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Informationen zum Dokument  BGer 6B_247/2009  Materielle Begründung
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BGer 6B_247/2009 vom 14.08.2009
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_247/2009
 
Urteil vom 14. August 2009
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Favre, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
 
Gerichtsschreiber Faga.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
A.________,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Ehrverletzung,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 18. Dezember 2008.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ reichte beim Bezirksgericht Arbon eine Ehrverletzungsklage gegen A.________ ein. Die Bezirksgerichtliche Kommission Arbon sprach A.________ mit Urteil vom 12. Juni 2008 vom Vorwurf der üblen Nachrede und der Verleumdung frei. Die von X.________ erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Thurgau mit Urteil vom 18. Dezember 2008 ab.
 
B.
 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau sei aufzuheben und A.________ der Ehrverletzung schuldig zu sprechen. Im Übrigen sei A.________ zur Leistung einer Genugtuung zu verpflichten. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
 
C.
 
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
 
Erwägungen:
 
1.
 
Der Beschwerdegegner ist ehemaliger Präsident des E.________ Verbands. Am 5. April 2007 verstarb B.________, früherer Kassier im F.________ Verein. Der Beschwerdegegner schickte dem Beschwerdeführer am 11. April 2007 ein E-Mail mit folgendem Inhalt: "(...) War heute an der Beerdigung von B.________. Gratuliere, das habt ihr fein gemacht. Kannst dir ruhig ein schlechtes Gewissen machen, dass du Personen soweit treiben kannst. (...)". Gleichzeitig schickte er eine Orientierungskopie an die Vorstandsmitglieder C.________ und D.________. Kurz bevor B.________ verstarb, hatte der Beschwerdeführer gegen ihn und weitere Personen eine Ehrverletzungsklage anhängig gemacht.
 
2.
 
2.1 Die Vorinstanz hält unter Hinweis auf die erstinstanzlichen Erwägungen fest, das E-Mail vom 11. April 2007 erwecke beim Leser den Eindruck, der Beschwerdeführer sei mitverantwortlich am Tod von B.________. Sie gelangt in rechtlicher Hinsicht zum Schluss, der Inhalt des besagten E-Mails stelle eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung dar. Wer sich wie der Beschwerdegegner äussere, müsse zudem in Kauf nehmen, dass ein Dritter den Beschwerdeführer für jemanden halte, der für den Tod eines Menschen mitverantwortlich sei.
 
Der Beschwerdegegner sei ein langjähriger Freund des Verstorbenen gewesen. Er habe den schlechten Gesundheitszustand von B.________ während des letzten halben Jahres beobachtet und feststellen müssen, dass dieser auf Grund eines Streits und einer Ehrverletzungsklage gelitten habe. Der Beschwerdegegner habe dem Beschwerdeführer deshalb mitteilen wollen, wie schwer B.________ durch verschiedene Gerichtsverfahren getroffen worden sei. Ihm sei es nicht ausschliesslich darum gegangen, den Beschwerdeführer zu verletzen. Zudem habe er seine Ausführungen im E-Mail tatsächlich für wahr gehalten und in guten Treuen auch für wahr halten dürfen. B.________ habe ihm gegenüber erklärt, dass er wegen der Prozesse nicht mehr richtig schlafe. Deshalb sei die Annahme des Beschwerdegegners nachvollziehbar, diese Verfahren hätten dem Gesundheitszustand von B.________ zugesetzt und damit die bestehende Krankheit verschlimmert oder den Krankheitsverlauf beschleunigt. Gerichtsverfahren würden auch gesunde Leute in eine Krise zu stürzen vermögen.
 
2.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei unzutreffend, dass B.________ in mehrere Gerichtsverfahren involviert gewesen sei. Gegen ihn sei nur ein Gerichtsverfahren anhängig gemacht worden. Auch sei die Annahme der Vorinstanz willkürlich, wonach er im F.________ Verein Auseinandersetzungen mitverursacht habe, da er dort - was auch der Beschwerdegegner gewusst habe - weder Mitglied gewesen sei noch an einer Vereinsversammlung teilgenommen habe. Die Äusserungen im E-Mail hätten einzig bezweckt, seinem Ansehen weiter zu schaden und ihn zu beleidigen. Es liege eine Verleumdung und nicht eine üble Nachrede vor.
 
