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Informationen zum Dokument  BGer 6B_627/2020  Materielle Begründung
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BGer 6B_627/2020 vom 21.04.2021
 
 
6B_627/2020
 
 
Urteil vom 21. April 2021
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
 
Bundesrichter Muschietti,
 
Bundesrichterin van de Graaf,
 
Gerichtsschreiberin Unseld.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern,
 
2. Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID), Kramgasse 20, 3011 Bern,
 
Beschwerdegegnerinnen.
 
Gegenstand
 
Elektronische Überwachung; Halbgefangenschaft; rechtliches Gehör,
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 21. April 2020 (SK 19 451).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Mit Verfügung vom 30. November 2017 boten die Bewährungs- und Vollzugsdienste des Amtes für Justizvollzug des Kantons Bern (nachfolgend: BVD/BE) A.________ für den Vollzug einer mit Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 4. Dezember 2015 teilbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe (Freiheitsstrafe von 36 Monaten, davon 24 Monate bedingt und 12 Monate unbedingt) in der Vollzugsform der Halbgefangenschaft mit Strafantritt am 8. Januar 2018 auf.
1
A.b. Dagegen erhob A.________ bei der damaligen Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern (nachfolgend: POM/BE; neu: Sicherheitsdirektion des Kantons Bern [SID]) Beschwerde. Gleichzeitig stellte er bei den BVD/BE ein Gesuch um Gewährung der Vollzugsform der elektronischen Überwachung. Die POM/BE sistierte ihr Verfahren mit Verfügung vom 15. Januar 2018 bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens um Gewährung des Vollzugs in der Vollzugsform der elektronischen Überwachung. Mit Entscheid vom 20. März 2018 wiesen die BVD/BE das Gesuch von A.________ auf Gewährung der Vollzugsform der elektronischen Überwachung ab. In der Folge wies die POM/BE die Beschwerde von A.________ gegen die Verfügung der BVD/BE vom 30. November 2017 mit Entscheid vom 9. Juli 2018 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde von A.________ wies das Obergericht des Kantons Bern mit Beschluss vom 11. Februar 2019 (SK 18 346) ab.
2
A.c. Am 24. April 2019 ersuchte A.________, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, erneut um Gewährung der Vollzugsform der elektronischen Überwachung und um Erlass eines Entscheids mittels anfechtbarer Verfügung. Die BVD/BE teilten dem Rechtsanwalt von A.________ am 25. April 2019 mit, dass über die Vollzugsform der elektronischen Überwachung mit unangefochten gebliebenem Entscheid vom 20. März 2018 bereits rechtskräftig entschieden worden sei. Am 26. Juni und 8. Juli 2019 stellte A.________ bzw. sein Rechtsanwalt weitere Gesuche um Gewährung der Vollzugsform der elektronischen Überwachung.
3
A.d. Mit Verfügung vom 12. Juli 2019 widerriefen die BVD/BE den Vollzug in Form der Halbgefangenschaft und boten A.________ für den 26. August 2019 zum Strafantritt im Normalvollzug auf. Dagegen gelangte A.________ am 15. August 2019 an die POM/BE, welche die Beschwerde am 28. Oktober 2019 abwies. Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Bern mit Beschluss vom 21. April 2020 ab, soweit es darauf eintrat.
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B. A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der Entscheid vom 21. April 2020 sei aufzuheben und es sei ihm die Vollzugsform der elektronischen Überwachung im Sinne von Art. 79b StGB zu bewilligen. Eventualiter sei die Vollzugsform der Halbgefangenschaft im Sinne von Art. 77b StGB zu bewilligen. Subeventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. A.________ ersucht um aufschiebende Wirkung und unentgeltliche Rechtspflege.
5
 
Erwägungen:
 
