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Informationen zum Dokument  BGer 6B_722/2021  Materielle Begründung
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BGer 6B_722/2021 vom 29.09.2021
 
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6B_722/2021
 
 
Urteil vom 29. September 2021
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
 
Bundesrichter Denys,
 
Bundesrichter Muschietti,
 
Bundesrichterin Koch,
 
Bundesrichter Hurni,
 
Gerichtsschreiberin Andres.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Advokat Alain Joset,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel,
 
2. Amt für Justizvollzug des Kantons Basel-Stadt, Straf- und Massnahmenvollzug,
 
Spiegelgasse 12, 4051 Basel,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Verlängerung der stationären therapeutischen Massnahme (Art. 59 Abs. 4 StGB), kantonale Beschwerdelegitimation, mündliches Beschwerdeverfahren,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, vom 19. April 2021 (BES.2020.57).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
1
Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte A.________ am 21. Februar 2015 wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und ordnete eine stationäre therapeutische Behandlung von psychischen Störungen an, wobei es den Vollzug der Freiheitsstrafe zugunsten der Massnahme aufschob.
2
B.
3
Am 6. Februar 2020 verlängerte das Strafgericht die stationäre therapeutische Behandlung um ein Jahr. Dagegen erhob der Straf- und Massnahmenvollzug (SMV) des Amts für Justizvollzug des Kantons Basel-Stadt Beschwerde und beantragte die Verlängerung der Massnahme um zwei Jahre.
4
C.
5
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hiess die Beschwerde am 19. April 2021 gut und verlängerte die mit Urteil des Strafgerichts vom 21. Januar 2015 angeordnete stationäre therapeutische Behandlung von psychischen Störungen um zwei Jahre (bis zum 20. Januar 2022).
6
D.
7
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der appellationsgerichtliche Entscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass der Beschluss des Strafgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 6. Februar 2020 in Rechtskraft erwachsen sei. Ferner ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.
8
 
Erwägungen:
 
1.
9
Das Verfahren erweist sich als spruchreif. Ein Schriftenwechsel ist nicht erforderlich (vgl. Art. 102 Abs. 1 BGG). Damit wird der Verfahrensantrag des Beschwerdeführers, ihm sei Gelegenheit zu geben, auf eine Vernehmlassung der Beschwerdegegner und/oder der Vorinstanz zu replizieren, gegenstandslos.
10
 
2.
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt, indem die Vorinstanz auf die Beschwerde des Beschwerdegegners 2 eintrete, verletze sie das Legalitätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV), das Willkürverbot (Art. 9 BV) und Art. 104 Abs. 2 i.V.m. Art. 382 Abs. 1 StPO. Er argumentiert, es gebe im Kanton Basel-Stadt keine gesetzliche Grundlage, welche dem Beschwerdegegner 2 als Vollzugsbehörde in Rechtsmittelverfahren gemäss StPO Parteirechte einräume und diesen damit legitimieren würde, selbst Rechtsmittel gegen Beschlüsse des Strafgerichts in Verfahren nach Art. 363 Abs. 1 StPO zu ergreifen. § 38 des Gesetzes des Kantons Basel-Stadt vom 13. Oktober 2010 über die Einführung der Schweizerischen Strafprozessordnung (EG-StPO/BS; SG 257.100) halte unmissverständlich fest, dass die Vollzugsbehörde nur für das erstinstanzliche Verfahren gemäss Art. 363 Abs. 1 StPO über Parteirechte verfüge. Die Vorinstanz nenne in ihrem Entscheid denn auch keine den Beschwerdegegner 2 zur Beschwerde legitimierende gesetzliche Grundlage, sondern vertrete die Ansicht, dessen Beschwerdelegitimation ergebe sich aus dem Urteil des Bundesgerichts 6B_98/2019 vom 28. Januar 2019. Dies sei nicht haltbar, da die Frage, ob der Beschwerdegegner 2 im kantonalen Rechtsmittelverfahren eigenständig Beschwerde führen könne, nicht Gegenstand jenes bundesgerichtlichen Verfahrens gewesen sei. Damit könnten nur die ordentlichen Parteien gemäss Art. 104 Abs. 1 StPO Rechtsmittel gestützt auf die StPO ergreifen, wozu der Beschwerdegegner 2 als Vollzugsbehörde nicht zähle.
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2.2. Die Vorinstanz verweist zur Begründung der Beschwerdelegitimation des Beschwerdegegners 2 im kantonalen Verfahren auf eine Verfügung des Instruktionsrichters vom 25. Januar 2021 (siehe hierzu Urteil 1B_96/2021 vom 25. März 2021). Dieser erwog zusammengefasst, aus dem Urteil 6B_98/2019 vom 29. [recte 28.] Januar 2019 ergebe sich, dass der Beschwerdegegner 2 im kantonalen Beschwerdeverfahren Parteistellung habe (Entscheid S. 4).
12
 
2.3.
 
