VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 5P.354/2004  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 5P.354/2004 vom 15.10.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5P.354/2004 /rov
 
Urteil vom 15. Oktober 2004
 
II. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Raselli, Präsident,
 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer
 
Gerichtsschreiberin Scholl.
 
Parteien
 
Z.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Advokat Reto Gantner,
 
gegen
 
Y.________,
 
Beschwerdegegner,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Stefano Cocchi,
 
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, Postfach, 6002 Luzern.
 
Gegenstand
 
Kindesrückführung,
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
 
des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer,
 
vom 12. Juli 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
Aus der Ehe von Z.________ und Y.________ stammt der gemeinsame Sohn X.________, geb. 1999. Die Ehegatten hatten ihren gemeinsamen Haushalt ursprünglich in Italien. Im Juni 2002 reiste Z.________ mit X.________ in die Schweiz und weigerte sich, den Sohn wieder an den ehelichen Wohnsitz zurück zu bringen. In einem (ersten) Verfahren nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung wurde Z.________ daraufhin vom Obergericht des Kantons Luzern verpflichtet, X.________ nach Italien zurück zu führen. Eine gegen diesen Entscheid erhobene staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht am 23. April 2003 ab und setzte eine Frist für die Rückführung von X.________ nach Italien bis zum 15. Mai 2003 (Verfahren 5P.128/ 2003). In der Folge kehrte Z.________ mit X.________ nach Italien zurück.
 
In einem von Y.________ in Italien eingeleiteten Eheschutzverfahren stellte das Tribunale di Pistoia X.________ am 3. Februar 2003 unter die elterliche Obhut des Vaters. Mit Entscheiden vom 4. Juni 2003 und 15. Januar 2004 wurde die Obhutszuteilung an Y.________ bestätigt. Gemäss Erklärung der Ehegatten übten sie nach der Rückkehr von Z.________ nach Italien im Jahr 2003 auf Anraten des als Gutachter eingesetzten Kinderpsychiaters die Obhut über X.________ abwechslungsweise aus, ohne dass diese Vereinbarung Eingang in einen gerichtlichen Entscheid gefunden hätte.
 
B.
 
Im Dezember 2003 entführte Z.________ X.________ wiederum in die Schweiz. Am 6. Januar 2004 reichte Y.________ (erneut) ein Gesuch um Rückführung von X.________ nach Italien gestützt auf das Haager Übereinkommen ein. Mit Entscheid vom 3. Mai 2004 wies die Amtsgerichtspräsidentin I von Willisau das Gesuch ab. Eine dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde hiess das Obergericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 12. Juli 2004 gut und setzte Z.________ eine Frist bis zum 31. Juli 2004, um X.________ in die Obhut von Y.________ nach Italien zurück zu führen.
 
C.
 
Z.________ erhebt staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Sie verlangt im Wesentlichen die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids sowie die Ablehnung der Rückführung von X.________ nach Italien in die Obhut von Y.________. Zudem stellt sie ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege einschliesslich Verbeiständung.
 
Das Gesuch, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wurde am 16. September 2004 abgewiesen.
 
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. Die kantonalen Akten sind dem Bundesgericht am 28. September 2004 zugegangen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
Das Verfahren betreffend Rückführung eines Kindes nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (SR 0.211.230.02; Haager Übereinkommen; HEntfÜ) stellt keine Zivilrechtsstreitigkeit, sondern eine Art administrative Rechtshilfe zwischen den Vertragsstaaten dar. Damit steht die Berufung gegen Rückführungsentscheide nicht offen, so dass sich die staatsrechtliche Beschwerde als zulässig erweist (BGE 120 II 222 E. 2b S. 224; 123 II 419 E. 1a S. 421).
 
Bei der Staatsvertragsbeschwerde überprüft das Bundesgericht Konventionsverletzungen frei (BGE 126 III 438 E. 3 S. 439; 130 III 489 E. 1.4 S. 492). Hingegen beschränkt sich die Kognition hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen auf eine Willkürprüfung, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen den Entscheid einer gerichtlichen Vorinstanz richtet (BGE 129 I 110 E. 1.3 S. 111 f.). Unzulässig ist zudem das Vorbringen von Noven (BGE 128 I 354 E. 6c S. 357).
 
2.
 
Das Haager Übereinkommen hat zum Ziel, die sofortige Rückgabe widerrechtlich in einen Vertragsstaat verbrachter oder dort zurückgehaltener Kinder sicherzustellen (Art. 1 lit. a HEntfÜ). Als widerrechtlich gilt das Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes, wenn dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das einer Person allein oder gemeinsam nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 3 Abs. 1 lit. a HEntfÜ).
 