1. 
6
1.1. Der Beschwerdeführer rügt, er sei aufgrund der neuen persönlichen Verhältnisse berechtigt gewesen, nach den Entscheiden der BVD/BE vom 20. März 2018 und des Obergerichts vom 11. Februar 2019 erneut ein Gesuch um Vollzug der Strafe in der Form der elektronischen Überwachung zu stellen. Er habe dies anlässlich des Vollzugsgesprächs mit den BVD/BE vom 16. April 2019 mündlich sowie am 24. April, 26. Juni und 8. Juli 2019 schriftlich getan. Indem die Vorinstanz nicht auf sein Gesuch um Gewährung der elektronischen Überwachung eingetreten sei, habe sie eine Rechtsverweigerung begangen und Art. 29 Abs. 2 BV verletzt.
7
1.2. Die Rüge ist unbegründet. Die BVD/BE verweigerten dem Beschwerdeführer den Vollzug mittels elektronischer Überwachung in Anwendung von Art. 388 Abs. 3 i.V.m. Art. 79b Abs. 1 lit. a StGB einzig deshalb, weil nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Urteile 6B_1204/2015 vom 3. Oktober 2016 E. 1.4; 6B_1253/2015 vom 17. März 2016 E. 2.5 f.) für die Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer der Freiheitsstrafe (max. 12 Monate) bei teilbedingten Freiheitsstrafen die vom Gericht ausgesprochene Strafe und nicht die Dauer des zu vollziehenden Teils der Strafe massgebend ist (angefochtener Entscheid E. 23 S. 6). Gegen diese angeblich falsche Rechtsauffassung hätte der Beschwerdeführer entsprechende Rechtsmittel ergreifen können und müssen, zumal davon auch die Erledigung des damals bei der POM/BE hängigen, jedoch sistierten Beschwerdeverfahrens gegen den Vollzugsbefehl vom 30. November 2017 abhing. Die BVD/BE waren daher nicht verpflichtet, auf ihren Entscheid zurückzukommen. Gegen die Weigerung der BVD/BE in den Schreiben vom 25. April und 28. Juni 2019, die Frage erneut zu prüfen und einen anfechtbaren Entscheid zu erlassen, hätte sich der Beschwerdeführer zudem mit (Rechtsverweigerungs-) Beschwerde zur Wehr setzen können. Der Vorinstanz kann nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie ihr Verfahren zwecks Prüfung der elektronischen Überwachung nicht sistierte. Dies gilt umso mehr, als sie in ihrem Entscheid eine geregelte Arbeit des Beschwerdeführers verneint (vgl. unten E. 2). Eine solche setzt das Gesetz indes nicht nur für die Halbgefangenschaft (vgl. Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB), sondern auch für die elektronische Überwachung (vgl. Art. 79b Abs. 2 lit. c StGB) voraus. Ebenso wenig musste die Vorinstanz den Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung der elektronischen Überwachung prüfen, d.h. selber behandeln, da über solche Gesuche erstinstanzlich die Vollzugsbehörde zu befinden hat (vgl. Art. 79b Abs. 1 StGB).
8
Offenbleiben kann, unter welchen Umständen bei veränderten persönlichen Verhältnissen die Verweigerung der elektronischen Überwachung erneut zu prüfen ist. Vorliegend waren nicht die persönlichen Verhältnisse, sondern ausschliesslich rechtliche Überlegungen ausschlaggebend für die Abweisung des Gesuchs um Vollzug mittels elektronischer Überwachung.
9
2. 
10
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verweigerung der Vollzugsform der Halbgefangenschaft. Er rügt, der Grund für die von der Vorinstanz behauptete mangelnde Kooperation liege in der mangelhaften Eröffnung der entsprechenden Verfügungen und Mitteilungen der BVD/BE begründet. Diese habe die Post zu Unrecht an seine alte Adresse anstatt seinem Rechtsanwalt zugestellt. Er habe von der an ihn gerichteten Korrespondenz nur teilweise Kenntnis gehabt.
11
 
2.2.
 