2.3.1. Die Verlängerung der stationären therapeutischen Massnahme (Art. 59 Abs. 4 StGB) erfolgt im selbstständigen nachträglichen Verfahren (Art. 363 ff. StPO; Urteile 6B_676/2019 vom 21. August 2019 E. 2.3; 6B_1432/2017 vom 15. Januar 2018 E. 1.4). Als Rechtsmittel steht die Beschwerde gemäss Art. 393 ff. StPO zur Verfügung (BGE 141 IV 396 E. 4.7). Die Beschwerdelegitimation setzt die Parteistellung im Sinne von Art. 382 Abs. 1 StPO voraus.
13
Die Parteistellung im Strafverfahren ist in Art. 104 Abs. 1 StPO geregelt. Gemäss Art. 104 Abs. 2 StPO können die Kantone "weiteren Behörden", die öffentliche Interessen zu wahren haben, volle oder beschränkte Parteirechte einräumen. Die Parteistellung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 StPO muss formell-gesetzlich ausdrücklich eingeräumt werden (Urteile 6B_82/2021 vom 1. April 2021 E. 1.4.3, nicht publ. in: BGE 147 IV 218; 6B_676/2019 vom 21. August 2019 E. 2.3 mit Hinweis auf SCHMID/JOSITSCH, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2017, Rz. 636; ausführlich zu Art. 104 Abs. 2 StPO Urteil 6B_1060/2017 vom 14. Juni 2018 E. 2.3 f.).
14
2.3.2. Nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EG-StPO/BS ist die für den Vollzug von Strafen und Massnahmen zuständige Vollzugsbehörde im Verfahren gemäss Art. 363 Abs. 1 StPO Partei mit vollen Parteirechten. Sie stellt insbesondere beim Gericht die Anträge und vertritt diese vor Gericht (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EG-StPO/BS). Die Staatsanwaltschaft wird bei Verfahren gemäss Art. 363 Abs. 1 StPO beigeladen. Erklärt sie, dass sie am Verfahren teilnehmen will, so hat sie neben der Vollzugsbehörde die Rechte und Pflichten einer Partei. Verzichtet die Staatsanwaltschaft auf die Teilnahme, so stehen die Parteirechte ausschliesslich der Vollzugsbehörde zu (§ 38 Abs. 3 EG-StPO/BS).
15
2.3.3. Die Anwendung kantonalen Gesetzesrechts überprüft das Bundesgericht - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - nur auf Willkür und Vereinbarkeit mit anderen verfassungsmässigen Rechten (vgl. Art. 95 BGG; BGE 145 I 121 E. 2.1; 142 IV 70 E. 3.3.1; je mit Hinweisen). Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 144 I 113 E. 7.1 mit Hinweis; Urteil 6B_82/2021 vom 1. April 2021 E. 1.4.4, nicht publ. in: BGE 147 IV 218). Das Bundesgericht prüft die Verletzung verfassungsmässiger Rechte nicht von Amtes wegen, sondern nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). In der Beschwerde ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern die angerufenen Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 145 I 121 E. 2.1; 141 I 36 E. 1.3 mit Hinweisen).
16
 
2.4.
 
