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Informationen zum Dokument  BGer 6B_1338/2021  Materielle Begründung
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BGer 6B_1338/2021 vom 03.02.2022
 
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6B_1338/2021
 
 
Urteil vom 3. Februar 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
 
Bundesrichter Denys,
 
Bundesrichter Muschietti,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Vergewaltigung usw.; Rechtsverweigerung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 14. Juli 2021 (4M 21 4).
 
 
Erwägungen:
 
1.
 
Das Kantonsgericht Luzern stellte mit Urteil vom 14. Juli 2021 die Rechtskraft des Schuldspruchs der Pornografie fest. Vom Vorwurf der Drohung (zum Nachteil von B.________) und vom Vorwurf des Menschenhandels sprach es den Beschwerdeführer frei. Es verurteilte ihn wegen mehrfacher (teilweise versuchter) Vergewaltigung, mehrfacher (teilweise versuchter) sexueller Nötigung und weiterer Delikte zu einer unbedingten Freiheitsstrafe, einer unbedingten Geldstrafe und einer Busse. Zudem ordnete es vollzugsbegleitend eine ambulante Massnahme an und regelte den Zivilpunkt sowie die Kosten- und Entschädigungsfolgen.
 
Der Beschwerdeführer wendet sich mit Beschwerde an das Bundesgericht. Er verlangt die Rückweisung der Angelegenheit an die Vorinstanz zur Abnahme der beantragten Beweismittel und zur Neubeurteilung.
 
2.
 
Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern dieser Recht verletzt. Die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 143 IV 500 E. 1.1, 241 E. 2.3.1; je mit Hinweisen).
 
Gemäss ständiger Rechtsprechung kann ein Gericht ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Untersuchungsgrundsatzes auf die Abnahme weiterer Beweise verzichten, wenn es aufgrund der bereits abgenommenen Beweise zur Überzeugung gelangt, der rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und es überdies in antizipierter Würdigung zum Schluss kommt, ein an sich taugliches Beweismittel vermöge seine aufgrund der bereits abgenommenen Beweismittel gewonnene Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer strittigen Tatsache nicht zu ändern (Urteil 6B_323/2021 vom 11. August 2021 E. 2.5.1, zur Publ. vorgesehen; BGE 144 II 427 E. 3.1.3; 143 III 297 E. 9.3.2; 141 I 60 E. 3.3).
 
3.
 
Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, dass die Vorinstanz die im Berufungsverfahren gestellten Beweisanträge der amtlichen Verteidigung (wie die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens über die Privatklägerin 1, eine erneute Begutachtung des Beschwerdeführers selbst und die Einvernahmen weiterer Personen) ausnahmslos mit eingehender Begründung in antizipierter Beweiswürdigung behandelt hat (siehe Urteil S. 10 ff. und S. 45 f.). Damit ist dem offensichtlich unzutreffenden Vorwurf des Beschwerdeführers, alle Beweisanträge seines Anwalts seien vorinstanzlich "ohne jegliche Begründung" abgewiesen worden, was eine angemessene Verteidigung verhindert habe und eine Rechtsverweigerung darstelle, von vornherein der Boden entzogen. Dass die Befragung seiner Mutter im Berufungsverfahren beantragt wurde, ist im Übrigen nicht ersichtlich. Zudem ergibt sich, entgegen der anderslautenden Behauptungen des Beschwerdeführers, dass seine Mutter von der Staatsanwaltschaft zweimal einvernommen wurde, am 19. Oktober und am 16. November 2015, worauf im angefochtenen Urteil (S. 19) in Anwendung von Art. 82 Abs. 4 StPO ausdrücklich verwiesen wird. Was daran gegen das Recht im Sinne von Art. 95 BGG verstossen könnte, ist weder dargetan noch ersichtlich.
 
4.
 
