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Informationen zum Dokument  BGer 9C_536/2020  Materielle Begründung
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BGer 9C_536/2020 vom 15.02.2021
 
 
9C_536/2020
 
 
Urteil vom 15. Februar 2021
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Parrino, Präsident,
 
Bundesrichter Stadelmann, Bundesrichterin Glanzmann,
 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Simon Schneider,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle Bern,
 
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung
 
(Invalidenrente; Arbeitsunfähigkeit),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 3. Juli 2020   (200 19 925 IV).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. Der 1966 geborene A.________ meldete sich im Mai 2013 unter Hinweis auf die Folgen einer mittelschweren bis schweren reaktiven Depression erstmals bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen medizinischer und beruflich-erwerblicher Art, insbesondere dem Beizug einer Expertise des Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 28. Dezember 2013, verneinte die IV-Stelle Bern einen rentenbegründenden Invaliditätsgrad (Verfügung vom 24. Juli 2014). Das daraufhin angerufene Verwaltungsgericht des Kantons Bern beschied die Beschwerde mit Entscheid vom 9. Februar 2015 abschlägig. Dieser erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
1
A.b. Am 7. Februar 2018 gelangte A.________ erneut an die IV-Stelle und ersuchte um Zusprechung von Rentenleistungen. Die Verwaltung veranlasste daraufhin u.a. ein Gutachten bei Dr. med. C.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, welches am 28. April 2019 erstellt wurde. Im Nachgang stellte sie vorbescheidweise die Ablehnung des Rentenbegehrens mangels wesentlicher Änderung des Gesundheitszustands seit dem letzten abschlägigen Bescheid in Aussicht, wogegen A.________ Einwendungen erheben liess. Am 6. November 2019 verfügte die IV-Stelle in angekündigtem Sinne.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, nachdem die IV-Stelle eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme des Dr. med. C.________ von Februar 2020 zu den Akten gereicht hatte (eingegangen bei der IV-Stelle am 11. Februar 2020 [nachfolgend: vom 11. Februar 2020]), mit Entscheid vom 3. Juli 2020 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids sowie der Verfügung der IV-Stelle vom 6. November 2019 seien ihm die gesetzlichen Leistungen, mindestens aber eine Dreiviertelsrente ab 1. August 2018 zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur Berechnung des Invaliditätsgrads gestützt auf eine Arbeitsfähigkeit von 50 % in angepasster Tätigkeit und zu neuer Verfügung bezüglich des Rentenanspruchs an die IV-Stelle, subeventualiter zur Einholung eines Gutachtens zur Arbeitsfähigkeit und zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägungen:
 
