VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6B_1138/2021  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 12.02.2022, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6B_1138/2021 vom 27.01.2022
 
[img]
 
 
6B_1138/2021
 
 
Urteil vom 27. Januar 2022
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
 
Bundesrichter Denys,
 
Bundesrichter Muschietti,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Kopp,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Steuerbetrug,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, vom 19. August 2021 (SST.2021.43).
 
 
Erwägungen:
 
1.
 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn verurteilte den Beschwerdeführer mit Strafbefehl vom 10. Februar 2020 wegen Steuerbetrugs (Art. 186 Abs. 1 DBG, § 255 Abs. 1 StG/AG) zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 110.--. Sie warf ihm vor, Eigenlohn bzw. Ausgaben für den Lebensunterhalt zu Unrecht als Personalaufwand in der Erfolgsrechnung 2015 seiner Einzelfirma verbucht zu haben. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Strafbefehl Einsprache.
 
Das Bezirksgericht Lenzburg sprach den Beschwerdeführer am 18. November 2020 wegen eventualvorsätzlich begangenen Steuerbetrugs gemäss Art. 186 Abs. 1 DBG sowie § 255 Abs. 1 StG/AG schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 80.--. Das Obergericht des Kantons Aargau bestätigte das erstinstanzliche Urteil im Berufungsverfahren am 19. August 2021 im Schuld- und Strafpunkt.
 
Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht und macht wie im kantonalen Verfahren geltend, lediglich (bewusst) fahrlässig gehandelt zu haben. Er habe seine Steuererklärung mit Buchhaltung fristgerecht einreichen wollen in der Annahme, eine Sanktion wegen einer unrichtigen bzw. unvollständigen Buchhaltung treffe ihn weniger hart als eine drohende Busse wegen Verspätung. Das Steueramt habe damit rechnen müssen, dass er eine fehlerhafte Steuererklärung bzw. Buchhaltung einreichen werde. Er habe sich insofern leichtfertig verhalten, als er gehofft habe, die Steuerbehörde würde die Fehler schon korrigieren. Da er sich seit dem Jahre 2018 einbürgern lassen möchte, hätte er eine Verurteilung wegen Steuerbetrugs nie in Kauf genommen.
 
2.
 
Den Tatbestand des Steuerbetrugs gemäss Art. 186 Abs. 1 DBG bzw. § 255 Abs. 1 StG/AG erfüllt, wer zum Zwecke einer Steuerhinterziehung gefälschte, verfälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden wie Geschäftsbücher, Bilanzen, Erfolgsrechnungen oder Lohnausweise und andere Bescheinigungen Dritter zur Täuschung gebraucht. Die Erfolgsrechnung ist namentlich etwa inhaltlich unwahr, wenn Einnahmen nicht verbucht werden, wenn Auslagen, die offensichtlich privater Natur sind, als geschäftsbedingt ausgewiesen werden oder wenn Lohnzahlungen auf einem sachfremden Aufwandkonto verbucht werden (Urteil 6B_755/2012 vom 4. Juli 2013 E. 2.2 mit Hinweisen).
 
In subjektiver Hinsicht setzt der Steuerbetrug ein vorsätzliches Handeln voraus, wobei auch Eventualvorsatz strafbar ist (Art. 333 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 und 2 StGB). Erforderlich ist zudem, dass der Täter die zumindest möglicherweise falsche Urkunde zum Zwecke, d.h. in der Absicht, verwendet, die Steuerbehörde in einen Irrtum über die für die Veranlagung massgebenden Tatsachen zu versetzen. Der Tatbestand des Steuerbetrugs ist bereits mit der Einreichung der unechten oder unwahren Urkunde beim Steueramt in der Absicht der Steuerhinterziehung vollendet. Der Eintritt eines Erfolgs etwa im Sinne einer unvollständigen Veranlagung ist nicht erforderlich (vgl. Urteile 6B_955/2019 vom 11. Oktober 2019 E. 4.1; 6B_830/2015 vom 12. Januar 2016 E. 2.1; 6B_663/2013 vom 3. Februar 2014 E. 2.4.1 sowie Urteil 6B_453/2011 vom 20. Dezember 2011 E. 5.2 nicht publ. in BGE 138 IV 47).
 
3.
 
