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Informationen zum Dokument  BGer 8C_580/2020  Materielle Begründung
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BGer 8C_580/2020 vom 26.03.2021
 
 
8C_580/2020
 
 
Urteil vom 26. März 2021
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
 
Gerichtsschreiberin Berger Götz.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Wehrlin,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Unfallversicherung (Pflegeleistung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
 
vom 14. August 2020 (200 20 216 UV).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der 1965 geborene A.________ erlitt bei einem Motorradunfall am 5. Oktober 1985 multiple schwere Verletzungen. Seither ist er gelähmt (Tetraplegie) und auf Pflege angewiesen. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) als zuständiger obligatorischer Unfallversicherer erbringt in diesem Zusammenhang die gesetzlichen Leistungen, namentlich eine Invalidenrente, eine Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit schweren Grades und Pflegeleistungen.
1
Mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 informierte die Suva A.________ darüber, dass sie im Zusammenhang mit den Pflegeleistungen gestützt auf den am 1. Januar 2019 in Kraft tretenden Tarifvertrag diejenigen Leistungen, die nicht durch die Hilflosenentschädigung abgegolten seien, künftig direkt der Spitexorganisation vergüte. Am 18. März 2019 erteilte sie für die Behandlung ab 1. März 2019 Kostengutsprache für Untersuchung und Behandlung sowie für Grundpflege im Betrag von Fr. 1352.- bzw. Fr. 381.- monatlich. Nachdem A.________ sich damit nicht einverstanden erklärt hatte, kam die Suva auf die Kostengutsprache zurück und hielt am 3. Mai 2019 verfügungsweise fest, für die Zeit ab 1. März 2019 werde monatlich ein Betrag von Fr. 1875.- unter dem Titel des Art. 18 Abs. 1 UVV und von Fr. 837.- unter dem Titel des Art. 18 Abs. 2 lit. b UVV ausgerichtet. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 10. Februar 2020).
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B. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 14. August 2020 im Sinne der Erwägungen ab.
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C. A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, der kantonale Gerichtsentscheid vom 14. August 2020 und der Einspracheentscheid vom 10. Februar 2020 seien insoweit aufzuheben, als diese darin eine Kostengutsprache an die Spitex für maximal 9.30 Stunden bzw. Fr. 837.- pro Monat für die Grundpflege bestätigt hätten, und die Suva sei zu verpflichten, der Spitex eine Kostengutsprache für die Grundpflege zu erteilen, die - ohne Anrechnung der Hilflosenentschädigung - die Kosten für die Grundpflege vollumfänglich decke; eventualiter sei die Sache an die Suva zurückzuweisen, damit sie den gesamten Grundpflegebedarf (inklusive Pflegebedarf im Zusammenhang mit alltäglichen Lebensverrichtungen) abkläre und neu verfüge.
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Die Suva schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verzichtet auf eine Stellungnahme, desgleichen das kantonale Gericht.
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Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern allfällige rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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1.2. Das vorliegende Beschwerdeverfahren beschlägt Pflegeleistungen im Sinne von Art. 18 UVV und somit Sachleistungen (vgl. Art. 14 ATSG). Die Ausnahmereglung des Art. 105 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 2 BGG kommt daher nicht zum Tragen (Urteile 8C_678/2019 vom 14. September 2020 E. 4.2; 8C_569/2019 vom 28. August 2020 E. 4.1.1; alle zur Publikation vorgesehen; in BGE 146 V 364 nicht publizierte E. 2.2 des Urteils 8C_706/2019 vom 28. August 2020). Vielmehr bleibt das Bundesgericht hier nach Art. 105 Abs. 1 BGG an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG Umkehrschluss; vgl. BGE 135 V 412). Es kann diese Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. Urteil 8C_281/2018 vom 25. Juni 2018 E. 1.2).
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2. Im Streit liegt die Frage, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, indem es den von der Suva festgesetzten Beitrag in der Höhe von Fr. 837.- für Pflegeleistungen nach Art. 18 Abs. 2 lit. b UVV bestätigt hat. Auch wenn im Übrigen die von der Suva gestützt auf Art. 18 Abs. 1 UVV zugesprochenen Leistungen von monatlich Fr. 1875.- weder im vorhergehenden Verfahren noch vor Bundesgericht umstritten waren bzw. sind, ist diesbezüglich keine Teilrechtskraft eingetreten, wie im angefochtenen Gerichtsentscheid zutreffend angemerkt wird (vgl. aber in diesem Zusammenhang für das letztinstanzliche Verfahren: E. 1.1 in fine hiervor).
8
 
