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Informationen zum Dokument  BGer 8C_437/2021  Materielle Begründung
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BGer 8C_437/2021 vom 25.11.2021
 
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8C_437/2021
 
 
Urteil vom 25. November 2021
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Abrecht,
 
Gerichtsschreiber Wüest.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Rainer Deecke,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang; psychisches Leiden),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 26. April 2021 (S 2020 51).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
1
Der 1981 geborene A.________ war beim Personalvermittlungsunternehmen B.________ AG angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Zuletzt leistete er ab 14. März 2018 einen Einsatz als Hilfsarbeiter Schaler/Bauarbeiter für die C.________ GmbH. Als er am 8. August 2018 auf einer Baustelle Schalungselemente an die Ketten eines Krans montieren wollte, schlug ein Blitz in diesen ein (vgl. Schadenmeldung Unfall vom 10. August 2018). Dabei kam es zu einem sogenannten "contact strike" (Kontakteffekt; Kontaktverletzung durch Berühren eines vom Blitz getroffenen Objekts). Die Suva erbrachte für die Folgen des Unfalls die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld). Nachdem A.________ zu Beginn hauptsächlich über bewegungsabhängige Schmerzen und Müdigkeit sowie eine allgemeine Verlangsamung und kognitive Einschränkungen klagte, traten im weiteren Verlauf die psychischen Leiden zunehmend in den Vordergrund. Ab dem Unfalltag am 8. August 2018 bis zum 18. Juni 2019 befand sich A.________ praktisch durchgehend in stationärer Behandlung und Rehabilitation in verschiedenen Kliniken. Zwischenzeitlich musste er am 13. Dezember 2018 aufgrund akuter Suizidalität notfallmässig mittels fürsorgerischer Unterbringung (FU) in die Klinik D.________, Zentrum für Psychiatrie und Psychotherapie, verlegt werden. Zuletzt diagnostizierten die Ärzte der Klinik E.________ (Hospitalisation vom 5. März bis 18. Juni 2019) eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10 F32.2) sowie eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (ICD-10 F45.4).
2
Nachdem die Suva mehrere Beurteilungen ihrer Kreisärzte eingeholt hatte, stellte sie ihre Leistungen mit Verfügung vom 22. Oktober 2019 per 30. November 2019 mit der Begründung ein, es lägen keine organisch hinreichend nachweisbaren Beschwerden vor und die bestehenden psychischen Leiden stünden nicht in einem adäquaten Kausalzusammenhang zum Ereignis vom 8. August 2018. Dementsprechend verneinte sie einen Anspruch auf eine Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 30. März 2020 fest.
3
B.
4
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug - nach zwischenzeitlicher Sistierung des Verfahrens bis zum Vorliegen des von der IV-Stelle veranlassten polydisziplinären Gutachtens der medexperts AG vom 18. August 2020 (samt Ergänzung vom 24. September 2020) - mit Urteil vom 26. April 2021 ab.
5
C.
6
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und es seien ihm die gesetzlichen Leistungen gemäss UVG (insbesondere Wiederaufnahme der Taggeldleistungen und Übernahme der Heilbehandlungskosten, eventualiter Zusprache einer Invalidenrente und einer Integritätsentschädigung) auszurichten. Eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu weiteren Abklärungen resp. weiterer Begründung und neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.
7
Während die Vorinstanz und die Suva auf Abweisung der Beschwerde schliessen, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung.
8
 
Erwägungen:
 
1.
9
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2 mit Hinweis).
10
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
11
2.
12
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht in Bestätigung des Einspracheentscheids der Suva vom 30. März 2020 deren Leistungspflicht für die vom Beschwerdeführer über den 30. November 2019 hinaus geklagten Beschwerden verneinte. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob der adäquate Kausalzusammenhang zwischen den organisch nicht hinreichend nachweisbaren Beschwerden, insbesondere den psychischen Störungen, und dem Unfallereignis vom 8. August 2018 gegeben ist oder nicht.
