VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 9C_301/2009  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 9C_301/2009 vom 08.10.2009
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
9C_301/2009
 
Urteil vom 8. Oktober 2009
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
 
Bundesrichter Borella, Kernen, Seiler,
 
Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
 
Gerichtsschreiber Nussbaumer.
 
Parteien
 
VSAO Stiftung für Selbständigerwerbende,
 
vertreten durch Fürsprecher Markus Fischer,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
M.________,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Berufliche Vorsorge,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
 
vom 23. Februar 2009.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Dr. med. M.________ eröffnete im Jahre 1998 eine Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe und nahm zu diesem Zweck einen Investitionskredit von Fr. 200'000.- bei einer Bank auf. Bei der VSAO Stiftung für Selbständigerwerbende (nachfolgend: VSAO Stiftung) ist er freiwillig berufsvorsorgeversichert. Mit Schreiben vom 6. Mai 2008 ersuchte er seine Vorsorgeeinrichtung um Auszahlung eines Betrages von Fr. 200'000.-, damit er den Investitionskredit amortisieren könne. Dieses Begehren lehnte die VSAO Stiftung mit Schreiben vom 8. Mai 2008 ab, da hiefür keine rechtliche Grundlage bestehe.
 
B.
 
Die am 4. August 2008 eingereichte Klage hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 23. Februar 2009 insoweit gut, als es die VSAO Stiftung verpflichtete, die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 2 FZG zur Auszahlung des geforderten Betrages von Fr. 200'000.- zu prüfen und, wenn diese erfüllt sind, den Betrag zur Tilgung des Bankkredites auszubezahlen. In den weitergehenden Punkten wies es die Klage ab, soweit es darauf eintrat.
 
C.
 
Die VSAO Stiftung lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei insoweit aufzuheben, als sie damit verpflichtet werde, die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 2 FZG zu prüfen und, wenn diese erfüllt sind, den Betrag von Fr. 200'000.- zur Tilgung des Bankkredites an den Beschwerdegegner auszuzahlen.
 
Dr. med. M.________ beantragt die Abweisung der Beschwerde. Kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen; 133 III 545 E. 2.2 S. 550; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
 
1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung stellt eine vom Bundesgericht ebenfalls zu korrigierende Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 lit. a BGG dar (SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Bern 2007 N 24 zu Art. 97).
 
2.
 
2.1 Selbständigerwerbende sind dem Obligatorium der beruflichen Vorsorge nicht von Gesetzes wegen unterstellt. Ihnen soll jedoch die Möglichkeit einer freiwilligen Unterstellung offenstehen (Art. 113 Abs. 2 lit. d BV). Dieser Verfassungsauftrag ist als Grundsatz in Art. 4 BVG übernommen und in Art. 44 und 45 BVG konkretisiert worden (Stauffer, Berufliche Vorsorge, Zürich 2005, S. 195 Rz. 511). Art. 4 BVG regelt die freiwillige Versicherung in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge: Arbeitnehmer und Selbständigerwerbende, die der obligatorischen Versicherung nicht unterstellt sind, können sich nach diesem Gesetz freiwillig versichern lassen (Abs. 1). Die Bestimmungen über die obligatorische Versicherung, insbesondere die in Art. 8 festgesetzten Einkommensgrenzen, gelten sinngemäss für die freiwillige Versicherung (Abs. 2).
 
2.2 Am 1. Januar 2005 ist die 1. BVG-Revision gemäss Bundesgesetz vom 3. Oktober 2003 in Kraft getreten (AS 2004 1700). Art. 4 Abs. 3 und 4 BVG enthält neue Regelungen für die freiwillige Versicherung der Selbständigerwerbenden. Abs. 3 bestimmt:
 
"Selbstständigerwerbende haben ausserdem die Möglichkeit, sich ausschliesslich bei einer Vorsorgeeinrichtung im Bereich der weitergehenden Vorsorge, insbesondere auch bei einer Vorsorgeeinrichtung, die nicht im Register für berufliche Vorsorge eingetragen ist, zu versichern. In diesem Fall finden die Absätze 1 und 2 keine Anwendung."
 
Art. 4 Abs. 4 BVG lautet wie folgt:
 
"Die von den Selbstständigerwerbenden geleisteten Beiträge und Einlagen in die Vorsorgeeinrichtung müssen dauernd der beruflichen Vorsorge dienen."
 