Die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des Steuerbetrugs ist im bundesgerichtlichen Verfahren nicht (mehr) streitig. Wie die Vorinstanz zutreffend zusammenfasst, hat der Beschwerdeführer in seiner mit der Steuererklärung eingereichten Bilanz und Erfolgsrechnung seiner Einzelunternehmung für das Jahr 2015 "Personalaufwand" im Betrag von Fr. 45'500.-- verbucht, wobei es sich dabei nicht um Lohnkosten für Personal handelte, sondern um seinen Eigenlohn und um Auslagen für privaten Lebensunterhalt (u.a. für die eigene Hochzeit und die erste Wohnungseinrichtung). Sowohl Eigenlohn als auch Auslagen für privaten Lebensunterhalt können nicht als geschäfts- oder berufsmässig begründete Kosten von selbstständig Erwerbenden in Abzug gebracht werden. Der Beschwerdeführer hätte den Eigenlohn aufgrund der Rechtsform seiner Unternehmung als Einzelfirma resp. die Auslagen für private Lebenshaltungskosten als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit deklarieren müssen. Stattdessen hat er seinen Eigenlohn in der Geschäftsbuchhaltung auf einem sachfremden Aufwandkonto als Personalaufwand und Ausgaben privater Art zudem als geschäftsbedingte Auslagen ausgewiesen. Wie die Vorinstanz zu Recht folgert, erweist sich die Erfolgsrechnung damit ohne Weiteres als unwahr (vgl. E. 2 vorstehend). Indem der Beschwerdeführer die unwahre Erfolgsrechnung der Steuerbehörde mit der Steuererklärung einreichte, hat er den objektiven Tatbestand des Steuerbetrugs erfüllt.
 
Nicht zu bestanden ist auch, dass die Vorinstanz von einer eventualvorsätzlichen Tatbegehung ausgeht. Angesichts der offensichtlich privaten Natur der Auslagen ist in tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich davon auszugehen, der Beschwerdeführer habe selbst als Laie gewusst, dass die Deklaration des Eigenlohns als Personalaufwand und die Verbuchung privater Lebenshaltungskosten als geschäfts- oder berufsmässig begründete Kosten falsch ist und zu einer unwahren Erfolgsrechnung führt. Der Beschwerdeführer hat denn ja auch eingeräumt (vgl. angefochtenes Urteil, S. 8 mit Hinweis auf kantonale Akten, Berufungserklärung Ziff. 2b), es sei ihm bewusst gewesen, eine nicht ganz korrekte Steuererklärung einzureichen. Angesichts dessen und des Umstands, dass er trotz dieses Wissens darauf verzichtete, die Geschäftsbuchhaltung - wie in den Vorjahren - durch eine Fachperson erstellen zu lassen bzw. fachliche Hilfe bei der eigenständigen Erstellung der Buchhaltung beizuziehen, darf mit der Vorinstanz angenommen werden, dass es dem Beschwerdeführer letztlich gleichgültig war, ob die von ihm gemachten Angaben richtig waren oder nicht. Sein Vorbringen, das Steueramt hätte die Fehlerhaftigkeit seiner Steuererklärung bzw. Buchhaltung ohne Weiteres erkennen und korrigieren können, vermag ihn nicht zu entlasten und geht an der Sache vorbei. Die Steuerverwaltung muss grundsätzlich auf die Richtigkeit der Buchhaltung vertrauen können (vgl. Urteil 6B_453/2011 vom 20. Dezember 2011 E. 5.7.2, nicht publ. in BGE 138 IV 47). Eine Verurteilung wegen Steuerbetrugs setzt nicht voraus, dass die fehlerhafte Buchhaltung nur schwer erkennbar ist. Auch der Hinweis in der Beschwerde auf das seit 2018 pendente Einbürgerungsverfahren ist nicht geeignet, den subjektiven Tatbestand zu widerlegen. Davon abgesehen ist der Einwand neu und damit vor Bundesgericht unzulässig (Art. 99 BGG). Der vorinstanzliche Schluss, der Beschwerdeführer habe im Hinblick auf eine allfällig tiefere Steuerveranlagung willentlich und wissentlich zumindest in Kauf genommen, der Steuerbehörde eine unwahre Urkunde einzureichen, und damit eventualvorsätzlich gehandelt, verletzt Bundesrecht nicht.
 
4.
 
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten als unbegründet abzuweisen. Gemäss dem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 27. Januar 2022
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill
 
© 1994-2022 Das Fallrecht (DFR).