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Informationen zum Dokument  BGer 1C_756/2021  Materielle Begründung
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BGer 1C_756/2021 vom 22.12.2021
 
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1C_756/2021
 
 
Urteil vom 22. Dezember 2021
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied,
 
Gerichtsschreiber Störi.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
B.________, c/o SVA Zürich IV-Stelle,
 
Beschwerdegegnerin,
 
Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland,
 
Hermann Götz-Strasse 24, Postfach, 8401 Winterthur,
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
 
Florhofgasse 2, Postfach, 8090 Zürich.
 
Gegenstand
 
Ermächtigung,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des
 
Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 25. Oktober 2021
 
(TB210056-O/U/BUT).
 
 
Erwägungen:
 
1.
 
Nachdem A.________ ihren Sohn C.________ zum Bezug von Hilflosenentschädigung bei der IV-Stelle angemeldet hatte, erstattete sie am 19. Januar 2021 Strafanzeige gegen die Sozialversicherungsfachfrau B.________ wegen Verleumdung und übler Nachrede. Diese soll im Rahmen der Abklärungen der IV-Stelle in ihrem Bericht falsche Angaben gemacht und zu Unrecht eine Meldung an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) veranlasst haben.
 
Am 2. März 2021 überwies die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland die Akten ans Obergericht des Kantons Zürich mit dem Antrag, über die Erteilung bzw. Nichterteilung der Ermächtigung zur Durchführung einer Strafuntersuchung zu entscheiden.
 
Mit Beschluss vom 25. Oktober 2021 erteilte das Obergericht der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung zur Eröffnung eines Strafverfahrens gegen B.________ nicht.
 
Mit Beschwerde vom 6. Dezember 2021 beantragt A.________ sinngemäss, diesen Entscheid aufzuheben und der Staatsanwaltschaft die Ermächtigung zur Eröffnung eines Strafverfahrens gegen B.________ zu erteilen. Sie stellt zudem ein Ausstandsbegehren gegen die Bundesrichter Kneubühler und Chaix sowie "die andern Richter dieser Abteilung".
 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
 
2.
 
Die Beschwerdeführerin lehnt die Bundesrichter Kneubühler und Chaix ab. Ersterer habe im Urteil 1C_232/2021 befangen agiert und absichtlich ihre Rechte verletzt. Letzterer habe im Urteil 1C_640/2018 die Rechtsprechung des Bundesgerichts verlassen und willkürlich den Tatbestand des Amtsmissbrauchs so ausgelegt, dass die Opfer nicht geschützt würden. Auch die anderen Richter der Abteilung hätten in den Ausstand zu treten, da alle schon an Entscheiden mitgewirkt hätten, bei denen die Ermächtigung zur Strafverfolgung unter Vorwänden nicht erteilt worden sei.
 
Die Mitwirkung an einem früheren Verfahren des Bundesgerichts bildet indessen für sich allein keinen Ausstandsgrund, ebensowenig wie der Umstand, dass die Beschwerdeführerin mit der Behandlung von Beschwerden gegen Ermächtigungsentscheide durch das Bundesgericht nicht einverstanden ist. Ein solchermassen begründetes Ausstandsbegehren ist rechtsmissbräuchlich, weshalb darauf ohne Ausstandsverfahren nach Art. 37 Abs.1 BGG unter Mitwirkung der abgelehnten Gerichtsperson nicht einzutreten ist.
 
 
3.
 
3.1. Nach Art. 7 Abs. 2 lit. b StPO i.V.m. § 148 des Zürcher Gerichtsorganisationsgesetzes vom 10. Mai 2010 (GOG) entscheidet das Obergericht über die Eröffnung oder Nichtanhandnahme einer Strafuntersuchung gegen Beamte im Sinn von Art. 110 Abs. 3 StGB wegen im Amt begangener Vergehen oder Verbrechen. Mit dem angefochtenen Entscheid hat es das Obergericht abgelehnt, die Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung der Mitarbeiterin der IV-Stelle, einer Beamtin im Sinne dieser Bestimmung, zu ermächtigen. Damit fehlt es an einer Prozessvoraussetzung für die Durchführung des Strafverfahrens, womit das Verfahren abgeschlossen ist. Angefochten ist damit ein Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), gegen den nach der Rechtsprechung die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist (BGE 137 IV 269 E. 1.3.1). Es ist allerdings Sache der Beschwerdeführerin, sowohl darzulegen, dass die Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, soweit das nicht offensichtlich ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.1; 353 E. 1), als auch, dass der angefochtene Entscheid Bundesrecht verletzt (BGE 135 III 127 E. 1.6 S. 130; 134 II 244 E. 2.1 und 2.2 S. 245 f.; je mit Hinweisen).
 
