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Informationen zum Dokument  BGer 2A.618/2004  Materielle Begründung
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BGer 2A.618/2004 vom 03.11.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
2A.618/2004 /leb
 
Urteil vom 3. November 2004
 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
 
Bundesrichter Müller, Merkli,
 
Gerichtsschreiber Hugi Yar.
 
Parteien
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin, vertreten durch
 
Rechtsanwalt lic. oec. Thomas Frey,
 
gegen
 
Regierungsrat des Kantons Glarus, Rathaus,
 
8750 Glarus,
 
Verwaltungsgericht des Kantons Glarus, I. Kammer, Spielhof 1, Postfach 835, 8750 Glarus.
 
Gegenstand
 
Betrieb eines Geldspielautomaten,
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus, I. Kammer, vom 21. September 2004.
 
Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:
 
1.
 
A.________ betreibt seit Februar 2000 in X.________ das Restaurant "Y.________". Die Polizeidirektion des Kantons Glarus ordnete am 25. Oktober 2002 an, dass sie den dort aufgestellten Geldspielautomaten "Super Cherry 600" zu entfernen habe. Hiergegen gelangte A.________ erfolglos an den Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus. Sie beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. September 2004 sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen; allenfalls sei ihr eine angemessene Frist zu gewähren, um den Automaten ausser Betrieb zu nehmen.
 
2.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich, soweit die Beschwerdeführerin den Entscheid der Vorinstanz darin sachbezogen anficht (vgl. Art. 108 Abs. 2 OG; BGE 118 Ib 134 ff.), als offensichtlich unbegründet und kann ohne Weiterungen im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG erledigt werden:
 
2.1 Ausserhalb von konzessionierten Spielbanken sind Glücksspielautomaten von Bundesrechts wegen verboten (Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1998 über Glücksspiele und Spielbanken, Spielbankengesetz, SBG; SR 935.52). Der nach der bisherigen Praxis (vgl. BGE 125 II 152 ff.) homologierte (unechte) Punktespielautomat "Super Cherry 600" ist ein Geldspiel- bzw. Glücksspielautomat und fällt als solcher unter dieses Verbot. Da er von der Eidgenössischen Spielbankenkommission nicht als Geschicklichkeitsgerät zugelassen ist, darf er seit dem 7. Juli 2000 nur noch in Grands Casinos und Kursälen betrieben werden (Art. 60 Abs. 1 SBG; Urteile 1A.22-29/2000 vom 7. Juli 2000, E. 3c, 4d; 1P.332/2001 vom 13. August 2001, E. 2c). Die Kantone sind indessen während einer Übergangsfrist von fünf Jahren, d.h. bis zum 31. März 2005, befugt, in Restaurants und anderen Lokalen den Weitervertrieb von je höchstens fünf solcher Geräte zu gestatten, falls sie bereits vor dem 1. November 1997 in Betrieb genommen wurden und das kantonale Recht dies ausdrücklich zulässt (Art. 60 Abs. 2 SBG; Urteile 1P.332/2001 vom 13. August 2001, E. 2b; 2P.217/2001 vom 3. Dezember 2001, E. 3a, und 2A.131/2002 vom 13. Juni 2002, E. 2.1). Dabei muss das jeweilige Gerät aber seit dem Stichtag (1. November 1997) dem Publikum in bewilligter Weise (vgl. das Urteil 2A.131/2002 vom 13. Juni 2002, E. 2.9) ohne wesentlichen Unterbruch am entsprechenden Ort zur Verfügung gestanden haben (Urteil 2A.163/2002 vom 3. Juni 2002, E. 3.2; Beilage 2 vom April 2001 zum Kreisschreiben der Eidgenössischen Spielbankenkommission "Austausch von Glücksspielgeräten nach Art. 60 SBG und Art. 135 VSBG"). Nicht unter die bundesrechtliche Übergangsfrist fallen Automaten, die aufgrund einer klaren Zäsur faktisch bereits ausser Betrieb genommen wurden; deren erneute Inbetriebnahme kann nicht mehr im Rahmen von Art. 60 Abs. 2 SBG bewilligt werden. Dieser gewährt keine absolute Betriebs- und Amortisationsgarantie; er ermöglicht lediglich einen zeitlich beschränkten kontinuierlichen Weiterbetrieb (vgl. Urteil 2A.163/2002 vom 3. Juni 2002, E. 3.2.2.).
 
