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Informationen zum Dokument  BGer 5C.149/2004  Materielle Begründung
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BGer 5C.149/2004 vom 06.10.2004
 
Tribunale federale
 
{T 0/2}
 
5C.149/2004 /grl
 
Urteil vom 6. Oktober 2004
 
II. Zivilabteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Raselli, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher, Hohl, Bundesrichter Marazzi,
 
Gerichtsschreiber Zbinden.
 
Parteien
 
A.________,
 
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Giuseppe Dell'Olivo-Wyss,
 
gegen
 
B.________, Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Leimbacher.
 
Gegenstand
 
Ehescheidung (nachehelicher Unterhalt nach Art. 125 ZGB),
 
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 2. Zivilkammer, vom 6. Mai 2004.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
A.________ (Beklagte) und B.________ (Kläger) lernten sich 1991 in Brasilien kennen. Die Parteien ehelichten sich am 6. Oktober 1995; die Ehe blieb kinderlos. Die Beklagte brachte indes 1996 im Einverständnis mit dem Kläger drei Kinder aus erster Ehe, C.________ (1981), D.________ (1985) und E.________ (1987) in die Ehe, welche fortan im gemeinsamen Haushalt der Parteien wohnten. Die Beklagte besorgte den Haushalt, während der Kläger um die finanziellen Bedürfnisse des gemeinsamen Haushalts, insbesondere auch um den Unterhalt der vorehelichen Kinder bemüht war, da die Beklagte vom leiblichen Vater der Kinder keinen Unterhalt beanspruchen konnte. Seit August 1998 leben die Parteien getrennt.
 
B.
 
B.a Am 26. Juni 2003 schied das Bezirksgericht Baden die Ehe der Parteien. Es verpflichtete den Kläger, der Beklagten gestützt auf Art. 125 ZGB als nachehelichen Unterhalt monatlich Fr. 900.-- bis 31. Juli 2005, danach Fr. 600.-- pro Monat bis 31. Juli 2006 zu bezahlen, wobei eine Indexierung des Unterhaltsbeitrages vorgesehen wurde.
 
B.b Mit Urteil vom 6. Mai 2004 wies das Obergericht die Appellation der Beklagten, mit welcher sie einen höheren Unterhaltsbeitrag verlangt hatte, ab, soweit es darauf eintrat. In Gutheissung der Appellation des Klägers hob es dessen Unterhaltspflicht auf, da die Ehe der Parteien für die Beklagte nicht lebensprägend gewesen sei und die Beklagte inzwischen ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit erreicht habe. Überdies lehnte es das Obergericht ab, im Existenzminimum der Beklagten deren Auslagen für die vorehelichen Kinder zu berücksichtigen, mit der Begründung, hierfür fehle jede gesetzliche Grundlage.
 
C.
 
Mit Berufung beantragt die Beklagte dem Bundesgericht im Wesentlichen, das obergerichtliche Urteil aufzuheben und im Sinne des Bezirksgerichts Baden zu entscheiden. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht die Beklagte um unentgeltliche Rechtspflege.
 
Der Kläger schliesst auf Abweisung der Berufung und ersucht seinerseits um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. Das Obergericht hat unter Hinweis auf das angefochtene Urteil auf Gegenbemerkungen verzichtet.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
1.
 
1.1 Streitig ist im vorliegenden Verfahren der Unterhaltsbeitrag an die Beklagte. Dabei handelt es sich um eine vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeit (BGE 116 II 493 E. 2b), deren Streitwert die Berufungssumme gemäss Art. 46 OG von Fr. 8‘000.-- bei weitem übersteigt. Das angefochtene Urteil des Obergerichts ist kantonal letztinstanzlich (Art. 48 Abs. 1 OG). Auf die Berufung ist somit grundsätzlich einzutreten.
 
1.2 Als unzulässig erweist sich die Berufung freilich, soweit die Beklagte auf die Erwägungen des Bezirksgerichts Baden verweist, hat doch die Begründung in der Berufungsschrift selbst enthalten zu sein (BGE 126 III 198 E. 1d S. 201).
 
2.
 