Im bundesgerichtlichen Verfahren ist nicht (mehr) strittig, dass der Beschwerdegegner mit dem Obhutsrecht für X.________ eine vom Haager Übereinkommen geschützte Rechtsposition inne hat, wie auch dass grundsätzlich eine Rückführungspflicht gemäss Art. 12 HEntfÜ besteht. Zu entscheiden ist somit einzig, ob der Ausschlussgrund von Art. 13 Abs. 1 lit. b HEntfÜ vorliegt.
 
3.
 
Nach Art. 13 Abs. 1 lit. b HEntfÜ ist das Gericht des ersuchten Staates nicht verpflichtet, die Rückgabe des Kindes anzuordnen, wenn nachgewiesen ist, dass sie mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt. Die Ausschlussgründe von Art. 13 HEntfÜ sind eng auszulegen, damit der Entführer keinen Vorteil aus seinem Rechtsbruch ziehen kann. Zu berücksichtigen sind daher nur wirklich schwere Gefahren, nicht aber irgendwelche wirtschaftlichen oder erzieherischen Nachteile. Kein Platz ist im Rückgabeverfahren namentlich für Überlegungen, bei welchem Elternteil oder in welchem Land das Kind besser aufgehoben oder welcher Elternteil zur Erziehung und Betreuung des Kindes besser geeignet ist. Der Entscheid darüber ist dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes vorbehalten (BGE 123 II 419 E. 2b S. 425). Schwerwiegende Gefahren im Sinne von Art. 13 HEntfÜ liegen etwa vor, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Kind nach der Rückgabe misshandelt oder missbraucht wird, sei es vom Antragsteller oder von Dritten, und umgekehrt nicht zu erwarten ist, dass die Behörden des ersuchenden Staates gegen eine Gefährdung mit Erfolg einschreiten (Staudinger/Pirrung, Kommentar zum BGB, Berlin 1994, N. 683 der Vorbem. zu Art. 19 EGBGB).
 
3.1 Die Beschwerdeführerin rügt, das Obergericht habe bei der Frage, ob eine Rückkehr für X.________ eine Gefährdung darstelle, einzig auf das Vater/Sohn-Verhältnis abgestellt und dieses als gut und normal bezeichnet. Dies sei aber nicht von Bedeutung. Die schwerwiegende Gefahr für das physische und psychische Wohl von X.________ ergebe sich aus seiner schlechten Betreuung durch den Beschwerdegegner und dessen Umfeld. Eine Betreuungssituation könne sehr schlecht sein, ohne dass das Verhältnis zwischen Elternteil und Kind es ebenfalls sein müsse. Die Erwägungen zum Verhältnis von Vater und Sohn seien demnach sachfremd.
 
Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Obergericht bei der Frage nach einer schwerwiegenden Gefährdung von X.________ auch das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vater miteinbezogen hat. Das Obergericht hat sich in diesem Punkt mit den Rügen des Beschwerdegegners auseinander gesetzt, welcher sich gegen die Feststellung der Amtsgerichtspräsidentin gewehrt hat, dass "die Bindung zur Mutter naturgemäss viel enger" sei, und (auch) aus diesem Grund die Rückführung von X.________ abgelehnt hatte. Unzutreffend ist zudem die Behauptung, das Obergericht habe seinen Entscheid ausschliesslich auf das Vater/Sohn-Verhältnis abgestützt. Vielmehr hat es sich auch mit der von der Beschwerdeführerin behaupteten schlechten Betreuungssituation auseinander gesetzt (vgl. nachfolgend E. 3.2.2). Die Beschwerdeführerin bestreitet im Übrigen im vorliegenden Verfahren nicht substantiiert, dass das Verhältnis zwischen dem Beschwerdegegner und X.________ gut sei (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
 
3.2 Weiter wirft die Beschwerdeführerin dem Obergericht eine willkürliche Beweiswürdigung vor. Sie macht geltend, die heutige ablehnende Haltung von X.________ gegenüber einer Rückkehr nach Italien sei auf die Vorkommnisse anlässlich seines letzten Italienaufenthaltes zurück zu führen. Das Obergericht habe die Beweise, welche dies belegen würden, willkürlich gewürdigt.
 
3.2.1 Eine willkürliche Beweiswürdigung rügt die Beschwerdeführerin zunächst in Zusammenhang mit ihrer Wohnsituation in Italien.
 
