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Informationen zum Dokument  BGer 1C_534/2020  Materielle Begründung
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BGer 1C_534/2020 vom 09.03.2021
 
 
1C_534/2020
 
 
Urteil vom 9. März 2021
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
 
Bundesrichterin Jametti,
 
Bundesrichter Haag,
 
Gerichtsschreiberin Hänni.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________ AG,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch WIPA Treuhand AG,
 
gegen
 
Gemeinderat Bad Zurzach, 5330 Bad Zurzach,
 
Regierungsrat des Kantons Aargau, Rechtsdienst, Regierungsgebäude, 5001 Aarau.
 
Gegenstand
 
Beschwerdeverfahren betreffend Baubewilligung; Parteikosten,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 3. Kammer, vom 25. August 2020 (WBE.2020.149 / MW / jb).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die A.________ AG stellte bei der Gemeinde Bad Zurzach am 5. November 2018 ein Baugesuch für die Erneuerung und den Umbau einer Liegenschaft, die sich in der Nähe eines kantonalen Denkmalschutzobjekts befindet. Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens holte das zuständige kantonale Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) die Zustimmung der kantonalen Denkmalpflege ein. Am 15. Januar 2020 stimmte es dem Projekt zu und erhob mit separater Verfügung vom gleichen Tag eine Gebühr von Fr. 4'215.--. Am 18. Februar 2020 erteilte der Gemeinderat der A.________ AG die nachgesuchte Baubewilligung.
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B. Gegen die Gebührenverfügung erhob die A.________ AG beim Regierungsrat des Kantons Aargau Verwaltungsbeschwerde. Sie liess sich dabei von der WIPA Treuhand AG (nachfolgend: WIPA) vertreten. Während des hängigen Beschwerdeverfahrens zog das BVU seine Gebührenverfügung in Wiedererwägung und entschied, dass keine Gebühr geschuldet sei. In der Folge schrieb der Regierungsrat das Beschwerdeverfahren ab; der A.________ AG sprach er keine Parteientschädigung zu.
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Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau wies mit Urteil vom 25. August 2020 eine Beschwerde der A.________ AG gegen diesen Entscheid ab.
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C. Die A.________ AG erhebt am 25. September 2020 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt, ihr sei für das regierungsrätliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'326.30 zuzusprechen und die Sache sei zur Neuregelung der Kosten und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Verwaltungsgericht beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei; der Regierungsrat beantragt deren Abweisung.
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Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid des Verwaltungsgerichts im Bereich des kantonalen Verfahrensrechts steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen. Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als Baugesuchstellerin und unterlegene Partei im vorinstanzlichen Verfahren zur Beschwerde befugt (Art. 89 Abs. 1 BGG). Da auch die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.
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1.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid verletze Bundesrecht, Völkerrecht oder kantonale verfassungsmässige Rechte (Art. 95 lit. a, b und c BGG). Die Verletzung des übrigen kantonalen Rechts kann abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen gemäss Art. 95 lit. c und d BGG vor Bundesgericht nicht gerügt werden. Zulässig ist jedoch die Rüge, die Anwendung dieses Rechts führe zu einer Verletzung von Bundesrecht, namentlich des verfassungsmässigen Willkürverbots (BGE 141 I 36 S. 41 E. 1.3). Dabei gelten qualifizierte Begründungsanforderungen (BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen).
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2. Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass ihr für das Beschwerdeverfahren vor dem Regierungsrat keine Parteientschädigung zugesprochen wurde. Sie sei dort durch die WIPA vertreten worden. Die rechtliche Verbeiständung durch Treuhandgesellschaften sei in verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten nichts Aussergewöhnliches, und das Anwaltsmonopol gelte in diesem Bereich nicht. Die Staatskanzlei (als instruierende Behörde des Regierungsrats) habe die WIPA als Rechtsvertreterin akzeptiert und direkt mit ihr korrespondiert. Sie habe deshalb darauf vertrauen dürfen, dass diese Vertretung in Ordnung sei. Art. 29 des kantonalen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 4. Dezember 2007 (VRPG/AG; SAR 271.200) ändere daran nichts. Indem der Regierungsrat die Treuhandgesellschaft als formelle Rechtsvertreterin akzeptiert habe, gelte diese als "weitere vor Verwaltungsjustizbehörden zugelassene Vertretung" im Sinne von Art. 29 VRPG/AG.
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Die Beschwerdeführerin hält es sodann für willkürlich und nicht mit dem Gleichbehandlungsprinzip von Art. 8 BV vereinbar, nur anwaltlich verbeiständeten Parteien eine Parteientschädigung zuzusprechen.
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3.
 
