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Informationen zum Dokument  BGer C 152/2004  Materielle Begründung
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BGer C 152/2004 vom 02.12.2004
 
Eidgenössisches Versicherungsgericht
 
Tribunale federale delle assicurazioni
 
Tribunal federal d'assicuranzas
 
Sozialversicherungsabteilung
 
des Bundesgerichts
 
Prozess
 
{T 7}
 
C 152/04
 
Urteil vom 2. Dezember 2004
 
IV. Kammer
 
Besetzung
 
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiber Arnold
 
Parteien
 
B.________, 1954, Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Stampfenbachstrasse 32, 8001 Zürich, Beschwerdegegner
 
Vorinstanz
 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
 
(Entscheid vom 16. Juli 2004)
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Mit Verfügung vom 19. November 2003 stellte das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich (nachfolgend: AWA) B.________, geb. 1954, rückwirkend ab 21. Oktober 2003 für die Dauer von 23 Tagen in der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung ein. Zur Begründung führte das Amt aus, sie habe im Anschluss an das Vorstellungsgespräch vom 15. Oktober 2003 ohne entschuldbaren Grund die vorübergehende Beschäftigung bei der Einrichtung X.________, Dietikon, nicht angetreten. Daran hielt die Verwaltung auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 19. März 2004).
 
B.
 
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, worin die Aufhebung der Einstellung in der Anspruchsberechtigung beantragt wurde, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Einzelrichterentscheid vom 16. Juli 2004).
 
C.
 
B.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und erneuert das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren.
 
Das AWA sowie das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf eine Vernehmlassung. Mit Eingabe vom 25. August 2004 äussert sich der Hausarzt der Versicherten, Dr. med. D.________, zur Sache.
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Streitig und zu prüfen ist, ob und gegebenenfalls für welche Dauer die Beschwerdeführerin in der Anspruchsberechtigung einzustellen ist, weil sie sich im Herbst 2003 weigerte, eine vorübergehende Beschäftigung im Sinne einer arbeitsmarktlichen Massnahme anzutreten.
 
2.
 
In Nachachtung des allgemeinen übergangsrechtlichen Grundsatzes, wonach in zeitlicher Hinsicht bei einer Änderung der Normenlage in der Regel diejenigen Rechtssätze der materiellen Beurteilung zu Grunde zu legen sind, die bei Verwirklichung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhaltes in Geltung standen (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1 und 356 Erw. 1, je mit Hinweisen), ist die ab 1. Juli 2003 gültige Rechtslage massgebend.
 
2.1 Gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG (in der seit 1. Juli 2003 gültigen Fassung, AS 2003 1728 1755) ist der Versicherte in der Anspruchsberechtigung einzustellen, wenn er die Kontrollvorschriften oder die Weisungen der zuständigen Amtsstelle nicht befolgt, namentlich eine zumutbare Arbeit nicht annimmt oder eine arbeitsmarktliche Massnahme ohne entschuldbaren Grund nicht antritt, abbricht oder deren Durchführung oder Zweck durch sein Verhalten beeinträchtigt oder verunmöglicht.
 
2.2 Nach Art. 64a Abs. 1 AVIG (in Kraft seit 1. Juli 2003, AS 1728 1755) - unter der Marginale "Programme zur vorübergehenden Beschäftigung, Berufspraktika und Motivationssemester" - gelten als Beschäftigungsmassnahmen namentlich vorübergehende Beschäftigungen im Rahmen von: Programmen öffentlicher oder privater, nicht gewinnorientierter Institutionen; solche Programme dürfen die Privatwirtschaft nicht unmittelbar konkurrenzieren (lit. a); Berufspraktika in Unternehmen und in der Verwaltung (lit. b) und Motivationssemester für Versicherte, die nach Abschluss der schweizerischen obligatorischen Schulpflicht einen Ausbildungsplatz suchen (lit. c).
 
Art. 64a Abs. 2 AVIG bestimmt, dass für die Teilnahme an einer vorübergehenden Beschäftigung nach Art. 64a Abs. 1 Buchstabe b Art. 16 Abs. 2 Buchstabe c sinngemäss gilt.
 
2.3 Laut Art. 16 Abs. 2 lit. c AVIG ist eine Arbeit unzumutbar und somit von der Annahmepflicht ausgenommen, die dem Alter, den persönlichen Verhältnissen oder dem Gesundheitszustand des Versicherten nicht angemessen ist.
 
2.4 Mit arbeitsmarktlichen Massnahmen soll die Eingliederung von Versicherten, die aus Gründen des Arbeitsmarktes erschwert vermittelbar sind, gefördert werden (Art. 59 Abs. 2 AVIG in der seit 1. Juli 2003 gültigen Fassung, AS 2003 1728 1755). Sinn und Zweck der vorübergehenden Beschäftigung gebieten, nur mit Zurückhaltung auf Unzumutbarkeit im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG zu erkennen. Daran hat sich mit der auf den 1. Juli 2003 in Kraft getretenen Neuordnung der arbeitsmarktlichen Massnahmen gemäss Art. 59 ff. AVIG (AS 2003 1728 1755; BBl 2001 2245) grundsätzlich nichts geändert (zum altrechtlichen, auf den 30. Juni 2003 aufgehobenen Art. 72a Abs. 1 AVIG "Anspruch des Versicherten auf vorübergehende Beschäftigung": Urteil K. vom 12. Juli 2004, C 257/03, mit Hinweis auf Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Rz. 672).
 
