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Informationen zum Dokument  BGer 1B_102/2010  Materielle Begründung
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BGer 1B_102/2010 vom 28.04.2010
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1B_102/2010
 
Urteil vom 28. April 2010
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Féraud, Präsident,
 
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, Raselli, Eusebio,
 
Gerichtsschreiber Härri.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Christoph Rüedi,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
 
Frey-Herosé-Strasse 12, 5001 Aarau,
 
Bezirksamt Lenzburg, Metzgplatz 18, Postfach,
 
5600 Lenzburg.
 
Gegenstand
 
Vorzeitiger Massnahmeantritt,
 
Beschwerde gegen die Verfügung vom 31. März 2010 des Obergerichts des Kantons Aargau, Präsidium der Beschwerdekammer.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Bezirksamt Lenzburg führt gegen X.________ eine Strafuntersuchung unter anderem wegen mehrfachen bewaffneten Raubes und mehrfacher Freiheitsberaubung.
 
Am 9. Juli 2009 wurde er in Untersuchungshaft genommen.
 
Mit Verfügung vom 23. Oktober 2009 versetzte ihn auf sein Begehren hin das Präsidium der Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau zum vorzeitigen Strafvollzug in die Justizvollzugsanstalt Lenzburg. Die Verlegung dorthin erfolgte am 5. November 2009.
 
B.
 
Am 12. Februar 2010 erstatteten Dr. med. R.________ und Dr. med. C.________, Psychiatrische Dienste Aargau, ein Gutachten über X.________.
 
Die Gutachterinnen diagnostizieren eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit unreifen, dependent-selbstunsicheren und dissozialen Zügen, ein Abhängigkeitssyndrom für Opioide mit gegenwärtigem Substanzgebrauch, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine anhaltende kognitive Störung.
 
Die Gutachterinnen nehmen eine leichte Verminderung der Schuldfähigkeit an und empfehlen eine Massnahme nach Art. 59 StGB (stationäre Behandlung von psychischen Störungen). Sie führen insbesondere aus, ohne intensive verhaltenstherapeutisch-deliktorientierte Therapie bestehe eine grosse Rückfallgefahr. Die kombinierte Persönlichkeitsstörung sei von erheblicher Schwere. X.________ sei bereit, eine länger dauernde stationäre Therapie in Angriff zu nehmen. Er sei sich bewusst, dass sich sein Verhalten grundlegend ändern müsse und er aus eigenem Antrieb nicht in der Lage sei, sich regelkonform zu verhalten. Die Therapie der kombinierten Persönlichkeitsstörung sei langwierig und schwierig, so dass mit einer mehrjährigen stationären Psychotherapie gerechnet werden müsse.
 
C.
 
Am 22. März 2010 ersuchte X.________ um Bewilligung des vorzeitigen Massnahmeantritts.
 
Mit Verfügung vom 31. März 2010 wies das Präsidium der Beschwerdekammer das Gesuch ab. Es erwog, nach seiner vom Bundesgericht bestätigten Praxis werde der vorzeitige Massnahmeantritt mit Rücksicht auf die Entscheidkompetenz des Sachrichters nur in dringenden Fällen angeordnet. Eine solche Dringlichkeit bestehe hier nicht. Dem Entscheid des Sachrichters sei deshalb nicht vorzugreifen.
 
D.
 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, die Verfügung des Präsidiums der Beschwerdekammer vom 31. März 2010 sei aufzuheben und der vorzeitige Massnahmeantritt zu bewilligen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
E.
 
Das Bezirksamt hat sich vernehmen lassen, ohne einen förmlichen Antrag zu stellen.
 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau hat Gegenbemerkungen eingereicht mit dem Antrag, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventualiter sei sie abzuweisen. Sie führt aus, der Beschwerdeführer lege nicht dar, inwiefern die angefochtene Verfügung einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. lit. a BGG bewirken könne. Auf die Beschwerde sei daher aus formellen Gründen nicht einzutreten. In materieller Hinsicht schliesst sich die Staatsanwaltschaft den Erwägungen in der angefochtenen Verfügung an.
 
Das Präsidium der Beschwerdekammer beantragt unter Hinweis auf seine Verfügung die Abweisung der Beschwerde.
 
F.
 
X.________ hat eine Replik eingereicht. Er hält an seinen Anträgen fest.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben.
 
1.2 Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 i.V.m. Art. 130 Abs. 1 BGG zulässig.
 
1.3 Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde befugt.
 
1.4 Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab. Es handelt sich nach der zutreffenden Auffassung der Staatsanwaltschaft um einen Zwischenentscheid nach Art. 93 BGG. Dagegen ist gemäss Absatz 1 lit. a dieser Bestimmung die Beschwerde zulässig, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann.
 
