VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 6B_589/2019  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 12.06.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 6B_589/2019 vom 26.05.2020
 
 
6B_589/2019, 6B_597/2019, 6B_599/2019
 
 
Urteil vom 26. Mai 2020
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichter Muschietti,
 
Bundesrichterin Koch,
 
Gerichtsschreiber Weber.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
6B_589/2019
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. iur. Karen Schobloch,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich,
 
2. B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Duri Bonin,
 
Beschwerdegegner,
 
6B_597/2019
 
B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Duri Bonin,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
1. Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich,
 
2. A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. iur. Karen Schobloch,
 
3. C.________,
 
Beschwerdegegner,
 
6B_599/2019
 
C.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
1. Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich,
 
2. B.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Duri Bonin,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
6B_589/2019, 6B_599/2019
 
Schwere Körperverletzung; Beweiswürdigung etc.,
 
6B_597/2019
 
Schwere Körperverletzung; rechtfertigende Notwehr etc.; Strafzumessung, Zivilforderung etc.,
 
Beschwerden gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 16. Januar 2019 (SB180148-O/U/cwo).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die Jugendanwaltschaft Zürich-Stadt wirft B.________, geboren am 30. Oktober 1997, mit Anklageschrift vom 12. Juli 2017 zusammengefasst vor, er habe sich am 8. September 2015 in Zürich im Klopstockpark auf eine Wiese gesetzt und auf seinem Mobiltelefon Videospiele gespielt. Gegen 20 Uhr habe er aus einer Entfernung von ca. 20 bis 25 Metern bemerkt, wie er von A.________, geboren am 22. Februar 1951, angestarrt und beobachtet worden sei. Dieser habe sich B.________ angenähert und sei bald einmal in einer Baumgruppe verschwunden. B.________ habe sich hierdurch bedroht gefühlt und sich in die Nähe des Spielplatzes begeben. Dort habe er sich umgedreht und A.________ onanierend in der Mitte einer Baumgruppe entdeckt. B.________ habe sich dadurch belästigt gefühlt, weshalb er die Polizei über das Verhalten von A.________ informiert habe.
1
B.________ habe sich sodann auf eine Bank im eingezäunten Spielplatz gesetzt und dort auf das Eintreffen der Polizei gewartet. Nach einigen Minuten habe sich A.________ langsam dem Spielplatz genähert, sei schliesslich ungefähr einen Meter vor dem Zaun stehen geblieben und habe B.________ angestarrt. B.________ habe auf sein Mobiltelefon geschaut, weil er A.________ habe ignorieren wollen. Als er den Blick dann doch gehoben habe, habe er gesehen, wie A.________ mit den Fingern über der Hose seinen erigierten Penis gestreichelt habe, diesen dann ausgepackt und erneut zu onanieren begonnen habe. B.________ habe den Spielplatz verlassen und sich draussen vor dem Zaun in einem Abstand von ungefähr 70 cm vor A.________ hingestellt und diesen laut und deutlich gebeten von ihm wegzugehen, er sei nicht homosexuell. Daraufhin habe er bei A.________ einen völlig veränderten Gesichtsausdruck festgestellt, welchen er mit Hass und Aggressivität interpretiert habe. B.________ habe geglaubt, A.________ käme mit den Händen auf ihn los und würde zu einer Packbewegung ansetzen. In dem Moment habe B.________ in der Absicht, A.________ ausser Gefecht zu setzen, mit der rechten Faust gezielt und wuchtig gegen dessen Gesicht geschlagen. Es seien mindestens zwei weitere Faustschläge gegen das Gesicht von A.________ gefolgt. Dieser sei zu Boden gefallen und bewusstlos liegen geblieben. Auch B.________ sei hingefallen.
2
Aufgrund einer tiefen Bewusstlosigkeit am Tatort sowie einer lagebedingten Atemwegsverlegung durch die im Rachen zurückgesunkene Zunge und der bei ungeschützten Atemwegen in den Rachen und die Atemwege zurücklaufenden Blutung bei Mittelgesichtsbrüchen habe für A.________ Lebensgefahr bestanden.