Soweit die Wohnverhältnisse der Beschwerdeführerin für das vorliegende Verfahren überhaupt von Bedeutung sind, ist darauf hinzuweisen, dass gemäss nicht bestrittener Feststellung des Obergerichts die Beschwerdeführerin noch während ihres Aufenthaltes in Italien in eine andere Wohnung umgezogen ist. Der schlechte Zustand der (ersten) Wohnung sowie deren angebliche Lage im Rotlicht-Milieu kann bei einer Rückkehr nach Italien folglich auch keine Gefährdung für X.________ darstellen. Dies hat bereits das Obergericht ausgeführt. Auf die diesbezüglichen Erwägungen im angefochtenen Entscheid geht die Beschwerdeführerin indes mit keinem Wort ein, so dass insoweit auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
 
3.2.2 Eine schwerwiegende Gefährdung für X.________ sieht die Beschwerdeführerin zudem in dessen Betreuung durch den Beschwerdegegner. Zum Beweis der schlechten Betreuungssituation verweist sie auf zwei Zeugenbescheinigungen, ein Parteigutachen einer Fachperson für Kinderpsychiatrie sowie auf die Videoaufnahme der sog. "Goodwill-Fahrt".
 
Das Obergericht hat den beiden Zeugenbescheinigungen auf Grund der freundschaftlichen bzw. verwandtschaftlichen Beziehungen der Zeuginnen zur Beschwerdeführerin nur einen geringen Beweiswert zuerkannt. Zudem hat es festgehalten, beide Zeuginnen würden keine eigenen Beobachtungen über die Beziehung des Beschwerdegegners zu X.________ oder dessen Betreuungssituation bei ihm wiedergeben. Die geschilderten Verhaltensweisen von X.________ (verstörte, apathische Reaktionen nach den Besuchen beim Vater; nächtliche Alpträume) seien nicht spezifischer Art. Es sei gerichtsnotorisch, dass Kleinkinder bei einem konfliktbeladenen Verhältnis zwischen den sich in Trennung befindenden Eltern die geschilderten psychosomatischen Reaktionen zeigen können.
 
Auf diese Erwägungen geht die Beschwerdeführerin nur unzureichend ein. Sie begnügt sich im Wesentlichen mit dem Vorwurf, das Obergericht habe unzulässigerweise auf "gerichtsnotorische Ansichten" verwiesen, was eine Auseinandersetzung mit den Fakten nicht ersetze. Dabei stützt sich die Beschwerdeführerin selber auf "bei Gerichten bekanntes psychologisches Wissen", ohne indes nachvollziehbar aufzuzeigen, inwiefern das Obergericht in Willkür verfallen sein soll. Ebenso wenig wird dargetan, welche Fakten das Obergericht nicht berücksichtigt haben soll, zumal dieses auf die Beweisaussagen der Zeuginnen wie auch das von der Beschwerdeführerin eingereichte Parteigutachten ausführlich eingegangen ist. Allein die abweichende Würdigung der Beweismittel durch die Beschwerdeführerin lässt den angefochtenen Entscheid nicht als willkürlich erscheinen; die vorgebrachten Rügen gehen in diesem Punkt nicht über appellatorische Kritik hinaus, so dass darauf nicht eingetreten werden kann (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 110 Ia 1 E. 2a S. 3; 117 Ia 10 E. 4b S. 12; 128 I 295 E. 7a S. 312).
 
Gleiches gilt für die Würdigung der Videoaufnahme von X.________ anlässlich der "Goodwill-Fahrt". Im Gegensatz zu der Behauptung der Beschwerdeführerin hat das Obergericht nicht angenommen, X.________ sei für die Videoaufnahme "präpariert" worden. Vielmehr hat es eingeräumt, die Aufnahme gebe "wohl unbeeinflusst die verstörte Reaktion von X.________ auf das Auftauchen des Demonstrationszuges" wieder. Das Obergericht ist indes zum Ergebnis gelangt, die Reaktion des Kindes lasse keine Rückschlüsse auf die Geschehnisse in Italien zu. Die Willensäusserung von X.________, nicht nach Italien zurück zu wollen, sei als grundsätzliches Sträuben gegen eine erneute Wohnsitzverlegung zu verstehen, nicht jedoch als Kommentar über die behaupteten unhaltbaren Zustände in Italien.
 
Auch mit diesen Erwägungen setzt sich die Beschwerdeführerin nicht substantiiert auseinander, sondern behauptet pauschal, die Annahme des Obergerichts sei unhaltbar und willkürlich, so dass darauf nicht eingetreten werden kann (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Nur nebenbei ist darauf hinzuweisen, dass die Schlussfolgerung, welche die Beschwerdeführerin selber aus dem Verhalten von X.________ zieht, nämlich dass dieser "sich aus sich selbst heraus stark davor fürchtete, nach Italien zurück zu müssen", dem Beweisergebnis des Obergerichts nicht widerspricht.
 