2.3 Das Bundesgericht hat Art. 4 Abs. 4 BVG in BGE 134 V 170 dahingehend ausgelegt, dass sich aus der Entstehungsgeschichte der eindeutige Wille des Gesetzgebers ergibt, die sonst gesetzlich (BVG; FZG) sehr streng normierte Zweckbindung von Mitteln der beruflichen Vorsorge bei der freiwilligen beruflichen Vorsorge von Selbständigerwerbenden zu lockern, indem die Entnahme für betriebliche Investitionen ausgenommen ist. In klar bestimmten Schranken, z.B. für Betriebsinvestitionen, sind der Vorbezug und die Barauszahlung von Beiträgen sowie Einlagen in die Vorsorgeeinrichtung zuzulassen (BGE 134 V 170 E. 4.4 S. 180). Die Erneuerung einer veralteten Raufutteranlage bei einem selbständigerwerbenden Landwirt stellt eine klassische betriebliche Investition dar. Gleiches gilt, soweit Mittel aus der Vorsorgeeinrichtung für die Auszahlung des Geschäftspartners beansprucht werden, geht es doch dabei um Investitionen in das Inventar. Der Einsatz dieser Mittel dient letztlich ebenfalls der Betriebserhaltung und Existenzsicherung, womit er auf der Ebene der beruflichen Vorsorge im weitesten Sinne anzusiedeln ist (BGE 134 V 170 E. 5 S. 181).
 
3.
 
3.1 Das kantonale Gericht bejahte im angefochtenen Entscheid gestützt auf den erwähnten BGE 134 V 170 die Voraussetzungen zur Entnahme von Vorsorgemitteln. Der Beschwerdegegner habe einen bis jetzt noch nicht zurückgezahlten Investitionskredit erhalten und diesen vollumfänglich in den Betrieb investiert. Die Entnahme des Vorsorgekapitals diene somit der Finanzierung einer betrieblichen Investition. Daran ändere auch nichts, dass aktuell keine Investition mehr anstehe. Weder dem Gesetz noch den Ausführungen des Bundesgerichts lasse sich die Einschränkung entnehmen, wonach die Entnahme von Mitteln der beruflichen Vorsorge nur für Neuinvestitionen und nicht auch zur nachträglichen Amortisation einer betrieblichen Investition zulässig sein sollte. Es bestehe keine gesetzliche Einschränkung dahingehend, dass die Entnahme von Mitteln der beruflichen Vorsorge nur dann zulässig sei, wenn das Investitionskapital nicht anderweitig beschafft werden könne. Die Investition in den Betrieb eines Selbständigerwerbenden diene nicht nur dann der beruflichen Vorsorge, wenn sie für die Existenzsicherung unmittelbar erforderlich sei, weil etwa eine finanzielle Zwangssituation vorliege. Ob sich die Praxis des Beschwerdegegners wirtschaftlich alleine trage, sei deshalb ohne Bedeutung. Entscheidend sei einzig, dass das Vorsorgekapital in den Betrieb investiert werde, wodurch es der Vorsorge diene, was im vorliegenden Fall erwiesen sei. Die Amortisation des Kredits erlaube dem Beschwerdegegner die Reduktion seiner Zinsenlast und somit der betrieblichen Kosten. Sie sei deshalb ohne weiteres geeignet, seiner beruflichen Vorsorge und Existenzsicherung zu dienen. Jedenfalls könne nicht die Rede davon sein, die Entnahme von Vorsorgemitteln zwecks Rückzahlung eines Betriebskredites widerspreche dem Kerngehalt von Art. 4 Abs. 4 BVG oder sei missbräuchlich. Es bestehe auch keine Verpflichtung des Beschwerdegegners, das gesamte Vorsorgekapital zu beziehen, zumal das Vorsorgeverhältnis - anders als im Fall des Landwirtes in BGE 134 V 170 - nicht gekündigt worden sei.
 
