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Informationen zum Dokument  BGer 2C_847/2008  Materielle Begründung
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BGer 2C_847/2008 vom 08.09.2009
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2C_847/2008
 
Urteil vom 8. September 2009
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Müller, Präsident,
 
Bundesrichter Merkli, Karlen, Zünd, Donzallaz,
 
Gerichtsschreiber Küng.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Gemeinde Malans,
 
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Stefan Lechmann.
 
Gegenstand
 
Art. 60a GSchG sowie Art. 8 BV (Anschlussgebühren für die Wasserversorgung und die Abfallbeseitigung).
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, 3. Kammer als Verfassungsgericht, vom 9. Mai 2008.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Die Gemeindeversammlung Malans beschloss am 29. Oktober 2007 mit 42:1 Stimmen eine Totalrevision des Gesetzes über die Anschlussgebühren sowie die Beiträge an Erschliessungsanlagen in der Gemeinde Malans (GABE). X.________ focht den neuen Erlass beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden an. Dieses hiess am 9. Mai 2008 ihre Beschwerde teilweise gut, hob Art. 11 GABE auf und wies die Sache zur Überarbeitung dieser Bestimmung an die Gemeinde Malans zurück. Im Übrigen wies es das Rechtsmittel ab, soweit es darauf eintrat.
 
B.
 
X.________ beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2008 aufzuheben, soweit es das Begehren um Aufhebung von Art. 9 Abs. 3 und 4 sowie Art. 10 Abs. 3 und 4 GABE abweist. Sie verlangt die Aufhebung der genannten Bestimmungen oder eventualiter die Aufhebung in dem Umfang, als diese Normen Reduktionen auf dem Endbetrag der Abwasseranschlussgebühren gewähren.
 
Die Gemeinde Malans ersucht um Abweisung der Beschwerde.
 
Das Verwaltungsgericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
 
Die ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladene Regierung des Kantons Graubünden hat sich nicht geäussert.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Nach Art. 8 GABE ist in der Gemeinde Malans beim Anschluss eines Gebäudes an das Wasserversorgungsnetz eine Gebühr von 2,5 % des Zeitwerts der Gebäudeversicherung, beim Anschluss an die Kanalisation eine solche von 1,5 % zu entrichten. Art. 9 GABE sieht vor, dass bei Minergiehausbauten auf dem Endbetrag eine Reduktion von 10 % (Abs. 3) und bei Passivhausbauten eine Reduktion von 30 % gewährt wird. Ausserdem ist gemäss Art. 10 GABE eine Nachzahlung zu leisten, wenn sich der Zeitwert eines Gebäudes durch bauliche Veränderungen erhöht. Sie berechnet sich aufgrund der Differenz zwischen der alten Schätzung zuzüglich eines Freibetrags von 25 % und der neuen Schätzung (Abs. 1). Bei Sanierungen von Minergiehausbauten wird auf dem Endbetrag der Anschlussgebühr eine Reduktion von 20 % (Abs. 3) und bei Sanierungen von Passivhausbauten eine Reduktion von 60 % gewährt (Abs. 4).
 
1.2 Die Vorinstanz hält die erwähnten Gebührenreduktionen mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit (Art. 8 BV) und den gesetzlichen Vorgaben des eidgenössischen und kantonalen Rechts vereinbar. Denn sie bezweckten, die Benachteiligung der Bauherrschaft, die durch die höheren Erstellungskosten von Minergie- und Passivhausbauten entstünden, auszugleichen.
 
1.3 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Mehrkosten für Minergiebauten betrügen 3-10 %, im Durchschnitt rund 5 %, jene für Passivhausbauten (Minergie-P-Bauten) maximal 15 %. Die von der Gemeinde Malans gewährten Reduktionen gingen weit über die tatsächlichen Mehrkosten hinaus, die beim Bau energieeffizienter Bauten anfielen. Erst recht seien die Reduktionen, die bei der Sanierung solcher Bauten gewährt würden, nicht nachvollziehbar. Der Gemeinde Malans gehe es mit den vorgesehenen Reduktionen darum, energieeffiziente Bauten zu fördern, was sie in der Botschaft auch ausdrücklich erkläre. Eine solche Förderung widerspreche jedoch einer verursachergerechten und kostendeckenden Gebührenerhebung, wie sie das Bundesrecht für die Abwasserentsorgung (Art. 60a Abs. 1 und 2 GSchG) und das kantonale Recht für die Wasserversorgung (Art. 60 und 62 des Raumplanungsgesetzes [KRG/GR] und Art. 5 des Gesetzes über den Finanzhaushalt und die Finanzaufsicht [FFG/GR]) vorschreibe. Die Rechnungen für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung müssten als Spezialfinanzierung geführt werden, und die dafür erhobenen Abgaben dürften als gesetzlich gebundene Mittel nicht für andere Zwecke wie die Förderung energieeffizienter Bauten verwendet werden. Die Gewährung solcher Abzüge führe zu einer ungerechtfertigten entsprechenden Mehrbelastung der übrigen Gebührenpflichtigen.
 