1. 
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1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Indes prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (vgl. Art. 42 Abs. 1 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236).
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2. 
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2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob Bundesrecht verletzt wurde, indem die Vorinstanz - in Bestätigung der Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 6. November 2019 - eine rentenbegründende Invalidität des Beschwerdeführers auch weiterhin verneint.
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2.2. Im angefochtenen Entscheid wurden die massgeblichen rechtlichen Grundlagen zutreffend dargelegt. Es betrifft dies namentlich die Erwägungen zur Prüfung einer Neuanmeldung (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV) und die dazu ergangene Rechtsprechung, wonach - bei Glaubhaftmachung einer (hier interessierenden) Änderung des Invaliditätsgrads in anspruchserheblicher Weise - analog wie bei einem Revisionsfall nach Art. 17 Abs. 1 ATSG vorzugehen ist (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 10 f.; 134 V 131 E. 3 S. 132 f.). Ebenfalls verwiesen werden kann auf die Ausführungen zur Beurteilung der verbliebenen Arbeitsfähigkeit im Rahmen eines strukturierten Beweisverfahrens anhand der sogenannten Standardindikatoren bei psychischen Erkrankungen (BGE 143 V 409, 418; 141 V 281), zur Aufgabe des Arztes oder der Ärztin bei der Invaliditätsbemessung (BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 195 f.; 132 V 93 E. 4 S. 99) sowie zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 143 V 124 E. 2.2.2 S. 126; 134 V 231 E. 5.1 S. 2.3.2; 125 V 351 E. 3a   S. 352).
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3. Unbestrittenermassen bilden Vergleichszeitpunkte für die Überprüfung, ob eine relevante Veränderung des Gesundheitszustands des Versicherten eingetreten ist, die rentenablehnende Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 24. Juli 2014, bestätigt durch den in Rechtskraft erwachsenen Entscheid der Vorinstanz vom 9. Februar 2015, und die Verfügung vom 6. November 2019. Beiden lagen umfassende medizinische und beruflich-erwerbliche Erhebungen, namentlich das Gutachten des Dr. med. B.________ vom 28. Dezember 2013 sowie die Expertise des Dr. med. C.________ vom 28. April 2019 samt ergänzender Stellungnahme vom 11. Februar 2020 zugrunde. Offen gelassen hat die Vorinstanz mit dem Hinweis, dass ohnehin kein Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung gegeben sei, die Frage, ob sich die Verhältnisse überhaupt revisonsrechtlich erheblich verändert haben.
11
4. 
12
4.1. Im erstinanzlichen Entscheid wurde zunächst erkannt, dass dem Gutachten des Dr. med. C.________ vom 28. April 2019 samt Ergänzung vom 11. Februar 2020 grundsätzlich Beweiswert zukomme. Die Standardindikatoren, auf Grund derer die Arbeitsfähigkeit bei psychischen Erkrankungen im Regelfall zu beurteilen seien (vgl. E. 2.2 hiervor), führten jedoch zum Schluss, dass die darin gestellte Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, sowie von akzentuierten Persönlichkeitszügen mit passiv-aggressiver, klagsamer, narzisstischer und emotional-instabiler Komponente im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht als invalidisierend angesehen werden könne. Entgegen der Einschätzung des Dr. med. C.________, laut welcher ab April 2017 lediglich eine 50 %ige Arbeitsfähigkeit für leidensangepasste Tätigkeiten bestehe, seien Funktionseinbussen in rechtlich erheblichem Sinne zu verneinen.
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4.2. Der Beschwerdeführer wirft dem kantonalen Gericht eine unzulässige juristische Parallelüberprüfung der medizinisch festgestellten Arbeitsunfähigkeit vor.
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Er übersieht dabei in grundsätzlicher Hinsicht, dass nach der Rechtsprechung bei psychischen Leiden unabhängig von der diagnostischen Einordnung stets auf objektivierter Beurteilungsgrundlage zu prüfen ist, ob eine rechtlich relevante Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit nachzuweisen ist (BGE 143 V 409 E. 4.5.2 S. 416). Da es nicht in erster Linie auf die Diagnose, sondern auf den Schweregrad der psychischen Symptomatik sowie die damit verbundenen Funktionseinschränkungen ankommt, kann der Vorinstanz nicht bereits auf Grund des Umstands, dass sie nicht ohne Weiteres auf die Folgenabschätzung durch Dr. med. C.________ abgestellt hat, Überschreitung ihrer fachlichen Zuständigkeit vorgeworfen werden. Bei der Frage der funktionellen Auswirkungen einer Störung haben sich vielmehr sowohl die medizinischen Sachverständigen als auch die Organe der Rechtsanwendung bei ihrer Einschätzung des Leistungsvermögens an den normativen Vorgaben zu orientieren. Nach BGE 141 V 281 kann der Beweis für eine lang andauernde und erhebliche gesundheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nur dann als geleistet betrachtet werden, wenn die Prüfung der massgeblichen Beweisthemen im Rahmen einer umfassenden Betrachtung ein stimmiges Gesamtbild einer Einschränkung in allen Lebensbereichen (Konsistenz) für die Bejahung einer Arbeitsunfähigkeit zeigt. Fehlt es daran, ist der Beweis nicht geleistet und nicht zu erbringen, was sich nach den Regeln über die (materielle) Beweislast zuungunsten der rentenansprechenden Person auswirkt (zum Ganzen vgl. BGE 145 V 361 E. 3.2.2 S. 364 und E. 4.3 S. 367 ff.; 144 V 50   E. 4.3 S. 53 f. mit Hinweis auf BGE 143 V 418 E. 6 S. 427; ferner bereits BGE 141 V 281 E. 5.2.2, 6 und 7 S. 307 ff. sowie 143 V 409 E. 4.5.2 S. 416 f., je mit Hinweisen).