2.2 Der vorliegend umstrittene "Super Cherry 600" war am 1. November 1997 zwar im Restaurant "Y.________" in bewilligter Weise dem Publikum zugänglich; die damalige Betreiberin fiel indessen am 24.Dezember 1997 in Konkurs, worauf das Restaurant bis Ende Juni 1999 geschlossen blieb. Bei dessen Wiedereröffnung erklärte die Wirtin der Polizeidirektion am 31. März 1999, dass im Restaurant "keine Automaten" installiert würden; für das Jahr 1999 leistete sie denn auch keine entsprechenden Abgaben. Erst die neue Pächterin und heutige Beschwerdeführerin hat am 8. März 2000 den umstrittenen Glücksspielautomaten gemeldet. Nachdem das Gerät damit aber während mindestens rund 18 Monaten (Januar 1998 bis Juni 1999) dem Publikum unzugänglich war, ging es damit nicht mehr um den Weiterbetrieb eines am 1. November 1997 bereits installierten Geräts, sondern um ein unzulässiges Neuaufstellen eines während der Übergangsfrist ausser Betrieb genommenen Apparats. Im gleichen Sinn hat das Bundesgericht in einem Fall entschieden, bei dem nach einem Konkurs ein Gerät während 14 Monaten ausser Betrieb stand und der neue Wirt ursprünglich ebenfalls erklärt hatte, den vor dem Konkurs bewilligten und am 1. November 1997 in Betrieb stehenden Apparat nicht wieder aufstellen zu wollen (Urteil 2A.163/2002 vom 3. Juni 2002, E. 3.2).
 
2.3 Was die Beschwerdeführerin hiergegen einwendet, überzeugt nicht:
 
2.3.1 Soweit sie geltend macht, sie habe wegen des bisherigen Verhaltens der kantonalen Behörden einen Anspruch darauf, den umstrittenen "Super Cherry 600" weiter betreiben zu können, verkennt sie, dass nach dem Gesagten das Bundesrecht dessen Betrieb ausserhalb einer konzessionierten Spielbank verbietet (Art. 4 Abs. 1 SBG). Es braucht deshalb nicht weiter geprüft zu werden, ob das Recht des Kantons Glarus einen Weiterbetrieb im Rahmen von Art. 60 Abs. 2 SBG zuliesse, was die Beschwerdeführerin nicht näher darlegt und das Verwaltungsgericht in seinem Urteil einerseits verneint (E. 5d), andererseits aber offen gelassen hat (E. 6e). Die Kantone können im Rahmen der verfassungsrechtlichen Schranken verbieten, Spielgeräte aufzustellen, die bundesrechtlich betrieben werden dürfen, jedoch keine zulassen, die bundesrechtlich verboten sind (Urteile 1A.22-29/2000 vom 7. Juli 2000, E. 2c; 1P.332/2001 vom 13. August 2001, E. 2b; zu Art. 35 Abs. 2 aBV: BGE 125 II 152 E. 4b S. 161). Aus der Rechnungsstellung vom 31. Mai 2000 bzw. 8. März 2001 vermag die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten abzuleiten: Eine Behörde kann ihre Praxis ändern oder präzisieren, wenn sich diese - wie hier - als rechtswidrig erweist (vgl. BGE 127 II 289 E. 3a S. 292 f.; 125 II 152 E. 4c/aa S. 162 f.). Anhaltspunkte dafür, dass die Polizeidirektion in gleich gelagerten anderen Fällen (kein "Weiterbetrieb" im Sinne von Art. 60 Abs. 2 SBG) ihre Praxis nicht angepasst hätte, bestehen nicht (zur Gleichbehandlung im Unrecht: BGE 122 II 446 E. 4a S. 451 f.; 125 II 152 E. 5 S. 166). Sie duldete den vorliegenden "Super Cherry 600" anfänglich, weil sie irrtümlicherweise davon ausging, der Apparat falle unter Art. 60 Abs. 2 SBG. Spätestens nachdem das Bundesgericht die Rechtslage bezüglich des Begriffs des "Weiterbetriebs" geklärt hatte, war sie jedoch gehalten, das sich unmittelbar aus dem Spielbankengesetz ergebende Verbot durchzusetzen. Dies war ohne Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes möglich, da sich die einzelnen Rechnungen immer nur auf das laufende Jahr bezogen und der Beschwerdeführerin keine weitergehenden Zusicherungen gemacht worden waren (vgl. auch Urteil 2A.131/2002 vom 13. Juni 2002, E. 3.2 in fine). Gestützt auf die aufschiebende Wirkung ihrer Rechtsmittel hat sie den Apparat inzwischen praktisch bis zum Ablauf der Übergangsfrist von Art. 60 Abs. 2 SBG (März 2005) betreiben können; es rechtfertigt sich deshalb nicht, ihr zur Entfernung des Geräts eine zusätzliche Frist zu gewähren. Das Verwaltungsgericht hat angeordnet, dass der Apparat innert 30 Tagen ab Rechtskraft seines Urteils zu beseitigen sei; die Beschwerdeführerin hat somit genügend Zeit, um den gesetzlichen Anforderungen nachzukommen.
 