3
Durch die Schläge habe A.________ ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, Brüche in der Augenhöhlenplatte rechts und der vorderen Kieferhöhlenwand links sowie einen mehrteiligen Bruch der seitlichen Kieferhöhlenwand links mit einer Blutansammlung in der linken Kieferhöhle erlitten. Ferner habe er multiple Rissquetschwunden am Kopf sowie einen Zahnschmelzabbruch erlitten.
4
A.________ sei hospitalisiert worden und habe bis am 30. Juni 2016 in einer Rehaklinik verweilt. Er bleibe in seiner Funktionsfähigkeit im Alltag erheblich eingeschränkt. Insbesondere seine Aufmerksamkeit sowie seine Gedächtnisleistung seien deutlich gestört und sein Antrieb reduziert. Die Wiederaufnahme seiner angestammten Berufstätigkeit als Rechtsanwalt sei nicht realistisch.
5
B. Das Bezirksgericht Zürich, Jugendgericht, sprach B.________ am 27. November 2017 vom Vorwurf der schweren Körperverletzung frei und verwies die Zivilklagen von A.________ und C.________ auf den Zivilweg.
6
Auf Berufung von A.________ und C.________ hin verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich B.________ am 16. Januar 2019 wegen schwerer Körperverletzung in Notwehrexzess zu vier Monaten bedingtem Freiheitsentzug, unter Anrechnung von zwei Tagen Untersuchungshaft. Es verpflichtete ihn zur Bezahlung von Fr. 20'000.-- Genugtuung und Fr. 23'423.80 Schadenersatz an A.________. Im Mehrbetrag wies es die entsprechenden Zivilforderungen ab. Ein weiteres Schadenersatzbegehren von A.________ verwies das Obergericht auf den Zivilweg, wobei es die B.________ treffende Haftungsquote auf 50 % festsetzte. Zudem verpflichtete es B.________ unter Festsetzung der genannten Haftungsquote dem Grundsatz nach, A.________ Schadenersatz zu leisten. Das Schadenersatzbegehren von C.________ verwies das Obergericht auf den Zivilweg und setzte die B.________ treffende Haftungsquote auch diesbezüglich auf 50 % fest.
7
C. A.________ und C.________ beantragen mit separaten Beschwerden in Strafsachen (6B_589/2019 bzw. 6B_599/2019), das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung im Schuld- und Zivilpunkt sowie den Kosten- und Entschädigungsfolgen an dieses zurückzuweisen.
8
D. B.________ führt ebenfalls Beschwerde in Strafsachen (6B_597/2019). Er beantragt, er sei freizusprechen und ihm sei eine Genugtuung von Fr. 400.-- zuzüglich 5 % Zins seit dem 8. September 2015 aus der Gerichtskasse zuzusprechen. Die Zivilklagen seien abzuweisen resp. auf den Zivilweg zu verweisen und das Genugtuungsbegehren von A.________ sei abzuweisen.
9
Eventualiter sei er der fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig zu sprechen und mit einer Busse von Fr. 500.-- zu bestrafen. Die Zivilklagen seien auf den Zivilweg zu verweisen, ebenfalls für die Festlegung der Haftungsquote. Subeventualiter sei Letztere auf 5 % festzulegen. Das Genugtuungsbegehren von A.________ sei abzuweisen. Subeventualiter sei das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an dieses zurückzuweisen.
10
E. Das Obergericht und die Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten auf Vernehmlassungen. B.________ verweist auf seine Beschwerde und verzichtet im Übrigen auf eine Stellungnahme zu den weiteren Beschwerden.
11
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
Das Bundesgericht vereinigt mehrere Verfahren, wenn diese in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen, namentlich wenn sie sich gegen denselben Entscheid richten, und wenn sie den gleich gelagerten Sachverhalt, dieselben Parteien sowie ähnliche oder gleichlautende Rechtsfragen betreffen (vgl. BGE 133 IV 215 E. 1 S. 217; 126 V 283 E. 1; Urteil 6B_469/2019 vom 7. November 2019 E. 1). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Es rechtfertigt sich daher, die Beschwerden gestützt auf Art. 71 BGG in sinngemässer Anwendung von Art. 24 Abs. 2 lit. b BZP zu vereinigen und in einem einzigen Entscheid zu beurteilen.
12
 
2.
 