Zwar legt der Beschwerdeführer nicht dar, inwiefern ihm der angefochtene Entscheid einen solchen Nachteil bewirken können soll. Damit kommt er insoweit seiner Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) nicht nach. Ist der nicht wieder gutzumachende Nachteil offensichtlich, führt dies jedoch nicht zum Nichteintreten (BGE 1B_208/2009 vom 13. Januar 2010 E. 4 mit Hinweisen).
 
Der Beschwerdeführer stützt seine Argumentation in der Sache namentlich auf das Urteil 1B_313/2009 vom 26. November 2009. Dort bejahte das Bundesgericht in einem Fall wie hier den nicht wieder gutzumachenden Nachteil. Es führte aus, der (damalige) Beschwerdeführer müsste, sofern es beim angefochtenen Entscheid bliebe, seine Zeit weiterhin in Haft verbringen und könnte die von ihm gewünschte Massnahme nicht antreten. Der sich für den Beschwerdeführer daraus ergebende Nachteil könnte auch mit einem für ihn günstigen Endentscheid - d.h. der späteren Anordnung einer Massnahme durch das Sachgericht - nicht mehr behoben werden (E. 1.).
 
Entsprechend verhält es sich hier. Der nicht wieder gutzumachende Nachteil liegt damit auf der Hand (vgl. auch Urteil 1B_320/2008 vom 7. Januar 2009 E. 1). Die Beschwerde ist deshalb auch insoweit zulässig.
 
1.5 Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
 
2.
 
2.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, Art. 58 Abs. 1 StGB und § 75 Abs. 5 des Gesetzes vom 11. November 1958 des Kantons Aargau über die Strafrechtspflege (StPO; SAR 251.100) regelten den vorzeitigen Massnahmeantritt. Die Praxis der Vorinstanz, den vorzeitigen Massnahmeantritt nur zu bewilligen, wenn dieser dringlich sei, verletze Art. 58 Abs. 1 StGB, da die Dringlichkeit nach dieser Bestimmung kein massgebliches Kriterium darstelle. Zwar habe das Bundesgericht in anderen Fällen erwogen, das Kriterium der Dringlichkeit dürfe berücksichtigt werden. Dies - so der Beschwerdeführer weiter - könne aber nur so weit gelten, als dieses Kriterium in eine Interessenabwägung einbezogen werde. Alleine auf die Dringlichkeit abzustellen verletze Art. 58 Abs. 1 StGB. Ebenso liege darin eine willkürliche Anwendung von § 75 Abs. 5 StPO.
 
2.2
 
2.2.1 Gemäss Art. 58 Abs. 1 StGB kann dem Täter gestattet werden, den Vollzug vorzeitig anzutreten, wenn die Anordnung einer Massnahme nach den Artikeln 59-61 oder Artikel 63 zu erwarten ist. Diese Bestimmung wurde mit dem neuen Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, in Kraft sei 1. Januar 2007, eingeführt.
 
Aufgrund von Art. 58 Abs. 1 StGB besteht die grundsätzliche Möglichkeit des vorzeitigen Antritts einer therapeutischen Massnahme ungeachtet einer entsprechenden Bestimmung im kantonalen Strafprozessrecht. Das kantonale Recht kann aber den Sachbereich näher regeln und dabei den vorzeitigen Vollzug von bestimmten weiteren Voraussetzungen abhängig machen (Urteil 1B_313/2009 vom 26. November 2009 E. 2.2 mit Hinweisen).
 
2.2.2 Gemäss § 75 Abs. 5 StPO kann anstelle von Untersuchungshaft in sinngemässer Anwendung von Absatz 3 und 4 auch der vorzeitige Vollzug einer Massnahme gestattet oder angeordnet werden. Die Staatsanwaltschaft ist vor dem Entscheid anzuhören.
 
§ 75 Abs. 3 StPO regelt die Kompetenz zur Anordnung des vorzeitigen Strafvollzugs. § 75 Abs. 4 StPO umschreibt die Stellung des Gefangenen im vorzeitigen Strafvollzug.
 
§ 75 StPO macht den vorzeitigen Massnahmeantritt von keinen über Art. 58 Abs. 1 StGB hinausgehenden Voraussetzungen abhängig.
 
2.2.3 Nach der Rechtsprechung steht der zuständigen Behörde beim Entscheid über die Bewilligung des vorzeitigen Massnahmeantritts ein Ermessensspielraum zu (Urteil 1 B_313/2009 vom 26. November 2009 E. 2.2 mit Hinweisen).
 
2.3
 
2.3.1 Die Vorinstanz stützt ihren Entscheid (E. 1) auf die bundesgerichtlichen Urteile 1B_113/2008 vom 22. Mai 2008 und 1B_320/2008 vom 7. Januar 2009, welche beide den Kanton Aargau betrafen.
 