3.
 
3.1. Im angefochtenen Entscheid wird darauf geschlossen, dass die unfallversicherungsrechtlichen Bestimmungen in der bis Ende 2016 in Kraft stehenden Fassung auf den vorliegenden Fall Anwendung finden würden. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die Rechtslage, wie sie seit 1. Januar 2017 gilt, namentlich die auf diesen Zeitpunkt in Kraft getretene Verordnungsbestimmung von Art. 18 UVV massgebend sei. Die Suva macht vor Bundesgericht geltend, sie gehe zwar mit dem Beschwerdeführer von der Anwendbarkeit des Art. 18 UVV in der seit 1. Januar 2017 geltenden Fassung aus. Da sie diese Bestimmung allerdings bereits dem Einspracheentscheid vom 10. Februar 2020 zugrunde gelegt habe, möge dieser letztinstanzlich erhobene Einwand betreffend des anwendbaren Rechts nichts an der Rechtmässigkeit der zugesprochenen Pflegeleistungen zu ändern.
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3.2. Das Bundesgericht hat in seinem kurz nach dem vorliegend angefochtenen Gerichtsentscheid ergangenen Urteil 8C_706/2019 vom 28. August 2020 festgehalten, dass es sich rechtfertigt, Art. 18 UVV in der seit 1. Januar 2017 geltenden Fassung ex nunc et pro futuro auch auf Unfälle anzuwenden, welche sich vor der Rechtsänderung ereignet haben. Denn Verfügungen über Dauerleistungen sind grundsätzlich an Änderungen der Rechtslage anzupassen, die Übergangsbestimmungen in der Verordnung stehen der Anwendung der neuen Bestimmung von Art. 18 UVV auf Unfälle vor dem 1. Januar 2017 nicht entgegen und durch die Rechtsänderung sollte eine unbefriedigende Rechtslage beseitigt werden. Mithin können gestützt auf einen rechtskräftigen Entscheid zugesprochene Leistungen im Lichte der Verordnungsnovelle ebenfalls überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Eine solche Anpassung ist auch unter dem Gesichtspunkt der (unechten) Rückwirkung zulässig (Urteil 8C_706/2019 vom 28. August 2020 E. 9.5, zur Publikation vorgesehen).
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Es ist dem Beschwerdeführer demzufolge beizupflichten, dass auch auf die vorliegende Streitigkeit das neue Recht zur Anwendung gelangt. Dennoch erübrigt sich eine Rückweisung an die Vorinstanz zur Beurteilung der Angelegenheit nach der Rechtslage, wie sie seit dem 1. Januar 2017 gilt, nachdem die einzelnen Kostenpunkte des Pflegebedarfs nicht zur Diskussion stehen und weitere Abklärungen zur Festsetzung des Beitrags an die Hilfe und Pflege zu Hause nicht notwendig sind, wie sich nachfolgend zeigt.
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4. Vor Bundesgericht vertritt der Beschwerdeführer den Standpunkt, die Unfallversicherung habe gestützt auf Art. 18 Abs. 2 lit. b UVV für die gesamte Grundpflege aufzukommen und die Ausrichtung einer Hilflosenentschädigung entbinde sie nicht davon, auch die Pflegeleistungen zu vergüten, die im Zusammenhang mit alltäglichen Lebensverrichtungen stehen würden.
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4.1. Gemäss Art. 18 UVV in der ab 1. Januar 2017 geltenden Fassung hat die versicherte Person Anspruch auf ärztlich angeordnete medizinische Pflege zu Hause, sofern diese durch eine nach den Art. 49 und 51 KVV zugelassene Person oder Organisation durchgeführt wird (Abs. 1). Der Versicherer leistet zudem einen Beitrag an ärztlich angeordnete medizinische Pflege zu Hause durch eine nicht zugelassene Person, sofern diese Pflege fachgerecht ausgeführt wird (Abs. 2 lit. a), ferner auch an nichtmedizinische Hilfe zu Hause, soweit diese nicht durch die Hilflosenentschädigung nach Art. 26 UVG abgegolten ist (Abs. 2 lit. b).
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4.2.
 