2.2.1. Der Beschwerdeführer wurde gemäss dem angefochtenen Entscheid nach der Abweisung seiner Beschwerde gegen den Vollzugsbefehl vom 30. November 2017 (vgl. Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern vom 11. Februar 2019) am 3. April 2019 zu einer Besprechung des Vollzugs in Form von Halbgefangenschaft eingeladen, welche am 16. April 2019 stattfand. Anlässlich dieser Besprechung wurde er aufgefordert, Unterlagen einzureichen und sich mit den BVD⁠/⁠BE bezüglich Strafantritt in Verbindung zu setzen. Am 24. April 2019 ersuchte der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, erneut um Gewährung der Vollzugsform der elektronischen Überwachung. Im Antwortschreiben vom 25. April 2019 wiesen die BVD/BD den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers darauf hin, dass es aufgrund der zu erwartenden Verurteilung in einem hängigen Strafverfahren für den Beschwerdeführer von Vorteil sei, die Strafe so bald wie möglich anzutreten, so dass er wenigstens einen Teil der Strafe in Halbgefangenschaft vollziehen könne. Zudem könne die Halbgefangenschaft nicht organisiert und durchgeführt werden, sollte der Beschwerdeführer nicht wie vereinbart das Strafantrittsdatum mit den BVD/BE absprechen und ihnen zu gegebener Zeit die erforderlichen Unterlagen (Arbeitsplan) zustellen. In diesem Fall müsste die Halbgefangenschaft widerrufen werden (angefochtener Entscheid E. 8 S. 2 f.).
12
Mit Schreiben vom 23. Mai 2019 teilten die BVD/BE dem Beschwerdeführer (ohne Kopie an seinen Rechtsanwalt) mit, er habe sich nicht wie vorgegeben mit ihnen in Verbindung gesetzt, um den Strafantritt zu vereinbaren. Sie würden ihm jedoch eine letzte Chance bieten, die Strafe in der Form der Halbgefangenschaft zu vollziehen. Sollte er sich nicht ausnahmslos an die Vorgaben und Bedingungen der Vollzugsbehörde halten, werde die Halbgefangenschaft widerrufen und die Strafe sei im Normalvollzug zu verbüssen. Im Weiteren setzten die BVD/BE das Datum des Strafantritts auf den 12. Juni 2019 fest. Zudem teilten sie dem Beschwerdeführer die weiteren Bedingungen der Vollzugsform der Halbgefangenschaft mit. Das Schreiben wurde den BVD/BE am 31. Mai 2019 mit dem Vermerk "Weggezogen, Nachsendefrist abgelaufen" retourniert. Daraufhin stellten die BVD/BE dem Beschwerdeführer das Schreiben am 31. Mai 2019 an die neue Wohnadresse zu und setzten den Termin für den Strafantritt neu auf den 19. Juni 2019 fest. Weil der Beschwerdeführer auf das Schreiben nicht reagierte und sich dem Strafantritt am 19. Juni 2019 entzog, kündigten ihm die BVD⁠/⁠BE am 26. Juni 2019 den Widerruf des Vollzugs in Form der Halbgefangenschaft an und gewährten ihm, sich innert sieben Tagen schriftlich dazu zu äussern (angefochtener Entscheid E. 9 S. 3).
13
Am 26. Juni und 8. Juli 2019 ersuchte der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers wiederum um Gewährung der Vollzugsform der elektronischen Überwachung. Dem Gesuch vom 8. Juli 2019 lagen ein Schreiben des Vaters des Beschwerdeführers und ein Arbeitsvertrag bei, gemäss welchem der Beschwerdeführer per 1. September 2019 als Mitarbeiter der Abteilung Management und Marketing in die Firma seines Vaters eintreten werde (angefochtener Entscheid E. 12 S. 3 f.).
14
