VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 9C_899/2009  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 9C_899/2009 vom 26.03.2010
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
9C_899/2009
 
{T 0/2}
 
Urteil vom 26. März 2010
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
 
Bundesrichter Kernen, Seiler,
 
Gerichtsschreiber Traub.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
M.________, vertreten durch Rechtsanwalt Kaspar Saner,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozial-versicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 31. August 2009.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Der 1951 geborene M.________ bezog im Zeitraum Oktober 1984 bis Juli 1989 aufgrund der Folgen eines Verkehrsunfalls eine ganze Invalidenrente. Die Leistung fiel ab August 1989 dahin, weil der Versicherte als selbständigerwerbender Taxichauffeur ein rentenausschliessendes Erwerbseinkommen erzielte. Mit Wirkung ab März 1995 richtete die Invalidenversicherung aufgrund der Folgen multipler Hirninfarkte, eines subakuten Herzinfarktes sowie einer Angina pectoris (Bericht der Klinik X.________ vom 22. August 1994) eine halbe Rente aus (Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 22. Dezember 1995). Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hob mit Entscheid vom 8. September 1999 eine Verfügung der IV-Stelle vom 21. Februar 1997 auf, mit welcher die Leistung auf Ende März 1997 eingestellt werden sollte, und stellte fest, der Versicherte habe weiterhin Anspruch auf eine halbe Invalidenrente. Mit Verfügung vom 1. November 2002 erkannte die IV-Stelle den Anspruch auf eine Invalidenrente mit Wirkung ab September 2001 ab, weil der Versicherte wieder ein leistungsausschliessendes Einkommen erziele. Nachdem sich M.________ am 17. Oktober 2005 neu zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung angemeldet hatte, klärte die Verwaltung die erwerbliche und medizinische Situation und kam zum Schluss, mangels einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes bestehe - bei einem Invaliditätsgrad von 22 Prozent - kein Anspruch auf eine Invalidenrente (durch Einspracheentscheid vom 16. April 2007 bestätigte Verfügung vom 27. Dezember 2005).
 
B.
 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 31. August 2009).
 
C.
 
M.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, es seien ihm, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids, Invalidenleistungen (insbesondere Rente) zuzusprechen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Streitig ist, ob sich im Zeitraum zwischen der leistungseinstellenden Verfügung vom 1. November 2002 oder - wofür der Beschwerdeführer votiert - den für den kantonalen Beschwerdeentscheid vom 8. September 1999 massgebenden Verhältnissen bis Februar 1997 und dem hier strittigen Einspracheentscheid vom 16. April 2007 anspruchsbegründende Tatsachen wesentlich verändert haben.
 
1.2 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 132 V 393 zur auch unter der Herrschaft des BGG gültigen Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen im Bereich der Invaliditätsbemessung [Art. 16 ATSG]).
 
1.3 Das kantonale Gericht hat die zur Beurteilung des Leistungsanspruchs einschlägigen Rechtsgrundlagen (vgl. insbesondere Art. 87 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 IVV und Art. 17 ATSG) und die dazu ergangene Rechtsprechung (teilweise unter Verweisung auf die angefochtene Verfügung) zutreffend dargelegt.
 
Gestützt darauf erwog es, weder der Gesundheitszustand noch dessen erwerbliche Auswirkungen hätten sich im massgebenden Zeitraum wesentlich verändert. Es sei davon auszugehen, dass für im Vergleich zum Jahr 2002 geringere Einkünfte aus dem Taxibetrieb im Jahr 2004 normale erwerbliche Schwankungen oder andere invaliditätsfremde Gründe verantwortlich seien. Die IV-Stelle habe bei der Prüfung der Neuanmeldung den Anspruch auf eine Invalidenrente zu Recht verneint.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer macht beschwerdeweise geltend, der angefochtene Entscheid verletze Bundessozialversicherungsrecht, indem revisionsrechtliche Prämissen unzutreffend angewandt und die Ursachen der negativen erwerblichen Entwicklung willkürlich festgestellt worden seien.
 
2.1 Der seit März 1995 laufende Anspruch auf eine halbe Invalidenrente wurde mit kantonalem Gerichtsentscheid vom 8. September 1999 unter anderem mit der Begründung bestätigt, der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers habe sich seit der ursprünglichen Verfügung vom 22. Dezember 1995 nicht verändert. Mit rechtskräftiger Verfügung vom 1. November 2002 stellte die IV-Stelle die Leistung ein, weil der Versicherte als selbständigerwerbender Taxiunternehmer im Jahr 2000 ein Jahreseinkommen erzielt habe, das über dem Valideneinkommen, also dem aus den Verhältnissen vor Eintritt des massgebenden Gesundheitsschadens abgeleiteten Einkommen, liege; die gesundheitliche Situation spielte dabei keine Rolle.
 