2.4.1. Indem die Vorinstanz zur Begründung der Beschwerdelegitimation des Beschwerdegegners 2 im kantonalen Verfahren auf das Urteil 6B_98/2019 vom 28. Januar 2019 abstellt, lässt sie unberücksichtigt, dass diese Frage bzw. die Parteistellung des Beschwerdegegners 2 im kantonalen Verfahren nicht Gegenstand der bundesgerichtlichen Beurteilung war. Das Bundesgericht äusserte sich im genannten Urteil einzig dazu, ob der Beschwerdegegner 2 (damals Beschwerdeführer) zur Erhebung der Beschwerde in Strafsachen berechtigt war, was es verneinte. Hingegen prüfte es nicht, ob ihm im kantonalen Verfahren zu Recht die Parteistellung mit vollen Parteirechten zuerkannt worden war. Eine solche Prüfung war bereits aufgrund der Verfahrenskonstellation (Beschwerdeführer war die Vollzugsbehörde selbst) bzw. mangels Rüge nicht möglich. Zwar geht das Bundesgericht in der Begründung auch auf das Vorbringen des SMV ein, wonach er im kantonalen Verfahren gestützt auf § 38 Abs. 2 EG-StPO/BS Partei mit vollen Parteirechten gewesen sei, dies jedoch nur, um ihm aufzuzeigen, dass er hieraus nichts für die Beschwerdelegitimation vor Bundesgericht ableiten kann (vgl. Urteil 6B_98/2019 vom 28. Januar 2019 E. 2.4 Absatz 2).
17
2.4.2. Demgegenüber hat das Bundesgericht im Urteil 6B_82/2021 vom 1. April 2021 geprüft, ob das Appellationsgericht Basel-Stadt als damalige Vorinstanz einer (ausserkantonalen) Vollzugsbehörde willkürfrei gestützt auf § 38 EG-StPO/BS die Parteistellung im Rechtsmittelverfahren zuerkannte, was es bejahte. Es führte aus, es entspreche im Kanton Basel-Stadt dem gesetzgeberischen Willen, der zuständigen Vollzugsbehörde in nachträglichen Gerichtsverfahren über den Vollzug von Massnahmen die Parteistellung zu gewähren. Ratio legis solcher kantonalen Regelungen sei, dass die Vollzugsbehörde über spezifische Erfahrungen und Kenntnisse im Justizvollzug verfüge und mit dem Fallverlauf in der Regel besser vertraut sei als die Staatsanwaltschaft. Anders als die Staatsanwaltschaft habe die Vollzugsbehörde z.B. wichtige Angaben dazu, ob eine stationäre therapeutische Massnahme zum gewünschten Erfolg geführt habe und ob sie zu verlängern oder zu ändern sei (Urteil 6B_82/2021 vom 1. April 2021 E. 1.5.4 mit Hinweisen, nicht publ. in: BGE 147 IV 218; siehe auch Ratschlag Nr. 14.0147.01 des Regierungsrats des Kantons Basel-Stadt vom 28. Mai 2014 zu einer Totalrevision des Gesetzes betreffend Wahl und Organisation der Gerichte sowie der Arbeitsverhältnisse des Gerichtspersonals und der Staatsanwaltschaft [Gerichtsorganisationsgesetz, GOG, nachfolgend Ratschlag des Regierungsrats], S. 82 f.; vgl. zur ähnlichen gesetzlichen Regelung im Kanton Bern: Urteil 6B_676/2019 vom 21. August 2019 E. 2.2 und 2.3.3). Dem Ratschlag des Regierungsrats ist hierzu weiter zu entnehmen, dass mit der Regelung in § 38 Abs. 2 und 3 EG-StPO/BS den obgenannten Umständen Rechnung getragen und neu der zuständigen Vollzugsbehörde im Verfahren bei selbstständigen nachträglichen Entscheiden die Parteirolle mit vollen Parteirechten zugesprochen wird. Die Staatsanwaltschaft nimmt neu die Stellung einer beigeladenen Person ein, womit ihr das Erscheinen an der Hauptverhandlung des Gerichts freigestellt ist. Mit Zustellung einer Kopie des Antrages der Vollzugsbehörde an das Gericht kann die Staatsanwaltschaft beurteilen, ob sie neben der Vollzugsbehörde auch an der Hauptverhandlung auftreten und entsprechende Anträge stellen will. Tritt die Staatsanwaltschaft neben der Vollzugsbehörde vor Gericht auf, so stehen ihr die vollen Parteirechte einschliesslich der Möglichkeit zu, das Rechtsmittel gegen den Entscheid des Gerichts einzulegen. Verzichtet die Staatsanwaltschaft darauf, so gehen ihr die Parteirechte verloren. In diesem Fall ist die Vollzugsbehörde legitimiert, das Rechtsmittel gegen den Entscheid des Gerichts einzulegen. Auch bei selbstständigen nachträglichen Entscheiden des Gerichts gemäss Art. 363 ff. StPO handelt es sich um Verfahren in Strafsachen, in denen der Staatsanwaltschaft Parteistellung zukommt und sie anzuhören ist. Mit der vorgeschlagenen Regelung wird diesem Umstand Rechnung getragen. Grossmehrheitlich wird neu die Vollzugsbehörde bei selbstständigen nachträglichen Entscheiden des Gerichts auftreten und es darf heute davon ausgegangen werden, dass die Staatsanwaltschaft nur in sehr wenigen Fällen von der Beiladung Gebrauch machen wird (Ratschlag des Regierungsrats vom 28. Mai 2014, S. 83).
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2.4.3. Im Kanton Basel-Stadt ist das Amt für Justizvollzug des Justiz- und Sicherheitsdepartements bzw. dessen Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug, mithin der Beschwerdegegner 2, die zuständige Vollzugsbehörde (§ 3 und 4 der Verordnung des Kantons Basel-Stadt vom 23. Juni 2020 über den Justizvollzug [SG 258.210; bis zum 30. Juni 2020: § 2 und 3 der Verordnung des Kantons Basel-Stadt vom 11. Februar 2014 über den Justizvollzug]). Aus den Akten ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft an der erstinstanzlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat (kantonale Akten, act. 5/757). Als zuständige Vollzugsbehörde werden dem Beschwerdegegner 2 kantonalrechtlich die "vollen Parteirechte" eingeräumt. Er ist damit formell-gesetzlich befugt, Beschwerde im Sinne von Art. 382 Abs. 1 i.V.m. insbesondere Art. 393 Abs. 1 lit. b StPO zu erheben (vgl. Urteil 6B_676/2019 vom 21. August 2019 E. 2.3.1).
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2.4.4. Im Ergebnis verfällt die Vorinstanz nicht in Willkür, wenn sie dem Beschwerdegegner 2 die Parteistellung mit vollen Parteirechten auch für das Rechtsmittelverfahren zuerkennt und dessen (kantonale) Beschwerdelegitimation bejaht. Damit sind auch die Rügen, die Vorinstanz verletze das Legalitätsprinzip und Art. 104 Abs. 2 i.V.m. Art. 382 Abs. 1 StPO unbegründet.
20
 