2.2.2. Die Vorinstanz erwägt zusammengefasst, der Strafantrittsbefehl vom 23. Mai 2019 sei zu Recht dem Beschwerdeführer persönlich zugestellt worden. Zwar sei der Beschwerdeführer im Verfahren gegen den Strafantrittsbefehl vom 30. November 2017 anwaltlich vertreten worden. Dieses Verfahren und damit auch das Vertretungsverhältnis habe jedoch mit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des Obergerichts des Kantons Bern vom 11. Februar 2019 geendet. Deshalb und weil das Vollzugsgespräch vom 16. April 2019 in Abwesenheit seines Rechtsanwalts stattgefunden und der Beschwerdeführer den BVD/BE nicht mitgeteilt habe, er sei nach wie vor anwaltlich vertreten, hätten die BVD/BE nicht davon ausgehen können und müssen, der Beschwerdeführer sei betreffend die rechtskräftig angeordnete Halbgefangenschaft weiterhin anwaltlich vertreten. Dies gelte umso mehr, als lediglich noch organisatorische Fragen (Festlegung des Strafantrittsdatums und Erstellung des Vollzugsplans nach Eingang der entsprechenden Unterlagen über die Beschäftigung und die Arbeitszeiten) zu klären gewesen seien, zu deren Beantwortung einzig der Beschwerdeführer habe beitragen können, nicht aber sein Rechtsanwalt (angefochtener Entscheid E. 26.2 S. 7 f.). Dieser sei zudem trotz des Schreibens vom 25. April 2019, wonach der Beschwerdeführer bei den Vorbereitungsabklärungen und der Organisation des Vollzugsplans mitzuabreiten habe, untätig geblieben, er habe keine der geforderten Unterlagen eingereicht und seinen Mandanten auch nicht zu entsprechenden Handlungen angehalten (angefochtener Entscheid E. 26.3 S. 8).
15
2.2.3. In der Sache erwägt die Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe den BVD/BE im Vollzugsgespräch vom 16. April 2019 erklärt, er absolviere gegenwärtig eine Ausbildung zum Buschauffeur und werde ab Juni 2019 bei der B________ AG arbeiten. Dass er diese in Aussicht gestellte - und für die Vollzugsform der Halbgefangenschaft zwingend notwendige - Anstellung nie angetreten habe, habe er den BVD/BE indessen nicht mitgeteilt. Auch habe er sich nicht wie vereinbart am 23. April 2019 bei den BVD/BE gemeldet, um das Strafantrittsdatum zu vereinbaren, und dem Strafantrittsbefehl vom 31. Mai 2019 nicht Folge geleistet. Deshalb und weil der Beschwerdeführer trotz wiederholter Aufforderung mit den BVD/BE hinsichtlich der Vorbereitungsabklärungen und Organisation der Halbgefangenschaft nicht kooperierte habe, sei der Widerruf der Halbgefangenschaft nicht zu beanstanden. Weder sei der Beschwerdeführer seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen noch könne aufgrund seines an den Tag gelegten Verhaltens davon ausgegangen werden, dass er willens sei, künftig mit der Vollzugsbehörde zusammenzuarbeiten sowie deren Bedingungen und Auflagen einzuhalten (angefochtener Entscheid E. 27.2 S. 9). Im Weiteren sei nach wie vor ungewiss, ob der Beschwerdeführer einer geregelten Arbeit nachgehe. Zwar habe er mit Schreiben vom 8. Juli 2019 einen Arbeitsvertrag eingereicht, laut welchem er per 1. September 2019 vollzeitlich als Mitarbeiter in die Firma seines Vaters eintreten werde. Es sei jedoch nicht bekannt, was die Arbeitszeiten seien, ob das Arbeitsverhältnis nach wie vor bestehe und ob der Beschwerdeführer die Stelle überhaupt je angetreten habe. Der Beschwerdeführer sei Maler von Beruf. Er habe im Februar 2017 angegeben, seine Traumstelle als Verantwortlicher für Transport und Immobilien gefunden zu haben und er habe im April 2019 Buschauffeur werden wollen. Weder im Verfahren vor der POM/BE noch im vorliegenden Beschwerdeverfahren habe er Konkretisierungen zu seiner gegenwärtigen Arbeitssituation vorgenommen oder entsprechende Unterlagen (wie z.B. Lohnausweis, Arbeitsplan, Zeugnisse, etc.) eingereicht. Anstatt transparent über seine berufliche Situation Auskunft zu geben, habe er am 8. Juli 2019 ein erneutes Gesuch um elektronische Überwachung gestellt und sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren darauf beschränkt, vorzubringen, er verfüge über eine neue Arbeitsstelle, womit die Voraussetzungen für die Vollzugsform der Halbgefangenschaft weiterhin erfüllt seien. Gestützt auf diese rudimentäre Angabe lasse sich jedoch für die Kammer nicht nachvollziehen, ob und in welchem Umfang der Beschwerdeführer einer Erwerbstätigkeit nachgehe (angefochtener Entscheid E. 27.3 S. 9 f.).
16
 