4.2.1. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, das Unfallversicherungsgesetz sehe im Gegensatz zum KVG keine Kostenbeteiligung der versicherten Person an den Pflegekosten vor. Gemäss Art. 10 Abs. 3 UVG könne der Bundesrat einzig die Voraussetzungen festlegen, unter denen der Versicherte Anspruch auf Hilfe und Pflege zu Hause habe. Anders als früher habe er aber keine Kompetenz mehr, den Umfang der dem Versicherten zustehenden Leistungen zu bestimmen bzw. zu begrenzen.
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4.2.2. Es trifft zwar zu, dass seit 1. Januar 2017 gemäss Art. 18 Abs. 2 lit. b UVV neu auch eine Leistungspflicht der Unfallversicherung für die Kosten der nichtmedizinischen Hilfe zu Hause besteht, soweit diese nicht durch die Hilflosenentschädigung nach Art. 26 UVG abgegolten ist (vgl. Urteile 8C_569/2019 vom 28. August 2020 E. 5.2, zur Publikation vorgesehen; 9C_200/2018 vom 17. Dezember 2018 E. 3.3.2; KASPAR GEHRING, in: KVG/UVG Kommentar, 2018, Rz. 20 zu Art. 10 UVG). Soweit der Beschwerdeführer jedoch davon ausgeht, dass damit nicht nur im Rahmen von Art. 18 Abs. 1 UVV, sondern auch nach Art. 18 Abs. 2 lit. b UVV eine Vollkostendeckung der Unfallversicherung verbunden sei, ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht mit Urteil 8C_678/2019 vom 14. September 2020 (zur Publikation vorgesehen) entschieden hat, dass lediglich Leistungen gemäss Art. 18 Abs. 1 UVV ohne Kostenbeitrag der versicherten Person zu entschädigen sind. Für die medizinische Pflege und Hilfe zu Hause nach Art. 18 Abs. 2 UVV hat der Unfallversicherer demgegenüber lediglich einen Beitrag zu leisten, was - entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers - auch im Einklang mit den staatsvertraglichen Vorgaben steht (vgl. Urteile 8C_591/2020 vom 3. Februar 2021 E. 3.2 mit Hinweis; 8C_678/2019 vom 14. September 2020 E. 7.5 f.). Es erübrigt sich unter diesen Umständen, auf die Überlegungen des Beschwerdeführers zu einer allfälligen Kürzung des Beitrags an Pflege zu Hause gestützt auf Art. 18 Abs. 2 UVV wegen Überentschädigung einzugehen.
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5. Zusammenfassend hat es beim unter dem Titel von Art. 18 Abs. 2 lit. b UVV von der Suva für die Zeit ab 1. März 2019 zugesprochenen und von der Vorinstanz bestätigten monatlichen Beitrag von Fr. 837.- für Hilfe und Pflege zu Hause sein Bewenden. Die Beschwerde ist abzuweisen.
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6. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten sind vom unterliegenden Beschwerdeführer zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 26. März 2021
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz
 
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