VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 1B_288/2009  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 1B_288/2009 vom 26.02.2010
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1B_288/2009
 
Urteil vom 26. Februar 2010
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Reeb, Eusebio,
 
Gerichtsschreiber Störi.
 
Parteien
 
A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Mannhart,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn.
 
Gegenstand
 
Prozesskostensicherheit,
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 7. September 2009 des Obergerichts des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.________ reichte am 11. Februar 2009 bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn folgende Strafanträge und Strafanzeigen ein:
 
- gegen B.________ Strafantrag wegen unbefugter Aufnahme von Ge sprächen (Art. 179ter StGB) und Strafanzeige wegen Verleumdung (Art. 174 StGB), Irreführung der Rechtspflege (Art. 304 StGB) und falscher Anschuldigung (Art. 303 StGB);
 
- gegen C.________ und D.________ Strafantrag wegen Auswertung einer unbefugten Aufnahme von Gesprächen Dritter (Art. 179ter StGB) sowie Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs (Art. 312 StGB) ; und
 
- gegen Rechtsanwältin E.________ Strafantrag wegen Weitergabe einer unbefugten Aufnahme von Gesprächen (Art. 179ter StGB).
 
Die Strafanträge und -anzeigen beruhen auf folgendem Sachverhalt:
 
A.________, Leiter Hausdienst der F.________ AG, wurde am 2. Februar 2009 per sofort freigestellt, weil er B.________ sexuell belästigt und gemobbt haben soll. A.________ bestreitet die Vorwürfe. Der Verdacht gegen ihn gründet im Wesentlichen auf der Tonband-Aufnahme eines Mitarbeitergesprächs zwischen ihm und B.________, welches letztere heimlich aufgenommen haben soll. Deren Rechtsvertreterin, Rechtsanwältin E.________, habe diese Tonbandaufnahme aufbewahrt, ausgewertet und der Arbeitgeberin von A.________ zukommen lassen, obwohl sie um die Umstände der unbefugten Gesprächsaufnahme gewusst habe. C.________ und D.________ hätten für die F.________ AG die Vorwürfe gegen A.________ unter Verwendung der unbefugten Gesprächsaufnahme untersucht.
 
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn eröffnete am 2. März 2009 gegen B.________, C.________ und D.________ sowie am 5. März 2009 gegen Rechtsanwältin E.________ die von A.________ angestrengten Strafverfahren und forderte ihn in allen vier Verfahren unter Androhung des Nichteintretens bei Säumnis auf, innert 10 Tagen eine Prozesskostensicherheit von je Fr. 2'500.-- zu leisten.
 
Auf Beschwerde von A.________ hin hob die Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Solothurn diese vier Verfügungen am 31. März 2009 auf. Sie erwog, die Erhebung einer Prozesskaution von je Fr. 2'500.-- erscheine prohibitiv hoch, zumal sie die Staatsanwaltschaft lediglich mit einem Hinweis auf die einschlägige Gesetzesbestimmung begründet und zudem übersehen habe, dass es bei den Verfahren gegen B.________, C.________ und D.________ nicht nur um kautionspflichtige Antragsdelikte gehe, sondern auch um solche, die von Amtes wegen zu verfolgen seien.
 
B.
 
Am 13. Juli 2009 eröffnete die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen E.________ ein Strafverfahren und verfügte, A.________ habe binnen 10 Tagen ab Zustellung eine Prozesskostensicherheit von Fr. 2'500.-- zu leisten, unter der Androhung, dass sonst auf den Strafantrag nicht eingetreten werde.
 
Am 7. September 2009 wies die Beschwerdekammer des Obergerichts die Beschwerde von A.________ gegen diese Verfügung der Staatsanwaltschaft ab.
 
C.
 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, dieses obergerichtliche Urteil aufzuheben und ihn von der Leistung einer Prozesskostensicherheit zu befreien.
 
D.
 
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft beantragen unter Verweis auf den angefochtenen Entscheid, die Beschwerde abzuweisen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Der angefochtene Entscheid schliesst das vom Beschwerdeführer angestrengte Strafverfahren nicht ab, es handelt sich somit um einen Zwischenentscheid in Strafsachen. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen zulässig, sofern er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur bewirken kann (Art. 78 Abs. 1, Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Wie die nachstehenden Erwägungen zeigen, erweist sich die Beschwerde als materiell unbegründet. Deshalb ist diese Eintretensfrage nicht weiter zu vertiefen.
 
2.
 
Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, die Begründungspflicht und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt zu haben.
 
