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Informationen zum Dokument  BGer 6B_772/2009  Materielle Begründung
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BGer 6B_772/2009 vom 16.02.2010
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_772/2009
 
Urteil vom 16. Februar 2010
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Favre, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Gerichtsschreiber Boog.
 
Parteien
 
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Pius Fryberg,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, 9001 St. Gallen,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Rückversetzung in den stationären Massnahmenvollzug,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 2. Juli 2009.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ verbüsste seit dem 25. Januar 2005 in der Anstalt Realta mehrere Freiheitsstrafen aus verschiedenen Urteilen (insgesamt 37 Monate und 19 Tage Gefängnis). Auf Antrag des Anstaltsarztes wurde der Strafvollzug am 31. Januar 2005 (erneut) unterbrochen. Nach verschiedenen Spital- und Klinikaufenthalten trat X.________ am 8. März 2005 in die Forel Klinik, Ellikon an der Thur, über. Mit nachträglicher richterlicher Anordnung sprach das Kreisgericht Werdenberg-Sargans am 15. Februar 2005 eine stationäre Alkoholtherapie aus und schob den Vollzug der Strafen auf. X.________ wurde per 29. Juli 2005 vom damaligen Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen bedingt aus dem stationären Massnahmenvollzug in der Forel Klinik entlassen, unter Auferlegung einer Probezeit von zwei Jahren. Gleichzeitig ordnete es eine Bewährungshilfe an. Am 9. November 2007 wurde X.________ wegen Rückfalls bezüglich seiner Alkoholabhängigkeit vom Departement verwarnt und wurden die Probezeit sowie die Dauer der Bewährungshilfe um ein Jahr verlängert.
 
B.
 
Das Kreisgericht Werdenberg-Sargans erkannte mit Entscheid vom 19. August 2008, X.________ sei in den stationären Massnahmenvollzug zurückzuversetzen.
 
Eine gegen diesen Entscheid von X.________ erhobene Berufung wies das Kantonsgericht St. Gallen mit Urteil vom 2. Juli 2009 ab.
 
C.
 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Rückweisung der Sache an das Kreisgericht Werdenberg-Sargans, eventualiter an die Vorinstanz zur Neubeurteilung beantragt.
 
D.
 
Das Kantonsgericht St. Gallen hat auf Stellungnahme verzichtet. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen hat sich innert Frist nicht vernehmen lassen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Nach den Feststellungen der kantonalen Instanzen wurde der Beschwerdeführer anlässlich der bedingten Entlassung aus der stationären Alkoholtherapie per 29. Juli 2005 sowie der Verwarnung durch das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen angewiesen, mit der zuständigen Betreuungsperson zusammenzuarbeiten. Ausserdem hatte er sich einer ambulanten Nachbetreuung durch die Sozial- und Suchtberatung Sargans bzw. durch den Sozialdienst für Suchtfragen in Chur sowie regelmässigen Urin- und Blutwertanalysen zur Kontrolle der Alkoholabstinenz zu unterziehen, und wurde zur Einhaltung der Termine und Vereinbarungen angehalten. Bei Missachtung der Weisungen wurde ihm die Rückversetzung in den Massnahmenvollzug angedroht. Dessen ungeachtet wurde der Beschwerdeführer erneut rückfällig. Nach einem Bericht der Bewährungshilfe wiesen die Blutanalysen auf einen erheblichen Alkoholkonsum hin. Ausserdem konnten seine Blutwerte entgegen der Vereinbarung, nach welcher er sich einmal monatlich einer Kontrolle hätte unterziehen sollen, lediglich zwei Mal überprüft werden, wobei die Werte beide Male im pathologischen Bereich lagen. Zudem erschien er seit Januar 2008 nicht mehr auf der Suchtfachstelle (angefochtenes Urteil S. 2 f., 4 f.).
 
Aufgrund dieser Umstände gelangt die Vorinstanz zum Schluss, die ambulante Betreuung habe nicht den erhofften Erfolg gebracht. Da der Beschwerdeführer keinen Kooperationswillen gezeigt habe, hätten erneute Anordnungen im Sinne von Art. 95 Abs. 4 StGB keinen Sinn mehr. Die festgestellten Blutwerte und sein immer unzuverlässigeres Verhalten in Bezug auf die Bewährungsauflagen wiesen auf einen erheblichen und andauernden Alkoholmissbrauch hin. Daraus ergebe sich ein hohes Risiko weiterer Trunkenheitsfahrten, zumal der Beschwerdeführer in der Vergangenheit mehrmals wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand habe verurteilt werden müssen. Er sei daher in den stationären Massnahmenvollzug zurückzuversetzen (angefochtenes Urteil S. 5 f.).
 
