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Informationen zum Dokument  BGer 6B_363/2010  Materielle Begründung
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BGer 6B_363/2010 vom 22.10.2010
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_363/2010
 
Urteil vom 22. Oktober 2010
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Wiprächtiger,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Versuchter Betrug, Irreführung der Rechtspflege,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 22. März 2010.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Am 8. Juni 2006 erstattete der Beschwerdeführer Anzeige gegen Unbekannt. Er machte geltend, sein an der Josefstrasse in Zürich parkierter Geschäftswagen sei durch ein unbekanntes Fahrzeug beschädigt worden. Die Vorinstanz sprach den Beschwerdeführer - im Unterschied zur ersten Instanz - mit Urteil vom 22. März 2010 wegen versuchten Betrugs und Irreführung der Rechtspflege schuldig. Sie verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 150 Tagessätzen à Fr. 30.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren und zu einer Busse von Fr. 500.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 5 Tage). Mit Beschwerde in Strafsachen strebt der Beschwerdeführer seine Freisprechung an.
 
2.
 
Die Beschwerde richtet sich gegen die Beweiswürdigung bzw. den Sachverhalt, von dem die Vorinstanz ausgeht. Der Sachverhalt kann vor Bundesgericht mit Erfolg nur angefochten werden, wenn die Vorinstanz ihn offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG bzw. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV festgestellt hat. Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid im bemängelten Punkt offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 134 I 140 E. 5.4). Die Rüge der Willkür muss vor Bundesgericht präzise vorgebracht und begründet werden, ansonsten darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG).
 
2.1 Gemäss den technischen Untersuchungsberichten des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich vom 2. Oktober 2007 sowie vom 11. Januar 2010 (kantonale Akten, act. 13 und 53) passen die Beschädigungen am Fahrzeug gut zu einem Kontakt des fahrenden Fahrzeugs mit einem hier üblichen Leitplankentyp. Das Schadens-bild (horizontal verlaufende Kratzspuren mit geringer Schadenstiefe und 4 oder 5 übereinanderliegenden Einstanzungen), dessen Beurteilung nicht statisch vorgenommen werden dürfe, erweise sich hierfür typisch. Hingegen hätten sich keine Hinweise auf einen Kontakt mit einem andern Fahrzeug gefunden. Ein Ereignis-Ablauf, wie es der Beschwerdeführer schildere, sei mit dem dokumentierten Schadensbild nicht vereinbar. Gestützt darauf geht die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid davon aus, dass das Fahrzeug des Beschwerdeführers zum Kollisionszeitpunkt in Bewegung war und der Schaden bzw. die Beschädigung nicht durch ein anderes Fahrzeug verursacht wurde, sondern von einem Zusammenstoss mit einer Leitplanke aus nichtrostendem Stahl herrührte (vgl. angefochtenen Entscheid, S. 12 ff., S. 17). Sie begründet dabei sorgfältig, dass und weshalb sie zu einer anderen Einschätzung als die erste Instanz gelangt (angefochtener Entscheid, S. 14), und widerlegt die Einwände des Beschwerdeführers mit schlüssigen und sachlich vertretbaren Argumenten (vgl. angefochtenen Entscheid, namentlich S. 16 ff.). Der Beschwerdeführer befasst sich nicht mit den vorinstanzlichen Ausführungen. Er wirft der Vorinstanz zusammenfassend vielmehr lediglich vor, das Urteil nicht begründet und "auf die wenig fundierten Angaben des WD bezüglich der fünften Einstanzung" abgestellt zu haben. Im Weiteren beharrt er darauf, dass ausgehend vom Schadensbild "nur ein Touchieren durch einen LKW in Betracht" komme bzw. auch "bei einer verzögerten Dynamik nur vier Einstanzungen sichtbar" wären. Aus diesen Ausführungen ergibt sich indessen nicht, dass die Vorinstanz beim Abstellen auf die Fachberichte des WD im Rahmen ihrer Würdigung in Willkür im oben umschriebenen Sinn verfallen wäre (Art. 106 Abs. 2 BGG). Darauf ist nicht einzutreten.
 
2.2 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist auch der Entscheid, auf die beantragten Zeugenbefragungen zu verzichten, nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz geht in erster Linie davon aus, dass der Beschwerdeführer das Fahrzeug nicht auf der Fahrt vom Arbeitsort in Dietikon an die Josefstrasse in Zürich beschädigte, sondern bevor er damit wieder über die Autobahn A1 an den Arbeitsort an der Silbernstrasse in Dietikon zurückkehrte. Dort fänden sich auch die fraglichen Leitplanken (vgl. angefochtenen Entscheid, S. 19 f). Selbst wenn der Schaden nicht auf der Rückfahrt zum Arbeitsort entstanden wäre, hätte der Beschwerdeführer - so die Vorinstanz - auf dem Weg vom Arbeitsort nach Schlieren zu einer Baustelle an der Nassackerstrasse und zurück über Altstetten an die Josefstrasse eine Leitplanke streifen und den Schaden verursachen können (vgl. angefochtenen Entscheid, S. 20). Unter diesen Umständen ist aber nicht ersichtlich, dass und inwiefern die angerufenen Zeugen sachdienliche Auskünfte zum Schaden bzw. zur Schadensentstehung hätten erteilen können, zumal keiner der Zeugen den vom Beschwerdeführer behaupteten Unfallhergang beobachtet hatte (vgl. Beschwerde, erste Seite). In der antizipierten Ablehnung des Antrags auf Zeugenbefragung durch die Vorinstanz ist mithin keine Willkür erkennbar. Der Beschwerdeführer, der sich mit den vorinstanzlichen Erwägungen kaum auseinandersetzt und lediglich seine eigene Sicht der Dinge aufzeigt, legt solches im Übrigen auch nicht dar (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG).
 
3.
 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann aufgrund der divergierenden Urteile der kantonalen Vorinstanzen (Freispruch durch die erste Instanz, Schuldspruch durch die Vorinstanz) und der Bedürftigkeit des Beschwerdeführers stattgegeben werden (Art. 64 BGG). Es sind daher keine Kosten zu erheben.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.
 
3.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 22. Oktober 2010
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:
 
Schneider Arquint Hill
 
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