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Informationen zum Dokument  BGer 6B_20/2009  Materielle Begründung
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BGer 6B_20/2009 vom 14.04.2009
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
6B_20/2009
 
Urteil vom 14. April 2009
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Favre, Präsident,
 
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
 
Gerichtsschreiber Stohner.
 
Parteien
 
X.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christian Häuptli,
 
gegen
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
 
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Grobe Verletzung von Verkehrsregeln; willkürliche Beweiswürdigung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, vom 10. November 2008.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Das Obergericht des Kantons Aargau befand X.________ am 10. November 2008 zweitinstanzlich der mehrfachen groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig, begangen durch ungenügenden Abstand beim Hintereinanderfahren (Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 34 Abs. 4 SVG und Art. 12 Abs. 1 VRV) und Missachtung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn (Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 32 Abs. 2 SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. d VRV), und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 6 Tagessätzen à Fr. 170.-- und zu einer Busse von Fr. 200.--. Den Vollzug der Geldstrafe schob es unter Festsetzung einer Probezeit von zwei Jahren auf.
 
B.
 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 10. November 2008 sei aufzuheben, und er sei freizusprechen. Eventualiter sei das Verfahren wegen Verjährung einzustellen.
 
Erwägungen:
 
1.
 
1.1 Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er habe am 31. Mai 2005, ca. 06.30 Uhr, als Lenker eines zivilen Polizeifahrzeugs im Rahmen der Verfolgung eines Motorradfahrers, welcher sich SVG-Widerhandlungen habe zu Schulden kommen lassen (qualifiziert ungenügender Abstand beim Hintereinanderfahren und Rechtsüberholen auf der Autobahn durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen), mehrfach eine grobe Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG begangen, indem er beim Hintereinanderfahren mehrfach keinen genügenden Abstand eingehalten und die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen mehrfach überschritten habe (angefochtenes Urteil S. 6).
 
1.2 Die Vorinstanz hat erwogen, aus den Videoaufzeichnungen, die aus dem Polizeifahrzeug des Beschwerdeführers hinaus gemacht worden seien, ergebe sich, dass das Polizeifahrzeug nach Einleitung der Verfolgungsfahrt mit Einschalten des Wechselklanghorns und der sog. Frontblitzer und - nicht sichtbar - mit der Montage des Blaulichts auf dem Armaturenbrett mit einer Geschwindigkeit von 120 - 125 km/h weniger als 18 Meter zu dem vor ihm fahrenden Personenwagen aufgeschlossen sei und diesen hierdurch bedrängt habe. Anschliessend habe der Beschwerdeführer sein Auto auf eine Geschwindigkeit von 186 km/h beschleunigt; im Bereich mit einer maximal zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h habe die Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs noch immer 162 km/h betragen (angefochtenes Urteil S. 7 ff.).
 
2.
 
2.1 Der Beschwerdeführer bestreitet, sich einer groben Verletzung der Verkehrsregeln durch Einhalten eines ungenügenden Abstands beim Hintereinanderfahren schuldig gemacht zu haben. Art. 90 Ziff. 2 SVG könne nur zur Anwendung gelangen, wenn der Abstand über eine bestimmte Strecke - gemäss der Praxis des Kantons Aargau sei von 500 Metern auszugehen - unterschritten werde. Eine "Sekundenaufnahme" zu nahen Aufschliessens lasse keinen Rückschluss auf die Rücksichtslosigkeit des Fahrens zu. Im zu beurteilenden Fall sei der Abstand ausgehend von einer Geschwindigkeit von 120 km/h während einer Wegstrecke von bloss 132 bis 198 Metern ungenügend gewesen, weshalb keine grobe Verkehrsregelverletzung vorliege. Des Weiteren sei der Schluss von den Videobildern auf einen Abstand von unter 20 Metern offensichtlich willkürlich, denn die Filmaufnahmen täuschten sehr und die genaue Position der beiden Personenwagen im Verhältnis zum Lastwagen sei nicht feststellbar. In dubio pro reo sei mithin von einem Abstand von mehr als 20 Metern auszugehen. Zudem sei der vorausfahrende Personenwagen verpflichtet gewesen, die Strasse für das zivile Polizeifahrzeug freizugeben. Er habe daher nicht damit rechnen müssen, dass der Lenker des vor ihm fahrenden Autos dieser Pflicht nicht nachkomme, obwohl es diesem entgegen den willkürlichen Ausführungen im angefochtenen Urteil möglich gewesen wäre, auf die Normalspur zu wechseln (Beschwerde S. 6 - 12).
 
