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Informationen zum Dokument  BGer 6B_272/2009  Materielle Begründung
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BGer 6B_272/2009 vom 22.06.2009
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_272/2009
 
Urteil vom 22. Juni 2009
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Favre, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
 
Gerichtsschreiber Näf.
 
Parteien
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, 4410 Liestal,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
X.________, vertreten durch Advokat Ivo Trüeb,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Widerhandlung gegen das Gastgewerbegesetz des Kantons Basel-Landschaft; Testkäufe von alkoholischen Getränken durch Jugendliche, verdeckte Ermittlung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, vom 10. Februar 2009.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
X.________ verkaufte als Angestellte des Tankstellenshops der Firma A.________ in Pratteln/BL am 4. Juli 2007 sechs Flaschen Bier zu 5 dl an eine Jugendliche von 15 Jahren. Die Jugendliche war in Unkenntnis von X.________ im Auftrag des Pass- und Patentbüros Basel-Landschaft als "Testkäuferin" aufgetreten, um zu klären, ob die Angestellte bereit sei, einer Person von weniger als 16 Jahren Bier zu veräussern. Das Pass- und Patentbüro ist eine Dienststelle der Sicherheitsdirektion des Kantons Basel-Landschaft, die unter anderem zuständig ist für Bewilligungen, Vollzug und Aufsicht im Bereich des Gastgewerbes und des Alkoholverkaufs.
 
B.
 
B.a Das Bezirksstatthalteramt Liestal sprach X.________ mit Strafbefehl vom 19. Dezember 2007 des Verabreichens gesundheitsgefährdender Stoffe an Kinder im Sinne von Art. 136 StGB schuldig und verurteilte sie zu einer Geldstrafe von zwei Tagessätzen zu Fr. 30.--, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren, und zu einer Busse von 100 Franken.
 
B.b Gegen diesen Strafbefehl erhob X.________ Einsprache.
 
Das Strafgerichtspräsidium Basel-Landschaft sprach X.________ am 1. September 2008 in teilweiser Abänderung des Strafbefehls der fahrlässigen Widerhandlung gegen das Gastgewerbegesetz des Kantons Basel-Landschaft (§ 29 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 15 Abs. 2 GgG/BL) schuldig und verurteilte sie zu einer Busse von 50 Franken beziehungsweise, für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung der Busse, zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag. Von der Anklage des Verabreichens gesundheitsgefährdender Stoffe an Kinder im Sinne von Art. 136 StGB wurde X.________ freigesprochen.
 
B.c Das Kantonsgericht Basel-Landschaft sprach X.________ am 10. Februar 2009 in Gutheissung von deren Appellation frei.
 
C.
 
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Die Vorinstanz hat die Beschwerdegegnerin erstens unter Hinweis insbesondere auf BGE 134 IV 266 mit der Begründung freigesprochen, dass sich der Vorwurf des Verkaufs von sechs Flaschen Bier an eine 15-jährige Person im Wesentlichen auf Beweise stütze, die durch das Verhalten der "Testkäuferin" gewonnen worden seien, was als verdeckte Ermittlung im Sinne des Bundesgesetzes über die verdeckte Ermittlung (BVE; SR 312.8) zu qualifizieren sei. Dieses Gesetz lasse jedoch für eine Straftat der hier in Betracht fallenden Art die verdeckte Ermittlung nicht zu. Daher seien die durch den Testkauf gewonnenen Beweise im Strafverfahren nicht verwertbar. Zufolge des Beweisverwertungsverbots seien die Akten im Zusammenhang mit dem durch das Pass- und Patentbüro Basel-Landschaft durchgeführten Alkohol-Testkauf aus dem Recht zu weisen. Infolge der daraus resultierenden Beweislosigkeit sei die Beschwerdegegnerin in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" freizusprechen. Die Vorinstanz betont im Übrigen, dass sie im vorliegenden Verfahren nicht generell über die Zulässigkeit von Testkäufen nach § 26 Abs. 4 GgG/BL, beispielsweise im Hinblick auf ein verwaltungsrechtliches Verfahren, zu entscheiden habe.
 