Die Vorinstanz nimmt eine umfangreiche und sorgfältige Beweiswürdigung vor und legt nachvollziehbar dar, weshalb sie den Anklagesachverhalt in Bezug auf den Vergewaltigungsvorwurf als erstellt erachtet. Das pauschale Vorbringen des Beschwerdeführers vor Bundesgericht, die Privatklägerin 1 habe - was sich aus den Akten ergebe - widersprüchlich und teils falsch ausgesagt, beschränkt sich auf eine unzulässige appellatorische Kritik an der sachrichterlichen Beweiswürdigung, was zur Begründung einer Willkürrüge von vornherein nicht zu genügen vermag. Nichts anderes gilt, soweit der Beschwerdeführer die mentale Gesundheit der Privatklägerin 1 anzweifelt und geltend macht, diese sei bei seinen Besuchen fast jedes Mal handgreiflich geworden, habe ihn mehrmals mit Messer und kochendem Wasser angegriffen und von ihm Sex vor den Augen seiner Ex-Freundin verlangt. Mit seinen Ausführungen beschränkt sich der Beschwerdeführer darauf, der Beweiswürdigung der Vorinstanz eigene Tatsachenbehauptungen gegenüberzustellen und seine Vorbringen zumindest teilweise mit mutmasslichen Ergebnissen der abgelehnten Beweisanträge zu begründen, ohne sich indessen auch nur ansatzweise mit den Erwägungen im angefochtenen Urteil zu befassen. Damit ist er im bundesgerichtlichen Verfahren nicht zu hören. Das Bundesgericht als oberste rechtsprechende Behörde (Art. 1 Abs. 1 BGG) ist keine Sachinstanz, die eine freie Prüfung in tatsächlicher Hinsicht vornimmt oder die vorinstanzliche Beweiswürdigung mit freier Kognition überprüft. Es beurteilt im Rahmen einer Sachverhaltsrüge vielmehr nur, ob das erkennende Sachgericht unhaltbare Schlüsse gezogen, erhebliche Beweise übersehen oder solche willkürlich ausser Acht gelassen hat (vgl. Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 264 E. 2.3; Urteile 6B_800/2016 vom 25. Oktober 2017 E. 10.3.1, nicht publ. in: BGE 143 IV 397). Hierfür genügt es nicht, dem Bundesgericht eine eigene, von der Vorinstanz abweichende Beweiswürdigung zur Beurteilung darzulegen.
 
5.
 
Wie bereits im kantonalen Verfahren beanstandet der Beschwerdeführer auch vor Bundesgericht das u.a. als Entscheidgrundlage zur Massnahmeanordnung dienende Gutachten vom 22. Dezember 2016 im Hinblick insbesondere auf dessen Alter und Verfasser als nicht "verwertungsfähig". Die Rüge ist unbegründet. Abgesehen davon, dass die Vorinstanz auf die im Berufungsverfahren dagegen erhobenen Einwände im Einzelnen eingegangen ist (siehe Urteil S. 43 ff. und insbesondere S. 46 f.), handelt es sich bei Dr. med. C.________, dem Verfasser des Gutachtens, anders als der Beschwerdeführer vor Bundesgericht behauptet, um einen zertifizierten forensischen Psychiater SGFP. Bei seiner weiteren Kritik, namentlich soweit er die Aktualität des Gutachtens in Frage zieht, übersieht der Beschwerdeführer zudem, dass die Vorinstanz die Frage nach veränderten Verhältnissen infolge einer persönlichen Entwicklung mit ausführlicher Begründung verneint hat und sie die Massnahmeanordnung nicht nur auf das Gutachten vom 22. Dezember 2016, sondern gleichsam auch auf dasjenige von Dr. med. D.________ vom 5. April 2018 stützt. Inwiefern die fraglichen Gutachten für die Massnahmeanordnung nicht als rechtsgenügende Entscheidgrundlage im Sinne von Art. 56 Abs. 3 StGB herangezogen werden dürfen und das angefochtene Urteil insofern gegen Bundesrecht verstossen könnte, ist damit weder hinreichend dargetan noch ersichtlich.
 
6.
 
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren nicht entsprochen werden (Art. 64 BGG). Den eingeschränkten finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers kann bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr Rechnung getragen werden (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 3. Februar 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill
 
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