2.2 Die Vorinstanz hat ausgeführt, der Abstand von weniger als 18 Meter zum vorausfahrenden Auto lasse sich aus der Video-Sequenz eruieren, während welcher die beiden Personenwagen einen Lastwagen mit einer Länge von knapp 18 Metern überholt hätten. Ausgehend von einer Geschwindigkeit von 120 - 125 km/h sei in Anwendung der "1/6-Tacho-Regel" von einer groben Verkehrsregelverletzung auszugehen (angefochtenes Urteil S. 11).
 
2.3
 
2.3.1 Die Feststellung der Vorinstanz, die Kamera gebe in der Grundeinstellung die Aufnahmen originalgetreu wieder, und ihr in freier richterlicher Beweiswürdigung gezogene Schluss, aus den Videoaufnahmen, d.h. aus der Position des Autos des Beschwerdeführers und jener des vor ihm fahrenden Personenwagens auf der Überholspur im Verhältnis zum Lastwagen auf der Normalspur, lasse sich folgern, dass der Abstand des Beschwerdeführers weniger als 18 Meter betragen habe, ist nicht willkürlich. Dass die Vorinstanz in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgegangen wäre, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen (BGE 134 I 140 E. 5.4), ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig liegt damit ein Verstoss gegen den aus der Unschuldsvermutung abgeleiteten Grundsatz in dubio pro reo vor.
 
2.3.2 Dass der Beschwerdeführer nicht auf einer Strecke von 500 Metern oder mehr derart nahe zum vorderen Fahrzeug aufgefahren ist, vermag ihn nicht entscheidend zu entlasten. Vorliegend handelt es sich nicht um eine Nachfahrmessung im Sinne der Technischen Weisungen des UVEK über Geschwindigkeitskontrollen im Strassenverkehr vom 10. August 1998, welche bei "Nachfahrkontrollen mit Geschwindigkeitsmessgerät ohne Rechner" eine Mindestmessstrecke von 500 Metern verlangen (Weisungen Ziff. 7.5.1). Diese Weisungen finden daher keine Anwendung.
 
Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat (angefochtenes Urteil S. 10), genügt es für die Bejahung einer ernstlichen Gefahr für die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer durch ungenügenden Abstand, dass auf einer verhältnismässig kurzen Strecke zu nahe aufgefahren wird, ist doch die Dauer des zu nahen Auffahrens nur ein Kriterium neben anderen - wie namentlich das Verkehrsaufkommen und die gefahrene Geschwindigkeit - zur Beurteilung der erhöht abstrakten bzw. allenfalls konkreten Gefährdung. Der objektive Tatbestand ist damit zu bejahen.
 
Weshalb ein derart nahes Aufschliessen auf das vor ihm fahrende Auto - welches, wie die Vorinstanz willkürfrei festgestellt hat, keine Möglichkeit hatte, vorgängig gefahrlos auf die Normalspur zu wechseln (angefochtenes Urteil S. 7) - während fünf Sekunden respektive einer Strecke von mindestens 132 Metern "keinen Rückschluss auf die Rücksichtslosigkeit des Fahrens" zulassen soll, ist nicht einsichtig. Der Beschwerdeführer hat vorsätzlich und mit massiv übersetzter Geschwindigkeit fahrend den zulässigen Abstand zum vorderen Fahrzeug deutlich unterschritten und hierdurch auch den subjektiven Tatbestand erfüllt. Die genauen Tatumstände, wie die vom Beschwerdeführer angeführte Zeitspanne des zu nahen Auffahrens, können im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden, was die Vorinstanz auch getan hat.
 
3.
 
3.1 Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, er habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen nicht um mehr als 35 km/h überschritten, weshalb er zu Unrecht der groben Verletzung der Verkehrsregeln für schuldig befunden worden sei. Werde nämlich für die Bestimmung der Geschwindigkeit gleich der Nachfahrmessung eine durchschnittliche Geschwindigkeit über eine bestimmte Distanz ermittelt, so sei von einer Geschwindigkeitsüberschreitung um weniger als 35 km/h auszugehen (Beschwerde S. 12 f.).
 