2.3.
 
2.3.1. Auf Gesuch des Verurteilten hin kann eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als 12 Monaten oder eine nach Anrechnung der Untersuchungshaft verbleibende Reststrafe von nicht mehr als sechs Monaten in der Form der Halbgefangenschaft vollzogen werden, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Verurteilte flieht oder weitere Straftaten begeht und der Verurteilte einer geregelten Arbeit, Ausbildung oder Beschäftigung von mindestens 20 Stunden pro Woche nachgeht (Art. 77b Abs. 1 StGB). Erfüllt der Verurteilte die Bewilligungsvoraussetzungen nicht mehr oder leistet er die Halbgefangenschaft trotz Mahnung nicht entsprechend den von der Vollzugsbehörde festgelegten Bedingungen und Auflagen, so wird die Freiheitsstrafe im Normalvollzug vollzogen (Art. 77b Abs. 4 StGB).
17
Der geltende Art. 77b StGB ist am 1. Januar 2018 in Kraft getreten. Die Bestimmung ist gemäss Art. 388 Abs. 3 StGB auch auf Täter anwendbar, die nach bisherigem Recht verurteilt worden sind.
18
2.3.2. Mit Bundesrecht vereinbar ist es, die Halbgefangenschaft davon abhängig zu machen, dass die verurteilte Person kooperiert und Art und Umfang ihrer Arbeitstätigkeit sowie ihre Arbeitszeiten so gut wie möglich darlegt (Urteile 6B_467/2018 vom 30. Mai 2018 E. 2; 6B_813/2016 vom 25. Januar 2017 E. 2.2.2).
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2.3.3. Das Sachgericht verfügt hinsichtlich der Voraussetzungen für die Vollzugsform der Halbgefangenschaft über ein gewisses Ermessen. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn eine Ermessensfehlerhaftigkeit oder eine sonstige Verletzung von Bundesrecht vorliegt (Urteil 6B_247/2021 vom 8. März 2021 E. 2.1.1 mit Hinweis).
20
2.3.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 146 IV 114 E. 2.1, 88 E. 1.3.1). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 146 IV 114 E. 2.1, 88 E. 1.3.1).
21
 
2.4.
 