3.2. Das Obergericht hat nach einer zutreffenden Darstellung der von der Beschwerdeführerin angerufenen Straftatbestände (Amtsmissbrauch und verschiedene Ehrverletzungstatbestände, E. II. 2. S. 3 ff.), der Meldepflicht nach Art. 443 Abs. 2 ZGB - wer in amtlicher Tätigkeit von einer Person erfährt, die hilfsbedürftig erscheint und nicht selber Abhilfe schaffen kann, ist der KESB meldepflichtig - und der Rechtmässigkeit einer nach dieser Bestimmung gebotenen Meldung gemäss Art. 14 StPO, erwogen (E. II. 3.1 S. 5 f.), es sei nicht ersichtlich, inwiefern die der Beschwerdegegnerin vorgeworfenen Handlungen nicht durch die Amtspflicht geboten und damit rechtmässig gewesen seien. Die im Übrigen gar nicht von der Beschwerdegegnerin selber erstattete Meldung an die KESB enthalte nur die gesetzeskonforme Mitteilung, dass sich im Rahmen der Leistungsprüfung für den Sohn der Beschwerdeführerin die Frage gestellt habe, ob eine Hilfsbedürftigkeit vorliegen und eine Schutzmassnahme prüfenswert sein könnte. Abklärungen über die Hilflosigkeit und den Betreuungsaufwand beträfen zwangsläufig private bzw. persönliche Aspekte, wodurch sich die Betroffenen möglicherweise ehr- oder rufschädigender Aussagen ausgesetzt sähen. Erforderlich und nicht zu beanstanden seien sachbezogene eigene Beobachtungen und Einschätzungen der abklärenden Person, wie etwa die Beurteilung des Betreuungsaufwandes beim "Verrichten der Notdurft" des Sohnes, Nachfragen hinsichtlich der Überprüfung der Körperhygiene und die Einschätzung, dass das Kind möglicherweise häufig keine Unterwäsche trage und es die Mutter nach der Verrichtung der Notdurft nur unregelmässig kontrolliere. Der Abklärungsbericht der Beschwerdegegnerin sei damit von Art. 14 StGB gedeckt, es fehle an einem Anfangsverdacht auf ein strafrechtlich relevantes Verhalten.
 
3.3. Die Beschwerdeführerin setzt sich mit diesen Ausführungen des Obergerichts nicht sachgerecht auseinander, sondern bringt, soweit nachvollziehbar, hauptsächlich bloss vor, die Beschwerdegegnerin habe, weil sie Leistungen für ihren Sohn beantragt habe, unwahre "Widrigkeiten" über sie verbreitet und an die KESB weitergeleitet, um zu verhindern, dass "sie weitere Kinder bekommen könne". Die Beschwerdegegnerin habe "andere Dinge aufgeschrieben, als sie ihr erzählt habe". Das mag durchaus sein, da diese in ihrem Bericht auch ihre eigene Einschätzung der Situation festhalten muss, die möglicherweise von derjenigen der Mutter abweicht. Selbst wenn aber der umstrittene Bericht fachliche Fehler enthalten sollte, läge darin noch kein strafbares Verhalten. Wie bereits im Verfahren 1C_232/2021, indem die Beschwerdeführerin gleichgelagerte Vorwürfe gegen Lehrerinnen und Schulbehörden erhob, die mit der Beschulung von C.________ befasst waren, bringt sie damit nichts vor, was geeignet wäre, die offensichtlich zutreffende Einschätzung des Obergerichts, die in der Strafanzeige erhobenen Vorwürfe seien von vornherein nicht geeignet, einen Anfangsverdacht auf ein strafbares Verhalten der Beschwerdegegnerin zu begründen, in Frage zu stellen.
 
4.
 
Auf die Beschwerde ist wegen Verletzung der gesetzlichen Begründungspflicht nicht einzutreten. Ausnahmsweise kann auf die Erhebung von Kosten (noch einmal) verzichtet werden.
 
 
Demnach erkennt das präsidierende Mitglied:
 
1.
 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Winterthur/ Unterland, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 22. Dezember 2021
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Chaix
 
Der Gerichtsschreiber: Störi
 
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