Neben einer willkürlichen Sachverhaltsfeststellung rügt der Beschwerdeführer sinngemäss eine Verletzung von Bundesrecht (Art. 173 StGB).
 
2.3
 
2.3.1 Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und substanziiert begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 und Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 I 23 E. 5.2 S. 30 mit Hinweisen). Genügt die Beschwerde diesen Anforderungen nicht, ist darauf nicht einzutreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG).
 
Betreffend die Beweiswürdigung ist die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür im Sinne von Art. 9 BV beschränkt. Eine solche liegt nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung einzig vor, wenn der angefochtene Entscheid auf einer schlechterdings unhaltbaren oder widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht bzw. im Ergebnis offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dass das angefochtene Urteil mit der Darstellung des Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung oder Würdigung auch vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt praxisgemäss für die Begründung von Willkür nicht (BGE 134 I 140 E. 5.4 S. 148 mit Hinweisen).
 
2.3.2 Der Beschwerdeführer legt nicht ausreichend dar, inwiefern die Erwägungen im vorinstanzlichen Urteil willkürlich und der angefochtene Entscheid (auch) im Ergebnis verfassungswidrig sein sollten. Seine Ausführungen erschöpfen sich in einer unzulässigen appellatorischen Kritik am angefochtenen Entscheid, indem er der Würdigung der Vorinstanz lediglich seine eigene Sicht der Dinge gegenüberstellt. Auf die entsprechenden Rügen ist nicht einzutreten. Beispielsweise geht die Rüge des Beschwerdeführers fehl, die Vorinstanz sei von mehreren gegen B.________ eingeleiteten Verfahren ausgegangen. Im angefochtenen Entscheid werden wohl mehrere Verfahren erwähnt, jedoch hat die Vorinstanz nicht ausgeführt, B.________ sei Prozesspartei in verschiedenen Gerichtsverfahren gewesen. Im Übrigen kommt der Anzahl Prozesse vorliegend keine Bedeutung zu. Der Beschwerdeführer rügt weiter, es sei unzutreffend, dass er an einer Auseinandersetzung im F.________ Verein beteiligt gewesen sei. Auch diese Vorbringen sind ungeeignet, Willkür darzutun. Unwesentlich ist, ob die Vorinstanz auf eine Auseinandersetzung innerhalb des Vereins oder des Beschwerdeführers mit dem Verein verwiesen hat. Immerhin kann festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer gegen mehrere (frühere) Mitglieder des besagten Vereins Ehrverletzungsklagen erhoben hatte; dies im Zusammenhang mit einer Delegiertenversammlung des E.________ Verbands und des dort gestellten Antrags aus den Reihen des F.________ Vereins, den Beschwerdeführer aus dem Verband auszuschliessen (vgl. Urteil 6B_39/2009 vom 12. Februar 2009). Soweit der Beschwerdeführer schliesslich behauptet, der Beschwerdegegner habe ihn mit dem besagten E-Mail beleidigen und ihm einen Schaden zufügen wollen (Beschwerde S. 5), legt er einzig dar, dass aus seiner Sicht keine andere Motive vorhanden gewesen seien, das E-Mail vom 11. April 2007 zu verfassen. Auch hier handelt es sich um eine tatsächliche Feststellung der Vorinstanz, deren Richtigkeit im vorliegenden Verfahren nur einer beschränkten Prüfung unterliegt. Der Beschwerdeführer zeigt nicht substanziiert auf, inwiefern die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung auch im Ergebnis offensichtlich unhaltbar sei (BGE 133 IV 286 E. 1.4 S. 287; 133 II 249 E. 1.4 S. 254 f.; Urteil 6B_193/2009 vom 25. Juni 2009 E. 1.2). Seine Vorbringen genügen den Begründungsanforderungen gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nicht, weshalb auf die Beschwerde insoweit nicht einzutreten ist.
 
2.4
 
2.4.1 Nach Art. 173 Ziff. 1 StGB macht sich der üblen Nachrede schuldig, wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, sowie wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung weiterverbreitet.
 
Der subjektive Tatbestand verlangt Vorsatz, wobei Eventualvorsatz genügt. Dieser muss sich auf den ehrverletzenden Charakter der Mitteilung, die Eignung zur Rufschädigung und die Kenntnisnahme der Äusserung durch einen Dritten, nicht aber auf deren Unwahrheit beziehen. Eine besondere Beleidigungsabsicht ist nicht erforderlich (Trechsel/ Crameri, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, N. 11 zu Art. 173 StGB).
 
