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Informationen zum Dokument  BGer 2C_685/2021  Materielle Begründung
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BGer 2C_685/2021 vom 04.10.2021
 
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2C_685/2021
 
 
Urteil vom 4. Oktober 2021
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Beusch,
 
Bundesrichter Hartmann,
 
Gerichtsschreiber A. Brunner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Herr Alfred Ngoyi Wa Mwanza, Jurist,
 
gegen
 
Migrationsamt des Kantons Zürich,
 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich.
 
Gegenstand
 
Aufenthaltsbewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 8. Juli 2021 (VB.2021.00216).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
1
A.________ (geb. 1997) ist Staatsangehöriger Nigerias. Am 4. November 2016 heiratete er in Italien die Schweizer Staatsbürgerin B.________. Am 26. Juni 2017 reiste er in die Schweiz ein. In der Folge erhielt er zum Verbleib bei seiner Ehefrau die Aufenthaltsbewilligung.
2
B.
3
Nachdem A.________ und B.________ ihre Ehegemeinschaft aufgegeben hatten, widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich (nachfolgend: das Migrationsamt) mit Verfügung vom 12. November 2020 die Aufenthaltsbewilligung A.________s und wies ihn aus der Schweiz weg. Die von A.________ in der Folge erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg (vgl. Entscheid der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich vom 18. Februar 2021 und Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 8. Juli 2021).
4
C.
5
Mit Eingabe vom 9. September 2021 (Postaufgabe) erhebt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bzw. subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 8. Juli 2021 und die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung. Eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid an das Migrationsamt zurückzuweisen. Prozessual ersucht er darum, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung beizulegen; ausserdem beantragt er, auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten.
6
Das Bundesgericht hat auf Instruktionsmassnahmen verzichtet.
7
 
Erwägungen:
 
1.
8
Das bundesgerichtliche Verfahren wird in einer der Amtssprachen geführt, in der Regel in der Sprache des angefochtenen Entscheids. Verwenden die Parteien eine andere Amtssprache, so kann das Verfahren in dieser Sprache geführt werden (Art. 54 Abs. 1 BGG).
9
Die vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eingereichte Beschwerde ist zwar auf Französisch abgefasst. Allerdings bestehen keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer persönlich der deutschen Sprache nicht mächtig wäre, zumal er in seiner Beschwerde wiederholt auf die gelungene Integration im Kanton Zürich hinweist. Entsprechend besteht kein Anlass, von der Regel nach Art. 54 Abs. 1 BGG vorliegend abzuweichen.
10
 
2.
 
2.1. Der Beschwerdeführer macht vorliegend in vertretbarer Weise geltend, aufgrund von Art. 50 Abs. 1 AIG Anspruch auf die Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung zu haben. Insoweit ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 lit. c Ziff. 2, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG). Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde (Art. 42, Art. 100 Abs. 1 BGG) des hierzu legitimierten Beschwerdeführers (Art. 89 Abs. 1 BGG) ist damit einzutreten, soweit sich der Beschwerdeführer auf Art. 50 Abs. 1 AIG beruft.
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2.2. Daneben führt der Beschwerdeführer (sinngemäss) aus, die kantonalen Behörden hätten ihm eine Härtefallbewilligung erteilen müssen (Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG). Bei der Erteilung einer solchen Bewilligung geht es um einen kantonalen Ermessensentscheid im Rahmen von Art. 96 AIG (vgl. Urteil 2C_136/2017 vom 20. November 2017 E. 1.4.1, m.w.H.). Da sich ein Anspruch auf Aufenthalt (auch) aus dem Willkürverbot, dem Verhältnismässigkeitsprinzip und dem Gebot der Rechtsgleichheit nicht ableiten lässt, steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den entsprechenden kantonal letztinstanzlichen richterlichen Entscheid in der Sache nicht zur Verfügung (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; vgl. BGE 137 II 305 E. 2). Auch über den Weg der subsidiären Verfassungsbeschwerde können solche Entscheide materiell keiner Überprüfung durch das Bundesgericht zugeführt werden (BGE 133 I 185 E. 6.1). Zulässig wäre die subsidiäre Verfassungsbeschwerde zwar insoweit, als die Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften gerügt würde, die einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommen würde und die das Gericht von der Bewilligungsfrage getrennt beurteilen könnte (sog. Star-Praxis; BGE 137 II 305 E. 2 und 4; Urteil 2C_643/2018 vom 8. Januar 2019 E. 1.1); in dieser Hinsicht enthält die Beschwerde jedoch keine hinreichend substanziierten Rügen. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, vorliegend sei von einem Härtefall auszugehen, ist deshalb weder auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten noch auf die parallel erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde einzutreten.
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2.3. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz unter gehörsrechtlichen Aspekten (Art. 29 Abs. 2 BV) vor, nicht geprüft zu haben, ob vorliegend eine vorläufige Aufnahme wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs (Art. 83 Abs. 4 AIG) in Betracht komme. In dieser Hinsicht verkennt er allerdings, dass die Anordnung der vorläufigen Aufnahme in den Kompetenzbereich des Staatssekretariats für Migration (Art. 83 Abs. 1 AIG) bzw. - im Beschwerdeverfahren - in denjenigen des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 31 VGG i.V.m. Art. 5 VwVG) fällt. Die kantonalen Behörden waren zum vornherein nicht befugt, die vorläufige Aufnahme zu verfügen (vgl. Urteile 2C_268/2021 vom 27. April 2021 E. 1.3; 2C_1004/2018 vom 11. Juni 2019 E. 1.3). Im Übrigen können Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts über die vorläufige Aufnahme weder mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 83 lit. c Ziff. 3 BGG) noch mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde (Art. 113 BGG e contrario) an das Bundesgericht weitergezogen werden. Auf Art. 83 AIG bzw. die in diesem Zusammenhang gerügte Gehörsverletzung ist deshalb im Folgenden nicht weiter einzugehen.
13
 