3.2 Die Vorinstanz hat betont, es sei anders als bei einer Nachfahrmessung nicht auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit, sondern auf die im zivilen Polizeifahrzeug effektiv gemessene Geschwindigkeit von 186 km/h respektive - im Bereich mit einer maximal zulässigen Geschwindigkeit von 100 km/h - von 162 km/h abzustellen. Zu Gunsten des Beschwerdeführers sei (jeweils) von einer um 15 km/h toleranzbereinigten Nettogeschwindigkeit auszugehen. Der Beschwerdeführer habe daher die maximal zulässige Geschwindigkeit von 120 km/h respektive von 100 km/h um mehr als 35 km/h überschritten und damit den Tatbestand der groben Verkehrsregelverletzung erfüllt (angefochtenes Urteil S. 13).
 
3.3 Die Technischen Weisungen des UVEK über Geschwindigkeitskontrollen im Strassenverkehr vom 10. August 1998, auf welche sich der Beschwerdeführer auch insoweit sinngemäss beruft, sind nicht einschlägig. Die darin aufgeführte Mindestmessstrecke ist Voraussetzung zur Ermittlung der Durchschnittsgeschwindigkeit bei Nachfahrmessungen, bei welchen zu berücksichtigen ist, dass der Abstand zwischen dem Polizeifahrzeug und dem zu kontrollierenden Fahrzeug nicht konstant gleichbleibend gehalten werden kann. Im zu beurteilenden Fall hat die Vorinstanz hingegen zutreffend die mittels Videoaufzeichnung im zivilen Polizeifahrzeug gemessene effektive Geschwindigkeit herangezogen und diese zugunsten des Beschwerdeführers um eine Toleranzmarge von 15 km/h reduziert. Die Vorbringen des Beschwerdeführers zielen mithin an der Sache vorbei.
 
4.
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, selbst bei Bejahung des Vorliegens grober Verkehrsregelverletzungen sei er freizusprechen, da sein Verhalten durch Art. 100 Ziff. 4 SVG respektive durch Art. 14 StGB, welche sich im zu beurteilenden Fall deckten, gerechtfertigt gewesen sei.
 
4.1 Nach Art. 14 StGB verhält sich rechtmässig, wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, auch wenn die Tat nach diesem oder einem anderen Gesetz mit Strafe bedroht ist.
 
Gemäss Art. 100 Ziff. 4 SVG als lex specialis zu Art. 14 StGB (vgl. Stefan Trechsel/Marc Jean-Richard-dit-Bressel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, Art. 14 N. 4) ist der Führer eines Feuerwehr-, Sanitäts- oder Polizeifahrzeugs auf einer dringlichen Dienstfahrt wegen Missachtung der Verkehrsregeln und der besonderen Anordnungen für den Verkehr nicht strafbar, sofern er die erforderlichen Warnsignale gibt und alle Sorgfalt beobachtet, die nach den Verhältnissen erforderlich ist (zu Art. 100 Ziff. 4 SVG vgl. auch das Urteil des Bundesgerichts 6S.162/2003 vom 4. August 2003 E. 3; siehe ferner Hans Giger, Strassenverkehrsgesetz, 7. Aufl. 2008, Art. 100 N. 22 ff.).
 
4.2 Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, die Voraussetzungen von Art. 100 Ziff. 4 SVG seien erfüllt, da es sich um eine dringliche Dienstfahrt gehandelt, er die erforderlichen Warnsignale gegeben, bei der Verfolgungsfahrt die notwendige Sorgfalt beachtet und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit gewahrt habe. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil sei im Übrigen auch insoweit (zumindest) von einer um 15 km/h toleranzbereinigten Geschwindigkeit auszugehen (Beschwerde S. 13 - 18).
 
4.3
 
4.3.1 Die Vorinstanz hat festgehalten, das Verhalten des Beschwerdeführers erscheine im Lichte von Art. 100 Ziff. 4 SVG nicht gerechtfertigt, da bereits die Voraussetzung der Dringlichkeit der Dienstfahrt zu verneinen sei. Bei der fraglichen Aktion sei es insbesondere nicht darum gegangen, Menschenleben zu retten, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden oder bedeutende Sachwerte zu erhalten. Zudem sei sich der Motorradfahrer nicht bewusst gewesen, bei seinen SVG-Vergehen von der Polizei beobachtet worden zu sein. Er habe daher seine Fahrt normal fortgesetzt, weshalb von Flucht keine Rede sein könne. Zweck des Vorgehens des Beschwerdeführers sei (einzig) die Anhaltung und Kontrolle eines fehlbaren Motorradfahrers gewesen, dessen (nicht allzu schwer wiegenden) SVG-Vergehen bereits abgeschlossen gewesen seien und dessen Identität noch nicht eindeutig festgestanden habe; erkannt hätten die beiden Polizeibeamten immerhin das Kantonskennzeichen und die ersten beiden Ziffern des vierstelligen Nummernschilds.
 
