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Informationen zum Dokument  BGer 8C_927/2009  Materielle Begründung
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BGer 8C_927/2009 vom 17.12.2009
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
8C_927/2009
 
Urteil vom 17. Dezember 2009
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Leuzinger, Niquille,
 
Gerichtsschreiberin Hofer.
 
Parteien
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Marina Kreutzmann,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
 
vom 31. August 2009.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die 1958 geborene A.________ war zuletzt als Sortiererin bei der Unternehmung Z.________ tätig. Da sie seit 1. Oktober 2002 vollständig arbeitsunfähig war, löste die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis auf Ende September 2004 hin auf. Am 25. August 2003 meldete sich die Versicherte unter Hinweis auf asthmabedingte Atembeschwerden sowie eine starke Anfälligkeit auf Allergien bei der Invalidenversicherung zum Bezug einer Rente an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich holte daraufhin verschiedene Arztberichte ein, klärte die erwerblichen Verhältnisse ab und liess durch Dr. med. E.________ das pneumologische Gutachten vom 5. April 2004 erstellen. Mit Verfügung vom 3. Juni 2004, bestätigt durch den Einspracheentscheid vom 27. September 2004, verneinte sie einen Rentenanspruch. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. November 2005 dahingehend gut, dass es die Sache zur ergänzenden Abklärung des medizinischen Sachverhalts an die Verwaltung zurückwies. Diese holte daraufhin das Gutachten der MEDAS am Spital X.________ vom 1. Dezember 2006 ein. Gestützt darauf verneinte sie mit Verfügung vom 26. März 2007 erneut einen Anspruch auf Invalidenrente. Aufgrund der dagegen erhobenen Einwände zog sie diese Verfügung in Wiedererwägung und sprach A.________ mit Verfügung vom 27. Juni 2007 mit Wirkung ab 1. Oktober 2003 eine Viertelsrente zu.
 
B.
 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 31. August 2009 ab.
 
C.
 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben, und die Sache sei zur Beurteilung der in Frage kommenden Verweisungstätigkeiten zurückzuweisen. Zudem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege.
 
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
 
1.2 Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene kantonale Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht, Völkerrecht oder kantonale verfassungsmässige Rechte verletzt (Art. 95 lit. a-c BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). Hingegen hat unter der Herrschaft des BGG eine freie Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheids in tatsächlicher Hinsicht zu unterbleiben (ausser wenn sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung richtet; Art. 97 Abs. 2 BGG). Zur auch unter der Geltung des BGG massgebenden Abgrenzung von Tat- und Rechtsfragen im Bereich der Invaliditätsbemessung wird auf BGE 132 V 393 verwiesen.
 
2.
 
Streitig ist der Anspruch auf eine Invalidenrente. Das kantonale Gericht hat die massgeblichen Rechtsgrundlagen, unter Berücksichtigung der intertemporalrechtlichen Fragen, die sich aufgrund der am 1. Januar 2008 im Rahmen der 5. IV-Revision erfolgten Rechtsänderungen stellen (vgl. hiezu: Urteil 8C_829/2008 vom 23. Dezember 2008 E. 2.1 mit Hinweisen), zutreffend dargelegt. Es betrifft dies insbesondere die Bestimmungen über die Begriffe Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG) und Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), über die Regelung des Rentenanspruchs nach Massgabe des Invaliditätsgrades (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis Ende 2007 gültig gewesenen Fassung) und die Invaliditätsbemessung nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 IVG in der vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 gültig gewesenen Fassung).
 
3.
 
3.1 Das kantonale Gericht ging gestützt auf die medizinischen Unterlagen, insbesondere den Bericht der Dermatologischen Klinik Allergologie, Dermato-Onkologie, Venerologie des Spitals Y.________ vom 21. Oktober 2003, das pneumologische Gutachten des Dr. med. E.________ vom 5. April 2004 und das im Rahmen der Begutachtung des Spitals X.________ erstellte pneumologische Untergutachten vom 20. Oktober 2006 davon aus, dass die Beschwerdeführerin stark allergisch auf verschiedene Pollen, Wildseide und Hausstaub reagiert, wodurch Atembeschwerden ausgelöst werden, welche die Ärzte als leichtes Bronchialasthma bezeichneten. Sowohl Dr. med. E.________ wie auch die Lungenspezialisten des Spitals X.________ und die Ärzte des Spitals Y.________ hätten aus somatischer Sicht eine vollständige Arbeitsfähigkeit attestiert. Das psychiatrische Fachgutachten des Spitals X.________ vom 23. Oktober 2006 gehe von einer Dysthymia (ICD-10 F34.1) und einer Arbeitsfähigkeit von 60 bis 80 Prozent aus. Im Rahmen der Gesamtbeurteilung hätten die Gutachter mit schlüssiger Begründung eine Arbeitsfähigkeit von insgesamt 80 Prozent attestiert, wobei eine Staub- und Pollenexposition zu vermeiden sei und nur Arbeiten in gut gelüfteten Räumen oder im Freien in Frage kämen. Diese Feststellung beruht weder auf einer unrichtigen oder unvollständigen Sachverhaltsermittlung, noch verstösst die dieser Einschätzung zugrunde liegende Beweiswürdigung gegen Bundesrecht. Diese Tatsachenfeststellungen sind für das Bundesgericht verbindlich und auch nicht umstritten.
 
