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Informationen zum Dokument  BGer 1P.617/2004  Materielle Begründung
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BGer 1P.617/2004 vom 23.12.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
1P.617/2004 /ggs
 
Urteil vom 23. Dezember 2004
 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident,
 
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, Bundesrichter Féraud,
 
Gerichtsschreiberin Gerber.
 
Parteien
 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Bruno Krummenacher,
 
gegen
 
Y.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Pierre Tobler,
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden, vertreten durch Staatsanwalt Leo von Moos, Polizeigebäude, Postfach 1561, 6061 Sarnen 1,
 
Obergericht des Kantons Obwalden als Appellationsinstanz in Strafsachen, Postfach 1260, 6061 Sarnen 1.
 
Gegenstand
 
Art. 8 Abs. 1, Art. 9, 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 1 und 2 BV, Art. 6 EMRK (Strafverfahren; SVG),
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Obwalden als Appellationsinstanz in Strafsachen vom 14. September 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Am 21. April 2000 kam es auf der Brünigstrasse von Sarnen Richtung Alpnach bei der Abzweigung Dörflistrasse zu einem schweren Verkehrsunfall. X.________ wollte mit seinem Personenwagen von der Brünigstrasse nach links in die Dörflistrasse abbiegen, worauf der ihm folgende und im gleichen Moment überholende Motorradfahrer Y.________ in die linke Seite des abbiegenden Personenwagens prallte. Y.________ und sein Mitfahrer A.________ wurden schwer verletzt. Eine Blutprobe ergab, dass Y.________ im Unfallzeitpunkt einen Blutalkoholwert von mindestens 1,39 Promille hatte.
 
B.
 
Y.________ erhob Strafklage gegen X.________ wegen fahrlässiger Körperverletzung. Mit Strafbefehl vom 28. März 2002 bestrafte das Verhöramt Obwalden Y.________ wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand mit 18 Tagen Gefängnis bedingt und einer Busse von Fr. 2'000.--. Gleichentags wurde X.________ durch Strafbefehl wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung mit einer Busse von Fr. 500.-- bestraft. Auf Einsprache von X.________ erliess das Verhöramt einen neuen, gleichlautenden Strafbefehl.
 
C.
 
Nachdem X.________ erneut Einsprache erhoben hatte, stellte das Verhöramt die Akten der Staatsanwaltschaft Obwalden zu mit dem Antrag auf Überweisung an das Kantonsgericht Obwalden. Die Staatsanwaltschaft erhob am 24. Februar 2003 Anklage gegen X.________ wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 und 2 StGB, begangen durch ungenügende Vorsicht auf den nachfolgenden Verkehr beim Linksabbiegen (Widerhandlung gegen Art. 34 Abs. 3 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 [SVG; SR 741.01]).
 
D.
 
Mit Urteil vom 8. April 2003 sprach das Kantonsgericht X.________ vom Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung aus Mangel an Beweisen frei.
 
Dagegen appellierte Y.________ an das Obergericht des Kantons Obwalden. Die Staatsanwaltschaft hielt an der Darstellung in der Anklage vom 24. Februar 2003 fest und beantragte die Gutheissung der Appellation.
 
E.
 
Am 14. September 2004 hiess das Obergericht die Appellation gut und hob das Urteil des Kantonsgerichts auf. Es sprach X.________ der fahrlässigen Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 und 2 StGB, begangen durch Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 34 Abs. 3 SVG und Art. 13 Abs. 4 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 [VRV; SR 741.11]) schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 500.-- nebst Kosten und Parteientschädigung.
 
F.
 
Gegen das obergerichtliche Urteil erhebt X.________ staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheids.
 
G.
 
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden nehmen in ihren Vernehmlassungen zu den Rügen des Beschwerdeführers Stellung, ohne einen ausdrücklichen Antrag zu stellen. Y.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in Strafsachen, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht offen steht, soweit die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt wird (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG; Art. 269 Abs. 2 BStP). Da alle Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die staatsrechtliche Beschwerde grundsätzlich - vorbehältlich zulässiger und genügend begründeter Rügen - einzutreten.
 
Nicht einzutreten ist dagegen auf diejenigen Rügen, mit denen der Beschwerdeführer die Verletzung von Gesetzes- oder Verordnungsbestimmungen des Bundesrechts geltend macht. Dazu gehören neben Art. 125 StGB, Art. 34 Abs. 3 SVG, Art. 13 Abs. 4 VRV und den strafrechtlichen Verjährungsregeln auch die Frage, ob der Beschwerdeführer sich auf den aus Art. 26 Abs. 1 SVG abgeleiteten Vertrauensgrundsatz berufen darf (vgl. BGE 127 IV 34 E. 2b S. 40 mit Hinweisen).
 