1.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei letztmals am 20. April 2004 wegen Fahrens in alkoholisiertem Zustand verurteilt worden. Seither sei er nicht mehr straffällig geworden. Die Rückversetzung in den Massnahmenvollzug setze voraus, dass neue Straftaten ernsthaft zu erwarten seien. Diese Prognose lasse sich nicht daraus ableiten, dass er in früheren Jahren wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verurteilt worden sei. Er sei nicht mehr im Besitz des Führerausweises, so dass bereits aus diesem Grund das Risiko künftiger Trunkenheitsfahrten als gering einzustufen sei. Der Umstand allein, dass er in dem von ihm geführten Hotel Zugang zu alkoholischen Getränken habe, genüge nicht für die Annahme, er werde weitere strafbare Handlungen begehen (Beschwerde S. 3 ff.).
 
2.
 
2.1 Gemäss Art. 62a Abs. 6 i.V.m. Art. 95 Abs. 3 StGB erstattet die zuständige Behörde dem Gericht oder den Strafvollzugsbehörden Bericht, wenn sich der Verurteilte der Bewährungshilfe entzieht oder die Weisungen missachtet. Nach Art. 95 Abs. 5 StGB kann das Gericht die bedingte Strafe widerrufen oder die Rückversetzung in den Straf- oder Massnahmenvollzug anordnen, wenn ernsthaft zu erwarten ist, dass der Verurteilte neue Straftaten begehen wird.
 
2.2 Der Beschwerdeführer wurde soweit ersichtlich vier Mal wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verurteilt. Unbestritten ist, dass er seit Jahren schwerwiegende Alkoholprobleme hat und dass von einem chronischen Alkoholabusus ausgegangen werden muss. Ebenfalls fest steht, dass er nach der Übernahme seines Hotelbetriebes diesbezüglich wieder rückfällig geworden ist. Hinsichtlich der ernsthaften Gefahr der Begehung neuer Straftaten ist zunächst zu beachten, dass stets ein erhöhtes Rückfallrisiko anzunehmen ist, wenn sich der Betroffene der Bewährungshilfe entzieht oder die Anordnung von Weisungen missachtet, zumal wenn die günstige Prognose nur in Verbindung mit einer solchen Anordnung gestellt werden konnte (vgl. ANDREA BAECHTOLD, Basler Kommentar, Strafrecht I, 2. Aufl. 2007, Art. 95 N 5 StGB). Im zu beurteilenden Fall fällt zudem ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer nicht bloss die Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe verweigert und sich den ärztlichen Kontrollen entzogen hat, sondern auch hinsichtlich des Alkoholkonsums rückfällig geworden ist. In diesem Kontext verweist die Vorinstanz zu Recht darauf, dass der Beschwerdeführer in dem von ihm betriebenen Hotel über freien Zugang zu alkoholischen Getränken verfügt. Unter diesen Umständen verletzt die Annahme, es sei ernsthaft mit weiteren Trunkenheitsfahrten zu rechnen, kein Bundesrecht. Jedenfalls liegt hierin keine Ermessensverletzung. Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, führt zu keinem anderen Ergebnis. So mag zutreffen, dass der Beschwerdeführer nicht mehr im Besitz des Führerausweises ist, da ihm dieser schon beim vorletzten Vorfall vom 8. August 2002 auf der Stelle und auf unbestimmte Zeit abgenommen wurde. Doch spricht dies nicht gegen die Gefahr erneuter Trunkenheitsfahrten. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Beschwerdeführer beim letzten Vorfall vom 1. Dezember 2003 ein Fahrzeug ohne gültigen Fahrausweis gelenkt hatte. Ausserdem hatte er damals den Wagen seiner Freundin ohne deren Einwilligung benutzt, weswegen er zusätzlich der Entwendung eines Fahrzeugs zum Gebrauch schuldig gesprochen wurde (vgl. Entscheid des Kreisgerichts Werdenberg-Sargans vom 20. April 2004, S. 3 und 7). Weder der Entzug des Führerausweises noch die fehlende Einwilligung der Fahrzeughalterin hat ihn mithin an der Trunkenheitsfahrt zu hindern vermocht.
 
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet.
 
3.
 
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 16. Februar 2010
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Favre Boog
 
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