Ausserdem verstiessen die erwähnten Reduktionen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gemäss Art. 8 BV. Denn sie würden Eigentümern nicht gewährt, bei denen aus ebenso achtenswerten Gründen wie z.B. bei Verwendung eines besonders teuren Heizsystems (Sonnenenergie usw.) oder bei behindertengerechter Bauweise Mehrkosten anfielen, was zu einer entsprechend höheren Anschlussgebühr führe. Die von der Gemeinde gewählte Differenzierung sei unsachlich, da sie keinen Zusammenhang zum Wasserverbrauch bzw. Abwasseranfall habe.
 
2.
 
2.1 Die Vorinstanz geht in ihrem Entscheid von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung aus, nach der es Art. 60a GSchG nicht verletzt, Gebühren für den Anschluss an die Abwasserbeseitigung nach dem Gebäudeversicherungswert zu bemessen. Denn dieser Wert bringt den Vorteil, der einer Liegenschaft durch den Anschluss erwächst, in der Regel genügend zuverlässig zum Ausdruck, ohne dass die mutmassliche Inanspruchnahme der Infrastrukturnetze aufgrund der konkreten Verhältnisse näher bestimmt werden muss. Die Rechtsprechung macht einen Vorbehalt lediglich bei Bauten, die im Verhältnis zu ihrem Versicherungswert einen extrem hohen oder niedrigen Wasserverbrauch bzw. Abwasseranfall aufweisen. In diesen Fällen kann die Bemessung der Anschlussgebühren nicht allein nach dem Gebäudeversicherungswert erfolgen. So verhält es sich vor allem bei Industriebauten mit grossem Gebäudevolumen und lediglich sehr geringem Wasserverbrauch. Demgegenüber hat das Bundesgericht bisher nie verlangt, dass Gemeinden, die Anschlussgebühren nach dem Gebäudeversicherungswert bemessen, auch bei Wohnbauten Ausnahmen vorsehen müssen (vgl. zuletzt Urteil 2C_656/2008 vom 29. Mai 2009 E. 3.4).
 
2.2 Die dargestellte Praxis beruht auf Praktikabilitätserwägungen. Es müssen bei der Bemessung der Anschlussgebühren nicht alle Umstände berücksichtigt werden, die im konkreten Fall das Mass der künftigen Inanspruchnahme der Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung beeinflussen. Diese Schematisierung führt regelmässig dazu, dass einzelne Faktoren, die Mehrkosten und damit höhere Gebühren verursachen, ausser Acht bleiben, obwohl sie nur einen geringen oder gar keinen Einfluss auf den Wasserverbrauch oder Abwasseranfall haben. Das Gleiche gilt auch im umgekehrten Sinn, indem kostenneutrale Umstände unberücksichtigt bleiben, obwohl sie sich auf die Beanspruchung der Infrastrukturanlagen auswirken. Ein Abgehen von dieser Schematisierung ist nach der Rechtsprechung nur geboten, wenn im konkreten Fall bei den gegebenen Baukosten die Abweichung von der durchschnittlichen Inanspruchnahme der Infrastrukturanlagen besonders gross ist, also ein eigentliches Missverhältnis zwischen dem Gebäudeversicherungswert und dem Nutzungspotenzial des Wasser- und Abwasseranschlusses besteht. Ebenso kann eine Ausnahme von der schematischen Bemessung angezeigt sein, wenn ein Eigentümer besondere Massnahmen trifft, um den Wasserverbrauch oder Abwasseranfall viel tiefer zu halten als in durchschnittlichen Verhältnissen.
 