2.
 
Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie, die Sachverhaltsfeststellung und die Beweiswürdigung des Obergerichts seien willkürlich (Art. 9 BV).
 
2.1 Das Obergericht sei davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer den Beschwerdegegner nie als Verkehrsteilnehmer hinter sich wahrgenommen habe, obwohl sich dieser auf einer geraden Strecke von mehreren hundert Metern mit nicht übersetzter Geschwindigkeit angenähert habe. Diese Feststellung sei unhaltbar und lasse wesentliche bewiesene Sachverhaltselemente ausser Acht:
 
Unstreitig sei, dass der Beschwerdeführer bereits nach der Kreuzstrasse, d.h. ca. 800 m vor der Unfallstelle, zwei Motorräder hinter sich gesehen habe. Auch als er den Blinker gestellt habe, ca. 120 m vor der Unfallstelle, habe er zwei Motorräder im Rückspiegel gesehen. In der Zwischenzeit, zwischen der Kreuzstrasse und dem Ort, an dem der Beschwerdeführer sein Abbiegemanöver eingeleitet habe, sei jedoch eine Änderung bezüglich der ihm nachfolgenden Fahrzeuge eingetreten: Der Beschwerdegegner habe das ursprünglich zweite Motorrad von B.________ kurz nach Aufhebung der 70-km/h-Beschränkung überholt und sich hinter das Motorrad von C.________ gesetzt. Dies ergebe sich sowohl aus der Zeugenaussage von B.________ vom 21. April 2000 als auch aus einer Skizze des Beschwerdegegners. Dieses Überholmanöver habe mehr als 510 m vor der Unfallstelle bzw. rund 400 m vor der Stelle, an welcher der Beschwerdeführer sein Abbiegemanöver einleitete, stattgefunden.
 
Dann aber müsse das zweite Motorrad, das der Beschwerdeführer sah, als er sein Abbiegemanöver einleitete, zwingend dasjenige des Beschwerdegegners gewesen sein. Die erwiesene zeitliche und räumliche Distanz zwischen dem Überholen des 2. Motorrades (B.________) durch den Beschwerdegegner und dem Abbiegemanöver sei vom Obergericht nicht beachtet worden, obwohl es aus den Akten klar hervorgegangen sei. Das Obergericht sei deshalb fälschlicherweise davon ausgegangen, der zweite vom Beschwerdeführer wahrgenommene Motorradfahrer sei der - effektiv bereits viel früher überholte und somit zurückliegende - B.________ gewesen; dies habe das Gericht zur falschen Annahme geführt, der Beschwerdeführer habe den Beschwerdegegner mangels genügender Aufmerksamkeit nie gesehen. Dies sei willkürlich.
 
2.2 Es erscheint fraglich, ob auf diese Rüge überhaupt eingetreten werden kann: Der Beschwerdeführer macht erstmals vor Bundesgericht geltend, er habe das Motorrad des Beschwerdegegners bei Einleitung seines Abbiegemanövers im Rückspiegel gesehen, und zwar an zweiter Stelle, hinter demjenigen von C.________. Neue tatsächliche Vorbringen sind jedoch im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Willkürverbots grundsätzlich unzulässig (BGE 118 Ia 20 E. 5a S. 26; 108 II 69 E. 1 S. 71; 107 Ia 187 E. 2b S. 191; je mit Hinweisen). Die Frage kann jedoch offen bleiben, weil sich die Rüge ohnehin als unbegründet erweist.
 
2.3 Bei seiner polizeilichen Einvernahme, einen Tag nach dem Unfall, sagte der Beschwerdeführer aus, er habe, bevor er abgebogen sei, in den Rückspiegel geschaut und habe die ihm folgenden Motorradlenker gesehen, welche auf ihrer Spur geblieben seien. Er fügte hinzu: "Ich muss annehmen, dass der überholende Motorradfahrer sich zum Zeitpunkt, als ich das Abbiegemanöver vollzog, im so genannten toten Winkel befand."
 