3.
 
3.1 In tatsächlicher Hinsicht steht fest und ist unbestritten, dass sich die Beschwerdeführerin auf Weisung der Verwaltung (vom 8. Oktober 2003) hin am 15. Oktober 2003 A.bei der Einrichtung X.________ vorstellte. Im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs erklärte die Beschwerdeführerin (im Schreiben vom 20. Oktober 2003) ihr Verhalten damit, ihr seien anlässlich des Vorstellungsgesprächs Zweifel gekommen, ob die arbeitsmarktliche Massnahme das Richtige sei. Der "gefängnisähnliche Zustand" und der hohe Anteil an männlichen Ausländern hätten in ihr Unwohlsein ausgelöst und die nicht optimalen Bedingungen würden sich ihrer Auffassung nach negativ auf ihre psychische Verfassung auswirken und - mittelbar - die körperliche Gesundheit weiter verschlechtern. Laut Darstellung der Einrichtung X.________ (Schreiben vom 15. Oktober 2003) hatte die Beschwerdeführerin beim Vorstellungsgespräch erklärt, eine Allergie, weitere gesundheitliche Probleme und der lange Arbeitsweg würden sie vom Antritt der vorübergehenden Beschäftigung abhalten. Das kantonale Gericht hat hiezu einlässlich und zutreffend erwogen, der Arbeitsweg, der mit den öffentlichen Verkehrsmitteln weniger als eine Stunde pro Weg beanspruche, die nicht näher substantiierten Behauptung eines "gefängnisähnlichen Zustandes", für dessen Vorliegen keinerlei Anhaltspunkte bestehen würden, sowie der angeblich hohe Anteil an männlichen ausländischen Beschäftigten in der Einrichtung X.________ begründeten keine Unzumutbarkeit der vorgesehenen Beschäftigung. Entsprechendes gilt für den Umstand, das die Beschwerdeführerin laut Zeugnis des Dr. med. F.________, (vom 16. Dezember 2002), an einem Handekzem bei polyvalenter epikutaner Sensibilisierung gegenüber verschiedenen Substanzen leidet, weil in der Einrichtung X.________ auch mit antiallergischen Mitteln gearbeitet werden kann. Im Zeugnis (vom 16. Dezember 2003) des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. med. D.________, ausgestellt zuhanden der Organe der Arbeitslosenversicherung, schliesslich wird eine depressive Episode als Grund dafür genannt, weshalb die vorübergehenden Beschäftigung nicht angenommen wurde. Gegen die Stichhaltigkeit dieser Einschätzung ist mit der Vorinstanz anzuführen, dass der Hausarzt gemäss eigenen Angaben erst anfangs Dezember 2003, somit mehrere Wochen nach dem unterbliebenen Stellenantritt im Oktober 2003, konsultiert wurde. Weiter gegen die Unzumutbarkeit einer vorübergehenden Beschäftigung spricht, dass laut Angaben des Hausarztes - unter von ihm durchgeführter Gesprächstherapie und medikamentöser Behandlung - bereits ab Mitte Dezember 2003, d.h. nach kurzer Behandlungszeit, wieder eine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit für leichte Arbeiten bestanden hat. Nach dem Gesagten hätte die Beschwerdeführerin - auch unter Berücksichtigung ihrer psychischen Gesundheit - die vorübergehende Beschäftigung bei der Einrichtung X.________ zumindest antreten oder aber jedenfalls unmittelbar im Anschluss an die Geschehnisse im Oktober 2003 einen Arzt aufsuchen müssen. Indem sie dies unterliess, ist - mit Vorinstanz und Verwaltung - der Tatbestand des Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG erfüllt.
 
3.2 Die Dauer der Einstellung in der Anspruchsberechtigung richtet sich nach dem Verschulden (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 erster Teil AVIG; Art. 45 Abs. 2 AVIV). Unter Berücksichtigung der gesamten objektiven und subjektiven Umstände hat die Vorinstanz das ihr zustehende Ermessen weder rechtsfehlerhaft noch unangemessen ausgeübt (Art. 132 OG; BGE 123 V 152 Erw. 2), indem sie - entsprechend dem Kreisschreiben des seco über die Arbeitslosenentschädigung, Januar 2003, Sanktionen (Teil D), Einstellraster - ein mittelschweres Verschulden im mittleren Bereich angenommen und die Einstellungsdauer, mit der Verwaltung, auf 23 Tage festgesetzt hat.
 
4.
 
Da Versicherungsleistungen im Streit liegen, ist das Verfahren kostenlos (Art. 134 OG).
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
 
Luzern, 2. Dezember 2004
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
 
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