3.
 
3.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Parteien (Art. 42 BGG) prüft es jedoch nur die vorgebrachten Rügen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu ins Auge springen (BGE 144 V 3488 E. 2; 133 II 249 E. 1.4.1).
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3.2. Seinem Urteil legt das Bundesgericht den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, die Feststellungen der Vorinstanz seien offensichtlich unrichtig oder beruhten auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Feststellung des Sachverhalts, wenn sie willkürlich ist (BGE 137 I 58 E. 4.1.2). Eine entsprechende Rüge ist hinreichend zu substanziieren (Art. 106 Abs. 2 BGG).
15
4.
16
Der Beschwerdeführer rügt eine falsche Anwendung von Art. 50 Abs. 1 lit. a und b AIG.
17
4.1. Mit Blick auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG stellte die Vorinstanz fest, die Ehegemeinschaft des Beschwerdeführers mit B.________ in der Schweiz habe vom 26. Juni 2017 bis Anfang November 2019 angedauert. Die Dreijahresgrenze von Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG sei damit nicht erreicht worden. Die Bestimmung vermöge damit keinen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu vermitteln.
18
Der Beschwerdeführer lässt die vorinstanzliche Feststellung, wonach die eheliche Gemeinschaft in der Schweiz weniger als drei Jahre angedauert habe, ausdrücklich unbeanstandet (S. 4 der Beschwerde). Gestützt auf diese Feststellung hat die Vorinstanz aber zu Recht erwogen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls aus Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung ableiten könne (vgl. BGE 136 II 113 E. 3.3). Vertieft zu prüfen ist hingegen sein Einwand, dass Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG ihm einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung vermittle.
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4.2. Ein wichtiger Grund im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG kann insbesondere vorliegen, wenn die soziale Wiedereingliederung im Herkunftsland stark gefährdet erscheint (Art. 50 Abs. 2 AIG; BGE 138 II 229 E. 3.1; 136 II 1 E. 5). Bei der Prüfung dieser Frage sind sämtliche Aspekte des Einzelfalles mitzuberücksichtigen, namentlich auch die in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) erwähnten Gesichtspunkte. Erforderlich ist, dass die persönliche, berufliche und familiäre Wiedereingliederung als stark gefährdet erscheint; nicht entscheidend ist hingegen, ob ein Leben in der Schweiz einfacher wäre und - aus welchen Gründen auch immer - vorgezogen würde. Ein nachehelicher Härtefall setzt aufgrund der konkreten Umstände eine erhebliche Intensität der Konsequenzen für das Privat- und Familienleben der ausländischen Person voraus, die mit ihrer Lebenssituation nach dem Dahinfallen der Anwesenheitsberechtigung verbunden sind (vgl. Urteil 2C_822/2018 vom 23. August 2019 E. 3.3.1).
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4.3. Die Vorinstanz verneinte das Vorliegen wichtiger persönlicher Gründe im Sinne von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG. Soweit wahr sei, dass der Beschwerdeführer in Nigeria keine Familienangehörigen mehr habe, sei die Wegweisung dorthin zwar mit einer gewissen Härte verbunden. Der Beschwerdeführer sei mit den Umständen in Nigeria aber trotz seiner neunjährigen Landesabwesenheit nach wie vor vertraut. Als junger und gesunder Mann werde er sich dort wieder eingliedern können. Bei der wirtschaftlichen Integration könnten ihm seine in der Schweiz erworbenen Ausbildungen (im IT-Bereich) behilflich sein. Seine Lebens- und Daseinsbedingungen in Nigeria seien gemessen am durchschnittlichen Schicksal von Ausländern nicht in gesteigertem Masse infrage gestellt, weshalb auch die soziale Wiedereingliederung in Nigeria nicht als stark gefährdet erscheine (vgl. E. 2.4.2 und 2.4.3 des angefochtenen Urteils).