13
2.2. Dass das psychische Leiden in einem natürlichen Kausalzusammenhang zum Blitzunfall steht, wird zu Recht von keiner Seite in Frage gestellt. So legte die psychiatrische Gutachterin der medexperts AG, Dr. med. univ. F.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, in ihrer Expertise überzeugend dar, dass die von ihr diagnostizierten psychischen Störungen (schwere organische depressive Störung [ICD-10 F06.3]; chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren [F45.41]; posttraumatische Belastungsstörung [F43.1]) auf den Blitzunfall zurückzuführen seien.
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2.3. Unbestritten ist im Weiteren, dass die beim Unfall vom 8. August 2018 erlittene leichtgradige pantonale Schwerhörigkeit links weder einer weiteren Behandlung bedarf noch sich auf die Arbeitsfähigkeit auswirkt und auch keinen Integritätsschaden bewirkt. In der Beschwerde wird zudem zu Recht nicht geltend gemacht, es bestünden daneben weitere organisch nachweisbare Beschwerden, bei welchen sich die adäquate weitgehend mit der natürlichen Kausalität decken würde (BGE 134 V 109 E. 2; 127 V 102 E. 5b/bb). Auf Weiterungen diesbezüglich kann verzichtet werden.
15
2.4. Das kantonale Gericht hat die massgeblichen Bestimmungen und Grundsätze über den für die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers (Art. 6 Abs. 1 UVG in Verbindung mit Art. 4 ATSG) erforderlichen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und eingetretenem Schaden im Allgemeinen (BGE 142 V 435 E. 1; 129 V 177 E. 3.1 f.) sowie betreffend die Adäquanzprüfung nach der sog. Schleudertrauma-Praxis (BGE 134 V 109) und bei psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 133) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Voraussetzungen des Fallabschlusses (Art. 19 Abs. 1 UVG). Darauf wird verwiesen.
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2.5. Hervorzuheben ist, dass rechtsprechungsgemäss die Adäquanzprüfung bei Schreckereignissen ohne körperliche Verletzungen nach der allgemeinen Adäquanzformel (BGE 129 V 177), bei Schleudertraumen, äquivalenten Verletzungen und Schädel-Hirntraumen nach der sog. Schleudertrauma-Praxis (BGE 134 V 109) und im Übrigen nach den zu psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall entwickelten Grundsätzen erfolgt (BGE 115 V 133).
17
3.
18
3.1. Nach eingehender Darstellung der medizinischen Akten prüfte die Vorinstanz, ob der von der Suva auf den 30. November 2019 vorgenommene Fallabschluss verfrüht erfolgt ist. Dabei erwog sie, weder für die kognitiven Beeinträchtigungen noch für die Kopfschmerzen oder die Schmerzen an der rechten Fusssohle liege ein objektivierbares Substrat vor. Der neurologische Kreisarzt habe aufgrund der Aktenlage nachvollziehbar dargetan, dass der Beschwerdeführer echtzeitlich keine äusseren Verletzungen und keine neurologischen Störungen aufgewiesen habe. Erst im Laufe der nächsten Tage und Wochen habe sich ein neurologisch imponierendes Krankheitsbild entwickelt, welches indessen syndromatisch und neuroanatomisch nicht einzuordnen sei. Die Bildgebung des Zentralnervensystems habe kein Korrelat für die Beschwerden gezeigt, womit es an einer organischen Grundlage fehle. Hinsichtlich der von der psychiatrischen Gutachterin der medexperts AG diagnostizierten organischen psychischen Störung (ICD-10 F06.3) erwog das kantonale Gericht, die Expertin stütze sich zur Begründung der organischen Ursache einzig auf Literaturangaben, die indessen wissenschaftlich noch nicht hätten verifiziert werden können. Gefordert sei, dass die Befunde mittels bildgebenden oder apparativen Abklärungen bestätigt werden könnten, was vorliegend gerade nicht der Fall sei. Demnach könne auch diesbezüglich nicht von organisch ausgewiesenen Unfallfolgen ausgegangen werden. Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass in Bezug auf die physischen Unfallfolgen (leichtgradige pancochleäre Innenohrschwerhörigkeit) keine namhafte Besserung mehr zu erwarten gewesen sei, weshalb der Fallabschluss nicht verfrüht erfolgt sei.