Bei seiner richterlichen Einvernahme vom 12. April 2001 sagte der Beschwerdeführer Folgendes aus: "Im Rückspiegel sah ich zwei kleinere Töffli, nicht Mofas. Vielleicht so 125er. Als ich den Blinker stellte, habe ich die beiden Töffli noch im Rückspiegel gesehen. Sie hatten genügend Abstand zu mir, ca. 30 - 40 Meter. Danach habe ich nicht mehr in den Rückspiegel geschaut, sondern konzentrierte mich auf das Abbiegemanöver" (S. 2 Ziff. 7). Auf die Frage, wann er das Motorrad des Beschwerdegegners zum ersten Mal erblickt habe, antwortete der Beschwerdeführer: "Als es nach der Kollision neben seinem Auto lag" (S. 3 Ziff. 10). Auf die Ergänzungsfrage von Rechtsanwalt Tobler: "War der Motorradfahrer Y.________ einer der beiden Töfflifahrer, die Sie im Rückspiegel gesehen haben?" antwortete der Beschwerdeführer: "Nein. Die beiden waren sicher schon seit mindestens 200 Metern hinter mir. Die waren schon seit dem Restaurant Kreuzstrasse hinter mir" (S. 4 Ziff. 15).
 
Der Zeuge B.________ fuhr eine Piaggio Vespa 125, der Zeuge C.________ eine Honda VT125; der Beschwerdegegner war dagegen mit einem viel schwereren Motorrad unterwegs (Guzzi 850). Die Beschreibung der Motorräder als "Töfflis" und die Schätzung des Beschwerdeführers, es habe sich um 125er gehandelt, spricht deshalb dafür, dass es sich bei den im Rückspiegel beobachteten Motorrädern um diejenigen der Zeugen B.________ und C.________ handelte. Zudem war der Beschwerdeführer sich sicher, dieselben Motorräder schon am Restaurant Kreuzstrasse gesehen zu haben. Zu diesem Zeitpunkt folgten ihm aber unstreitig nur die Motorräder der Zeugen B.________ und C.________.
 
Zwar war der Zeuge B.________ unsicher, ob der Beschwerdegegner, nachdem er ihn überholt hatte, wieder auf die rechte Spur einschwenkte oder auf der linken Spur blieb (vgl. einerseits die Aussage vom 21. April 2000 und andererseits die Aussage vor dem Kantonsgericht, Ziff. 6-9 und Ziff. 13.1). Sicher war er dagegen, dass der Beschwerdegegner bereits zum Überholen der vor sich Fahrenden (d.h. des Motorrads von C.________ und des Personenwagens des Beschwerdeführers) angesetzt hatte, bevor der Personenwagen verlangsamte, und dass der Beschwerdegegner sich über eine grössere Distanz auf der linken Fahrspur (d.h. auf der Gegenfahrbahn) befunden hatte. Dies spricht gegen die These des Beschwerdeführers, wonach er das Motorrad des Beschwerdegegners zum Zeitpunkt, als er in den Rückspiegel blickte, auf der rechten Fahrspur hinter dem Motorrad von C.________ gesehen habe.
 
Wäre dem tatsächlich so gewesen, so hätte der Beschwerdeführer im Rückspiegel nicht zwei, sondern drei Motorräder sehen müssen. Das Motorrad von B.________ blieb laut dessen Aussage in ca. 70 bis 80 m Abstand zum vorausfahrenden Motorrad, und musste abbremsen, als der Beschwerdeführer anfing zu verzögern (Aussage von B.________ vor dem Kantonsgericht Ziff. 4). Auch das Motorrad von B.________ war somit noch im Blickfeld des Beschwerdeführers und nicht, wie dieser geltend macht, weit zurückliegend.
 
Die Feststellung des Obergerichts, der Beschwerdeführer habe das Motorrad des Beschwerdegegners vor dem Unfall nie gesehen, kann sich demnach auf die Aussagen des Beschwerdeführers und der Zeugen stützen und ist keineswegs willkürlich.
 
2.4 Dem Obergericht kann auch nicht vorgeworfen werden, es habe dem Beschwerdeführer den faktisch unmöglichen Beweis dafür zugeschoben, wo der Beschwerdegegner im fraglichen Augenblick gewesen sei, und habe damit den Grundsatz der Unschuldsvermutung (Art. 6 Ziff. 2 EMRK, Art. 32 Abs. 1 BV) verkannt: Das Obergericht warf dem Beschwerdeführer nicht vor, dass er den Beschwerdegegner beim Abbiegevorgang selbst nicht gesehen habe, sondern dass er ihn zuvor, über einen längeren Zeitraum, auf einer geraden Strecke, bei dessen allmählicher Annäherung mit nicht übersetzter Geschwindigkeit, nie als Verkehrsteilnehmer hinter sich wahrgenommen habe. Dies durfte das Obergericht nach dem oben (E. 2.3) Gesagten willkürfrei als erstellt erachten. Die Frage, wo sich der Beschwerdegegner im Zeitpunkt befand, als der Beschwerdeführer in den Rückspiegel blickte und sein Abbiegemanöver begann, war deshalb nicht massgeblich und musste nicht näher abgeklärt werden. Gleiches gilt für die anderen in der Beschwerdeschrift aufgeführten, nicht geklärten Distanzen, Positionen und Geschwindigkeiten.
 