Im Fall, der dem Urteil 1B_113/2008 vom 22. Mai 2008 zugrunde lag, hatte die Vorinstanz den vorzeitigen Massnahmeantritt mit im Wesentlichen gleicher Begründung wie hier abgelehnt. Das Bundesgericht befand, die Auffassung der Vorinstanz, der vorzeitige Massnahmeantritt sei mit Rücksicht auf die Entscheidkompetenzen des Sachrichters nur in dringenden Fällen anzuordnen, stehe nicht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung. Die im angefochtenen Entscheid zum Ausdruck gebrachte Ermessensausübung erscheine nicht als bundesrechtswidrig, auch wenn die Dringlichkeit der Massnahme im Gesetz nicht ausdrücklich als Voraussetzung für den vorzeitigen Massnahmeantritt erwähnt sei (E. 2.5).
 
Im Fall, über den im Urteil 1B_320/2008 vom 7. Januar 2009 zu befinden war, hatte die Vorinstanz den vorzeitigen Massnahmeantritt ebenfalls mangels Dringlichkeit abgelehnt. Das Bundesgericht erwog, es sei weder eine verfassungswidrige Anwendung des kantonalen Strafprozessrechts ersichtlich noch eine Verletzung bzw. Vereitelung von Bundesstrafrecht (E. 5.2).
 
2.3.2 Der Beschwerdeführer beruft sich demgegenüber auf das Urteil 1B_313/2009 vom 26. November 2009.
 
Dort ging es um einen Fall aus dem Kanton Zürich. Der Haftrichter wies ein Gesuch um Bewilligung des vorzeitigen Massnahmeantritts ab. Zur Begründung führte er aus, aufgrund des psychiatrischen Gutachtens und des Antrags der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift sei offen, ob die Anordnung einer freiheitsentziehenden Massnahme oder eine ambulante Massnahme bei gleichzeitiger Verbüssung einer Freiheitsstrafe durch das Sachgericht zu erwarten sei. Mit der Bewilligung des vorzeitigen Massnahmeantritts würde der Entscheid des Sachgerichts damit in nicht zu rechtfertigender Weise präjudiziert.
 
Das Bundesgericht hob den Entscheid des Haftrichters auf. Es befand, die von diesem gegebene Begründung überzeuge nicht. Der Haftrichter habe von seinem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht. Er hätte dem Beschuldigten die Möglichkeit geben müssen, mit der Massnahme zu beginnen (E. 2.3).
 
2.4 Die Entscheide in den Aargauer Fällen einerseits und im Zürcher Fall anderseits weisen in verschiedene Richtungen. Die Rechtsprechung bedarf der Klärung.
 
Die Vorinstanz ist der Auffassung, mit dem vorzeitigen Massnahmeantritt werde der Entscheid des Sachgerichts präjudiziert. Sie will den vorzeitigen Massnahmeantritt deshalb nur in dringenden Fällen zulassen.
 
Dem kann nicht gefolgt werden. Wird der vorzeitige Massnahmeantritt bewilligt, bindet das den Sachrichter in rechtlicher Hinsicht nicht. Er bleibt frei, die vorzeitig angetretene Massnahme definitiv oder eine andere Massnahme anzuordnen oder auf eine solche gänzlich zu verzichten. Der vorzeitige Massnahmeantritt bindet den Sachrichter auch faktisch nicht so, dass er die vorzeitig angetretene Massnahme nur noch bestätigen könnte. Der vorzeitige Massnahmeantritt stellt für den Sachrichter vielmehr eine Entscheidungshilfe dar. Hat sich die vorzeitig angetretene Massnahme bewährt, wird er diese in der Regel definitiv anordnen. Hat sie sich dagegen nicht bewährt, wird er von ihrer Anordnung regelmässig absehen. In jedem Fall kann der Sachrichter seinen Entscheid auf eine gesichertere Grundlage stellen. Er ist nicht auf die Würdigung des Gutachtens beschränkt, sondern kann Erfahrungen, die im vorzeitigen Massnahmevollzug gesammelt werden konnten, berücksichtigen (BGE 126 I 172 E. 3a S. 174; MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 2. Aufl. 2007, N. 1 zu Art. 58 StGB). Darin liegt ein wesentlicher Vorteil dieses Rechtsinstituts. Namentlich mit Blick darauf hat es der Bundesgesetzgeber in Art. 58 Abs. 1 StGB eingeführt (Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches, BBl 1999 2073). Die Vorinstanz lässt dies ausser Acht. Sie geht in der Sache davon aus, der vorzeitige Massnahmeantritt schränke die Freiheit des Sachrichters ein und behindere dessen Entscheid, was nach dem Gesagten nicht zutrifft.
 