19
3.2. Weiter erwog die Vorinstanz, da der Beschwerdeführer weder ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule (HWS) noch eine dem Schleudertrauma äquivalente Verletzung oder ein Schädel-Hirntrauma erlitten habe, sei der adäquate Kausalzusammenhang zwischen den organisch nicht nachweisbaren Beeinträchtigungen und dem Unfallereignis vom 8. August 2018 nach der zu den psychischen Fehlentwicklungen nach einem Unfall ergangenen Praxis (BGE 115 V 133) zu prüfen. Sie qualifizierte das Ereignis vom 8. August 2018 als mittelschwer im mittleren Bereich, wobei sie sich an der Rechtsprechung zu Stromunfällen orientierte (vgl. RKUV 1993 U 166 S. 92, U 29/92 E. 2b; Urteile 8C_362/2011 vom 30. Juni 2011 E. 3.2; 8C_584/2010 vom 11. März 2011 E. 4.2.4). Da sie von den massgeblichen Kriterien lediglich zwei - in ihrer einfachen Form - als erfüllt betrachtete, verneinte sie den adäquaten Kausalzusammenhang.
20
4.
21
Der Beschwerdeführer beantragt zwar in erster Linie die Weiterausrichtung von Taggeldleistungen und die Übernahme von Heilbehandlungskosten. Er begründet aber mit keinem Wort, weshalb die vorinstanzliche Beurteilung, wonach der Fallabschluss nicht verfrüht erfolgt sei, bundesrechtswidrig sein soll. Auf die beantragte Wiederaufnahme der Taggeldleistungen und weitere Übernahme der Heilbehandlungskosten ist mangels hinreichender Begründung des Antrags nicht weiter einzugehen (Art. 42 Abs. 1 BGG; E. 1.1 hiervor).
22
5.
23
Der Beschwerdeführer rügt eine fehlerhafte Adäquanzprüfung und beantragt eine Praxisänderung dergestalt, dass die bisherige Unterscheidung zwischen psychischen Unfallfolgen (vgl. BGE 115 V 113), Schleudertrauma- und äquivalenten Verletzungen (vgl. BGE 134 V 109) sowie Schreckereignissen aufzugeben sei. Es sei stattdessen zuerst rein naturwissenschaftlich zu prüfen, ob eine Unfallfolge vorliege. Falls dies bejaht werde, sei in einem zweiten Schritt danach zu fragen, ob die Übernahme durch die Sozialversicherung gerechtfertigt sei.
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5.1. Eine fehlerhafte Adäquanzprüfung erblickt der Beschwerdeführer zunächst darin, dass die Vorinstanz das Unfallereignis vom 8. August 2018 als mittelschwer im engeren Sinne betrachtete. Richtigerweise hätte das Ereignis als mittelschwer im Grenzbereich zu den schweren Unfällen qualifiziert werden müssen.
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5.1.1. Die Unfallschwere ist praxisgemäss aufgrund des augenfälligen Geschehensablaufs mit den sich dabei entwickelnden Kräften zu beurteilen. Irrelevant sind die Unfallfolgen oder Begleitumstände, die nicht direkt dem Unfallgeschehen zugeordnet werden können; solchen Faktoren ist gegebenenfalls bei den Adäquanzkriterien Rechnung zu tragen (BGE 140 V 356 E. 5.1; Urteil 8C_66/2021 vom 6. Juli 2021 E. 7.1).
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5.1.2. Zum Unfallhergang hielt die Vorinstanz was folgt fest: Dem Polizeirapport vom 9. November 2018 sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer gemäss Aussage eines Arbeitskollegen um ca. 6.45 Uhr bei aufziehendem Regen die Mannschaftsbaracke auf der Baustelle verlassen habe, um Schalungselemente an den Kran zu hängen. Die Schalungselemente seien aufeinander gestapelt gewesen (Höhe ca. 2,2 m), weshalb der Beschwerdeführer auf diesen Stapel gestiegen sei und die Nylongurte am Haken des Krans eingehängt habe. Genau in diesem Moment, als der Beschwerdeführer die nassen Nylongurte noch in den Händen gehalten habe, habe ein Blitz in den Kran eingeschlagen. Durch die herbeieilenden Arbeitskollegen sei der Beschwerdeführer vor dem Eintreffen der Polizei und des Rettungsdienstes geborgen und in der Mannschaftsbaracke in die stabile Seitenlage gebracht worden. Ein weiterer Arbeitskollege habe zu Protokoll gegeben, er habe den Blitzeinschlag von seinem Arbeitsplatz im Nebengebäude aus beobachten können. Der Blitz sei nach dem Einschlag entlang des Lastseils des Krans bis hinunter zu den Schalungselementen zu sehen gewesen. Nach dem Einschlag habe er einen Arbeiter auf den Schalungselementen liegen sehen. Gemäss Angaben der ausgerückten Polizisten war der Beschwerdeführer beim Eintreffen nur bedingt ansprechbar.