Als Verletzung von Art. 125 ZGB macht die Beklagte geltend, die Vorinstanz sei bei der Ermittlung der Eigenversorgungskapazität lediglich von ihrem Existenzminimum ausgegangen, ohne dabei den Bedarf der vorehelichen Kinder zu berücksichtigen. Das Obergericht hat die Kosten für die zwei jüngeren Kinder nicht in die Bedarfsberechnung der Beklagten aufgenommen, weil eine Berücksichtigung faktisch auf eine Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber den vorehelichen Kindern hinauslaufe, wofür es an einer gesetzlichen Grundlage fehle.
 
3.
 
Aus der allgemeinen Beistandspflicht gemäss Art. 159 Abs. 3 ZGB und der ausdrücklichen Vorschrift des Art. 278 Abs. 2 ZGB ergibt sich, dass jeder Ehegatte dem andern in der Erfüllung der Unterhaltspflicht gegenüber vorehelichen Kindern in angemessener Weise beizustehen hat. Die Pflicht des Ehegatten endet freilich mit der Auflösung der Ehe, zumal damit aus der ehelichen Gemeinschaft grundsätzlich keine Rechte mehr abgeleitet werden können. Auch Art. 278 Abs. 2 ZGB bildet keine Grundlage für eine über den Bestand der Ehe hinausreichende Verpflichtung; diese Bestimmung bezieht sich nach dem Randtitel auf verheiratete Eltern und ist nach dem Wortlaut von Absatz 2 einzig auf Ehegatten zugeschnitten (Hegnauer, Der Unterhalt des Stiefkindes nach schweizerischem Recht, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1. Aufl. 1986, S. 273). Im Folgenden ist somit zu prüfen, ob ein allfälliger Anspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger in Art. 125 ZGB begründet ist.
 
4.
 
4.1 Gemäss Art. 125 Abs. 1 ZGB besteht Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, soweit einem Ehegatten nicht zuzumuten ist, für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufzukommen. Absatz 2 zählt - wenn auch nicht abschliessend - die für die Beantwortung dieser Frage massgebenden Kriterien auf, die auch bei der Bemessung des Beitrages zu berücksichtigen sind. Absatz 3 nennt die Voraussetzungen, unter denen ein Beitrag "ausnahmsweise versagt oder gekürzt werden" kann. Der nacheheliche Unterhalt soll insbesondere den durch die Ehescheidung verursachten Veränderungen Rechnung tragen (Botschaft, BBl. 1996 I 1, S. 30 ff. Ziffer 144.6 und S. 112 f. Ziffer 233.51). Die Bestimmung konkretisiert die Prinzipien des sog. "clean break" und der nachehelichen Solidarität: Einerseits hat jeder Ehegatte - soweit immer möglich - für seinen Unterhalt selbst zu sorgen; anderseits ist der eine Ehegatte zur Leistung von Geldbeiträgen an den andern verpflichtet, wenn dieser seine durch die Ehe allenfalls beeinträchtigte wirtschaftliche Selbstständigkeit nicht erreichen kann (BGE 127 III 136 E. 2a S. 138).
 
4.2 Zur Beantwortung der Frage, ob ein Unterhaltsbeitrag festzusetzen ist, hat das Gericht die massgebenden Lebensverhältnisse der zu scheidenden Ehegatten abzuklären; diese Lebensverhältnisse entscheiden darüber, ob an den in der Ehe zuletzt gemeinsam gelebten Lebensstandard (unter Berücksichtigung der scheidungsbedingten Mehrkosten) oder aber an die vorehelichen wirtschaftlichen Verhältnisse und die damit ermöglichte Lebenshaltung anzuknüpfen ist. Steht die massgebende Lebenshaltung fest, so ist weiter zu prüfen, inwiefern der Unterhalt beanspruchende Ehegatte sie aus eigener Kraft finanzieren kann (Eigenversorgungskapazität). Die Beurteilung der (gegenwärtigen und zukünftigen) Eigenversorgungskapazität erfolgt nach den in Art. 125 Abs. 2 ZGB aufgeführten, nicht abschliessenden Kriterien. Alsdann ist weiter abzuklären, ob kein Ausschliessungsgrund im Sinne von Art. 125 Abs. 3 ZGB vorliegt. Ist nach den dargelegten Schritten ein nachehelicher Unterhalt weiterhin ausgewiesen, so gilt es schliesslich die Leistungsfähigkeit des unterhaltsverpflichteten Ehegatten zu berücksichtigen, die sich ihrerseits nach den für den Unterhaltsberechtigten massgebenden Kriterien ermittelt (vgl. zum Ganzen: Hausheer/Geiser, Scheidungsunterhalt bei ausreichenden Mitteln: Bemerkungen zu BGE 127 III 136 ff., in: Festschrift für Nicolas Druey, 2002, S. 172-176).
 
