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Informationen zum Dokument  BGer 1C_372/2019  Materielle Begründung
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BGer 1C_372/2019 vom 02.02.2021
 
 
1C_372/2019
 
 
Urteil vom 2. Februar 2021
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
 
Bundesrichter Haag, Merz,
 
Gerichtsschreiberin Dambeck.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.C.________ und B.C.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
D.F.________ und E.F.________,
 
Beschwerdegegner,
 
Oberamt des Seebezirks,
 
Schlossgasse 1, Postfach 226, 3280 Murten,
 
Gemeinde Gurmels,
 
Gemeindeverwaltung, Schlösslistrasse 1,
 
Postfach 83, 3212 Gurmels.
 
Gegenstand
 
Raumplanung und Bauwesen; Verzicht auf Anordnung
 
einer Änderung oder des Abbruchs einer Einfriedung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts
 
des Kantons Freiburg, II. Verwaltungsgerichtshof,
 
vom 3. Juni 2019 (602 2019 30).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.C.________ und B.C.________ sowie D.F.________ und E.F.________ sind Eigentümer direkt benachbarter Grundstücke in der Gemeinde Gurmels.
1
A.a. Auf dem Grundstück von A.C.________ und B.C.________ befindet sich entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze eine Steinkorbmauer und dahinter (d.h. weiter von der Grundstücksgrenze zurückversetzt) ein höherer Drahtgitter-Zaun. Diese Einfriedung hat die Gemeinde Gurmels am 21. Juli 2008 bewilligt. Da während der Ausführung Änderungen erfolgten, ordnete das Oberamt des Seebezirks die Einreichung eines neuen Baugesuchs an. Die Gemeinde bewilligte die Änderung der Einfriedung am 29. Dezember 2008.
2
A.b. D.F.________ und E.F.________ erstellten ihrerseits, gestützt auf die Baubewilligung des Oberamts vom 9. April 2014 (unter anderem) einen Doppelstabmattenzaun entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze, wobei in den bewilligten Plänen ein Grenzabstand von 20 cm und eine Höhe von 120 cm ausgewiesen war.
3
Aufgrund eines Hinweises von A.C.________ und B.C.________ vermass die Gemeinde Gurmels die Einfriedung von D.F.________ und E.F.________ am 13. Juni 2017. Dabei wurde ein Grenzabstand von rund 8 cm und eine Höhe der Zaunpfosten von bis zu 143 cm gemessen. Daraufhin forderte die Gemeinde D.F.________ und E.F.________ mit Schreiben vom 13. Juli 2017 auf, entweder den Zaun an die bewilligten Pläne anzupassen oder den Grenzabstand zu belassen, die maximale Zaunhöhe zu reduzieren und diese Einfriedung bewilligen zu lassen oder mit A.C.________ und B.C.________ ein Näherbaurecht zu vereinbaren. Nachdem letztere dem Oberamt des Seebezirks am 3. Januar 2018 angezeigt haben, dass der Zaun nicht angepasst worden sei, forderte das Oberamt die Parteien zu einer einvernehmlichen Einigung auf, da beide Einfriedungen nicht den bewilligten Plänen entsprächen. Eine Einigung misslang jedoch.
4
In der Folge entschied das Oberamt des Seebezirks am 25. Februar 2019, auf die Anordnung einer bewilligungskonformen Änderung bzw. eines Abbruchs des Zauns von D.F.________ und E.F.________ sowie der Steinkorbmauer von A.C.________ und B.C.________ zu verzichten. Diesen Entscheid begründete das Oberamt im Wesentlichen damit, dass sowohl der Zaun als auch die Steinkorbmauer bezüglich Grenzabstand und Höhe geringfügig von den jeweils bewilligten Plänen abwichen. Zwar weise der Zaun insgesamt höhere Abweichungen auf als die Steinkorbmauer, jedoch seien die Abweichungen in beiden Fällen im tiefen Zentimeterbereich und damit insgesamt vernachlässigbar. Überdies springe der Zaun aufgrund seiner leichteren Bauweise und der geländeangepassten Farbe optisch weniger störend ins Auge als die massive Steinkorbmauer.
5
A.c. Die gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde von A.C.________ und B.C.________ wies das Kantonsgericht des Kantons Freiburg, II. Verwaltungsgerichtshof, mit Urteil vom 3. Juni 2019 ab, soweit darauf einzutreten war. Das Kantonsgericht erwog, der Zaun überschreite die maximale Höhe um wenige Zentimeter bzw. um höchstens 15 cm (an einer Stelle). Die Abweichung vom Erlaubten sei unbedeutend, das öffentliche Interesse an einer Wiederherstellung sei nicht von grossem Gewicht und die Fortsetzung des rechtswidrigen Zustands widerspreche keinen schwerwiegenden öffentlichen Interessen. Die Anordnung der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands wäre unverhältnismässig.
