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Informationen zum Dokument  BGer 12T_4/2008  Materielle Begründung
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BGer 12T_4/2008 vom 16.02.2009
 
Bundesgericht
 
Tribunal fédéral
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
12T_4/2008 /ber
 
Entscheid vom 16. Februar 2009
 
Verwaltungskommission
 
Besetzung
 
Bundesrichter Meyer Lorenz, Präsident,
 
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Kolly,
 
Generalsekretär Tschümperlin.
 
Anzeiger
 
X.________, Richter Abteilung IV, Kammer 1, Bundesverwaltungsgericht,
 
Anzeiger,
 
gegen
 
Bundesverwaltungsgericht,
 
Angezeigte.
 
Gegenstand
 
Aufsichtsanzeige nach Art. 1 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 71 VwVG.
 
Erwägungen:
 
1. Richter X.________, Mitglied der Abteilung IV, Kammer 1, des Bundesverwaltungsgerichts reichte beim Bundesgericht am 4. November 2008 ein Gesuch um aufsichtsrechtliche Massnahmen beim Bundesverwaltungsgericht ein. Er ersuchte, der Abteilung IV zu untersagen, ihm im Vergleich zu anderen Richterinnen und Richtern mit einem vollen Pensum zahlenmässig mehr Fälle zuzuteilen. Die Präsidentin der Abteilung IV und der Präsident der Abteilung V seien anzuweisen, dem Bundesgericht bis Ende 2008 ein Konzept vorzulegen, welches bis Ende 2009 die Erledigung aller Beschwerden mit Eingang vor dem 31. Dezember 2007 gewährleisten soll.
 
Das Bundesverwaltungsgericht nahm am 23. Dezember 2008 Stellung und reichte die am 27. November 2008 vor der internen Schlichtungsstelle des Bundesverwaltungsgerichts zwischen dem Anzeiger und der Präsidentin der Abteilung IV sowie dem Präsidenten der Kammer 2 der Abteilung IV geschlossene Vereinbarung ein. Es beantragt, der Aufsichtsanzeige keine weitere Folge zu geben.
 
2. Die Beteiligten haben in der Vereinbarung vom 27. November 2008 richtigerweise vereinbart, sich inskünftig um eine konstruktive Zusammenarbeit zu bemühen und bei Unstimmigkeiten zuerst alle internen Konfliktlösungsmöglichkeiten auszuschöpfen. In der strittigen Frage, ob das Abteilungspräsidium die Kompetenz habe, den Zuteilungsquotienten gegen den Willen eines Richters oder einer Richterin im automatisierten Zuteilungsschlüssel auf über hundert Prozent zu erhöhen, haben sie sich dem noch zu fällenden Entscheid der Verwaltungskommission des Bundesverwaltungsgerichts unterworfen und erklärt, diesen zu akzeptieren. Bis zum Entscheid der Verwaltungskommission des Bundesverwaltungsgerichts bleibt der Zuteilungsquotient des Anzeigers unverändert. Unabhängig davon erklärte sich der Anzeiger bereit, per sofort 25 Fälle aus den Jahren 2005 und 2006 zu übernehmen sowie per 1. Oktober 2009 einen Gerichtsschreiber abzutreten, soweit sich Letzteres aufdränge.
 
Mit dieser Vereinbarung ist der Anlassfall für die Aufsichtsanzeige geregelt. Nach dem Wortlaut der Vereinbarung haben sich die Parteien zwar nur in der Frage der Kompetenzregelung dem Entscheid der Verwaltungskommission unterworfen. In Verbindung mit der provisorischen Regelung der Arbeitsbelastung bis zum Entscheid der Verwaltungskommission des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch davon auszugehen, dass dies auch für den materiellen Entscheid über die Ressourcen- und die Fallzuteilung gilt. Damit wird der erste Punkt der Aufsichtsanzeige gegenstandslos.
 
3.
 
3.1 Die in der Aufsichtsanzeige aufgeworfene Frage der Effizienz der Abteilungen IV und V sowie die organisatorischen Massnahmen zu deren Sicherstellung sind für die Aufsichtsbehörde von Amtes wegen von Interesse. Sie bildet regelmässig Gegenstand von Aussprachen und ist Bestandteil des Informationsflusses zwischen Bundesgericht und Bundesverwaltungsgericht. Es besteht daher zur Zeit kein Grund, die Effizienz der Abteilungen IV und V im Rahmen eines formellen Aufsichtsverfahrens zu behandeln. Ausserordentliche Umstände, die ein solches Vorgehen eventuell nahelegen könnten, liegen nicht vor. Es ist vielmehr Aufgabe der Leitungsorgane des Bundesverwaltungsgerichts, für eine ordnungsgemässe und effiziente Organisation besorgt zu sein. Das Bundesverwaltungsgericht regelt seine Organisation und Verwaltung (Art. 14 VGG), wozu innerhalb des Reglements des Gesamtgerichts die Verwaltungskommission zuständig ist (Art. 18 Abs. 4 VGG). Solange sich diese der Aufgabe annimmt, besteht für die Aufsichtsbehörde grundsätzlich kein Anlass, tätig zu werden.
 