2.1. A.________ und C.________ sind aufgrund ihrer Teilnahme am vorinstanzlichen Verfahren, ihrer geltend gemachten Zivilforderungen, der entsprechenden teilweisen Abweisungen und der Festsetzung der B.________ treffenden Haftungsquote auf 50 % durch die Vorinstanz sowie der Kosten- und Entschädigungsfolgen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt. Auf diese ist - unter Vorbehalt genügender Begründungen (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG) - einzutreten.
13
2.2. Da die Beschwerde an das Bundesgericht ein reformatorisches Rechtsmittel ist (Art. 107 Abs. 2 BGG), muss auch das Rechtsbegehren grundsätzlich reformatorisch gestellt werden; ein blosser Antrag auf Rückweisung ist nicht zulässig, ausser wenn das Bundesgericht ohnehin nicht reformatorisch entscheiden könnte (BGE 136 V 131 E. 1.2 S. 135; 134 III 379 E. 1.3 S. 383). Weil die Beschwerdebegründung zur Interpretation des Rechtsbegehrens beigezogen werden kann, genügt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ein Begehren ohne einen Antrag in der Sache dann, wenn sich aus der Begründung zweifelsfrei ergibt, was mit der Beschwerde angestrebt wird (BGE 137 II 313 E. 1.3; 136 V 131 E. 1.2 S. 136).
14
A.________ und C.________ beantragen eine Neubeurteilung durch die Vorinstanz ohne ausdrücklichen Antrag in der Sache. Dass das Bundesgericht im Falle der Gutheissung der Beschwerde nicht selbst in der Lage wäre, ein Sachurteil zu fällen, machen sie nicht geltend. Ihren Beschwerdebegründungen lässt sich indessen entnehmen, dass sie eine Verurteilung von B.________ wegen schwerer Körperverletzung sowie dessen Verpflichtung zur vollumfänglichen Bezahlung ihrer geltend gemachten Zivilforderungen anstreben. Ihr Rechtsbegehren ist in diesem Sinne zu interpretieren.
15
 
3.
 