3.
 
3.1. Der Beschwerdeführer rügt in prozessualer Hinsicht ferner eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 29 BV und Art. 6 EMRK) sowie von Art. 337 Abs. 3 i.V.m. Art. 405 Abs. 3 und Art. 407 StPO. Er argumentiert, die fakultative Vorladung des Beschwerdegegners 2 zur vorinstanzlichen Verhandlung sei bundesrechtswidrig und die Vorinstanz hätte das Beschwerdeverfahren aufgrund der Abwesenheit des Beschwerdegegners 2 gestützt auf Art. 407 Abs. 1 StPO infolge Rückzugs der Beschwerde abschreiben müssen.
21
3.2. Der Beschwerdegegner 2 führte Beschwerde gegen den Entscheid des Strafgerichts und die Beschwerdegegnerin 1 konstituierte sich im Beschwerdeverfahren als Partei. Auf Antrag des Beschwerdeführers ordnete die Vorinstanz eine mündliche Verhandlung an, an der er sich äussern konnte. Der fakultativ geladene Beschwerdegegner 2 verzichtete mit Eingabe vom 12. April 2021 auf die Teilnahme an der Verhandlung vom 19. April 2021 (Entscheid S. 2 f.). Die Vorinstanz erwägt, Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO gelange nicht zur Anwendung, da der Beschwerdegegner 2 der Verhandlung nicht unentschuldigt ferngeblieben sei. Es erscheine treuwidrig, die Einwände gegen die fakultative Ladung des Beschwerdegegners 2 bzw. dessen Verzicht auf Teilnahme an der Verhandlung erst während dieser zu erheben. Schliesslich erscheine die Anwesenheit eines Vertreters des Beschwerdegegners 2 an der Hauptverhandlung nicht als notwendig, da dieser seine Position bereits mit Beschwerde und Replik dargelegt habe. Die mündliche Verhandlung diene in erster Linie dazu, dass sich der Beschwerdeführer persönlich dem Spruchkörper präsentieren könne. So sei dem Wunsch des Beschwerdeführers, vom gesamten Spruchkörper angehört zu werden und sich zum aktuellen Setting und seinen Zukunftsperspektiven zeitnah zum Entscheid zu äussern, mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung entsprochen worden, wofür die Anwesenheit des Beschwerdegegners 2 nicht erforderlich sei. Die Beschwerde gelte demnach nicht als zurückgezogen und die Hauptverhandlung sei in Abwesenheit des Beschwerdegegners 2 durchzuführen (Entscheid S. 5).
22
 
3.3.
 
