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Informationen zum Dokument  BGer 9C_52/2021  Materielle Begründung
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BGer 9C_52/2021 vom 15.03.2021
 
 
9C_52/2021
 
 
Urteil vom 15. März 2021
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Parrino, Präsident,
 
Bundesrichter Stadelmann,
 
Bundesrichterin Moser-Szeless,
 
Gerichtsschreiber Nabold.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Michele Santucci,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Aargau,
 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
 
vom 27. November 2020 (VBE.2020.391).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der 1986 geborene A.________ ist gelernter Geometer/Bauzeichner mit italienischem Diplom. Nach seiner Einreise in die Schweiz war er zuletzt als Raumpfleger erwerbstätig gewesen, als er sich am 10. September 2017 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug anmeldete. Die IV-Stelle des Kantons Aargau tätigte erwerbliche und medizinische Abklärungen, insbesondere holte sie bei der Academy of Swiss Insurance Medicine (asim), Basel, ein polydisziplinäres Gutachten (Allgemeine lnnere Medizin, Neuropsychologie, Neurologie, Psychiatrie) ein. Nach Vorliegen dieser Expertise vom 10. Oktober 2019 lehnte die IV-Stelle mit Verfügung vom 15. Januar 2020 einen Rentenanspruch des Versicherten ab.
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B. Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 27. November 2020 ab.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, ihm sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides ab 1. Mai 2018 eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zuzusprechen, eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die IV-Stelle zurückzuweisen.
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Erwägungen:
 
1. 
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1.1. Das Bundesgericht prüft das Bundesrecht von Amtes wegen (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 143 V 19 E. 2.3 S. 23 f.) und mit uneingeschränkter (voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 141 V 234 E. 2 S. 236). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).
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Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit Hinweisen).
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2. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, als sie die rentenablehnende Verfügung der IV-Stelle bestätigte.
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3.
 
3.1. Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.
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3.2. Zur Bestimmung des Invaliditätsgrades wird gemäss Art. 16 ATSG das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der unfallbedingten Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (sog. Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (sog. Valideneinkommen).
10
 
4.
 
4.1. Es steht fest und ist letztinstanzlich unbestritten geblieben, dass der Beschwerdeführer seit Mai 2017 bis einschliesslich Dezember 2017 in jeglicher Tätigkeit zu 100 % arbeitsunfähig war. Die bisherige Arbeitstätigkeit in der Reinigung ist dem Beschwerdeführer angesichts des körperlichen Belastungsprofils auch in der Folge nicht mehr zumutbar. Ab Januar 2018 ist in einer angepassten Tätigkeit von einer 60%igen Leistungsfähigkeit bezogen auf ein Vollzeitpensum bei einer wohl nötigen leicht höheren Präsenz von etwa 80 % auszugehen. Ebenfalls ist unbestritten, dass der Versicherte damit in der Lage ist, ein Invalideneinkommen von Fr. 40'660.- (für das Jahr 2018) zu erzielen.
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4.2. Streitig ist demgegenüber das Valideneinkommen des Versicherten, mithin welches Einkommen er ohne den Gesundheitsschaden im Jahre 2018 überwiegend wahrscheinlich erzielt hätte. Das kantonale Gericht erwog hiezu, der Beschwerdeführer sei zuletzt als Reinigungsmitarbeiter erwerbstätig gewesen und es fehlten jegliche Hinweise auf eine geplante berufliche Weiterentwicklung, so dass das Valideneinkommen ausgehend vom branchenspezifischen Tabellenlohn zu ermitteln sei. Der Versicherte macht seinerseits geltend, aufgrund seines in der Schweiz anerkannten italienischen Diploms als Geometer/Bauzeichner erscheine die Annahme, er hätte sich als Gesunder auch mittel- und langfristig mit einer Hilfsarbeiterstellung in der Reinigungsbranche zufrieden gegeben, als offensichtlich unrichtig.
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4.3. Die Frage, welche berufliche Tätigkeit die versicherte Person ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausüben würde, ist als Beurteilung hypothetischer Geschehensabläufe eine vom Bundesgericht lediglich unter eingeschränktem Blickwinkel überprüfbare Tatfrage (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG), soweit sie auf Beweiswürdigung beruht, selbst wenn darin auch Schlussfolgerungen aus der allgemeinen Lebenserfahrung berücksichtigt werden (BGE 139 V 28 E. 3.3.2 S. 30; Urteil 9C_868/2019 vom 22. August 2019 E. 3.2). Die diesbezüglichen Feststellungen des kantonalen Gerichts sind daher, auch wenn es sich um eine auf Indizien gestützte Sachverhaltsfeststellung handelt, für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (vgl. auch Urteil 8C_402/2020 vom 11. September 2020 E. 4.3), ausser sie seien offensichtlich unrichtig oder beruhten auf einer Rechtsverletzung nach Art. 95 BGG (vgl. E. 1.2).
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4.4. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers beruht die Feststellung der Vorinstanz, er wäre ohne Gesundheitsschaden weiterhin in der Reinigungsbranche erwerbstätig gewesen, nicht auf einer bundesrechtswidrigen Beweiswürdigung, stimmt sie doch mit seinen Angaben gegenüber den Gutachtern der asim überein. Zwar kann seine - vom kantonalen Gericht angeführte - im neuropsychologischen Teilgutachten wiedergegebene Aussage in der Tat so interpretiert werden, dass sie nur im Krankheitsfall gilt; aufschlussreicher sind denn auch seine Antworten gegenüber der psychiatrischen Teilgutachterin. Auf die Frage der Psychiaterin, ob er sich in der Schweiz auf Stellen als Bauzeichner beworben habe, antwortete er, er habe nicht einmal daran gedacht. Er habe in den Praktika in Italien kaum etwas gelernt und nicht das Gefühl gehabt, eine verwertbare Berufserfahrung zu haben. Auf die Nachfrage hin, ob es nicht eine Enttäuschung gewesen sei, nicht auf dem gelernten Beruf arbeiten zu können, antwortete er, in Italien wisse man, dass ein Berufseinstieg auch mit einer Ausbildung schwierig sei. Diese Antworten bestätigen die vorinstanzliche Feststellung, wonach der Versicherte auch als Gesunder keine Ambitionen gehabt hätte, in der Schweiz in dem in Italien gelernten Beruf Fuss zu fassen.
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4.5. Durfte die Vorinstanz somit willkürfrei davon ausgehen, der Beschwerdeführer wäre ohne Gesundheitsschaden weiterhin in der Reinigungsbranche tätig geblieben, so ist weder das von ihr ausgehend vom branchenüblichen Tabellenlohn auf Fr. 57'970.- festgesetzte Valideneinkommen, noch der gestützt darauf ermittelte - rentenausschliessende - Invaliditätsgrad von 37 % zu beanstanden. Die Beschwerde des Versicherten ist damit abzuweisen.
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5. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
16
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, 1. Kammer, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 15. März 2021
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Parrino
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold
 
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