Überdies habe der Beschwerdeführer auch die Warnvorrichtungen nicht ordnungsgemäss betätigt, da das Blaulicht zu Beginn der Verfolgungsfahrt nicht vorschriftsgemäss auf dem Dach, sondern auf dem Armaturenbrett montiert gewesen sei. Ferner habe er auch die ihm obliegende Sorgfalt nicht in genügendem Mass beachtet (angefochtenes Urteil S. 16).
 
4.3.2 Die Vorinstanz hat schliesslich hervorgehoben, eine erfolgreiche Berufung des Beschwerdeführers auf seine Amtspflichten respektive auf den Rechtfertigungsgrund von Art. 14 StGB scheitere am Erfordernis der Verhältnismässigkeit (angefochtenes Urteil S. 17 f.).
 
4.4
 
4.4.1 Im angefochtenen Urteil ist die Dringlichkeit der Dienstfahrt zutreffend verneint und dem Beschwerdeführer folgerichtig die erfolgreiche Berufung auf Art. 100 Ziff. 4 SVG verwehrt worden.
 
Die Vorinstanz hat zur Konkretisierung der Bestimmung von Art. 100 Ziff. 4 SVG den Dienstbefehl 186 der Kantonspolizei Aargau mit dem Titel "Verwendung von Blaulicht und Wechselklanghorn Weisungen für Verfolgungsfahrten und Nachfahrmessungen" (vorinstanzliche Akten act. 56 ff.) herangezogen, was vom Beschwerdeführer zu Recht nicht gerügt wird. Gemäss diesem Dienstbefehl haben die polizeilichen Massnahmen und Tätigkeiten in einem vertretbaren, vernünftigen und verhältnismässigen Rahmen zu erfolgen (Dienstbefehl 186 Ziff. 2.1). Als dringlich gelten Dienstfahrten im Ernstfall, sogenannte Notfallfahrten, bei denen es auf den möglichst raschen Einsatz der Feuerwehr, der Sanität oder der Polizei ankommt, um Menschenleben zu retten, eine Gefahr für die öffentliche Sittlichkeit oder Ordnung abzuwenden, um bedeutende Sachwerte zu erhalten oder um flüchtige Personen zu verfolgen. Der Begriff der Dringlichkeit ist eng auszulegen. Entscheidend ist, dass Rechtsgüter gefährdet sind, bei denen selbst kleine Zeitverluste eine erhebliche Vergrösserung der Schäden bewirken können (Dienstbefehl 186 Ziff. 4.4).
 
Werden diese Kriterien auf den zu beurteilenden Fall angewendet und wird der Begriff der Dringlichkeit eng ausgelegt, so verletzt der im angefochtenen Urteil gezogene Schluss, es mangle vorliegend an der Dringlichkeit der Dienstfahrt im Sinne von Art. 100 Ziff. 4 SVG, kein Bundesrecht. Die Vorinstanz hat zutreffend erwogen, der Motorradfahrer sei weder flüchtig gewesen noch sei es bei der Verfolgungsfahrt um die Rettung von Menschenleben, die Abwendung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder um den Erhalt bedeutender Sachwerte gegangen. Der Beschwerdeführer kann insoweit auch aus seinem Hinweis auf das Urteil der 1. Zivilabteilung des Bundesgerichts 4C.3/1997 vom 6. Juni 2000 nichts Entscheidendes zu seinen Gunsten ableiten. Die tatsächlichen Umstände sind entgegen den Ausführungen in der Beschwerde nicht gleich gelagert, fuhr doch der Beschwerdeführer etwa mit deutlich höherer Geschwindigkeit als das Polizeifahrzeug im angeführten Vergleichsfall (171 km/h verglichen mit rund 120 km/h).
 
Es fehlt mit anderen Worten vorliegend am Merkmal einer Notstandsfahrt, weshalb offen gelassen werden kann, ob der Beschwerdeführer, wie im angefochtenen Urteil ausgeführt, auch die Warnvorrichtungen nicht ordnungsgemäss betätigt hat.
 