3.3.1. Das Gericht entscheidet im (erstinstanzlichen) Verfahren bei selbstständigen nachträglichen Entscheiden gestützt auf die Akten. Es kann auch eine Verhandlung anordnen (Art. 365 Abs. 1 StPO). In der Lehre wird teilweise festgehalten, dass die (öffentliche) Verhandlung in sinngemässer Anwendung der Regeln über die erstinstanzliche Hauptverhandlung (Art. 335 ff. StPO) stattfindet (SCHMID/JOSITSCH, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 3. Aufl. 2018, N. 2 zu Art. 365 StPO; CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung StPO, 3. Aufl. 2020, N. 1 zu Art. 365 StPO). Als Rechtsmittel steht die Beschwerde gemäss Art. 393 ff. StPO zur Verfügung (BGE 141 IV 396 E. 4.7). Auch das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich schriftlich (vgl. Art. 397 Abs. 1 StPO). Die Beschwerdeinstanz kann von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei eine Verhandlung anordnen (Art. 390 Abs. 5 StPO). Das Bundesgericht hielt fest, dass ein schriftliches Beschwerdeverfahren indes der Tragweite der Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 4 StGB, mit welcher erheblich in die Freiheitsrechte einer verurteilten Person eingegriffen wird, unter Umständen nicht zu genügen vermag. In diesen Fällen drängt sich - so das Bundesgericht - aufgrund der Eingriffsintensität des Entscheids und der Art der zur Prüfung anstehenden Fragen analog zum Berufungsverfahren eine mündliche Verhandlung auf (vgl. Urteile 6B_799/2017 vom 20. Dezember 2017 E. 2.3; 6B_320/2016 vom 26. Mai 2016 E. 4.2 mit Hinweisen). Weder das Gesetz noch das Bundesgericht äussern sich dazu, wie ein mündliches Beschwerdeverfahren abläuft bzw. welche Bestimmungen dabei zu beachten sind (vgl. BGE 143 IV 151 E. 2 zur Öffentlichkeit des Beschwerdeverfahrens).
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3.3.2. Der Beschwerdeführer argumentiert, die Vorinstanz verletze Art. 407 Abs. 1 StPO, indem sie das Beschwerdeverfahren nicht wegen Rückzugs der Beschwerde abschreibe. Gemäss Art. 407 Abs. 1 lit. a StPO gilt die Berufung als zurückgezogen, wenn die Partei, die sie erklärt hat, der mündlichen Verhandlung unentschuldigt fernbleibt. Vorliegend hat die Vorinstanz dem Beschwerdegegner 2 die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung freigestellt, und er hat sie vorgängig darüber informiert, dass er darauf verzichte (Entscheid S. 5). Nachfolgend ist zu prüfen, ob die fakultative Vorladung des Beschwerdegegners 2 als beschwerdeführende Partei zulässig war oder ob er in sinngemässer Anwendung von Art. 405 Abs. 3 StPO zwingend hätte vorgeladen werden müssen.
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3.3.3. Art. 405 Abs. 3 StPO schreibt für das mündliche Berufungsverfahren vor, dass die Verfahrensleitung die Staatsanwaltschaft in den in Art. 337 Abs. 3 und 4 StPO vorgesehenen Fällen (lit. a), oder wenn die Staatsanwaltschaft die Berufung oder die Anschlussberufung erklärt hat (lit. b), zur mündlichen Berufungsverhandlung vorlädt. Gemäss Art. 337 Abs. 3 StPO hat die Staatsanwaltschaft die Anklage persönlich vor Gericht zu vertreten, wenn sie eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder eine freiheitsentziehende Massnahme beantragt. Die Verfahrensleitung kann die Staatsanwaltschaft auch in anderen Fällen zur persönlichen Vertretung der Anklage verpflichten, wenn sie dies für nötig erachtet (Art. 337 Abs. 4 StPO). Die in Art. 405 Abs. 2 und 3 und Art. 407 Abs. 2 e contrario StPO statuierten Teilnahmepflichten (und -rechte) der Parteien dienen der Sicherstellung des kontradiktorischen Charakters des Berufungsverfahrens, was grundsätzlich die (gleichzeitige) Anwesenheit der Verfahrensparteien an der Berufungsverhandlung voraussetzt (Urteil 6B_606/2018 vom 12. Juli 2019 E. 3.2).
25
 
3.4.
 