2.3.2 Auch der Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör (Art. 29 BV) ist nicht verletzt worden: Soweit das Verwaltungsgericht bezüglich der Rüge einer Verletzung des Vertrauensgrundsatzes auf die "zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid" verwiesen hat, machte es sich deren Überlegungen zu eigen. Die Prüfungs- und Begründungspflicht (Art. 29 Ab 2 BV) bedeutet nicht, dass die Behörde alle Äusserungen und Überlegungen wiederzugeben oder auf alle Vorbringen im Einzelnen einzugehen hätte. Sie darf sich auf die entscheidwesentlichen Gesichtspunkte beschränken, solange sich der Betroffene - wie hier - über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und diesen sachgerecht anfechten kann (BGE 121 I 54 E. 2c S. 57; 117 Ib 481 E. 6b/bb S. 492). Unbegründet ist auch der Einwand, die vorherige Wirtin B.________ sei zu Unrecht nicht als Zeugin befragt worden: Diese hatte im Verfahren vor dem Regierungsrat schriftlich erklärt, dass das Restaurant Y.________ von anfangs 1998 bis Ende Juni 1999 geschlossen gewesen sei, worauf es rechtlich allein ankam. Dass die Beschwerdeführerin den Apparat von ihr übernommen und ihrerseits nicht ausser Betrieb gesetzt hat, war nicht entscheidwesentlich, weshalb sich eine Befragung hierzu erübrigte. Dass sich B.________ und die Beschwerdeführerin bei Pachtantritt über die weitere Verwendbarkeit des umstrittenen Geräts allenfalls getäuscht haben, vermochte keinen Anspruch auf einen Weiterbetrieb zu begründen; auch in diesem Zusammenhang war eine Befragung von B.________ somit entbehrlich.
 
3.
 
3.1 Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird. Mit dem vorliegenden Entscheid in der Sache selber wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
 
3.2 Da die Eingabe gestützt auf die über Internet zugängliche Rechtsprechung und die Begründung im angefochtenen Entscheid zum Vornherein aussichtslos war, ist dem Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nicht zu entsprechen (vgl. Art. 152 OG). Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr kann ihren finanziellen Verhältnissen indessen Rechnung getragen werden (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (vgl. Art. 159 Abs. 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht
 
im Verfahren nach Art. 36a OG:
 
1.
 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht, I. Kammer, des Kantons Glarus sowie der Eidgenössischen Spielbankenkommission schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 3. November 2004
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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