3.2 Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Vorinstanz sei auf ihre Vorbringen im Zusammenhang mit den Verweisungstätigkeiten und dem daraus abgeleiteten Invalidenlohn nicht näher eingegangen und habe sich nicht mit den konkreten Arbeitsmöglichkeiten ohne Staub- und Pollenexposition auf dem schweizerischen Arbeitsmarkt auseinandergesetzt. Darin erblickt sie eine Verletzung der aus Art. 29 Abs. 2 BV hergeleiteten Begründungspflicht und von Art. 16 ATSG.
 
3.3 Gemäss Art. 16 ATSG wird für die Bestimmung des Invaliditätsgrades das Erwerbseinkommen, das die versicherte Person nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung der medizinischen Behandlung und allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihr zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung gesetzt zum Erwerbseinkommen, das sie erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre. Ob der für die Bestimmung des Invalideneinkommens massgebliche ausgeglichene Arbeitsmarkt dem gegebenen Zumutbarkeitsprofil entsprechende Stellen anbietet, ist eine (vom Bundesgericht frei überprüfbare) Rechtsfrage, wenn die Vorinstanz auf die allgemeine Lebenserfahrung abgestellt hat. Um eine (nur eingeschränkt überprüfbare) Tatfrage geht es hingegen, wenn aufgrund einer konkreten Beweiswürdigung entschieden wurde (Urteil 8C_776/2008 vom 18. Juni 2009 E. 5.2).
 
3.4 Das kantonale Gericht hat hiezu erwogen, die volle Arbeitsfähigkeit bedinge eine leidensangepasste Tätigkeit ohne Allergieexposition. Insbesondere seien eine Staub- und Pollenexposition zu vermeiden und Arbeiten in gut gelüfteten Räumen oder im Freien vorzuziehen. An die Konkretisierung von Arbeitsgelegenheiten und Verdienstaussichten sind rechtsprechungsgemäss keine übermässigen Anforderungen zu stellen. Die Sachverhaltsermittlung hat nur soweit zu gehen, dass im Einzelfall eine zuverlässige Ermittlung des Invaliditätsgrades gewährleistet ist (SVR 2008 IV Nr. 62 S. 203, 9C_830/2007 E. 5.1; AHI 1998 S. 287 E. 3b; Urteile 8C_776/2008 vom 18. Juni 2009 E. 5.3, 9C_494/2007 vom 6. Mai 2008 E. 3.3). Die Umschreibung im angefochtenen Entscheid genügt den entsprechenden formell- und materiellrechtlichen Erfordernissen, weshalb sich die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BV als unbegründet erweist. Dies gilt umso mehr, als bereits im pneumologischen Fachgutachten vom 20. Oktober 2006 zu möglichen Verweistätigkeiten Stellung genommen wurde. Danach ist ein stark sensibilisierender Arbeitsplatz, beispielsweise in einer Bäckerei mit Mehlexposition nicht zu empfehlen. Auch eine erhöhte Exposition zu Dämpfen ist laut Gutachten des Spitals X.________ vom 1. Dezember 2006 ungeeignet. Hingegen sind alle körperlich leichten Tätigkeiten ohne solche Expositionen aus pneumologischer Sicht zumutbar. Die Berufsberatung der IV-Stelle nennt im Bericht vom 15. Februar 2007 als behinderungsangepasste Tätigkeiten beispielsweise Konfektions-, Abfüll- oder Kontrollarbeiten. Darauf stellte die IV-Stelle in ihrer Verfügung vom 27. Juni 2007 ab. Aufgrund des breiten Spektrums verbleibender Einsatzmöglichkeiten ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der ausgeglichene Arbeitsmarkt genügend Tätigkeiten bietet, welche dem medizinischen Zumutbarkeitsprofil entsprechen.
 
4.
 
Dem Einkommensvergleich legte die Vorinstanz ein Validen- und Invalideneinkommen von Fr. 56'742.- und Fr. 39'257.- zugrunde. Dieses Vorgehen ist letztinstanzlich ebenso unbestritten geblieben wie die Vornahme eines leidensbedingten Abzugs von 15 Prozent. Die Gegenüberstellung des so ermittelten Invalideneinkommens von Fr. 33'368.- mit dem Valideneinkommen ergibt einen Invaliditätsgrad von 41 Prozent und damit Anspruch auf eine Viertelsrente.
 
5.
 
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin als der unterliegenden Partei aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege (Prozessführung und Verbeiständung; Art. 64 BGG) kann gewährt werden, da die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind (BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 und 371 E. 5b S. 372). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.
 
4.
 
Rechtsanwältin Marina Kreutzmann wird als unentgeltliche Anwältin der Beschwerdeführerin bestellt, und es wird ihr für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.- ausgerichtet.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Eidgenössischen Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 17. Dezember 2009
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
Ursprung Hofer
 
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