3.2 Die Beschwerde führende Vorsorgeeinrichtung bringt zur Hauptsache vor, im vorliegenden Fall bestünden wesentliche Unterschiede zum in BGE 134 V 170 beurteilten Sachverhalt. Es gehe dabei vor allem um den unbestimmten Rechtsbegriff der "betrieblichen Investition". Im Interesse des Missbrauchsverbots und angesichts der fehlenden ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage sei dieser Begriff einer engen Auslegung zu unterziehen. In BGE 134 V 170 habe der Landwirt das Geld unbedingt benötigt, um die dringend erforderliche Erneuerung der Raufutteranlage zu finanzieren sowie seinen Mitpächter auszuzahlen. Die Mittel seien zur Erhaltung des Betriebs und letztlich auch zur Existenzsicherung im Sinne der beruflichen Vorsorge verwendet worden. Im vorliegenden Fall bestehe keine finanzielle Notlage des Beschwerdegegners. Dessen Beweggründe, die "unvorteilhafte Zinslast" zu beseitigen, könnten nicht ausreichen, um eine Notlage zu begründen. Vielmehr lege die finanzielle Situation des Beschwerdegegners die Vermutung nahe, dass sich dieser aus steuerlichen Gründen der obligatorischen Vorsorge freiwillig unterstellt habe, mit dem Gedanken, zu einem späteren Zeitpunkt den aufgenommenen Kredit aus diesen steuerprivilegierten Vorsorgegeldern zurückzubezahlen. Das kantonale Gericht verkenne dieses Missbrauchspotenzial, das es im vorliegenden Fall gar nicht näher geprüft habe. Die vom Gesetzgeber angesprochenen klar bestimmten Bedingungen, unter welchen Selbständigerwerbende ihre Vorsorgeguthaben beziehen können, seien nur dann eingehalten, wenn jeglicher Missbrauch ausgeschlossen bliebe. Dies sei nur der Fall, wenn sich ein Selbständigerwerbender in einer für ihn existenzbedrohenden Notlage befinde und die angesparten Vorsorgeguthaben unbedingt für die Weiterexistenz seines Betriebes benötige. Ansonsten bleibe Art. 4 Abs. 4 BVG "toter Buchstabe", weil gewiefte Selbständigerwerbende immer eine Lücke finden würden. Als Vorsorgeeinrichtung für selbständige Ärztinnen und Ärzte und deren Personal sei eine Liquiditätsplanung für die Stiftungsleitung unmöglich, wenn die Versicherten quasi voraussetzungslos jederzeit für die von ihnen in die Arztpraxen getätigten Investitionen ihre Vorsorgeguthaben beziehen könnten. Die Vorsorgeeinrichtung müsste permanent mit der Überweisung von Vorsorgeguthaben rechnen, die eine Anlage des Vermögens im Sinne von Art. 49 ff. BVV 2 und die Erwirtschaftung der notwendigen Rendite zur Sicherstellung der versicherten Risiken erheblich erschweren würde. Gestützt auf die aktuelle wirtschaftliche Lage und die zurzeit vorliegende Unterdeckung stelle sich zudem die Frage, ob eine solche Auszahlung - wie bei einem Vorbezug für die Wohneigentumsförderung - vorübergehend verschoben werden könne, bis der vollständige Deckungsgrad wieder erreicht sei. Die Auswirkungen des vorinstanzlichen Entscheids würden zudem die versicherungstechnische Bilanz einer Vorsorgeeinrichtung gefährden. Risikoprämien und Sparbeiträge, welche auf die Ausgewogenheit von Vorsorgeplänen abgestimmt seien, würden mit einem jederzeit möglichen Barbezug in ein Ungleichgewicht gesetzt. Im vorinstanzlichen Verfahren hatte die Beschwerdeführerin überdies geltend gemacht, aus BGE 134 V 170 lasse sich ein Anspruch auf Auszahlung lediglich eines Teils des Altersguthabens nicht ableiten. Dem Kläger sei es unbenommen, den Vorsorgevertrag aufzulösen und das gesamte freiwillig angesparte Vorsorgeguthaben zu beziehen.
 
3.3 Der Beschwerdegegner erblickt in der Weigerung der Vorsorgeeinrichtung auf Auszahlung eine Verletzung der ihm als Selbständigerwerbenden garantierten Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) und der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) sowie des Diskriminierungsverbotes (Art. 8 BV). Das FZG und das BVG würden ihm das Recht einräumen, freiwillig angespartes Vorsorgekapital zum Zwecke der Vorsorge in die Praxis als selbständigerwerbender Arzt zu investieren. Dabei spiele es keine Rolle, dass es sich in seinem Fall um die Tilgung eines bereits getätigten Investitionskredites handle.
 
3.4
 
3.4.1 Art. 4 Abs. 4 BVG stellt neu auch für die freiwillige Versicherung den bisher nur im Obligatorium und im Bereich der 3. Säule (Art. 82 Abs. 1 BVG) geltenden Grundsatz auf, wonach die (von den Selbständigerwerbenden) geleisteten Beiträge und Einlagen in die Vorsorgeeinrichtung dauernd der beruflichen Vorsorge dienen müssen. Von der sonst im BVG und FZG sehr streng normierten Zweckbindung von Mitteln der beruflichen Vorsorge hat das Bundesgericht mit BGE 134 V 170 angesichts der Entstehungsgeschichte von Art. 4 Abs. 4 BVG und der Systematik sowie aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung bei der freiwilligen beruflichen Vorsorge von Selbständigerwerbenden eine Ausnahme für betriebliche Investitionen geschaffen.
 
