VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 2C_479/2016  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 2C_479/2016 vom 12.01.2017
 
{T 0/2}
 
2C_479/2016, 2C_480/2016
 
 
Urteil vom 12. Januar 2017
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Zünd,
 
Bundesrichter Haag,
 
Gerichtsschreiber Fellmann.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Stiftung X.________, (Alleinerbin der Dr. A.________), c/o Dr. B.________, Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Advokat Dr. B.________,
 
gegen
 
Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt.
 
Gegenstand
 
Direkte Bundessteuer pro 2009 und 2010;
 
Kantonale Steuern pro 2009 und 2010;
 
Abzug behinderungsbedingter Kosten,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht vom 15. April 2016.
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die am 19. April 1931 geborene A.________ war während den hier interessierenden Jahren 2009 und 2010 aus gesundheitlichen Gründen auf intensive Pflege angewiesen. Sie liess sich dazu auf eigene Kosten zu Hause betreuen. In der Folge beanspruchte sie für die Steuerperiode 2009 einen Abzug behinderungsbedingter Kosten in der Höhe von Fr. 323'028.--. Für die Steuerperiode 2010 machte sie behinderungsbedingte Kosten in der Höhe von Fr. 289'939.-- zum Abzug geltend.
1
B. Mit Veranlagungsverfügungen vom 25. Oktober und 8. November 2012 liess die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt sowohl für die kantonale als auch für die direkte Bundessteuer nur je Fr. 100'000.-- pro Steuerperiode als Abzug für behinderungsbedingte Kosten zu. Die dagegen gerichteten Einsprachen von A.________ wies die Steuerverwaltung mit Entscheid vom 17. Januar 2013 ab. Auf entsprechende Rechtsmittel von A.________ hin bestätigte die Steuerrekurskommission des Kantons Basel-Stadt den Einspracheentscheid (Entscheide 2013-019 [kantonale Steuern] und 2013-020 [direkte Bundessteuer] vom 28. August 2014). Gegen die Entscheide der Steuerrekurskommission gelangte A.________ an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt. Sie verstarb während des hängigen Verfahrens am 14. November 2015. Die Stiftung X.________ als Alleinerbin hielt am Rechtsmittel fest; dieses wurde mit Urteil vom 15. April 2016 abgewiesen.
2
C. Mit Eingabe vom 24. Mai 2016 erhebt die Stiftung X.________ als Rechtsnachfolgerin von A.________ Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragt das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die geltend gemachten Abzüge in der Höhe von Fr. 323'028.-- (Steuerperiode 2009) und Fr. 289'939.-- (Steuerperiode 2010) vollumfänglich zuzulassen. Weiter verlangt sie eine Neuverlegung der Kosten und Entschädigungen im kantonalen Verfahren.
3
Die Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt und das Appellationsgericht beantragen die Abweisung der Beschwerde. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) verzichtet hinsichtlich der kantonalen Steuern auf eine Stellungnahme. In Bezug auf die direkte Bundessteuer schliesst sie auf Abweisung der Beschwerde.
4
 
Erwägungen:
 