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5.1.3. Fest steht, dass beim Ereignis vom 8. August 2018 Strom durch den Körper des Beschwerdeführers floss und dass dieser beim Biltzeinschlag ein Barotrauma (Trommelfell links) erlitt. Stromeintritts- oder Austrittsmarken waren hingegen nicht feststellbar.
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5.1.4. Soweit ersichtlich hatte sich das Bundesgericht bisher noch nie mit der Frage der Unfalladäquanz und der Unfallschwere im Zusammenhang mit einem Blitzunfall zu befassen. Die Vorinstanz qualifizierte den oben beschriebenen Geschehensablauf als mittelschweren Unfall im engeren Sinne, wobei sie sich an der Rechtsprechung zu den (Stark) Stromunfällen orientierte. Der Beschwerdeführer weist diesbezüglich zu Recht darauf hin, dass sich die Unfälle in den von der Vorinstanz zitierten Fällen (Urteile 8C_362/2011 vom 30. Juni 2011 E. 3.2; 8C_584/2010 vom 11. März 2011 E. 4.2.4) mit Spannungen zwischen 230 und 552 Volt ereigneten. Demgegenüber sind Blitzunfälle durch eine extrem hohe Stromstärke und eine sehr kurze Expositionsdauer charakterisiert. Das Schädigungsproblem bei Blitzunfällen sind die elektrische Energie, die hohe Temperatur und/oder die explosive Kraft der Druckwelle (vgl. Stellungnahme Dr. med. univ. F.________ vom 24. September 2020). Gemäss der vom kantonalen Gericht zitierten Quelle können bei einem Blitz Spannungen von mehr als 100 Mio. Volt auftreten. Die Blitzentladung dauert etwa 0,02 Sekunden und geht mit Stromstärken bis zu einigen 100'000 Ampere einher. Die Luft erhitzt sich dabei im Blitzkanal bis auf etwa 25'000 bis 30'000 Grad Celsius. Mit Blick auf diese enorme elektrische Energie und die bei einer Blitzentladung entstehende Druckwelle, die beim Beschwerdeführer unbestritten zu einem Barotrauma führte, lässt sich ein Blitzunfall nicht mit einem (Stark) Stromunfall aus einer künstlichen Stromquelle vergleichen.
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5.1.5. Dem Beschwerdeführer ist vor diesem Hintergrund dahingehend zu folgen, dass das Ereignis vom 8. August 2018 nicht im mittleren Bereich im engeren Sinne, sondern im Grenzbereich zu den schweren Unfällen anzusiedeln ist. Soweit die Vorinstanz aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keine Stromein- und Stromaustrittsmarken zeigte, an keinen Herzrythmusstörungen litt und beim Eintreffen der Rettungskräfte bedingt ansprechbar war, ableitete, der Beschwerdeführer habe nur einen "sehr geringen Teil" (der Entladung) abbekommen, überzeugt dies nicht. Zunächst ist nicht einsehbar, weshalb die bedingte Ansprechbarkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt des Eintreffens der Rettungskräfte ein Indiz für einen geringen Stromfluss durch den Körper sein soll. Immerhin geht die Vorinstanz ebenfalls von einer (kurzen) Bewusstlosigkeit des Beschwerdeführers nach dem Unfall aus. Weiter wies die psychiatrische Gutachterin der medexperts AG in ihrer Stellungnahme vom 24. September 2020 zu Handen der IV-Stelle darauf hin, dass nicht alle Blitzopfer äusserlich sichtbare Läsionen zeigen würden. Das Spektrum möglicher Folgen nach einem Blitzschlag sei gross. Oftmals fänden sich bei peripheren Kontaktverletzungen auch keine strukturellen Auffälligkeiten in der Bildgebung. Sie verwies dabei auf die im pschiatrischen Gutachten zitierte medizinische Literatur. Insoweit lässt das Verletzungsbild keine sachdienlichen Rückschlüsse hinsichtlich der elektrischen Energie zu, welcher der Beschwerdeführer durch den sogenannten "contact strike" ausgesetzt war.