3.
 
Als willkürlich erachtet der Beschwerdeführer auch die Bewertung der Kontrollfahrt vom 23. November 2000 durch das Obergericht. Er habe eine gute Kontrollfahrt gemacht, zu der ihm der Leiter des Strassenverkehrsamtes sogar gratuliert habe. Die Bemerkung des Verkehrsexperten, der Beschwerdeführer sollte den Spiegel bewusster und vermehrt einsetzen, beweise nichts bezüglich des konkreten Verhaltens des Beschwerdeführers am Unfalltag.
 
Das Obergericht gelangte bereits aufgrund anderer Beweismittel zum Ergebnis, der Beschwerdeführer habe den Beschwerdegegner nie als Verkehrsteilnehmer hinter sich wahrgenommen; es nahm deshalb an, der Beschwerdeführer habe sein Abbiegemanöver mangels Rücksichtnahme auf den rückwärtigen Verkehr ungenügend vorbereitet (E. 5b S. 14-16), weshalb er sich nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen könne (E. 5c S. 17). Diese Beurteilung - so das Obergericht - stehe auch nicht im Widerspruch zu der mit dem Beschwerdeführer durchgeführten Kontrollfahrt im November 2000: Das Strassenverkehrsamt habe in diesem Zusammenhang ausdrücklich festgehalten, der Spiegel müsse bewusster und vermehrt eingesetzt werden. Diese Feststellung lasse erkennen, dass der Beschwerdeführer selbst nach dem Unfall im Rahmen einer offiziellen Kontrollfahrt durch ungenügendes Beobachten des nachfolgenden Verkehrs aufgefallen sei (E. 5c S. 17/18).
 
Diese Erwägung lässt keine Willkür erkennen: Zwar beging der Beschwerdeführer bei seiner Kontrollfahrt keine Verkehrsregelverletzung; insbesondere kam es nicht zu einer konkreten oder erhöhten Gefährdung wegen unzweckmässiger Beobachtung. Dennoch fiel dem Verkehrsexperten auf, dass der Beschwerdeführer den Spiegel nicht bewusst und häufig genug einsetzt. War dies sogar bei einer offiziellen Kontrollfahrt der Fall, bei der insbesondere geprüft werden sollte, ob der Beschwerdeführer seiner Pflicht zur Beobachtung des rückwärtigen Verkehrs nachkommt (vgl. Auftrag vom 9. Oktober 2000), so durfte das Obergericht ohne Willkür annehmen, dass der Beschwerdeführer auch am Tag des Unfalls die Spiegel nicht häufiger und bewusster eingesetzt habe. Insofern durfte es die Bemerkung des Verkehrsexperten willkürfrei als Bestätigung seines Beweisergebnisses beurteilen.
 
4.
 
Der Beschwerdeführer rügt ferner eine Verletzung des Anklageprinzips: Das Obergericht habe ihm auch zur Last gelegt, beim Abbiegen die Kurve geschnitten und somit Art. 13 Abs. 4 VRV verletzt zu haben. Im Überweisungsantrag des Verhöramtes vom 26. Juli 2002 habe jedoch jeglicher Hinweis auf den Sachverhalt eines möglichen Kurvenschneidens gefehlt; auch in der Anklageschrift habe ihm die Staatsanwaltschaft keine Verletzung von Art. 13 Abs. 4 VRV vorgeworfen.
 
4.1 Der Anklagegrundsatz verteilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Aufgaben zwischen den Untersuchungs- bzw. Anklagebehörden einerseits und den Gerichten andererseits. Er bestimmt den Gegenstand des Gerichtsverfahrens. Die Anklage hat die dem Angeklagten zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe genügend konkretisiert sind. Das Anklageprinzip bezweckt zugleich den Schutz der Verteidigungsrechte des Angeschuldigten und dient dem Anspruch auf rechtliches Gehör (BGE 126 I 19 E. 2a S. 21 mit Hinweisen). Nach Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK und Art. 32 Abs. 2 BV hat der Angeschuldigte Anspruch darauf, in möglichst kurzer Frist über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden. Diese Angaben schliessen es jedoch nicht aus, dass eine spätere Verurteilung wegen eines gleichartigen oder geringfügigeren Delikts erfolgt. Das Gericht ist an den in der Anklage wiedergegebenen Sachverhalt gebunden, nicht aber an dessen rechtliche Würdigung durch die Anklagebehörde (BGE 126 I 19 E. 2a S. 20; so auch ausdrücklich Art. 124 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Obwalden vom 9. März 1973). Allerdings hat der Angeklagte, gestützt auf den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV), das Recht, zu einer von der Anklage abweichenden rechtlichen Würdigung des ihm vorgeworfenen Sachverhalts Stellung nehmen zu können (BGE 126 Ia 19 E. 2c und d S. 22 ff. mit Hinweisen).
 