I. Prozessuales
5
 
Erwägung 1
 
1.1. Die Vorinstanz hat die kantonalen Rechtsmittel betreffend die direkte Bundessteuer einerseits und die kantonalen Steuern andererseits in demselben Urteil behandelt, was zulässig ist, soweit die zu entscheidende Rechtsfrage im Bundesrecht und im harmonisierten kantonalen Recht gleich geregelt ist (vgl. BGE 142 II 293 E. 1.2 S. 296; 135 II 260 E. 1.3.1 S. 262). Dies trifft hier zu: Die streitige Abzugsfähigkeit behinderungsbedingter Kosten bildet Gegenstand sowohl der harmonisierten Steuergesetzgebung als auch der direkten Bundessteuer (vgl. Art. 9 Abs. 2 lit. h 
6
1.2. Das Rechtsmittel wurde form- und fristgerecht eingereicht (Art. 42 und Art. 100 Abs. 1 BGG). Es richtet sich gegen den Endentscheid eines kantonal letztinstanzlichen oberen Gerichts über die Kantons- und die direkte Bundessteuer (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG). Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 83 BGG e contrario; Art. 73 Abs. 1 StHG; Art. 146 DBG). Die Stiftung X.________ trat kraft Universalsukzession in die verfahrensrechtliche Stellung der am 14. November 2015 verstorbenen A.________ ein (vgl. Art. 560 Abs. 1 und Abs. 2 ZGB; Art. 12 Abs. 1 DBG; § 11 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Basel-Stadt vom 12. April 2000 über die direkten Steuern [Steuergesetz, StG; SG 640.100]; Art. 71 BGG i.V.m. Art. 6 Abs. 2 und Art. 17 Abs. 3 BZP). Als Alleinerbin ist sie wie die Erblasserin zur Erhebung der Beschwerde vor dem Bundesgericht berechtigt (Art. 89 Abs. 1 BGG; Urteil 2C_895/2008 vom 9. Juni 2009 E. 1.1). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten.
7
 
Erwägung 2
 
2.1. Mit der Beschwerde können Rechtsverletzungen nach Art. 95 und Art. 96 BGG geltend gemacht werden, wobei das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen anwendet (Art. 106 Abs. 1 BGG). Im Bereich der direkten Steuern prüft das Bundesgericht vollständig harmonisiertes kantonales Recht gleich wie Bundesrecht mit freier Kognition (vgl. BGE 134 II 207 E. 2 S. 210; Urteil 2C_916/2014 vom 26. September 2016 E. 2.2 [zur Publikation vorgesehen]). Unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG) behandelt das Bundesgericht jedoch nur die geltend gemachten Rügen, sofern der rechtliche Mangel nicht geradezu offensichtlich ist (vgl. BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 f.; Urteil 2C_8/2016 vom 17. Oktober 2016 E. 2.1 [zur Publikation vorgesehen]). Die Verletzung von Grundrechten und von (nicht harmonisiertem) kantonalem Recht untersucht das Bundesgericht in jedem Fall nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und detailliert begründet worden ist (qualifizierte Rügepflicht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. 140 II 141 E. 1.1 S. 145; 136 II 304 E. 2.5 S. 314). Zu den Grundrechten in diesem Sinne zählen neben den in Art. 7-34 BV verankerten Ansprüchen die weiteren verfassungsmässigen Rechte der Bundesverfassung, im Steuerrecht insbesondere Art. 127 BV (BGE 140 I 176 E. 5.2 S. 180; Urteile 2C_8/2016 vom 17. Oktober 2016 E. 2.1 [zur Publikation vorgesehen]; 2C_403/2015 vom 1. April 2016 E. 1.3).
8
2.2. In Bezug auf den Sachverhalt stützt sich das Bundesgericht auf die Feststellungen der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz können von Amtes wegen oder auf ausreichend begründete Rüge hin berichtigt oder ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2, Art. 97 Abs. 1 BGG; zu den qualifizierten Begründungsanforderungen bei Sachverhaltsrügen vgl. BGE 139 I 72 E. 9.2.3.6 S. 97; Urteile 2C_508/2016 vom 18. November 2016 E. 2.2; 2C_655/2015 vom 22. Juni 2016 E. 2.2 [nicht publ. in: BGE 142 I 155]).
9
II. Direkte Bundessteuer
10
 