3.1. In der Sache bringen A.________ und C.________ mit ihren im Wesentlichen identischen Beschwerdeschriften zusammengefasst vor, die Vorinstanz habe sich nicht nur an die Anklage, sondern auch an die Ausführungen der ersten Instanz gebunden gefühlt und dabei Art. 29 Abs. 1 BV, 29a BV, Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie Art. 398 Abs. 2 und 3 StPO i.V.m. Art. 350 Abs. 1 StPO verletzt. Sie habe es unterlassen, die Argumente zur Infragestellung der Vorgeschichte zur Tat zu berücksichtigen, den Sachverhalt zu überprüfen und die Beweise zu würdigen. Infolgedessen sei sie zu Unrecht von einer Mitschuld von A.________ ausgegangen.
16
3.2. Die Vorinstanz erwägt, da keine weiteren Personen am Tatort gewesen seien und A.________ sich nicht an den Vorfall erinnern könne, stütze sich die Schilderung des Anklagesachverhalts zur Vorgeschichte und dem eigentlichen Tathergang ausschliesslich auf die Darstellung von B.________ (angefochtenes Urteil, E. II. 1.2 S. 6). A.________ bestreite aber die Vorgeschichte, wie es zu den Faustschlägen gekommen sei. Die Schilderung von A.________ widerspreche dem verbindlichen Anklagesachverhalt. Würde man im Sinne der Bestreitungen von A.________ von den Vorgaben im Anklagesachverhalt zuungunsten von B.________ abweichen, sei dies ohne Weiteres eine Verletzung des Anklageprinzips. Die Vorbringen von A.________ gingen schlicht am massgeblichen und verbindlichen Anklagesachverhalt vorbei (angefochtenes Urteil, E. II. 2.2 S. 7, 2.6 S. 10 und 2.7 S. 10 f.). Der Anklagesachverhalt sei anklagegemäss erstellt. Die erste Instanz habe entgegen der Darstellung in der Anklageschrift sogar für erwiesen erachtet, A.________ sei tatsächlich mit den Händen auf B.________ losgegangen und habe zu einer Packbewegung angesetzt. Erwägungen darüber erübrigten sich jedoch, da aufgrund des verbindlichen Anklagesachverhalts erstellt sei, dass B.________ in subjektiver Hinsicht aufgrund der Umstände berechtigterweise davon habe ausgehen dürfen, unmittelbar von A.________ angegriffen zu werden (angefochtenes Urteil, E. II. 1.3 S. 6 und 3. S. 11). Im Rahmen der rechtlichen Würdigung der Notwehr führt die Vorinstanz ebenso aus, es ergebe sich verbindlich aus dem Anklagesachverhalt, B.________ sei unmittelbar vor dem ersten Faustschlag zumindest subjektiv davon ausgegangen, er werde von A.________ gepackt (angefochtenes Urteil, E. II. 3.5 S. 16). Den vorinstanzlichen Erwägungen bezogen auf die Zivilforderungen ist sodann zu entnehmen, es stehe aufgrund des Strafurteils fest, dass B.________ von A.________ rechtswidrig angegriffen worden sei (angefochtenes Urteil, E. IV. 2.1.5 S. 31).
17
3.3. Nach dem Anklagegrundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion; Art. 9 und Art. 325 StPO; Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV; Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. a und b EMRK). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der beschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion). Entscheidend ist, dass die beschuldigte Person genau weiss, welcher konkreter Handlungen sie beschuldigt und wie ihr Verhalten rechtlich qualifiziert wird, damit sie sich in ihrer Verteidigung richtig vorbereiten kann. Solange klar ist, welcher Sachverhalt der beschuldigten Person vorgeworfen wird, kann auch eine fehlerhafte und unpräzise Anklage nicht dazu führen, dass es zu keinem Schuldspruch kommen darf. Die nähere Begründung der Anklage erfolgt an Schranken; es ist Sache des Gerichts, den Sachverhalt verbindlich festzustellen. Dieses ist an den in der Anklage umschriebenen Sachverhalt, nicht aber an die darin vorgenommene rechtliche Würdigung gebunden (Art. 350 Abs. 1 StPO; BGE 143 IV 63 E. 2.2; Urteil 6B_771/2019 vom 7. November 2019 E. 2.1; je mit Hinweisen).
18
3.4. Die vorinstanzliche Erwägung, der Sachverhalt sei aufgrund einer Verbindlichkeit der Anklage erstellt, ist nicht mit Bundesrecht vereinbar. Die Vorinstanz hat den gesamten in der Anklageschrift umschriebenen Sachverhalt nach einer umfassenden Beweiswürdigung mit nachvollziehbarer Begründung festzustellen. Sie kann sich von dieser Aufgabe nicht mit Hinweis auf das Anklageprinzip entbinden. Vielmehr muss sie eigenständig überprüfen, ob für die einzelnen angeklagten Tatsachen ausreichende Anhaltspunkte vorliegen. Dies gilt angesichts ihrer Auffassung, die vorliegende Anklage stütze sich ausschliesslich auf die Darstellung des beschuldigten B.________, umso mehr. Insbesondere betreffend den Teil des Anklagesachverhalts, wonach B.________ nach dem Verlassen des eingezäunten Spielplatzes und seiner Bitte, in Ruhe gelassen zu werden, bei A.________ einen völlig veränderten Gesichtsausdruck festgestellt habe, welchen B.________ mit Hass und Aggressivität interpretiert und Letzterer zudem geglaubt habe, A.________ käme mit den Händen auf ihn los und würde zu einer Packbewegung ansetzen, drängt sich eine sorgfältige und für eine rechtsgenügliche Prüfung der Notwehr unerlässliche Beweiswürdigung auf. Die Vorinstanz darf sich nicht undifferenziert an die Gesamtheit der in der Anklageschrift beschriebenen Umstände gebunden erachten, ohne dabei mindestens die Glaubhaftigkeit der entsprechenden Aussagen sowohl von B.