4.2 Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer nicht wegen Verletzung der Verkehrsregel von Art. 13 Abs. 4 VRV gemäss Art. 96 VRV bzw. Art. 90 SVG verurteilt, sondern wegen fahrlässiger Körperverletzung; lediglich der Fahrlässigkeitsvorwurf stützte sich - neben der Verletzung von Art. 34 Abs. 3 SVG - auf die Verletzung der in Art. 13 Abs. 4 VRV enthaltenen Verkehrsregel. Der diesem Vorwurf zugrunde liegende Sachverhalt ("Kurvenschneiden") war bereits in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft enthalten (Ziff. 3a S. 8 der Anklageschrift). Insofern liegt der Verurteilung kein anderer Sachverhalt zugrunde als der Anklageschrift, weshalb der Anklagegrundsatz nicht verletzt wurde.
 
4.3 Der Beschwerdegegner hatte schon in seiner Stellungnahme vom 6. Juni 2001 den Standpunkt vertreten, der Beschwerdeführer habe ausgesprochen früh mit der Linkskurve begonnen, deutlich vor dem Beginn des Mündungstrichters der Dörflistrasse, und habe damit den nachfolgenden Verkehr massiv behindert. In seiner Appellation vom 12. Mai 2003 machte der Beschwerdegegner erneut auf das unzulässige Schneiden der Kurve beim Linksabbiegen aufmerksam. Sodann teilte der Obergerichtspräsident den Parteien mit Schreiben vom 27. Juli 2004 mit, dass das Obergericht im Appellationsverfahren, im Rahmen der dem Angeklagten vorgeworfenen mehrfachen fahrlässigen Körperverletzung, auch die Frage einer Verkehrsregelverletzung nach Art. 13 Abs. 4 VRV prüfen werde.
 
Der Beschwerdeführer hatte somit die Möglichkeit, nicht nur zum fraglichen Sachverhalt ("Kurvenschneiden"), sondern auch zu seiner verkehrsrechtlichen Beurteilung (Verkehrsregelverletzung nach Art. 13 Abs. 4 VRV) Stellung zu nehmen. Damit liegt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder der Verteidigungsrechte vor.
 
5.
 
Ferner rügt der Beschwerdeführer, das Obergericht sei mit keinem Wort auf den Einwand der Verteidigung eingegangen, wonach der Tatbestand von Art. 13 Abs. 4 VRV schon längstens verjährt sei. Dies verletze die aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) abgeleitete Begründungspflicht und beschränke seine Verteidigungsrechte (Art. 32 Abs. 2 BV) in unzulässiger Weise.
 
Der Beschwerdeführer wurde nur wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 und 2 StGB verurteilt, wie sich eindeutig aus Disp.-Ziff. 2 des angefochtenen Entscheids ergibt, und nicht gesondert wegen Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 96 VRV bzw. Art. 90 SVG. Der Hinweis auf die Verletzung von Art. 13 Abs. 4 VRV (neben Art. 34 Abs. 3 SVG) erfolgte lediglich zur Begründung des Fahrlässigkeitsvorwurfs, da sich der Umfang der im Strassenverkehr zu beachtenden Sorgfalt nach den Bestimmungen des Strassenverkehrsgesetzes und der Verkehrsregelverordnung richtet.
 
Die verfassungsrechtliche Begründungspflicht verlangt, dass wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und auf welche sich ihr Entscheid stützt. Diese ist dagegen nicht verpflichtet, sich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinanderzusetzen. Vielmehr darf sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 126 I 97 E. 2b S. 102 f.; 112 Ia 107 E. 2b S. 110).
 
Da im vorliegenden Fall keine Verurteilung gemäss Art. 90 SVG bzw. Art. 96 i.V.m. Art. 13 Abs. 4 VRV erfolgte und eine solche auch nie zur Diskussion stand, war das Obergericht nicht verpflichtet, Ausführungen zur Verjährung dieser Strafbestimmung zu machen.
 
6.
 
Nach dem Gesagten erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 und 159 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Der Beschwerdeführer hat den privaten Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Obwalden als Appellationsinstanz in Strafsachen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 23. Dezember 2004
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
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