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4.4. Die Würdigung der Vorinstanz (vgl. E. 4.3 hiervor) ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden: Soweit der Beschwerdeführer meint, dass das Vorliegen eines persönlichen Härtefalls mit Blick auf eine allfällige Rückkehr nach Nigeria (und nicht mit Blick auf eine solche nach Italien) geprüft werden müsse (vgl. S. 6 der Beschwerde), verkennt er, dass bereits die Vorinstanz ihrem Entscheid eine mutmassliche Rückkehr nach Nigeria zugrunde gelegt hat. Dass der Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz in Nigeria für den Beschwerdeführer mit gewissen Schwierigkeiten verbunden sein kann (vgl. S. 6 der Beschwerde), lässt seine Rückkehr dorthin nicht als unzumutbar erscheinen. Daran ändern die vom Beschwerdeführer ins Feld geführten (und von der Vorinstanz nicht in Frage gestellten) beruflichen, sprachlichen und sozialen Integrationsbemühungen nichts. Eine erfolgreiche Integration wäre zwar massgeblich im Rahmen von Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG, genügt aber für sich genommen nicht für eine Bewilligung nach Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG (vgl. Urteil 2C_842/2019 vom 20. Dezember 2019 E. 4.3.3). Wenn die Vorinstanz bei der Prüfung von Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG auf die Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers nicht im Einzelnen eingegangen ist, begründet dies deshalb keine Verletzung des Gehörsanspruchs (Art. 29 Abs. 2 BV) des Beschwerdeführers. Auch die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) ist nicht ersichtlich.
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4.5. Der Beschwerdeführer rügt am Rande (vgl. S. 6 der Beschwerde), die Vorinstanz habe zu Unrecht ungeprüft gelassen, ob er von ehelicher Gewalt betroffen gewesen sei (Art. 50 Abs. 2 AIG). In der Beschwerde wird allerdings nicht aufgezeigt, aufgrund welcher Umstände die Vorinstanz gehalten gewesen wäre, entsprechende Abklärungen zu treffen (vgl. zu diesem Aspekt Urteil 2C_68/2017 vom 29. November 2017 E. 5.4.2). Zwar behauptet der Beschwerdeführer, die kantonalen Instanzen auf das Vorliegen ehelicher Gewalt hingewiesen zu haben. Ein Beleg für diese Behauptung bzw. konkrete Hinweise auf Fundstellen in den Akten lassen sich seiner Beschwerde jedoch nicht entnehmen. Die Rüge ist damit nicht hinreichend substanziiert (vgl. E. 2.2 hiervor). Auf die Rüge ist nicht weiter einzugehen.
23
4.6. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist (vgl. E. 2.2 und 2.3 hiervor).
24
5.
25
Bei diesem Ausgang des Verfahrens (vgl. E. 4.6 hiervor) wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
26
Das Gesuch, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung beizulegen, ist mit vorliegendem Urteil gegenstandslos. Dasselbe gilt für das Gesuch, auf die Erhebung eines Kostenvorschusses zu verzichten; der entsprechende Antrag, der allein auf Art. 62 Abs. 1 BGG Bezug nimmt (vgl. S. 10 der Beschwerde), kann nicht als Begehren um unentgeltliche Rechtspflege verstanden werden, wird doch nicht einmal im Ansatz behauptet, der Beschwerdeführer sei mittellos.
27
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
 
2.
 
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 4. Oktober 2021
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Brunner
 
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