2.1 Die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 13. Juli 2009, mit welcher dem Beschwerdeführer eine Prozesskaution von Fr. 2'500.-- auferlegt wurde, ist kurz begründet. Nach § 31 der Strafprozessordnung des Kantons Solothurn vom 7. Juni 1970 (StPO) gehöre zu den allenfalls dem Strafantragssteller zu überbindenden Prozesskosten auch die Parteientschädigung, welche der Beschuldigten im Falle eines Freispruchs zuzusprechen sei, sofern es sich nicht um eine Bagatelle gehandelt habe. Die sich stellenden Rechtsfragen wiesen keinen Bagatellcharakter auf, und es liege auf der Hand, dass sich die Beschuldigte im Strafverfahren durch einen Anwalt vertreten lasse, wie dies üblich sei. Es sei daher wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer im Falle eines Freispruchs nebst den Untersuchungs- und Gerichtskosten auch eine Parteientschädigung bezahlen müsse.
 
Für das Obergericht hat die Staatsanwaltschaft damit ihre verfassungs- und konventionsrechtliche Begründungspflicht erfüllt. Es sei gerichtsnotorisch, dass bei Antragsdelikten regelmässig Kostenvorschüsse eingefordert würden. Die Staatsanwaltschaft habe dies daher nicht zu begründen brauchen, auch wenn die einschlägige Rechtsgrundlage (§ 82 StPO) als "Kann-Vorschrift" ausgestaltet sei. Die Höhe der Prozesskaution sei mit dem Hinweis darauf, dass sie auch die Parteientschädigung an die Gegenpartei miteinschliesse, ausreichend begründet und nicht zu beanstanden.
 
2.2 Aus dem aus Art. 29 Abs. 2 BV abgeleiteten Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich für den Richter die Pflicht, seinen Entscheid zu begründen. Er muss wenigstens kurz die wesentlichen Überlegungen darlegen, von denen er sich dabei hat leiten lassen, sodass der Betroffene den Entscheid in voller Kenntnis der Sache anfechten kann. Dabei muss sich der Richter nicht mit allen tatsächlichen Behauptungen und rechtlichen Einwänden auseinandersetzen. Er kann sich vielmehr auf die für seinen Entscheid erheblichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 126 I 97 E. 2b; 123 I 31 E. 2c; 122 IV 8 E. 2c; 121 I 54 E. 2c; je mit Hinweisen).
 
2.3 Nach der unbestrittenen Feststellung des Obergerichts wird im Kanton Solothurn bei Antragsdelikten vom Strafantragssteller in konstanter Praxis regelmässig eine Prozesskaution verlangt. Die Staatsanwaltschaft durfte voraussetzen, dass dem im Kanton Solothurn als Anwalt tätigen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers diese Praxis zu § 82 StPO bekannt war. Nachdem dieser nicht beantragt hatte, das Strafverfahren ohne Leistung einer Prozesskaution zu führen, war die Staatsanwaltschaft verfassungsrechtlich nicht verpflichtet zu begründen, dass und weshalb sie im vorliegenden Fall eine solche einforderte.
 
Die vom Beschwerdeführer gegen die Rechtsanwältin E.________ erhobenen Vorwürfe sind keine Bagatellen, was sich schon daraus ergibt, dass es sich beim Straftatbestand von Art. 179ter StGB um ein Vergehen, nicht bloss um eine Übertretung handelt. Für den Fall einer Verurteilung hätte sie zudem nach der naheliegenden Einschätzung des Obergerichts mit standesrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Es wäre aus ihrer Sicht somit durchaus sachgerecht, sich im Strafverfahren von einem Kollegen vertreten zu lassen, der ihre Interessen mit professioneller Distanz und Objektivität wahrnehmen kann. Auch wenn die Abklärung des Sachverhaltes wohl keine besonderen Schwierigkeiten bietet und sich im Wesentlichen in wenigen Einvernahmen erschöpfen wird, ist auch für den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers leicht absehbar, dass die Verteidigung von Rechtsanwältin E.________ bis zum erstinstanzlichen Urteil einen Aufwand von mindestens 1-2 Tagen erfordern wird. Es musste ihm damit auch ohne Ausführungen der Staatsanwaltschaft zur Höhe der Prozesskaution bewusst sein, dass sein Mandant im Fall des Unterliegens damit rechnen muss, zu Verfahrenskosten und einer Parteintschädigung an die Gegenpartei in der Grössenordnung von Fr. 2'500.-- verurteilt zu werden. Die Staatsanwaltschaft war unter diesen Umständen verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, deren Berechnung näher zu begründen.
 
3.
 