________ als auch von A.________ hinterfragt und näher überprüft zu haben. Dies gilt auch für Schilderungen in der Anklageschrift, welche über die Darstellung des Tatvorwurfs hinaus gehen, so etwa die Vorgeschichte des Geschehens. Sofern die Vorinstanz implizit davon ausgehen sollte, B.________ werde ohne Feststellung seiner eigenen Wahrnehmung mit neuen Anschuldigungen konfrontiert und das Anklageprinzip unweigerlich verletzt, ist sie darauf hinzuweisen, dass die Frage der Notwehr inklusive deren tatsächlichen Voraussetzungen nicht etwa eine andere Tat, sondern denselben, angeklagten Lebenssachverhalt betrifft und sich angesichts der darin beschriebenen Umstände geradezu augenfällig stellt. Darüber hinaus wirft die Anklage B.________ explizit eine vorsätzliche schwere Körperverletzung vor. Explizite Hinweise auf Notwehr sind der Anklageschrift demgegenüber nicht zu entnehmen. Auch deshalb kann ein Tatgeschehen ohne drohenden Angriff auf B.________ oder ohne entsprechende subjektive Wahrnehmung unter Einhaltung des Anklagegrundsatzes gerichtlich festgestellt werden und muss in der Folge eine mögliche Variante der vorinstanzlichen Beweiswürdigung bilden.
19
Sollte die Vorinstanz ferner der Interpretation von A.________ und C.________ zufolge mit einem Hinweis auf das erstinstanzliche Strafurteil verbindlich annehmen, B.________ sei von A.________ tatsächlich angegriffen worden (vgl. angefochtenes Urteil, E. IV. 2.1.5 S. 31), und auch deshalb den Sachverhalt nicht rechtsgenüglich erstellen, verkennt sie den reformatorischen Charakter der Berufung. Das Berufungsgericht ist verpflichtet, den Anklagevorwurf auch in tatsächlicher Hinsicht eigenständig und umfassend zu beurteilen (vgl. Art. 408 StPO und Art. 398 Abs. 2 und Abs. 3 lit. b StPO).
20
4. Damit erweisen sich die Beschwerden von A.________ und C.________ in den Verfahren 6B_589/2019 bzw. 6B_599/2019 im Ergebnis als begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 107 Abs. 2 BGG). Bei diesem Ausgang wird die Beschwerde von B.________ im Verfahren 6B_597/2019 gegenstandslos. Aus prozessökonomischen Gründen ist die Vorinstanz jedoch darauf hinzuweisen, dass sie sich je nach Ergebnis ihrer umfassend vorzunehmenden Beweiswürdigung auch mit seinen Vorbringen (insbesondere zur Notwehr, zur eventualiter geltend gemachten fahrlässigen Körperverletzung, zur Strafzumessung sowie zu den Zivilforderungen) eingehend auseinander setzen und ihr Urteil entsprechend begründen muss.
21
Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG).
22
Zu den Beschwerden von A.________ und C.________ hat B.________ keine Anträge gestellt. Er ist deshalb nicht zur Leistung einer Parteientschädigung in den Verfahren 6B_589/2019 bzw. 6B_599/2019 zu verpflichten. Der Kanton Zürich hat dem anwaltlich vertretenen A.________ im Verfahren 6B_589/2019 eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 BGG). C.________ ist keine Entschädigung zuzusprechen, da sie im Verfahren 6B_599/2019 nicht anwaltlich vertreten ist und keine besonderen Verhältnisse oder Auslagen geltend macht, die eine solche rechtfertigen könnten (vgl. BGE 127 V 205 E. 4b S. 207; 125 II 518 E. 5b S. 519 f.).
23
Über die Prozesskosten eines als gegenstandslos erklärten Rechtsstreits entscheidet das Bundesgericht mit summarischer Begründung aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP). Bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ist somit in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen (BGE 125 V 373 E. 2a). Lässt sich der mutmassliche Ausgang eines Verfahrens im konkreten Fall nicht ohne Weiteres feststellen, ist auf allgemein zivilprozessrechtliche Kriterien zurückzugreifen. Danach wird in erster Linie jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig, die das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst oder bei der die Gründe eingetreten sind, die zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens geführt haben (BGE 142 V 551 E. 8.2; BGE 118 Ia 488 E. 4a; Urteil 6B_660/2017 vom 29. März 2018 E. 2.; je mit Hinweisen). Mangels hinreichender Sachverhaltserstellung durch die Vorinstanz lässt sich selbst der mutmassliche Ausgang des Verfahrens 6B_597/2019 nicht feststellen. Da der Kanton Zürich dies und damit einhergehend die Gegenstandslosigkeit des Verfahrens 6B_597/2019 zu vertreten hat, hat er auch dem anwaltlich vertretenen B.________ eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten.
24
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Verfahren 6B_589/2019 und 6B_599/2019 werden vereinigt.
 
2. Das Verfahren 6B_597/2019 wird als gegenstandslos abgeschrieben.
 
3. Die Beschwerden von A.________ und C.________ in den Verfahren 6B_589/2019 bzw. 6B_599/2019 werden gutgeheissen. Das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 16. Januar 2019 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
4. Es werden keine Kosten erhoben.
 
5. Der Kanton Zürich hat A.________ und B.________ je eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen.
 
6. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 26. Mai 2020
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Der Gerichtsschreiber: Weber
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).