6
B. Gegen dieses Urteil gelangen A.C.________ und B.C.________ mit Eingabe vom 8. Juli 2019 an das Bundesgericht und beantragen sinngemäss die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils sowie eine "bundesgerichtliche Untersuchung, ob in [ihrem] Fall ein schweizerisches Grundrecht, namentlich die Gleichbehandlung der Bürger vor dem Recht eingehalten oder verletzt wurde". Am 31. Juli 2019 reichten die Beschwerdeführer "ergänzende Erwägungen" und "ein zusätzliches Beweismittel" ein.
7
Das Kantonsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung und beantragt unter Verweis auf sein Urteil die Abweisung der Beschwerde. Das Oberamt liess sich nicht vernehmen. Die Gemeinde Gurmels verweist in ihrer Eingabe auf ihre Stellungnahmen an das Oberamt und an das Kantonsgericht. Die Beschwerdegegner beantragen sinngemäss die Abweisung der Beschwerde. Sämtliche Eingaben wurden den Beschwerdeführern zugestellt.
8
Im Rahmen ihrer Stellungnahme halten die Beschwerdeführer an ihren Anträgen fest und rügen insbesondere, dass das Protokoll der Ortsbesichtigung vom 27. November 2008 fehlen würde. Dieses reicht das Oberamt mit Eingabe an das Bundesgericht vom 28. Oktober 2019 ein und beantragt gleichzeitig die Abweisung der Beschwerde. Das Kantonsgericht und die Beschwerdegegner halten an ihren Anträgen fest. Diese Eingaben wurden den Beschwerdeführern wiederum zur freigestellten Stellungnahme zugestellt.
9
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid im Bereich des Baurechts. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 sowie Art. 90 BGG); ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Die Beschwerdeführer nahmen am vorinstanzlichen Verfahren teil und sind als direkte Nachbarn des betroffenen Grundstücks und Adressaten des angefochtenen Urteils gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.
10
1.2. Soweit die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerdeschrift auch den Entscheid des Oberamts des Seebezirks vom 25. Februar 2019 bemängeln, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, da Anfechtungsobjekt des vorliegenden Verfahrens einzig das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Freiburg vom 3. Juni 2019 ist (Devolutiveffekt; BGE 134 II 142 E. 1.4 S. 144).
11
1.3. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Dieses wendet das Bundesgericht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5 S. 144). In der Beschwerdebegründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Die beschwerdeführende Person muss sich wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzen. Rein appellatorische Kritik ohne Bezug zum angefochtenen Entscheid genügt nicht. Die Verletzung von Grundrechten wird vom Bundesgericht nur insofern geprüft, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Hierzu gelten qualifizierte Begründungsanforderungen: In der Beschwerde ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern die angerufenen Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 142 V 577 E. 3.2 S. 579; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254; je mit Hinweisen).
12
Soweit die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde diverse Fragen aufwerfen, ohne eine Rechtsverletzung geltend zu machen, und sie eine "bundesgerichtliche Untersuchung, ob in [ihrem] Fall ein schweizerisches Grundrecht [...] verletzt wurde" beantragen, ist auf die Beschwerde daher, mangels ausreichender Substanziierung, nicht einzutreten.
13
1.4. Die Beschwerdeführer beantragen den Beizug der Akten betreffend den Bau ihrer Steinkorbmauer im Jahr 2008, die Anhörung der damaligen Mitarbeiterin der Bauverwaltung und die Einholung einer Stellungnahme des Oberamts. Da sich der rechtserhebliche Sachverhalt jedoch mit hinreichender Klarheit aus den Akten ergibt und die Beschwerdeführer nicht dargetan haben, inwiefern die Abnahme weiterer Beweise zusätzliche entscheidwesentliche Erkenntnisse liefern könnte, sind diese Anträge abzuweisen.
14
 
2.
 