3.1. In § 29 VRPG/AG wird der Begriff der Kosten definiert. Demnach bestehen diese aus Verfahrenskosten (Gebühren und Auslagen) und notwendigen Parteikosten (Kosten der Vertretung oder Verbeiständung durch Anwältinnen und Anwälte oder weitere vor Verwaltungsjustizbehörden zugelassene Vertretungen). Gemäss § 32 Abs. 2 VRPG/AG werden im Beschwerdeverfahren die Parteikosten in der Regel nach Massgabe des Unterliegens und Obsiegens auf die Parteien verlegt. Wer dafür sorgt, dass das Verfahren gegenstandslos wird, gilt als unterliegende Partei (§ 32 Abs. 3 VRPG/AG).
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3.2. Das BVU hat seine Gebührenverfügung im Beschwerdeverfahren vor dem Regierungsrat in Wiedererwägung gezogen und in der Folge auf eine Gebühr verzichtet. Die Beschwerdeführerin kann in diesem Verfahren demnach als obsiegend gelten. Folglich hat sie gestützt auf § 32 Abs. 2 VRPG/AG Anspruch auf Ersatz von Parteikosten, sofern ihr solche entstanden sind. Soweit scheint zwischen der Beschwerdeführerin und der Vorinstanz Einigkeit zu bestehen. Strittig ist einzig, wie der Begriff der "weitere[n] vor Verwaltungsjustizbehörden zugelassene Vertretungen" zu verstehen ist bzw. ob die Treuhandgesellschaft WIPA darunter fällt.
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3.3. Soweit die Beschwerdeführerin einen Verstoss gegen das kantonale Verwaltungsrechtspflegegesetz geltend macht, steht ihr nur die Willkürrüge offen (oben E. 1.2). Gemäss der ständigen Praxis des Bundesgerichts ist ein Entscheid willkürlich, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Wenn eine andere als die von der letztinstanzlich urteilenden kantonalen Behörde getroffene Lösung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, begründet dies noch keine Willkür (BGE 144 I 170 E. 7.3 S. 174 f. mit Hinweisen).
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3.4. Wie die Vorinstanz aufgrund der Entstehungsgeschichte von § 29 VRPG/AG dargelegt hat, sollen im Kanton Aargau Sachverständige ohne Anwaltspatent im Beschwerdefahren grundsätzlich nicht entschädigt werden. Diese Erwägungen lassen keine Willkür erkennen:
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Das Verwaltungsgericht hat aufgezeigt, dass die Vernehmlassungsvorlage ursprünglich auch die Kosten der Vertretung durch "weitere Sachverständige" unter den Begriff der Parteikosten subsumieren wollte, was eine Ausweitung gegenüber der vorherigen Praxis bedeutet hätte. Im Vernehmlassungsverfahren wurde dies kritisiert. In der Folge hat der Regierungsrat die Vorlage angepasst und die Ansprüche auf Parteientschädigung eingeschränkt. Gemäss Botschaft müssten Sachverständige (ohne Anwaltspatent) nach der neuen Fassung "nicht mehr entschädigt werden, ausser sie seien vor Verwaltungsjustizbehörden explizit als Vertretung zugelassen (Bsp. § 176 Steuergesetz) ". Daraus folgerte die Vorinstanz, Treuhandgesellschaften gehörten entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zu den "weiteren vor Verwaltungsjustizbehörden zugelassenen Vertretungen": Anders als in Steuerangelegenheiten seien diese - sofern sie nicht durch Personen mit Anwaltspatent handelten - in Bausachen nicht zur Vertretung zugelassen.
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Die Beschwerdeführerin setzt sich mit diesen entstehungsgeschichtlichen Überlegungen der Vorinstanz nicht auseinander. Sie nennt namentlich keine Auslegungselemente, welche zu einem anderen Verständnis von § 29 VRPG/AG führen müssten und beruft sich auch nicht auf entgegenstehende Rechtsprechung oder Lehrmeinungen. Das Verwaltungsgericht durfte diese Regelung somit ohne Willkür so verstehen, dass namentlich bei Vertretung durch eine Treuhandgesellschaft kein Anspruch auf Parteientschädigung besteht.
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3.5. Wie das Bundesgericht vor einigen Jahren bereits entschieden hat, verstösst die Regelung von § 29 VRPG/AG weder gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV) noch gegen die Rechtsgleichheit (Art. 8 BV). Das Auseinanderklaffen von Vertretungsbefugnis einerseits und Anspruch auf Entschädigung anderseits vermag demnach zwar nicht in jeder Hinsicht zu befriedigen. Es bestehen indes sachliche Gründe, die Vertretungsbefugnis nicht vollkommen parallel dazu auszugestalten, weil den Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen aufgrund ihrer Berufsausübungsbewilligung und der staatlichen Aufsicht über sie durch das kantonale Verfahrensrecht eine besondere Stellung eingeräumt wird (Urteil 1C_592/2012 vom 7. März 2013, publiziert in RDAF 2015 I 329 sowie in ZBl 115/2014 S. 564 mit kritischer Kommentierung von CHRISTOPH AUER, der darauf hinweist, die besondere Stellung der Anwaltschaft vermöge zwar eine höhere Parteientschädigung für diese zu rechtfertigten, nicht aber die gänzliche Verweigerung einer Entschädigung für nicht anwaltliche Vertretungen; vgl. auch Urteil 2C_802/2013 vom 28. April 2014 E. 4). Was die Beschwerdeführerin vorbringt, gibt keinen Anlass, die Frage einer neuen Prüfung zu unterziehen; es kann darauf verwiesen werden.
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3.6. Ein Verstoss gegen das Vertrauensprinzip ist ebenfalls zu verneinen. Das Aargauer Verwaltungsprozessrecht unterscheidet, wie erwähnt, zwischen der Befugnis, eine Partei in einem Rechtsmittelverfahren zu vertreten, und dem Anspruch, sich die Aufwendungen der Rechtsvertretung mittels Parteientschädigung ersetzen zu lassen. Die WIPA war unstreitig befugt, die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Regierungsrat zu vertreten und für diese gültig Rechtshandlungen vorzunehmen. Angesichts der Regelung der Parteientschädigung im Kanton Aargau kann diese aus dem Umstand, dass die Staatskanzlei als instruierende Behörde die Treuhandgesellschaft als Rechtsvertreterin "akzeptiert" hat, nichts Weitergehendes ableiten.
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4. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet. Sie ist abzuweisen.
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Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zu sprechen (Art. 68 Abs. 2 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Gemeinderat Bad Zurzach, dem Regierungsrat des Kantons Aargau, Rechtsdienst, und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 9. März 2021
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Kneubühler
 
Die Gerichtsschreiberin: Hänni
 
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