2.4.1. Voraussetzung für die Gewährung der Halbgefangenschaft ist, dass der Verurteilte einer geregelten Arbeit, Ausbildung oder Beschäftigung von mindestens 20 Stunden pro Woche nachgeht (Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB).
22
Der Beschwerdeführer ist gemäss dem angefochtenen Entscheid Maler von Beruf. Er gab im Februar 2017 an, seine Traumstelle als Verwantwortlicher für Transport und Immobilien gefunden zu haben, weshalb ihm mit Verfügung vom 30. November 2017 die Vollzugsform der Halbgefangenschaft gewährt wurde. Nach Abschluss der erfolglosen Beschwerdeverfahren des Beschwerdeführers stellte sich anlässlich der Besprechung vom 16. April 2019 heraus, dass der Beschwerdeführer über keine Anstellung mehr verfügte. Indes machte dieser geltend, er absolviere eine Ausbildung als Buschauffeur und habe ab Juni 2019 eine Anstellung bei der B________ AG. Dass er diese Stelle nie antrat, teilte er den BVD/BE nicht mit. Stattdessen brachte er am 8. Juli 2019 im Rahmen eines erneuten Gesuchs um elektronische Überwachung neu vor, er werde ab 1. September 2019 in der Unternehmung seines Vaters als Mitarbeiter der Abteilung Management und Marketing arbeiten. Nicht zu beanstanden ist daher, wenn die Vorinstanz eine geregelte Arbeit von mindestens 20 Stunden pro Woche im Sinne von Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB verneint und dem Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Mitwirkungspflicht vorwirft. Im Zeitpunkt des Widerrufs des Vollzugs in Form der Halbgefangenschaft und des Aufgebots des Beschwerdeführers zum Normalvollzug am 12. Juli 2019 ging dieser vielmehr keiner Arbeitstätigkeit nach, da er die Stelle bei der B________ AG nicht antrat. Da der Beschwerdeführer wiederholt Arbeitstätigkeiten in Aussicht stellte, welchen er nur kurze Zeit nachging bzw. welche er gar nicht erst antrat, kann der Vorinstanz nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie den vom Vater des Beschwerdeführers unterzeichneten Arbeitsvertrag vom 2. Juli 2019 (vgl. Akten BVD/BE act. 159 f.) als Nachweis für eine geregelte Arbeitstätigkeit im Sinne von Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB nicht genügen lässt. Die Vorinstanz hegt zu Recht Zweifel an der Ernsthaftigkeit der neuen Arbeitsbemühungen des Beschwerdeführers im Unternehmen seines Vaters. Ein eigentlicher Stellenbeschrieb oder konkrete Angaben zum Tätigkeitsgebiet des Beschwerdeführers können dem Arbeitsvertrag nicht entnommen werden, ausser dass der Beschwerdeführer die Stelle als Mitarbeiter der Abteilung Management und Marketing antreten soll (vgl. Akten BVD/BE act. 159). Aus dem Schreiben seines Vaters vom 4. Juli 2019 ergibt sich zudem unmissverständlich, dass dieser seinem Sohn nur deshalb eine Anstellung anbot, weil es aus seiner Sicht kontraproduktiv wäre, diesen aus seinen gewohnten Verhältnissen herauszureissen (vgl. Akten BVD/BE act. 160). Nichts zur Klärung der Sachlage tragen schliesslich die Angaben des Beschwerdeführers vor Bundesgericht zu seinen finanziellen Verhältnissen bei. Der Beschwerdeführer erwähnt im Schreiben vom 23. Juni 2020, er werde die Stelle bei seinem "zukünftigen Arbeitgeber" (seinem Vater) per 1. Juli 2020 antreten. Er hätte die Stelle schon früher angefangen, leider sei das Virus dazwischen gekommen (act. 13).
23
2.4.2. Entgegen der Kritik des Beschwerdeführers lässt sich die ungenügende Mitwirkung auch nicht damit begründen, dass die BVD/BE das Schreiben vom 23. bzw. 31. Mai 2019 dem Beschwerdeführer persönlich und nicht seinem Rechtsanwalt zustellten. Der Beschwerdeführer war zwar im vorgängigen Beschwerdeverfahren vor dem Obergericht, nicht jedoch anlässlich der Besprechung vom 16. April 2019 anwaltlich vertreten. Er wurde an dieser Besprechung daher persönlich verpflichtet, sich innert angesetzter Frist mit den BVD/BE bezüglich Strafantritt in Verbindung zu setzen und Unterlagen einzureichen, was er unterliess. Sowohl der Beschwerdeführer persönlich als auch sein Rechtsanwalt (vgl. Schreiben der BVD/BE vom 25. April 2019) hatten Kenntnis von dieser Pflicht. Ebenso wenig informierte der Beschwerdeführer die BVD/BE über seinen Wohnsitzwechsel und darüber, dass er die Stelle bei der B________ AG nicht antrat. Letztlich scheiterte der für Mai bzw. Juni 2019 geplante Strafantritt im Vollzugsregime der Halbgefangenschaft zudem nicht nur an der fehlenden Mitwirkung des Beschwerdeführers, sondern vor allem daran, dass dieser zum damaligen Zeitpunkt keiner Arbeitstätigkeit nachging.
24
3. 
25
3.1. Eventualiter beantragt der Beschwerdeführer, die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Anlass dazu gäben insbesondere die vorinstanzlichen Erwägungen, wonach nicht nachvollziehbar sei, ob und in welchem Umfang er einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Tatsache sei, dass er die persönlichen Voraussetzungen auch in Bezug auf seine Erwerbstätigkeit gegenüber den BVD/BE behauptet und belegt habe. Sofern Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben begründet gewesen wären, hätte man ihm Gelegenheit geben müssen, sich dazu zu äussern. Indem die Vorinstanz ihm diese Gelegenheit nicht eingeräumt habe, habe sie seinen Gehörsanspruch nach Art. 29 Abs. 2 BV verletzt.
26
3.2. Die Kritik ist ebenfalls unbegründet. Der Beschwerdeführer erhielt im kantonalen Verfahren ausreichend Gelegenheit, sein Gesuch um Gewährung der Halbgefangenschaft zu begründen und zu belegen, was ihm nicht gelang, da er zeitweise gar keiner Arbeitstätigkeit nachging. Das zu vollstreckende Strafurteil datiert vom 4. Dezember 2015 und der Beschwerdeführer wurde erstmals mit Verfügung vom 30. November 2017 zum Strafvollzug in der Form der Halbgefangenschaft vorgeladen. Ein zweiter Strafantritt in der Form der Halbgefangenschaft war - nach der rechtskräftigen Abweisung der Beschwerden des Beschwerdeführers gegen den Vollzugsbefehl vom 30. November 2017 - für Mai 2019 geplant. Als die BVD/BE am 12. Juli 2019 die Halbgefangenschaft widerriefen, war der Beschwerdeführer nicht arbeitstätig, da er die per 1. Juni 2019 in Aussicht gestellte Stelle nicht antrat. Unter diesen Umständen war die Vorinstanz nicht verpflichtet, den Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren zur Ergänzung seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufzufordern, um ihm nachträglich den Nachweis für eine geregelte Arbeit im Sinne von Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Verfahrens zu ermöglichen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nicht vor.
27
4. Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, weil die Beschwerde von vornherein aussichtslos war. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
28
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wird mit dem Entscheid in der Sache gegenstandslos.
29
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 21. April 2021
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
 
Die Gerichtsschreiberin: Unseld
 
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