3.4.1. Das Bundesgericht hat das Erfordernis eines mündlichen Beschwerdeverfahrens insbesondere damit begründet, dass es bei einer Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme in erhöhtem Masse um die Person des Betroffenen und sein künftiges Verhalten gehe. Es seien Prognosen über seine Behandlungsfähigkeit und seine Gefährlichkeit zu stellen. Entsprechend stünden auch im Rechtsmittelverfahren regelmässig Tatsachenfragen zur Prüfung und Beurteilung an. Damit misst das Bundesgericht dem persönlichen Eindruck eine zentrale Bedeutung zu. Der Beschwerdeinstanz ver bleibt in solchen Fällen nach der Rechtsprechung nur wenig Spiel raum, ohne mündliche Anhörung und Befragung des Betroffenen zu entscheiden (vgl. Urteile 6B_799/2017 vom 20. Dezember 2017 E. 2.3; 6B_320/2016 vom 26. Mai 2016 E. 4.2 mit Hinweisen).
26
Daraus ergibt sich, dass das Bundesgericht das mündliche Beschwerdeverfahren im Rahmen eines Verfahrens auf Verlängerung einer stationären therapeutischen Massnahme einerseits deshalb für notwendig erachtete, damit sich der Betroffene persönlich vor Gericht äussern kann. Andererseits soll sich das Gericht einen persönlichen Eindruck des Betroffenen verschaffen können. Demgegenüber begründete das Bundesgericht die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung nicht damit, dass ein kontradiktorisches Verfahren sichergestellt werden soll. Vorliegend machte der Beschwerdeführer denn auch geltend, er möchte vom Gesamtgericht angehört werden, um sich zum aktuellen Setting und seinen Zukunftsperspektiven zu äussern, weshalb eine mündliche Verhandlung durchzuführen sei (Entscheid S. 5). Damit diente auch die mündliche Verhandlung im vorliegenden Verfahren in erster Linie dazu, dass sich der Beschwerdeführer persönlich dem Spruchkörper präsentieren konnte. Hierfür ist die Anwesenheit des Beschwerdegegners 2 nach der zutreffenden Einschätzung der Vorinstanz nicht erforderlich, zumal dieser seine Argumente bereits schriftlich dargelegt hatte. Folglich trifft es nicht zu, dass die Vorinstanz die Position und die Argumente des Beschwerdegegners 2 selbst entwickeln musste, wie dies der Beschwerdeführer geltend macht (vgl. Beschwerde S. 11).
27
Soweit der Beschwerdeführer argumentiert, die Abwesenheit des Beschwerdegegners 2 bzw. das fehlende kontradiktorische Verfahren gefährde die Unparteilichkeit des Gerichts, ist die Rüge unbegründet. Das Bundesgericht hat in BGE 144 I 234 entschieden, dass das gesetzmässige Vorgehen des Gerichts bei der Beweisführung, wie es in der StPO auch in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft vorgesehen ist, nicht per se zur Befangenheit der betroffenen Richter führt. Das Gericht ist zur Beweisführung an der mündlichen Verhandlung unabhängig davon verpflichtet, ob die Staatsanwaltschaft anwesend ist oder nicht (BGE 144 I 234 E. 5.6 ff.). Im Übrigen begründet der Beschwerdeführer seine Rüge, Art. 29 BV und Art. 6 EMRK seien verletzt, nicht hinreichend (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG), insbesondere macht er weder geltend noch zeigt er anhand des konkreten Vorgehens der Vorinstanz anlässlich der Verhandlung auf, dass diese als parteilich erscheine, weil sie in Abwesenheit des Beschwerdegegners 2 dessen Rolle übernommen habe (vgl. BGE 144 I 234 E. 5.5).
28
3.4.2. Zusammenfassend verletzte die Vorinstanz weder Bundes- noch Konventionsrecht, indem sie es dem Beschwerdegegner 2 freistellte, ob er an der mündlichen Verhandlung teilnehmen wolle oder nicht. Ebenso wenig führt dessen Verzicht auf Teilnahme zum Beschwerderückzug i.S.v. Art. 407 Abs. 1 StPO. Damit erweisen sich die formellen Rügen des Beschwerdeführers als unbegründet. Materielle Rügen erhebt er nicht.
29
 
4.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er ersucht indessen um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Da die Voraussetzungen nach Art. 64 BGG als erfüllt erscheinen, ist dem Gesuch stattzugeben. Es werden deshalb keine Kosten erhoben und dem Vertreter des Beschwerdeführers ist eine angemessene Entschädigung auszurichten.
30
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.
 
3.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
4.
 
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, Advokat Alain Joset, wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- ausgerichtet.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 29. September 2021
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres
 
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