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4.2.1. Das Bundesgericht hat den angefochtenen Entscheid nur dahingehend zu prüfen, ob die von der Rechtsprechung definierten Grundsätze umgesetzt und anlässlich der Beweiswürdigung eine nicht offensichtlich unrichtige, unvollständige oder bundesrechtswidrige Sachverhaltsfeststellung vorgenommen wurde.
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In dieser Hinsicht gibt der kantonale Entscheid zu keinen Beanstandungen Anlass. Darin wurden anhand der medizinischen Indikatorenprüfung schlüssig die massgeblichen Beweisthemen im Rahmen einer allseitigen Betrachtung eines stimmigen Gesamtbildes abgehandelt und es wurde geschlossen, dass aus juristischer Sicht der medizinisch attestierten Arbeitsunfähigkeit nicht gefolgt werden kann (BGE 141 V 281 E. 5.2 S. 306 f. und 140 V 193). Demnach stellt es keine Rechtsverletzung dar, wenn die Vorinstanz der vom Gutachter attestierten 50 %igen Arbeitsunfähigkeit in einem beruflich adaptierten Umfeld die rechtliche Relevanz abgesprochen und festgestellt hat, es liege kein invalidisierender Gesundheitsschaden vor (siehe dazu BGE 144 V 50 E. 6.1 S. 57 f.). So wurde etwa bezüglich der Kategorie "Konsistenz" zwar ein gewisser behandlungs- und eingliederungsanamnestisch ausgewiesener Leidensdruck bejaht. Demgegenüber seien jedoch, so das kantonale Gericht weiter, mit Blick auf die in dieselbe Kategorie gehörende gleichmässige Einschränkung des Aktivitätenniveaus in allen vergleichbaren Lebensbereichen Unstimmigkeiten zu dem von Dr. med. C.________ bescheinigten Leistungsunvermögen erkennbar. Ferner hätte auch die Prüfung der der Kategorie "funktioneller Schweregrad" zuzuordnenden Komplexe "Persönlichkeit" und "Sozialer Kontext" durchaus mobilisierende Ressourcen aufgezeigt, welche nicht auf eine verminderte Arbeitsfähigkeit aus psychischen Gründen schliessen liessen. Vor dem Hintergrund der gutachtlich diagnostizierten nurmehr mittelgradigen depressiven Symptomatik könne sodann in Beug auf den Komplex "Gesundheitsschädigung" auch nicht von sonderlich ausgeprägten diagnoserelevanten Befunden ausgegangen werden respektive sei in Anbetracht der zwischenzeitlich eingetretenen leichten Verbesserung des Gesundheitszustands eine Behandlungsresistenz zu verneinen. Was schliesslich die Indikatoren des Eingliederungswillens bzw. -erfolgs und der Komorbiditäten anbelange, verhalte sich der Versicherte gemäss Ausführungen des Dr. med. C.________ hinsichtlich Ersterem nur mässig kooperativ und gäbe es für Letzteres keine Anhaltspunkte.
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4.2.2. Es ist nicht einsichtig, inwiefern die betreffenden vorinstanzlichen Feststellungen offensichtlich unrichtig sein sollten. Der Versicherte vermag nicht darzutun, worin die aktenwidrige oder sonst wie rechtsfehlerhafte Würdigung der Indikatoren durch das kantonale Gericht bestehen sollte. Namentlich sind jedenfalls für den entscheidwesentlichen Zeitpunkt des Verfügungserlasses (vom 6. November 2019) weder die von ihm hervorgehobene schwere Ausprägung seiner psychischen Störung noch der behauptete negative Verlauf der Therapiebemühungen ärztlicherseits dokumentiert. Ebenso fehlen Hinweise, welche darauf hindeuteten, dass an der Feststellung des Gutachters, es bestehe ein relativ hohes Aktivitätenniveau, zu zweifeln wäre. Auch wenn, wie in der Expertise vermerkt, die Energie und das Interesse, die der Beschwerdeführer für seine Hobbies und sozialen Kontakte aufbringt, immer wieder durch depressive Phasen unterbrochen werden, besteht im Längsschnitt eine weitgehend intakte psychosoziale Fähigkeit. Insbesondere die mit der Trennung von seiner Frau 2010 bzw. mit der Scheidung im Jahr 2015 einhergehenden Belastungen haben nach Einschätzung des Dr. med. C.________ denn auch sukzessive abgenommen.
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4.3. Nach dem Gesagten nahm die Vorinstanz die Indikatorenprüfung bundesrechtskonform - ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 61 lit. c ATSG) bzw. ihrer Begründungspflicht (Art. 61 lit. h ATSG) - vor, weshalb sie eine relevante psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeit im Rechtssinne verneinen durfte. Da aus somatischer Sicht unstreitig kein invalidisierender Gesundheitsschaden ausgewiesen ist, bleibt es bei der Schlussfolgerung im angefochtenen Entscheid, wonach zusammenfassend kein Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung vorliegt.
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Weitergehender medizinischer Erhebungen, wie sie vom Beschwerdeführer subeventualiter beantragt werden, bedarf es mangels daraus zu erwartender neuer Erkenntnisse nicht (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236 f. mit Hinweis; Urteil 9F_8/2020 vom   17. September 2020 E. 2 am Ende). Ebenso erübrigen sich Ausführungen zu den erwerblichen Auswirkungen einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit.
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5. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 15. Februar 2021
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Parrino
 
Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl
 
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