3.3 Es ist damit zusammenfassend festzuhalten, dass keine Vorkommnisse (namentlich mangelhafte Betreuung) während des letzten Italienaufenthaltes belegt sind, welche bei einer Rückführung eine schwerwiegende Gefahr für die körperliche oder seelische Gesundheit von X.________ darstellen könnten. Es ist im Übrigen nochmals daran zu erinnern, dass es im vorliegenden Verfahren nicht darum geht zu entscheiden, welche Partei für die Betreuung des Kindes besser geeignet ist (vgl. E. 3 vorangehend). Andere Gründe, weshalb die Rückführung nach Italien mit einer schwerwiegenden Gefahr für X.________ verbunden sein sollte, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend.
 
Bezüglich der Weigerung von X.________ nach Italien zurück zu kehren, hat das Obergericht erwogen, ein vierjähriges Kind verfüge nicht über das erforderliche Alter und die Reife, um sich die Tragweite einer Rückkehr und eines Lebens im Ursprungsland vorstellen zu können. Eine Verletzung des Ausschlussgrundes von Art. 13 Abs. 2 HEntfÜ macht die Beschwerdeführerin nicht geltend, so dass sich Ausführungen dazu erübrigen. Es wird an den Parteien und insbesondere an der Beschwerdeführerin liegen, die Angst von X.________ vor einer Rückkehr nach Italien zu mildern.
 
4.
 
In Bezug auf die konkrete Ausgestaltung der Rückführung macht die Beschwerdeführerin geltend, die Verpflichtung, X.________ in die Obhut des Beschwerdegegners zu übergeben, verstosse gegen das Haager Übereinkommen. Das Übereinkommen spreche einzig von der Rückverbringung an den Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes. Zudem gehe das Gericht damit über die Anträge des Beschwerdegegners hinaus.
 
4.1 Es trifft zu, dass eine Rückführung im Sinne des Haager Übereinkommens nicht zwingend eine Rückgabe des Kindes an den Antragsteller bedeutet (Hans Kuhn, "Ihr Kinderlein bleibet, so bleibet doch all", AJP 1997 S. 1099; Carla Schmid, Neuere Entwicklungen im Bereich der internationalen Kindesentführungen, AJP 2002 S. 1333). Gemäss ausdrücklicher Bestimmung des Übereinkommens ist eine Entscheidung über die Rückgabe des Kindes nicht als Entscheidung über das Sorgerecht anzusehen (Art. 19 HEntfÜ). Vielmehr bezweckt das Übereinkommen einzig, den "status quo ante" wiederherzustellen, der vor der Entführung des Kindes bestanden hat (BGE 123 II 419 E. 2b S. 424 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass im Zeitpunkt der Entführung bereits ein Sorgerechtsentscheid der (zuständigen) italienischen Behörden vorgelegen hat, welcher die Obhut dem Beschwerdegegner zugesprochen hat. Die angeordnete Rückgabe von X.________ in die Obhut des Vaters geht damit nicht über die Wiederherstellung des Zustandes vor der Entführung hinaus und verletzt damit das Haager Übereinkommen nicht (vgl. auch: Staudinger/Pirrung, a.a.O., N. 635 der Vorbem. zu Art. 19 EGBGB). Will die Beschwerdeführerin eine Abänderung des italienischen Obhutsentscheides erreichen, hat sie sich an die dortigen Behörden zu wenden.
 
4.2 Auf die in diesem Zusammenhang vorgebrachte Rüge der Verletzung von kantonalem Verfahrensrecht kann nicht eingetreten werden. Die Beschwerdeführerin macht zwar geltend, im kantonalen Verfahren habe die Dispositionsmaxime angewendet werden müssen, weist indes nicht nach, gegen welche konkreten Bestimmungen der luzernischen Zivilprozessordnung das Obergericht verstossen haben soll (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Gleiches gilt im Übrigen für die Behauptung, das Obergericht habe die ihm zustehende Kognition überschritten.
 
5.
 
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie schuldet dem Beschwerdegegner allerdings keine Parteientschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren, da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist.
 
Die Beschwerdeführerin hat für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Diese ist einer Partei zu bewilligen, die bedürftig und deren Sache nicht aussichtslos ist (Art.152 Abs. 1 OG). Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde (BGE 125 II 265 E.4b S. 275; 127 I 202 E. 3b S. 205; 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135 f.).
 
Im vorliegenden Fall haben sich ein grosser Teil der Rügen als mangelhaft begründet und rein appellatorisch herausgestellt, so dass darauf nicht eingetreten werden konnte. Die Verlustgefahren haben damit von vornherein überwogen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist damit wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen.
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 15. Oktober 2004
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
 
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).