Der Beschwerdeführer rügt die Auferlegung einer Prozesskaution als willkürlich. Nach § 32 Abs. 3 StPO könnten die bei der Verfolgung eines Antragsdelikts anfallenden Kosten ausnahmsweise dem Staat auferlegt werden, wenn "der Antragssteller nach sorgfältiger Prüfung des Sachverhaltes begründeten Anlass hatte, Strafantrag zu stellen, und dem Beschuldigten kein verwerfliches oder leichtfertiges schuldhaftes Verhalten zur Last gelegt werden kann". Er habe begründeten Anlass gehabt, Strafantrag zu erheben, sodass selbst bei einem nicht zu erwartenden Freispruch der Staat die Kosten tragen würde. Es sei daher willkürlich, von ihm eine Prozesskaution zu verlangen.
 
Der Beschwerdeführer mag zwar subjektiv durchaus davon überzeugt sein, aus guten Gründen und nach bestem Gewissen Strafantrag gestellt zu haben und daher nach der oben angeführten Bestimmung kein Kostenrisiko einzugehen. Ob dies objektiv so ist, wird allerdings erst die Untersuchung zeigen. Für die Staatsanwaltschaft und das Obergericht steht dies im jetzigen Zeitpunkt keineswegs fest. Das Gleiche gilt für die Ausführungen des Beschwerdeführers, Rechtsanwältin E.________ müsse sich auch für den unwahrscheinlichen Fall eines Freispruchs vorwerfen lassen, das Verfahren durch leichtfertiges Verhalten schuldhaft verursacht zu haben, womit sie und nicht er das Kostenrisiko trage. Es ist daher ohne Weiteres vertretbar, vom Beschwerdeführer als Strafantragsteller eine Prozesskaution zu verlangen. Die Willkürrüge ist unbegründet.
 
4.
 
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Prozesskaution erweise sich im Vergleich mit den in den drei anderen Verfahren erhobenen, weit tieferen Beträgen, als willkürlich hoch. Als Beweis reicht er in der Beschwerdebeilage die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 23. September 2009 in Sachen Studer gegen B.________ ein, mit welcher vom Beschwerdeführer ein Kaution von Fr. 300.-- gefordert wurde.
 
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist einzig, ob der angefochtene Entscheid des Obergerichts Bundesrecht verletzt. Der Umstand, dass in den drei anderen Verfahren (oder wenigstens in einem von ihnen) die Prozesskautionen substanziell gesenkt wurden, lässt die vorliegend zu beurteilende Kaution noch nicht als willkürlich hoch erscheinen. Die Fälle unterscheiden sich nach den zutreffenden Ausführungen des Obergerichts im Urteil vom 31. März 2009 darin, dass Rechtsanwältin E.________ einzig ein Antragsdelikt vorgeworfen wird. Den anderen drei Beschuldigten werden auch Offizialdelikte angelastet, sodass es in diesen drei Fällen unzulässig ist, vom Strafantragssteller die Sicherstellung der gesamten Kosten zu verlangen. Dies vermag auch erhebliche Unterschiede der Kautionshöhen zu rechtfertigen. Entscheidend für den Beschwerdeführer ist zudem, dass die anfänglich in ihrer Gesamtheit prohibitiv hohen Kautionen von insgesamt Fr. 10'000.-- massiv gesenkt wurden, was nach seinen Ausführungen der Fall ist. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die Höhe der Kaution nicht als willkürlich.
 
5.
 
Der Beschwerdeführer macht unter Berufung auf Christof Riedo (in: Niggli/Wiprächtiger, Basler Kommentar zum Strafrecht, Bd. 1, 2.A. Basel 2007, N. 45b zu Art. 30) geltend, der Strafanspruch stehe auch bei Antragsdelikten dem Staat zu, weshalb es bundesrechtswidrig sei, deren Verfolgung von einer Prozesskostensicherheit des Strafantragsstellers abhängig zu machen.
 
Es trifft zwar zu, dass der Strafanspruch auch bei Antragsdelikten dem Staat zusteht. Deren Verfolgung steht indessen im Belieben des Strafantragsberechtigten. Es ist daher nicht bundesrechtswidrig, ihm für den Fall eines unberechtigten oder gar leichtfertigen Antrags ein gewisses Kostenrisiko aufzubürden. Zudem kann der Privatkläger, der nicht über die nötigen Mittel verfügt, um eine Prozesskostensicherheit zu leisten, nach § 82 StPO auf Gesuch hin von der Vorschusspflicht befreit werden. Es lässt sich daher nicht sagen, die Einforderung einer (massvollen) Prozesskostensicherheit vereitle die Durchsetzung des materiellen Strafrechts, indem die Ausübung des Strafantragsrechts durch das prozessuale Vorschriften übermässig und ungerechtfertigt behindert würde. Die Rüge ist unbegründet.
 
6.
 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, vom 26. Februar 2010
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:
 
Aemisegger Störi
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).