2.4.2 Ehreingriffe sind im Regelfall strafbar, wenn sie unwahr sind. Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte Äusserung der Wahrheit entspricht (Wahrheitsbeweis), oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten (Gutglaubensbeweis), so ist er nicht strafbar (Art. 173 Ziff. 2 StGB). Die im Zusammenhang mit dem Gutglaubensbeweis erforderlichen Informations- und Sorgfaltspflichten sind einzelfallbezogen zu beurteilen. Je schwerer ein Ehreingriff ist, desto höhere Sorgfaltspflichten bestehen hinsichtlich der Abklärung des wahren Sachverhalts. Die Schwere hängt vom Vorwurf selber und vom Verbreitungsgrad ab (BGE 124 IV 149 E. 3b S. 151; Urteil 6B_461/2008 vom 4. September 2008 E. 3.3.4; Franz Riklin, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 2. Aufl. 2007, N. 14 ff. zu Art. 173 StGB; zur Abklärungspflicht bei einer Strafanzeige vgl. derselbe, Schutz der Unschuldsvermutung - Medien im Graubereich, Zeitschrift für Kommunikationsrecht, 11/2006, S. 28 f.).
 
2.4.3 Der Beschwerdeführer bringt vor, der Beschwerdegegner habe nicht darlegen können, "wie er seine Anhaltspunkte auf Wahrheit überprüfte" (Beschwerde S. 4). Damit macht er sinngemäss geltend, der Beschwerdegegner habe den Gutglaubensbeweis im Sinne von Art. 173 Ziff. 2 StGB nicht erbracht, und die Vorinstanz habe das Vorliegen ernsthafter Gründe, die von ihm vorgebrachte Äusserung für wahr zu halten, deshalb zu Unrecht bejaht. Inwiefern der angefochtene Entscheid gegen Bundesrecht verstösst, begründet der Beschwerdeführer jedoch nicht näher. Die Vorinstanz hat erwogen, der Beschwerdegegner habe seine Ausführungen in guten Treuen für wahr halten dürfen. Er habe gewusst, dass B.________ an einer Lungenentzündung verstorben sei und diese in Zusammenhang mit der psychischen Belastung durch Streit und Gerichtsverfahren gebracht. Den Gesundheitszustand von B.________ habe er während des letzten halben Jahres beobachtet. Von ihm habe er erfahren und auch selber feststellen müssen, dass B.________ schwer unter dem Streit und der Ehrverletzungsklage gelitten und nicht mehr richtig geschlafen habe. Zudem sei das E-Mail einzig zwei weiteren Personen versandt worden (vgl. angefochtenes Urteil S. 7 f. mit Hinweis auf den erstinstanzlichen Entscheid S. 10 ff.). Mit diesen Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander. Auf die Beschwerde ist auch in diesem Punkt nicht einzutreten.
 
2.4.4 Der Beschwerdeführer rügt sinngemäss, die Vorinstanz habe die dem Beschwerdegegner zur Last gelegte Äusserung zu Unrecht als üble Nachrede und nicht als Verleumdung qualifiziert (Beschwerde S. 3). Der subjektive Tatbestand der Verleumdung im Sinne von Art. 174 StGB unterscheidet sich zum Tatbestand der üblen Nachrede gemäss Art. 173 StGB darin, dass der Täter die Verleumdung mit direktem Vorsatz in Bezug auf die Unwahrheit der Äusserung begeht. Eventualvorsatz genügt hier nicht (Stratenwerth/Jenny, Schweizerisches Strafrecht, Straftaten gegen Individualinteressen, 6. Aufl. 2003, § 11 N. 58). Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss vorbringt, der Beschwerdegegner habe gewusst, dass er etwas Unwahres behaupte, richtet er sich gegen tatsächliche Feststellungen der Vorinstanz, ohne allerdings darzutun, inwiefern diese willkürlich seien. Er legt nicht dar, in welcher Hinsicht die Vorinstanz bei der von ihr festgestellten Sachlage Art. 173 StGB verletzt habe. Auf seine Rüge ist demnach nicht einzutreten.
 
3.
 
Zusammenfassend ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario).
 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinen angespannten finanziellen Verhältnissen ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Dem Beschwerdegegner ist keine Entschädigung zuzusprechen, da ihm im bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden sind.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 14. August 2009
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Favre Faga
 
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