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Informationen zum Dokument  BGer 8C_172/2010  Materielle Begründung
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BGer 8C_172/2010 vom 29.03.2010
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_172/2010
 
Urteil vom 29. März 2010
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille,
 
Gerichtsschreiber Lanz.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
S.________, vertreten durch Advokatin Raffaella Biaggi,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Bundesverwaltungsgericht, Postfach, 3000 Bern 14,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (vorinstanzliches Verfahren, unentgeltlicher Rechtsbeistand),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Januar 2010.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
In einem vor dem Bundesverwaltungsgericht hängigen Beschwerdeverfahren betreffend Leistungen der Invalidenversicherung ersuchte S.________ als Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unter Beiordnung ihrer Rechtsvertreterin als unentgeltliche Prozessbeiständin.
 
B.
 
Mit Entscheid vom 21. Januar 2010 gewährte das Bundesverwaltungsgericht S.________ die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von Gerichtskosten, wies das Gesuch aber bezüglich der unentgeltlichen Verbeiständung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, zwar sei S.________ als bedürftig und die Beschwerde nicht als aussichtslos zu betrachten. Es fehle aber an der Notwendigkeit einer anwaltlichen Verbeiständung.
 
C.
 
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben, soweit die unentgeltliche Verbeiständung verweigert worden sei, und das Bundesverwaltungsgericht sei zu verpflichten, dem gestellten Gesuch auch diesbezüglich zu entsprechen. Weiter wird um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das letztinstanzliche Verfahren ersucht.
 
Das Bundesverwaltungsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Der selbstständig eröffnete Entscheid, mit der im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung abgewiesen wurde, stellt praxisgemäss einen Zwischenentscheid dar, welcher geeignet ist, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zu verursachen, und daher sofort gesondert angefochten werden kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; Urteil 2C_143/2008 vom 10. März 2008 E. 2 mit Hinweis; vgl. auch SVR 2009 UV Nr. 12 S. 49, 8C_530/2008 E. 2.3 und 2.4; Urteil 8C_422/2009 vom 30. November 2009 E. 1.2, je mit Hinweisen). Auf die Beschwerde ist einzutreten, zumal auch die übrigen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind.
 
2.
 
Die Beschwerdeführerin beanstandet, das Bundesverwaltungsgericht habe ihren Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung verletzt. Sie beruft sich dabei zunächst auf Art. 29 Abs. 3 BV und sodann auf Art. 37 Abs. 4 ATSG. Letztere Bestimmung beschlägt indessen das Verfahren vor dem Sozialversicherungsträger. Für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt - als Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes gemäss Art. 29 Abs. 3 BV - die Regelung des Art. 65 VwVG (vgl. Art. 37 des Bundesgesetzes über das Bundesverwaltungsgericht [Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG]). Dies schadet der Beschwerdeführerin aber nicht, wendet doch das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).
 
3.
 
Streitig und zu prüfen ist, ob das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin für das vorinstanzliche Verfahren einen unentgeltlichen Anwalt zu bestellen hat. Dies bedingt - nebst den vom Bundesverwaltungsgericht bejahten und nicht weiter zu prüfenden Voraussetzungen der prozessualen Bedürftigkeit und der Nichtaussichtslosigkeit der Beschwerdebegehren -, dass ein Anwalt zur Wahrung ihrer Interessen notwendig ist (Art. 65 Abs. 2 VwVG; vgl. auch Art. 29 Abs. 3 BV).
 
Nach der Rechtsprechung trifft dies zu, wenn Interessen der gesuchstellenden Partei in schwerwiegender Weise betroffen sind und der Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erforderlich machen. Droht das in Frage stehende Verfahren besonders stark in die Rechtsposition der betroffenen Person einzugreifen, ist die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters grundsätzlich geboten, sonst nur dann, wenn zur relativen Schwere des Falles besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten hinzukommen, denen der Gesuchsteller auf sich alleine gestellt nicht gewachsen wäre (BGE 130 I 180 E. 2.2 S. 182 mit Hinweisen; MARCEL MAILLARD, in: Waldmann/Weissenberger [Hrsg.], Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2009, N 38 zu Art. 65; MARTIN KAYSER, in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2008, N 29 ff. zu Art. 65).
 
4.
 
Das kantonale Gericht hat erwogen, die Interessen der Beschwerdeführerin würden zwar in relativ schwerwiegender Weise betroffen. Es stellten sich aber im als durchschnittlich zu betrachtenden Beschwerdeverfahren keine heiklen Rechtsfragen und der Sachverhalt erscheine keineswegs komplex. Hinzu komme, dass die Beschwerdeführerin die deutsche Sprache gut beherrsche und keine psychischen Beeinträchtigungen geltend gemacht würden. Unter diesen Umständen sei der Beizug eines Rechtsvertreters zur Wahrung der Interessen der Beschwerdeführerin nicht notwendig.
 
Diese Betrachtungsweise überzeugt nicht. Im Hauptverfahren geht es darum, ob die immerhin seit März 1996 bezogene ganze Rente der Invalidenversicherung revisionsweise auf eine Viertelsrente herabzusetzen ist. Das Interesse der Beschwerdeführerin an einem für sie günstigen Entscheid ist daher mit der Vorinstanz als gewichtig zu betrachten. Entgegen dem angefochtenen Entscheid ist aber ein Gerichtsverfahren, in welchem es um einen Rentenanspruch geht, trotz der geltenden Untersuchungsmaxime nicht ohne weiteres als einfach zu betrachten. Das gilt erst recht, wenn wie hier die revisionsweise Herabsetzung einer laufenden Rente zu überprüfen ist, stellen sich doch hiebei in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht oft komplexere Fragen als bei der erstmaligen Beurteilung eines Rentenanspruchs. Es besteht nach Lage der Akten kein Anlass zu Annahme, dass dies im vorliegenden Fall nicht zutrifft. Bei dieser Ausgangslage erscheint eine anwaltliche Verbeiständung für das vorinstanzliche Verfahren erforderlich. Daran ändert nichts, dass die Beschwerdeführerin der deutschen Sprache mächtig ist.
 
Demnach sind sämtliche Voraussetzungen für die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands im Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht erfüllt.
 
5.
 
Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Die Schweizerische Eidgenossenschaft hat der obsiegenden Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Damit ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das letztinstanzliche Verfahren gegenstandslos.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Januar 2010 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung hat.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Die Schweizerische Eidgenossenschaft hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1200.- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der IV-Stelle für Versicherte im Ausland und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 29. März 2010
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Ursprung Lanz
 
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