3.4.2 Es stellt sich daher zunächst die Frage, ob eine Rechtsgrundlage für den vom Beschwerdegegner beanspruchten Teilbezug des Vorsorgeguthabens unter Beibehaltung der freiwilligen Vorsorge besteht. Mit dieser Frage musste sich das Bundesgericht in BGE 134 V 170 nicht befassen, da dort der selbständigerwerbende Landwirt die freiwillige berufliche Vorsorgeversicherung gekündigt hatte (E. 4 am Anfang S. 174). Im Bereich der weitergehenden Vorsorge, insbesondere auch bei der freiwilligen Versicherung nach Art. 4 BVG, wird das Rechtsverhältnis zwischen der Vorsorgeeinrichtung und dem Vorsorgenehmer durch einen privatrechtlichen Vorsorgevertrag begründet, der rechtsdogmatisch den Innominatsverträgen zuzuordnen ist (BGE 132 V 149 E. 5 S. 150 mit Hinweisen; 130 V 103 E. 3.3 S. 109; 116 V 218 E. 2 S. 221; vgl. auch BGE 119 V 283 E. 2a). Unbestrittenermassen regeln die vertraglichen Bedingungen zwischen den Parteien einen Teilbezug unter Aufrechterhaltung des Versicherungsverhältnisses nicht. Von Gesetzes wegen ist einzig bei der Wohneigentumsförderung ein teilweiser Vorbezug gebundener Vorsorgemittel möglich (Art. 30c BVG). Hingegen sieht das FZG, insbesondere dessen Art. 5 Abs. 1, eine teilweise Barauszahlung namentlich bei Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit nicht vor. Ein Anspruch auf die Austrittsleistung wird nur erworben, wenn der Versicherte seine Vertragsbeziehungen zur Vorsorgeeinrichtung beendet, da er nicht teilweise aus der Vorsorgeeinrichtung austreten kann (ISABELLE VETTER-SCHREIBER, BVG, 2009, S. 406). Aus diesem Grund kann daher in den Bedingungen des Vorsorgevertrags ein teilweiser Bezug für betriebliche Investitionen nicht vereinbart werden. Die mit BGE 134 V 170 namentlich für Betriebsinvestitionen als zulässig erachtete Barauszahlung des in der freiwilligen beruflichen Vorsorge angesparten Alterskapitals kommt daher nur in Frage, wenn der Versicherte den Vorsorgevertrag kündigt und seine vertraglichen Beziehungen mit seiner Vorsorgeeinrichtung beendet. Der vom Beschwerdegegner eingeklagte Teilbezug des Alterskapitals im Betrag von Fr. 200'000.- ist daher nicht zulässig. Angesichts der in Art. 4 Abs. 4 BVG enthaltenen Zweckgebundenheit der Vorsorgemittel und der fehlenden Möglichkeit eines Teilbezugs geht die Berufung des Beschwerdegegners auf verschiedene verfassungsmässige Rechte fehl. Der vorinstanzliche Entscheid verletzt nach dem Gesagten Bundesrecht.
 
3.4.3 Der Beschwerdegegner hat sich bei Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit im Jahre 1998 entschieden, einerseits einen Betriebskredit aufzunehmen und anderseits die als Arbeitnehmer geäufneten Vorsorgemittel anfangs 1999 in die bei der Beschwerdeführerin durchgeführte freiwillige Vorsorge als Selbständigerwerbender zu investieren. Somit hat er sich damals dagegen entschieden, sich die Austrittsleistung infolge Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG) auszahlen zu lassen und in den Betrieb zu investieren. Man könnte sich daher fragen, ob der Beschwerdegegner durch diese Vorgehensweise in Bezug auf die Amortisation des damals aufgenommenen Betriebskredits während der Dauer der vertraglichen Beziehungen mit der Beschwerdeführerin nicht auf das Recht der Barauszahlung verzichtet hat (dazu ANDRÉ PIERRE HOLZER, Verjährung und Verwirkung der Leistungsansprüche im Sozialversicherungsrecht, S. 159 f. und der dort erwähnte Art. 3 Abs. 2 lit. c BVV 3). Die Frage braucht jedoch angesichts des nicht zulässigen Teilbezugs nicht entschieden werden.
 
3.5 Soweit der Beschwerdegegner in der Vernehmlassung den Antrag stellt, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung abzuerkennen, ist dieses Begehren gegenstandslos, da die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde kein entsprechendes Begehren gestellt hat (vgl. Art. 103 Abs. 1 BGG). Was den Antrag, das Urteil sei öffentlich zu verkünden, betrifft, so werden die Entscheide des Bundesgerichts schriftlich eröffnet, es sei denn es finde eine öffentliche Beratung statt (Art. 58 und 60 BGG). Der Beschwerdegegner wird indessen darauf hingewiesen, dass das Dispositiv öffentlich aufliegt und der Entscheid im Internet veröffentlicht wird (Art. 57 Abs. 1 lit. b und c des Reglements für das Bundesgericht; SR 173.110.131).
 
4.
 
Als unterliegende Partei hat der Beschwerdegegner die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Entschädigung zugunsten der obsiegenden Vorsorgeeinrichtung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
In Gutheissung der Beschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 23. Februar 2009 aufgehoben und die Klage vom 4. August 2008 abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 8. Oktober 2009
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Meyer Nussbaumer
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).