2.1. Die Beschwerdeführer machen eine gegen Art. 8 BV verstossende Ungleichbehandlung und Diskriminierung durch das Oberamt des Seebezirks geltend. Dieses habe beim Bau ihrer Steinkorbmauer im Jahr 2008 die "zentimetergenaue Einhaltung" der Vorschriften verlangt und toleriere nun, bei der Erstellung des Zauns der Beschwerdegegner, Abweichungen von bis zu 20 cm bzw. - gemäss Auffassung der Vorinstanz - von bis zu 15 cm. Diese erlittene ungleiche Behandlung hätte durch die Anordnung einer Busse ausgeglichen werden können. Jedoch sei die Vorinstanz auf ihren entsprechenden Antrag nicht eingetreten.
15
2.2. Aus den unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz (vgl. Art. 97 und 105 BGG) geht zusammengefasst Folgendes hervor (vgl. auch oben Ziff. A) : Das Oberamt des Seebezirks hat die Beschwerdeführer zur Einreichung eines neuen Baugesuchs aufgefordert, nachdem es während des Baus ihrer Steinkorbmauer zu Änderungen gekommen war. Die Änderung der Einfriedung wurde anschliessend von der Gemeinde Gurmels bewilligt. Nachdem beim Zaun der Beschwerdegegner Abweichungen festgestellt worden waren, verlangte die Gemeinde Gurmels dessen Legalisierung. Dieser Aufforderung leisteten die Beschwerdegegner keine Folge, worauf sie vom Oberamt des Seebezirks zu einer Einigung mit den Beschwerdeführern angehalten wurden. Als keine Einigung zustande kam, fällte das Oberamt den diesem Verfahren zu Grunde liegenden Entscheid.
16
Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass die Vorschriften im Fall der Beschwerdeführer "zentimetergenau" hätten eingehalten werden müssen und im Fall der Beschwerdegegner nicht, wurde doch nur den Beschwerdeführern eine Baubewilligung für die Änderung ihrer Einfriedung erteilt, nicht aber den Beschwerdegegnern. Zu berücksichtigen ist denn auch, dass in Art. 167 des Raumplanungs- und Baugesetzes des Kantons Freiburg vom 2. Dezember 2008 (RPBG/FR; SGF 710.1) - abhängig namentlich vom Stand der Bauarbeiten und deren Bewilligungsfähigkeit - unterschiedliche behördliche Interventionen vorgesehen sind und die Steinkorbmauer der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Anordnung des Oberamts noch im Bau war, während der Zaun der Beschwerdegegner bereits erstellt war, als das Oberamt intervenierte. Eine gegen Art. 8 BV verstossende Ungleichbehandlung der Parteien durch das Oberamt ist vor diesem Hintergrund zu verneinen. Daran vermag nichts zu ändern, dass gegenüber den Beschwerdegegnern schliesslich keine Massnahmen zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands angeordnet wurden.
17
2.3. In Bezug auf den Antrag der Beschwerdeführer, wonach den Beschwerdegegnern wegen Nichteinhaltens der Vorschriften eine Busse aufzuerlegen sei, hat die Vorinstanz erwogen, dieser Antrag gehe über den Streitgegenstand hinaus, weshalb auf die Beschwerde insoweit nicht eingetreten werden könne. Dies ist, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer, nicht zu beanstanden, war von der Auferlegung einer Busse im Verfahren vor dem Oberamt doch noch keine Rede und war die Vorinstanz mit Blick auf Art. 173 RPBG/FR nicht dazu befugt, selber eine Busse auszusprechen.
18
2.4. Die Beschwerdeführer halten ausdrücklich fest, dass die Begründung der Vorinstanz für sie "problemlos akzeptierbar" gewesen wäre, wenn sie selber die Vorschriften beim Bau ihrer Steinkorbmauer nicht "zentimetergenau" hätten einhalten und die Einfriedung nicht ein zweites Mal hätten bewilligen lassen müssen. Weiter führen sie in ihren Eingaben vom 31. Juli 2019 und vom 27. September 2019 aus, dass es ihnen nicht um die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands bzw. um eine Korrektur des Zauns gehe und sie diesbezüglich auch keinen Antrag gestellt hätten. Auf diesen Aspekt ist im vorliegenden Verfahren daher nicht einzugehen.
19
3. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
20
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten den unterliegenden Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die nicht anwaltlich vertretenen privaten Beschwerdegegner haben keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 BGG; Urteil 1C_265/2020 vom 29. Dezember 2020 E. 11 mit Hinweis).
21
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Oberamt des Seebezirks, der Gemeinde Gurmels und dem Kantonsgericht des Kantons Freiburg, II. Verwaltungsgerichtshof, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 2. Februar 2021
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Kneubühler
 
Die Gerichtsschreiberin: Dambeck
 
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