Der vorzeitige Massnahmeantritt ermöglicht überdies, die Zeit der Untersuchung sinnvoll zu nutzen (Botschaft, a.a.O.; HEER, a.a.O.). Auch dem trägt die Vorinstanz keine Rechnung. Nach den Darlegungen des Bezirksamtes (Vernehmlassung S. 2) ist das Untersuchungsverfahren abgeschlossen. Das Bezirksamt bemerkt, es werde nun den Schlussbericht erstellen und die Akten an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung überweisen. Der Beschwerdeführer bringt (Replik S. 2) vor, bis zum sachrichterlichen Urteil werde noch mindestens ein halbes Jahr verstreichen. Ob dieses Urteil allenfalls früher ergehen kann, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass es bis zum sachrichterlichen Urteil noch einige Monate dauern wird, da es um eine umfangreichere Strafsache mit dem Vorwurf insbesondere des bewaffneten Raubes in neun Fällen geht. Bliebe es beim angefochtenen Entscheid, müsste der Beschwerdeführer diese Zeit im vorzeitigen Strafvollzug verbringen. Sie könnte für seine stationäre Behandlung nicht genutzt werden, obwohl diese die Gutachterinnen als notwendig erachten und der Beschwerdeführer massnahmewillig ist. Aufgrund des Gutachtens ist anzunehmen, dass sich die Aussichten auf eine Legalbewährung mit der Behandlung des Beschwerdeführers erheblich verbessern lassen. Damit liegt es nicht nur in dessen privatem Interesse, dass er mit der Massnahme möglichst früh beginnen kann, sondern besteht daran auch ein öffentliches Interesse.
 
Mit dem vorzeitigen Massnahmeantritt lässt sich zudem vermeiden, dass die Therapiebereitschaft des Beschuldigten durch eine längere Haft zerstört wird (Botschaft, a.a.O.; HEER, a.a.O.). Auch dem ist hier Rechnung zu tragen. Der Beschwerdeführer ist - wie sich aus dem Gutachten ergibt und sein Gesuch um Bewilligung des vorzeitigen Massnahmeantritts zeigt - bereit, sich der Behandlung zu stellen. Würde dem Beschwerdeführer der vorzeitige Massnahmeantritt jetzt verweigert und müsste er daher weitere Monate im vorzeitigen Strafvollzug bleiben, könnte sich das nachteilig auf seine Behandlungsbereitschaft auswirken.
 
Die Dringlichkeit der Massnahme ist an sich kein sachfremdes Kriterium. Sie stellt aber - wie der Beschwerdeführer zutreffend einwendet - nur ein Kriterium neben anderen dar. Der Frage der Dringlichkeit kommt keine allein ausschlaggebende Bedeutung zu.
 
Die Vorinstanz hat danach wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. bundesrechtswidrig gewichtet und somit von ihrem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht. Ihr Entscheid verletzt Art. 58 Abs. 1 StGB. Ob sie überdies § 75 StPO willkürlich angewandt habe, kann offenbleiben.
 
2.5 Aufgrund der Darlegungen im psychiatrischen Gutachten ist der Beschwerdeführer offensichtlich behandlungsbedürftig und ist die Anordnung einer stationären Massnahme nach Art. 59 StGB durch das Sachgericht zu erwarten. Die entsprechende Voraussetzung für die Bewilligung des vorzeitigen Massnahmeantritts gemäss Art. 58 Abs. 1 StGB ist daher erfüllt.
 
Aus den (E. 2.4) dargelegten Gründen sprechen gewichtige sachliche Gesichtspunkte für die Bewilligung des vorzeitigen Massnahmeantritts. Mit Blick darauf ist dieser dem Beschwerdeführer zu gestatten, auch wenn - was Letzterer bestreitet - seine Behandlung allenfalls nicht dringlich sein sollte. Da die Angelegenheit spruchreif ist, kann das Bundesgericht selber entscheiden (Art. 107 Abs. 2 BGG). Es wird Sache der kantonalen Vollzugsbehörde sein, den Beschwerdeführer möglichst rasch in eine geeignete Massnahmeanstalt einzuweisen.
 
3.
 
Die Beschwerde wird gutgeheissen.
 
Kosten werden keine erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton hat dem Anwalt des Beschwerdeführers eine Entschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist damit gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung des Präsidiums der Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau vom 31. März 2010 aufgehoben.
 
2.
 
Der vorzeitige Massnahmeantritt wird bewilligt.
 
3.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
4.
 
Der Kanton Aargau hat dem Vertreter des Beschwerdeführers, Fürsprecher Dr. Christoph Rüedi, eine Entschädigung von Fr. 2'500.-- zu bezahlen.
 
5.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, dem Bezirksamt Lenzburg und dem Obergericht des Kantons Aargau, Präsidium der Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 28. April 2010
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Féraud Härri
 
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