4.4.2 Die Bestimmung von Art. 100 Ziff. 4 SVG deckt, wie dargelegt, einzig die dringlichen Dienstfahrten der besonderen Einsatzfahrzeuge ab. Wird wie vorliegend die Dringlichkeit verneint, steht der beschuldigten Person grundsätzlich weiterhin die Berufung auf den allgemeinen Rechtfertigungsgrund von Art. 14 StGB offen (René Schaffhauser, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band III: Die Administrativmassnahmen, 1995, S. 181 f.). Allerdings können sich Polizeibeamte, welche bei der Erfüllung ihrer Aufgaben eine Rechtsverletzung begehen, nicht mit Erfolg auf Art. 14 StGB stützen, wenn ihr Handeln nicht verhältnismässig ist. Ihr Vorgehen hat mit anderen Worten zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich zu sein, und das beeinträchtigte Rechtsgut sowie das Ausmass der Rechtsgutverletzung müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des angestrebten Zwecks stehen (vgl. auch Schaffhauser, a.a.O., S. 181).
 
Zur Konkretisierung des Inhalts der Amtspflicht im Allgemeinen und des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit im Besonderen ist (erneut) auf den Dienstbefehl 186 der Kantonspolizei Aargau zurückzugreifen. Demgemäss ist das Verhältnismässigkeitsprinzip bei allen Fahrten zu beachten. Dies bedeutet, die Gefahren, denen sich die Polizeipatrouillen und die Besatzung mit hohen Geschwindigkeiten aussetzen oder gegenüber Dritten darstellen, sind gegenüber dem zu schützenden Rechtsgut oder gegenüber den Straftatbeständen der zu verfolgenden Person abzuwägen (Dienstbefehl 186 Ziff. 3.1).
 
Vorliegend steht das gewählte Mittel - die Verfolgungsfahrt mit massiv übersetzter Geschwindigkeit und das zu nahe Auffahren auf der Autobahn im dichten Morgenverkehr - in keinem vernünftigen Verhältnis zum verfolgten Zweck, sprich zur sicheren Identifizierung des Motorradfahrers, dessen Verfehlungen zum Zeitpunkt der Einleitung der Verfolgungsfahrt bereits abgeschlossen gewesen sind. Der Schluss auf die Unverhältnismässigkeit liegt auch deshalb nahe, weil die vom Beschwerdeführer für die übrigen Verkehrsteilnehmer bewirkte Gefahr deutlich höher war als jene, welche der Motorradfahrer mit seinen SVG-Widerhandlungen geschaffen hatte. Dies gilt selbst dann, wenn - wie der Beschwerdeführer vorbringt - (auch hier) von einer toleranzbereinigten Nettogeschwindigkeit ausgegangen wird.
 
4.4.3 Auch soweit sich der Beschwerdeführer auf Rechtsirrtum beruft, ist seiner Beschwerde kein Erfolg beschieden. Sein Vorbringen, er sei sicher gewesen, gestützt auf Art. 14 StGB bzw. Art. 100 Ziff. 4 SVG und den Dienstbefehl 186 korrekt vorgegangen zu sein (Beschwerde S. 18), erscheint als blosse Schutzbehauptung. So ist wenig glaubhaft, dass der Beschwerdeführer trotz Kenntnis der Rechtslage, d.h. insbesondere des Dienstbefehls 186, welcher das Kriterium der Dringlichkeit der Dienstfahrt detailliert umschreibt und explizit ein verhältnismässiges Vorgehen fordert, überzeugt gewesen ist, vorschriftsgemäss zu handeln. Vielmehr ist in Übereinstimmung mit der Vorinstanz (vgl. angefochtenes Urteil S. 19) davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in eine Art "Jagdfieber" geriet und dabei jegliche Güterabwägung hat vermissen lassen.
 
5.
 
Das eventualiter erhobene Begehren des Beschwerdeführers auf Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung schliesslich bezieht sich auf die Konstellation, dass er zwar vom Vorwurf des Verstosses gegen Art. 90 Ziff. 2 SVG freigesprochen, hingegen wegen Art. 90 Ziff. 1 SVG schuldig befunden worden wäre. Infolge Bestätigung des vorinstanzlichen Urteils erübrigt sich daher ein Eingehen auf diesen Eventualantrag.
 
6.
 
Die Beschwerde ist deshalb vollumfänglich abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 14. April 2009
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
Favre Stohner
 
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