2.3 Die Gebührenreduktionen, die in den beanstandeten Bestimmungen vorgesehen sind, bezwecken, den höheren Erstellungskosten energieeffizienter Gebäude bei der Bemessung der Anschlussgebühr Rechnung zu tragen. Eine solche Differenzierung erscheint an sich nicht unsachlich. Denn bei Minergie- und Passivhäusern sind die Anschlussgebühren bei einer Bemessung nach dem Gebäudeversicherungswert höher als bei konventionellen Gebäuden, ohne dass ein entsprechend grösserer Wasserverbrauch oder Abwasseranfall zu erwarten ist. Die Vorinstanz hat zwar den Umfang der Mehrkosten von Minergie- und Passivhäusern nicht festgestellt, doch ist unbestritten, dass sie jedenfalls im Durchschnitt nicht mehr als 10-15 % betragen. Sie bewegen sich damit in einem Rahmen, in dem Bauherrn häufig auch aus anderen Gründen ein Mehraufwand erwächst, der keinen Einfluss auf den Wasserverbrauch und Abwasseranfall hat, so etwa bei Verwendung besonderer Heizungssysteme (Sonnenenergie, Erdwärme usw.) oder für einen behindertengerechten Ausbau. In diesen Fällen, in denen ein Abgehen von der schematischen Bemessung der Anschlussgebühren nach dem Gebäudeversicherungswert sachlich ebenso sehr geboten wäre, sieht das neue Gesetz jedoch keine Gebührenreduktion vor. Die Beschwerdegegnerin bestreitet das nicht, will aber aus Praktikabilitätsgründen auf eine Berücksichtigung solcher weiterer Umstände verzichten. Diese Argumentation überzeugt nicht. Wie erwähnt sind die Gemeinden bei der Erhebung von Anschlussgebühren für Wohnbauten aus praktischen Gründen nicht verpflichtet, Ausnahmen von der Bemessung nach dem Gebäudeversicherungswert vorzusehen. Wenn eine Gemeinde indessen für einzelne Fälle von dieser schematischen Bemessung abrücken will, muss sie dabei konsequent vorgehen und das Gleichbehandlungsgebot beachten. Das schliesst es aus, nur in einzelnen Fällen von der schematischen Bemessung abzuweichen, in anderen dagegen nicht, obwohl dies sachlich ebenso sehr geboten wäre. Der Grundsatz der Rechtsgleichheit verlangt vielmehr, unter dem Gesichtspunkt des Wasserverbrauchs bzw. Abwasseranfalls gleichgelagerte Fälle auch rechtlich gleich zu behandeln.
 
2.4 Bei der Sanierung von Minergie- und Passivhausbauten betragen die vorgesehenen Gebührenreduktionen 20 % bzw. 60 %. Die Beschwerdeführerin macht zu Recht geltend, dass nicht ersichtlich ist, warum die Sanierung dieser Haustypen erheblich teurer sein sollte als jene gewöhnlicher Bauten. Wenn die Beschwerdegegnerin geltend macht, Art. 10 Abs. 3 und 4 GABE komme auch zur Anwendung, wenn konventionelle Bauten durch die Sanierung zu energieeffizienten Gebäuden umgebaut würden, übersieht sie, dass der klare Wortlaut einer solchen Auslegung entgegensteht. Im Übrigen verstiesse die genannte Bestimmung, selbst wenn eine solche Interpretation möglich wäre, gegen das Gebot der Gleichbehandlung. Denn die Beschwerdegegnerin räumt ein, dass Art. 10 Abs. 3 und 4 GABE auf jeden Fall auch die Sanierung eines bestehenden Minergie- und Passivhauses erfasst. Es ist indessen nicht zu rechtfertigen, für eine solche eine Gebührenreduktion in der Höhe von 20 % bzw. 60 % zu gewähren, obwohl bei ihr im Vergleich zur Sanierung eines gewöhnlichen Gebäudes unbestrittenermassen keine Mehrkosten in diesem Umfang anfallen.
 
Art. 9 Abs. 3 und 4 sowie Art. 10 Abs. 3 und 4 GABE verletzen aus diesen Gründen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot (Art. 8 BV).
 
2.5 Will die Gemeinde besonders gelagerten Situationen aus Gründen der Rechtsgleichheit Rechnung tragen, kann sie dafür eine allgemein gefasste Ausnahmeklausel in ihr Reglement aufnehmen. Ausserdem steht es der Gemeinde frei, die Anschlussgebühren nach anderen Kriterien als dem Gebäudeversicherungswert zu bemessen, die dem Verursacherprinzip und damit auch dem Grundsatz der Rechtsgleichheit besser entsprechen (vgl. die Hinweise im Urteil 2P.232/2006 vom 16. April 2007, E. 3.3).
 
3.
 
Die Beschwerde ist demnach gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Ausserdem sind Art. 9 Abs. 3 und 4 sowie Art. 10 Abs. 3 und 4 GABE aufzuheben. Für die Regelung der vorinstanzlichen Kosten- und Entschädigungsfolgen ist die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
 
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Die Beschwerdeführerin ist im bundesgerichtlichen Verfahren nicht durch einen Anwalt vertreten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ihr dadurch weitere erhebliche Kosten erwachsen wären. Sie hat daher keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (vgl. Art. 11 des Reglements über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht vom 31. März 2006).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 9. Mai 2008 aufgehoben. Ebenso werden Art. 9 Abs. 3 und 4 sowie Art. 10 Abs. 3 und 4 des Gesetzes über die Anschlussgebühren sowie die Beiträge an Erschliessungsanlagen in der Gemeinde Malans vom 29. Oktober 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Regelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen im kantonalen Verfahren an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.
 
Der Beschwerdeführerin wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 3. Kammer als Verfassungsgericht, sowie der Regierung des Kantons Graubünden schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 8. September 2009
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Müller Küng
 
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