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5.2. Liegt nach dem Gesagten ein mittelschwerer Unfall im Grenzbereich zu den schweren Ereignissen vor, genügt für die Bejahung der Adäquanz bereits das Vorliegen eines einzigen Kriteriums, ohne dass dieses in besonders ausgeprägter Weise erfüllt sein müsste (vgl. BGE 115 V 133 E. 6c/bb; SVR 2016 UV Nr. 21 S. 66, 8C_134/2015 E. 5.3.2; Urteile 8C_308/2014 vom 17. Oktober 2014 E. 4.2 am Ende; 8C_488/2011 vom 19. Dezember 2011 E. 3; 8C_746/2008 vom 17. August 2009 E. 5.2).
31
Die Vorinstanz bejahte das Kriterium der besonders dramatischen Begleitumstände resp. der besonderen Eindrücklichkeit des Unfalls sowie dasjenige der Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzungen. Zumindest gegen die Bejahung des ersten Kriteriums lässt sich nichts einwenden, erscheint doch der hier zu beurteilende Blitzunfall auch bei objektiver Betrachtungsweise als eindrücklich. Damit ist der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis vom 8. August 2018 und den vom Beschwerdeführer über den Zeitpunkt des Fallabschlusses hinaus geklagten Bescherden gegeben. Der gegenteilige Schluss der Vorinstanz verletzt Bundesrecht.
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5.3. Bei diesem Ergebnis braucht auf die vom Beschwerdeführer beantragte Praxisänderung (vgl. E. 4 hiervor) nicht weiter eingegangen zu werden. Offen bleiben kann auch, ob mit Blick auf die von der Vorinstanz (vgl. E. 5.2.1 des angefochtenen Urteils) und der psychiatrischen Gutachterin zitierte medizinische Literatur bei Blitzunfällen von einem typischen Beschwerdebild mit psychischen und neurologischen Folgen gesprochen werden kann und ob es sich aufgrund der in der Literatur diskutierten Möglichkeit elektrochemischer Veränderungen im Gehirn als Folge des Blitzschlags allenfalls rechtfertigen würde, bei Blitzunfällen die Adäquanz der organisch nicht hinreichend nachweisbaren Beschwerden nach der für Schleudertraumen, äquivalente Verletzungen und Schädel-Hirntraumen geltenden Praxis (BGE 134 V 109) zu beurteilen.
33
6.
34
Nach der Rechtsprechung ist bei psychischen Leiden unabhängig derer diagnostischen Einordnung auf objektivierter Beurteilungsgrundlage zu prüfen, ob eine rechtlich relevante Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit nachzuweisen ist (BGE 143 V 409 E. 4.5.2; BGE 141 V 574 E. 5.2 zur sinngemässen Anwendung des strukturierten Beweisverfahrens im Bereich des UVG). Eine solche Prüfung hat die Vorinstanz nicht vorgenommen, da sie den adäquaten Kausalzusammenhang und damit eine der Leistungsvoraussetzungen verneinte. Da dieser Einschätzung nach dem Gesagten nicht gefolgt werden kann, ist die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es prüfe, ob der im Gutachten der medexperts AG vom 18. August 2020 aufgrund der psychischen Störungen attestierten 100%igen Arbeitsunfähigkeit für sämtliche Tätigkeiten aus rechtlicher Sicht gefolgt werden kann.
35
7.
36
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Rückweisung der Sache an das kantonale Gericht (mit noch offenem Ausgang) gilt praxisgemäss für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten als volles Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG (BGE 132 V 215 E. 6.1; Urteil 8C_715/2016 vom 6. März 2017 E. 6). Die Gerichtskosten werden daher der unterliegenden Beschwerdegegnerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Des Weiteren hat diese dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
37
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 26. April 2021 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
 
3.
 
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 25. November 2021
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Der Gerichtsschreiber: Wüest
 
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