Die Vorinstanz hat zweitens erwogen, die Beschwerdegegnerin sei auch freizusprechen, wenn der Testkauf nicht als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE qualifiziert werde und die durch den Testkauf gewonnenen Beweise im Strafverfahren verwertbar seien. Der Beschwerdegegnerin könne nämlich entgegen der Ansicht der ersten Instanz nicht zumindest Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Die Vorinstanz verweist auf die Bestimmungen des kantonalen Gastgewerbegesetzes, wonach gegorene Getränke gemäss Bundesrecht nicht an Personen unter 16 Jahren abgegeben werden dürfen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 GgG/BL), in Zweifelsfällen die verantwortliche Person und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich über das Alter zu vergewissern haben (§ 15 Abs. 2 Satz 2 GgG/BL) und mit Busse bestraft wird, wer vorsätzlich oder fahrlässig die Verpflichtungen nach dem Gastgewerbegesetz nicht einhält (§ 29 Abs. 1 lit. b GgG/BL). Das strafbare Verhalten bestehe somit in der Unterlassung, sich im Zweifelsfall über das Alter des Käufers zu vergewissern. Die Beschwerdegegnerin habe ausgesagt, sie habe das Alter der Käuferin auf 18 Jahre geschätzt. Diese Aussage sei nicht widerlegbar. Dem Gericht lägen keine Beweise betreffend das Erscheinungsbild der Käuferin im Zeitpunkt des Testkaufs vor. Für die Beschwerdegegnerin habe nach deren massgebenden Einschätzung in Bezug auf den Verkauf von Bier an die vermeintlich 18-jährige, in Tat und Wahrheit aber 15 Jahre und 8 Monate alte Käuferin kein Zweifelsfall vorgelegen. Daher habe sich die Beschwerdegegnerin nicht pflichtwidrig unvorsichtig verhalten, indem sie es unterlassen habe, von der Käuferin die Vorlage eines Ausweises zu verlangen. Es könne von einer Verkäuferin nicht gefordert werden, dass sie eine Person, die 18 Jahre alt zu sein scheine, nach einem Ausweis frage, bevor sie ihr alkoholische Getränke verkaufe, die bereits an 16-Jährige abgegeben werden dürfen.
 
Der vorinstanzliche Freispruch beruht somit auf zwei selbständigen Begründungen, nämlich dass erstens die durch den als verdeckte Ermittlung zu qualifizierenden Testkauf gewonnenen Beweise nicht verwertbar seien und dass zweitens der Beschwerdegegnerin nicht Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne.
 
1.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, ein Testkauf der vorliegenden Art sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizieren. Daher seien die durch das Verhalten der Testkäuferin gewonnenen Beweise entgegen der Ansicht der Vorinstanz im Strafverfahren verwertbar.
 
Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass die Beschwerdegegnerin entgegen den weiteren Erwägungen der Vorinstanz zumindest fahrlässig gehandelt habe.
 
Die Beschwerdeführerin setzt sich somit nur mit einer von zwei selbständigen Begründungen auseinander, auf welchen der vorinstanzliche Freispruch beruht.
 
1.3 In der Begründung der Rechtsschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG). Diese allgemeine Verfahrensbestimmung gilt auch für die Beschwerde in Strafsachen. Beruht der angefochtene Entscheid auf mehreren selbständigen Begründungen, die je für sich den Ausgang des Rechtsstreits besiegeln, so hat der Beschwerdeführer darzulegen, dass jede von ihnen Recht verletzt; andernfalls kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 133 IV 119 E. 6 mit Hinweisen).
 
Die Beschwerdeführerin setzt sich nur mit der einen der beiden selbständigen vorinstanzlichen Begründungen des Freispruchs auseinander. Selbst wenn der Beschwerdeführerin darin beizupflichten wäre, dass ein Testkauf der hier vorliegenden Art nicht als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizieren sei beziehungsweise die durch einen solchen Testkauf gewonnenen Beweise in einem Strafverfahren verwertbar seien, bliebe es beim vorinstanzlichen Freispruch der Beschwerdegegnerin mangels Fahrlässigkeit, welchen das Bundesgericht im vorliegenden Verfahren nicht zu überprüfen hat, da die Beschwerdeführerin nicht darlegt, dass und inwiefern die Vorinstanz Fahrlässigkeit zu Unrecht verneint habe.
 
Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten.
 
2.
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdegegnerin ist keine Entschädigung zuzusprechen, da ihr im bundesgerichtlichen Verfahren keine Umtriebe entstanden sind.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 22. Juni 2009
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Favre Näf
 
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