Das Bundesgericht hielt in BGE 130 V 71 E. 3.2.3 S. 77 fest, bei einer Neuanmeldung müsse sich die versicherte Person das (rechtskräftige) Ergebnis der letzten Prüfung des Rentenanspruchs entgegenhalten lassen, wenn diese eine rechtskonforme Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und Durchführung eines Einkommensvergleichs (bei Anhaltspunkten für eine Änderung in den erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitszustands) umfasste. Unerheblich ist, ob es sich bei der Vergleichsgrösse (wie im zitierten Präjudiz) um die Verweigerung einer beantragten Rente oder (wie hier) um die Aberkennung eines bislang bestehenden Anspruchs handelte. Vergleichsbasis zur Entscheidung der Frage, ob bis zum Abschluss des aktuellen Verwaltungsverfahrens eine anspruchserhebliche Veränderung des Sachverhalts eingetreten sei, ist grundsätzlich die letztmalige materielle Prüfung des Rentenanspruchs (vgl. auch BGE 133 V 108). Diese Beurteilung muss aber auch denjenigen anspruchserheblichen Aspekt umfasst haben, auf dessen (behauptete) Veränderung sich die Neuanmeldung stützt. Vorliegend war dies hinsichtlich der medizinischen Situation nicht der Fall. Da für die leistungseinstellende Verfügung vom 1. November 2002 allein erwerbliche Gesichtspunkte wegleitend gewesen waren, macht der Beschwerdeführer an sich zu Recht geltend, dass die Vorinstanz zur Klärung der Frage nach einer anspruchserheblichen gesundheitlich bedingten Änderung des Invaliditätsgrades im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV den Gesundheitszustand im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (Einspracheentscheid vom 16. April 2007) mit den Verhältnissen, wie sie dem Beschwerdeentscheid vom 8. September 1999 zugrunde lagen, hätte vergleichen müssen.
 
2.2 Dies ist im Ergebnis indessen nicht ausschlaggebend. Angesichts der rein erwerblich bedingten rentenausschliessenden Senkung des Invaliditätsgrades im September 2001 müsste sich - vorbehältlich einer wiederum verstärkten erwerblichen Auswirkung des Gesundheitsschadens (unten E. 2.3) - der Gesundheitsschaden gegenüber den Verhältnissen, wie sie der vorangehenden Bestätigung des Anspruchs auf eine halbe Invalidenrente über März 1997 hinaus (kantonaler Beschwerdeentscheid vom 8. September 1999) zugrunde gelegen hatten, verschlimmert haben, damit der Rentenanspruch wieder aufleben könnte. Aus dem neurologischen Gutachten der Klinik X.________ vom 18. September 2006 geht indessen hervor, dass - im Anschluss an eine vollständige Arbeitsunfähigkeit während der Rekonvaleszenz nach den Schlaganfällen - seit November 1994 (höchstens) eine Einschränkung um 50 Prozent wegen rezidivierender Drehschwindelattacken gegeben ist. Von diesem Wert ging auch das kantonale Gericht in seinem Entscheid vom 8. September 1999 aus. Der Hausarzt Dr. A.________ attestierte am 8. Juli 2002 eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit im Umfang von 50 Prozent aufgrund der koronaren Herzkrankheit. Am 1. November 2005 schätzte er die Arbeitsunfähigkeit als "gegenüber 2002 unverändert" ein. Eine Verschlechterung des Gesundheitsschadens ist damit nicht ausgewiesen, wie das kantonale Gericht im angefochtenen Entscheid nicht offensichtlich unrichtig (vgl. oben E. 1.2) festgehalten hat. Mit der Vorinstanz kann somit offen gelassen werden, ob aufgrund der Feststellungen im erwähnten neurologischen Gutachten im Herbst 2006 gar von einer vollständigen Arbeitsfähigkeit im Beruf des Taxifahrers auszugehen war.
 
2.3 Die Vorinstanz hat nach Würdigung der Akten angenommen, zur Erklärung einer insbesondere für das Jahr 2004 geltend gemachten Ertragseinbusse schieden gesundheitliche Gründe aus, da sich diese seit der Rentenaufhebung nicht wesentlich verschlechtert hätten. Es fehlten auch Anhaltspunkte dafür, dass sich die erwerblichen Auswirkungen des gleich gebliebenen Gesundheitsschadens erheblich verändert hätten. Es stelle sich gar die Frage, ob aufgrund der neuen Betriebsstruktur - bei der Abklärung vor Ort im Jahr 1995 habe der Beschwerdeführer noch über zwei Taxis, 2006 bereits über drei Taxis verfügt, wobei er von den für ihn fahrenden Chauffeuren jeweils die Hälfte des Fahrertrags erhalte - längerfristig und unter Ausserachtlassung kurzfristiger Schwankungen der Geschäftserträge eine Verbesserung der erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens zu erwarten sei. Die Feststellung tatsächlicher Natur, der Rückgang des Unternehmenserfolgs sei auf erwerbliche Faktoren zurückzuführen, die auch ohne Gesundheitsschaden zum Tragen kämen, also nicht als veränderte erwerbliche Auswirkungen des Gesundheitsschadens qualifiziert werden können, ist ebenfalls nicht offensichtlich unrichtig.
 
2.4 Die Vorinstanz hat mithin zu Recht geschlossen, bis zum Einspracheentscheid vom 16. April 2007 sei keine rentenbegründende Veränderung des medizinischen oder erwerblichen Sachverhalts eingetreten.
 
3.
 
Dem Verfahrensausgang entsprechend werden die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Diese Verfügung wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 26. März 2010
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Meyer Traub
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).