3.2 Die Verwaltungskommission des Bundesverwaltungsgerichts hat in ihrer Stellungnahme vom 23. Dezember 2008 ausgeführt, sie werde die Kompetenz für die Anpassung der Zuteilungskriterien im automatisierten Zuteilungsschlüssel nach Anhörung der Beteiligten entscheiden und das Bundesgericht darüber in Kenntnis setzen. Weiter hat das Richterplenum an der Sitzung vom 30. Oktober 2008 die Ziele für das Jahr 2009 beschlossen. Danach sollen im Rahmen der Ziele der Rechtsprechung bei gleich bleibenden Rahmenbedingungen mehr Verfahren erledigt werden als im Jahre 2008, und es sollen weiter Pendenzen abgebaut werden. Die Abteilungen werden bis Ende 2009 Massnahmen umsetzen, um die von den Vorgängerorganisationen übernommenen Fälle "weitestgehend" abzubauen. Die Verwaltungskommission des Bundesverwaltungsgerichts wird den Stand der Zielerreichung im Rahmen des regelmässigen Controllings überprüfen. Sie weist in ihrer Stellungnahme an die Aufsichtsbehörde überdies darauf hin, dass sich die Abteilung IV schon für das Jahr 2008 unter der Voraussetzung gleicher Eingänge wie im Jahre 2007 das Ziel gesetzt hat, die Zahl der hängigen Fälle um mindestens 10% zu verringern und alle vor dem Jahre 2005 eingeleiten Fälle zu erledigen. Die Zahl dieser Fälle habe von Januar bis November 2008 von 673 um 429 auf noch 244 tatsächlich abgebaut werden können. Die ältesten noch hängigen Fälle, acht an der Zahl, seien im Jahre 2000 eingegangen. Im Jahre 2008 habe die Abteilung IV in den ersten elf Monaten bei 2027 Eingängen 2388 Fälle erledigt.
 
3.3 Die Aufsichtsbehörde wird unter diesen Umständen ausserhalb des vorliegenden Aufsichtsverfahrens über die weitere Entwicklung zu informieren sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Bundesgericht in der Stellungnahme vom 23. Dezember 2008 denn auch bereits in Aussicht gestellt, die Kriterien und die Kompetenz zur Festlegung des Zuteilungsquotienten mitzuteilen. Darüber hinaus ist die Aufsichtsbehörde an der Aufarbeitung der alten Fälle interessiert (Stichdatum: Eingang vor dem 1. Januar 2007). Das Bundesverwaltungsgericht ist aufzufordern, das Bundesgericht im Rahmen der ordentlichen Aufsichtsbesuche über die in der Stellungnahme erwähnte konstante Optimierung der Arbeit in qualitativer und quantitativer Hinsicht und namentlich über den Abbau der erwähnten alten Fälle in den Abteilungen IV und V zu informieren.
 
4. Zusammenfassend ist der Aufsichtsanzeige keine Folge zu geben, soweit sie nicht gegenstandslos geworden ist. Das Bundesverwaltungsgericht wird aufgefordert, dem Bundesgericht beim nächsten Aufsichtsbesuch mitzuteilen, wie die Verwaltungskommission die Kompetenz für Anpassungen des Zuteilungsquotienten im automatisierten Zuteilungsschlüssel regelt, nach welchem Schlüssel die Fallzuteilungen in den Abteilungen IV und V geregelt werden und wie die Arbeit in qualitativer und quantitativer Hinsicht optimiert wird. Bei dieser Gelegenheit sowie im Rahmen des regelmässigen Reportings wird zu berichten sein, wie die alten Fälle tatsächlich abgebaut werden.
 
5. Die Aufsichtsverfahren sind grundsätzlich kostenlos. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme gemäss Art. 10 der Verordnung über Kosten und Entschädigungen im Verwaltungsverfahren sind vorliegend nicht gegeben.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Der Aufsichtsanzeige wird keine Folge geleistet, soweit sie nicht gegenstandslos geworden ist.
 
2.
 
Es werden keine Kosten erhoben.
 
3.
 
Dieser Entscheid wird dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt. Der Anzeiger und die Oberaufsichtsbehörde werden mit einer Kopie bedient.
 
Lausanne, 16. Februar 2009
 
Im Namen des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Die Verwaltungskommission
 
Der Präsident: Der Generalsekretär:
 
Lorenz Meyer Paul Tschümperlin
 
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