Erwägung 3
 
3.1. Im Rahmen der Beschwerde gegen die Veranlagung der direkten Bundessteuer ist umstritten, ob die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Auslagen in der Höhe von Fr. 323'028.-- (Steuerperiode 2009) bzw. Fr. 289'939.-- (Steuerperiode 2010) für die Pflege und Betreuung zu Hause vollumfänglich als behinderungsbedingte Kosten gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. h 
11
3.2. Die Vorinstanz erwog, dass als behinderungsbedingte Kosten die medizinisch notwendigen Aufwendungen gelten, die als kausale Folge der Behinderung entstehen. Nicht abzugsfähig seien demgegenüber die gewöhnlichen Lebenshaltungskosten und Luxusausgaben. Als Kriterium zur Abgrenzung behinderungsbedingter Kosten von gewöhnlichen Lebenshaltungskosten greife die Unmittelbarkeit des Zusammenhangs zwischen Behinderung und Kosten; zur Abgrenzung von Luxusausgaben diene das Kriterium der medizinischen Notwendigkeit. Eine umfassende Betreuung im teuersten Pflegeheim des Kantons koste pro Jahr Fr. 125'000.--, abzüglich eines Anteils für gewöhnliche Lebenshaltungskosten seien Fr. 100'000.-- zum Abzug zuzulassen. Da nicht nachgewiesen sei, dass eine medizinische Notwendigkeit für die Pflege der Beschwerdeführerin zu Hause bestanden habe, rechtfertige sich eine Beschränkung des Abzugs auf die Höhe der Betreuungskosten in einem kantonalen Pflegeheim.
12
3.3. Demgegenüber macht die Beschwerdeführerin zusammengefasst geltend, dass die Vorinstanz den Abzug nach Art. 33 Abs. 1 lit. h 
13
3.4. Nach Art. 33 Abs. 1 lit. h 
14
3.5. Zur Konkretisierung von Art. 33 Abs. 1 lit. h und lit. h 
15
3.6. Diese massgeblichen Gesichtspunkte für die steuerliche Abzugsfähigkeit von behinderungsbedingten Kosten hat die Vorinstanz zutreffend dargelegt und angewendet (vgl. E. 3.2 hiervor). Was die Beschwerdeführerin dem entgegen hält, ist nicht stichhaltig. Insbesondere hat die Vorinstanz nicht verkannt, dass Art. 33 Abs. 1 lit. h 
16
3.7. Für die Höhe des zulässigen Abzugs nach Art. 33 Abs. 1 lit. h 
17
3.8. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin stellt das Vorgehen der Vorinstanz auch keine unzulässige Beschränkung der Handlungsfreiheit dar. Die Erblasserin bzw. ihre Angehörigen waren zu jedem Zeitpunkt frei, den Ort und die Modalitäten ihrer Pflege zu wählen. Dass die damit verbundenen finanziellen Aufwendungen steuerlich nicht vollumfänglich berücksichtigt werden, mag geeignet sein, diese Wahl in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen. Von einer eigentlichen Einschränkung in der Gestaltung der Lebensführung kann indes keine Rede sein.
18
3.9. Nach dem Dargelegten hat die Vorinstanz Art. 33 Abs. 1 lit. h 
19
III. Kantonale Steuern
20
4. In Übereinstimmung mit Art. 33 Abs. 1 lit. h bis DBG schreibt Art. 9 Abs. 2 lit. h  bis StHG die Abzugsfähigkeit behinderungsbedingter Kosten im Rahmen der kantonalen Einkommensteuer vor. Der Kanton Basel-Stadt hat die bundesrechtliche Vorgabe in § 32 Abs. 1 lit. h StG umgesetzt; der Wortlaut dieser Regelung entspricht inhaltlich jener des Bundesrechts. Damit kann in allen Teilen auf das zur direkten Bundessteuer Dargelegte verwiesen werden, zumal die Beschwerdeführerin in Bezug auf die kantonalen Steuern keine eigenständigen Rügen erhebt. Die Beschwerde ist auch hinsichtlich der kantonalen Steuern unbegründet und daher abzuweisen.
21
IV. Kosten und Entschädigung
22
5. Nach dem Unterliegerprinzip trägt die Beschwerdeführerin die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
23
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Verfahren 2C_480/2016 und 2C_479/2016 werden vereinigt.
 
2. Die Beschwerde betreffend die direkte Bundessteuer (Verfahren 2C_480/2016) wird abgewiesen.
 
3. Die Beschwerde betreffend die kantonalen Steuern (Verfahren 2C_479/2016) wird abgewiesen.
 
4. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
5. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 12. Januar 2017
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Fellmann
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).