2; 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen; Urteil 6B_486/2021 vom 21. Juli 2021 E. 2 mit Hinweisen). Auf die Beschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten.
10
1.2. Streitgegenstand in diesem Verfahren ist einzig der Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 29. Juli 2021. Auf das Begehren des Beschwerdeführers, es sei eine angebliche Persönlichkeitsverletzung festzustellen, die während eines Verfahrens vor dem Bezirksgericht Zürich begangen worden sein soll, und ein Verbot anzuordnen, das im fraglichen Verfahren ergangene Urteil des Bezirksgerichts Zürich "geltend zu machen", ist daher nicht einzutreten.
11
1.3. Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Abs. 2). Von der beschwerdeführenden Person kann die Feststellung des Sachverhalts wiederum nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen (Art. 42 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG).
12
Der Beschwerdeführer macht unter dem Titel "Vorgeschichte" geltend, die Sachverhaltsermittlung der Vorinstanz bedürfe der "Ergänzung", und schildert die der Nichtanhandnahmeverfügung zugrunde liegenden Ereignisse aus seiner Sicht. Er bringt jedoch weder ausdrücklich eine Willkürrüge vor noch begründet er rechtsgenügend, inwiefern die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz rechtsverletzend sein soll. Seine rein appellatorische Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung genügt damit den gesetzlichen Rüge- und Begründungsanforderungen nicht. Es ist daher nicht darauf einzugehen.
13
2.
14
In materieller Hinsicht macht der Beschwerdeführer geltend, sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege sei vom Obergericht des Kantons Zürich zu Unrecht wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen worden.
15
2.1. Nach Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Art. 29 Abs. 3 BV bezweckt, jedem Betroffenen ohne Rücksicht auf seine finanzielle Situation tatsächlichen Zugang zum Gerichtsverfahren zu vermitteln und die effektive Wahrung seiner Rechte zu ermöglichen (BGE 131 I 350 E. 3.1 mit Hinweisen; Urteil 6B_1039/2017 vom 13. März 2018 E. 2.2).
16
Art. 136 StPO konkretisiert die Voraussetzungen, unter denen der Privatklägerschaft unentgeltliche Rechtspflege im Strafprozess gewährt wird (Urteil 1B_317/2021 vom 9. Dezember 2021 E. 4.1 mit Hinweisen). Für die Durchsetzung von Zivilansprüchen ist die unentgeltliche Rechtspflege ganz oder teilweise zu gewähren, wenn die Privatklägerschaft nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (Art. 136 Abs. 1 lit. a StPO) und die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands setzt überdies voraus, dass die Rechtsvertretung zur Wahrung der betreffenden Ansprüche notwendig ist (Art. 136 Abs. 2 lit. c StPO).
17
Der Gesetzgeber hat die unentgeltliche Rechtspflege zugunsten der Privatklägerschaft damit prinzipiell auf Fälle beschränkt, in denen sie Zivilansprüche geltend macht. Wenn sich die Privatklägerschaft ausschliesslich im Strafpunkt beteiligt, ist die unentgeltliche Rechtspflege nach dem Willen des Gesetzgebers im Grundsatz ausgeschlossen, da der staatliche Strafanspruch prinzipiell durch den Staat wahrgenommen wird. Diese Beschränkung ist mit Art. 29 Abs. 3 BV vereinbar (Urteile 1B_518/2021 vom 23. November 2021 E. 3.1; 1B_605/2020 vom 16. März 2021 E. 2.1; je mit Hinweisen).
18
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Begehren als aussichtslos anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Wenn sich dagegen Gewinn- und Verlustchancen ungefähr die Waage halten oder wenn das Obsiegen nur wenig unwahrscheinlicher ist, liegt keine Aussichtslosigkeit vor. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zum Prozess entschliessen würde. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt, in dem das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt wurde (BGE 142 III 138 E. 5.1; 140 V 521 E. 9.1; Urteil 6B_280/2021, 6B_419/2021 vom 27. Mai 2021 E. 5.3; je mit Hinweisen).
19
2.2. Die Vorinstanz hat das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege mit der Begründung abgewiesen, seine Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung vom 5. November 2020 erscheine aussichtslos. Die Staatsanwaltschaft habe sich sorgfältig und eingehend mit den Vorwürfen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Dieser nehme zwar teilweise Bezug auf die Erwägungen in der Nichtanhandnahmeverfügung, setze sich aber - soweit nachvollziehbar - nicht argumentativ mit den jeweiligen Entscheidgründen auseinander, sondern beschränke sich weitgehend auf die Darstellung seiner eigenen, gegenteiligen Sichtweise und vermöge nicht aufzuzeigen, inwiefern die Begründung der Staatsanwaltschaft bzw. deren Nichtanhandnahmeentscheid bundesrechtswidrig sein solle, was auch nicht ersichtlich sei.
20
2.3. Wie die Vorinstanz in ihrem Entscheid zutreffend festhielt, hat sich die Staatsanwaltschaft detailliert mit den Ausführungen des Beschwerdeführers in dessen Strafanzeige befasst und die erhobenen Vorwürfe in - soweit möglich - nachvollziehbarer Form dargelegt. Weiter habe sie die Tatbestandsmerkmale der angerufenen Straftatbestände aufgeführt und geprüft, ob diese jeweils durch die vom Beschwerdeführer umschriebenen Handlungen erfüllt würden. Betreffend die einzigen vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeschrift nachvollziehbar aufgegriffenen Vorwürfe der Hehlerei und der Geldwäscherei kam die Staatsanwaltschaft zum Schluss, dass der Beschwerdeführer selbst nach seinen eigenen Ausführungen gar nicht durch diese Straftaten geschädigt worden sei, weshalb ihm im Beschwerdeverfahren keine Beschwerdelegitimation im Sinn von Art. 382 StPO zukäme (vgl. Nichtanhandnahmeverfügung vom 5. November 2020, Ziff. 5 und 8). Mit seinen widersprüchlichen und kaum nachvollziehbaren Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht das Gegenteil aufzuzeigen (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Es ist somit nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege mangels genügender Erfolgsaussichten der Beschwerde abgewiesen hat.
21
3.
22
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der nicht anwaltlich vertretene Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Nach Art. 64 Abs. 1 BGG wird diese bei Bedürftigkeit gewährt, sofern das Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
23
Im vorliegenden Fall konnte der Beschwerdeführer nicht ernsthaft mit einer Gutheissung seiner Anträge rechnen, zumal seine einzige nachvollziehbare Rüge, die Staatsanwaltschaft habe zu Unrecht festgehalten, ihm käme ohnehin keine Geschädigtenstellung zu, seinen eigenen ausdrücklichen Tatsachenbehauptungen widerspricht. Dies führt zur Abweisung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege vor Bundesgericht. Hingegen rechtfertigt es sich vorliegend, ausnahmsweise keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 BGG).
24
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 9. Februar 2022
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Jametti
 
Die Gerichtsschreiberin: Kern
 
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