4.3 Mit Bezug auf die zu berücksichtigende Lebenshaltung (voreheliche oder eheliche) stellt sich die Frage, ob der ansprechende Ehegatte - jedenfalls dem Grundsatz nach - in seinem Vertrauen auf den Weiterbestand der bisherigen, frei vereinbarten Aufgabenteilung zu schützen ist. Gegebenenfalls besteht ein Anspruch auf Fortführung der während der Ehe zuletzt gelebten Lebenshaltung bzw. - bei ungenügender Leistungsfähigkeit - auf gleichwertige Lebensführung wie der Unterhaltspflichtige. Dieser Vertrauensschutz kann dann begründet sein, wenn die Ehe lange gedauert hat, aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind, aber auch wenn der ansprechende Ehegatte mit der Heirat aus seinem bisherigen Kulturkreis entwurzelt worden ist. Allgemein ausgedrückt ist von der ehelichen Lebenshaltung auszugehen, wenn die Ehe aus den genannten oder anderen Gründen als lebensprägend angesehen werden muss. Ist das Vertrauen objektiv nicht schutzwürdig, bemisst sich der Unterhalt nach den vorehelichen Lebensverhältnissen, d.h. nach der wirtschaftlichen Stellung des Unterhaltsberechtigten, wie sie bestünde, wenn er die Ehe nie eingegangen wäre (Hausheer, Der Scheidungsunterhalt und die Familienwohnung, in: Vom alten zum neuen Scheidungsrecht, Bern 1999, N. 3.03. - 3.06 S. 123 f., N. 3.52 - 3.54 S. 148 f. und N. 3.60 S. 151; Hausheer/Geiser, a.a.O., S. 173; Geiser, Worin unterscheiden sich heute die Renten nach Art. 151 und Art. 152 ZGB, ZBJV 129/1993, S. 339/347; Urteil 5C.278/2000 vom 4. April 2001, E. 3a).
 
4.4 Das Obergericht hält dafür, die Parteien hätten tatsächlich nur knapp drei Jahre in der Ehe zusammengelebt; zudem sei die Ehe kinderlos geblieben, weshalb die Beklagte hinsichtlich der Kinderbetreuung keine ehebedingten Nachteile erleide. Vielmehr sei von einer kinderlosen Kurzehe auszugehen, welche nicht lebensprägend geworden sei, so dass nicht an den ehelichen Standard, sondern an die vorehelichen Lebensverhältnisse anzuknüpfen sei. Die Beklagte verfüge über keine Ausbildung; sie habe ab dem Alter von etwa 14 Jahren in Brasilien als Verkäuferin auf der Strasse gearbeitet und damals ohne jede Unterhaltsberechtigung gegenüber ihrem ersten Ehemann mit den Kindern allein in Brasilien gelebt. Die Ehe habe mithin hinsichtlich der Aufgabenteilung keine Änderung ihrer Stellung mit sich gebracht. Die Beklagte hätte somit keine andere Stellung im Scheidungszeitpunkt inne, wenn sie die Ehe mit dem Kläger nie eingegangen wäre. Dies gelte angesichts ihres gegenwärtigen Einkommens von Fr. 3‘150.-- selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie heute mit ihren Kindern in der Schweiz lebe, wo der Preisindex erheblich über jenem von Brasilien liege. Die Beklagte sei ferner weder aufgrund ihrer Abstammung noch der fehlenden beruflichen Ausbildung noch aufgrund der sich in Ausbildung befindlichen Kinder in ihrer Eigenversorgungskapazität beeinträchtigt. Das jüngste Kind (1987) habe das 16. Altersjahr vollendet, womit gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch bei gemeinsamen Kindern keine Ehegattenunterhaltsbeiträge mehr zu erbringen wären. Mit ihrem Einkommen von Fr. 3‘150.-- als voll Erwerbstätige vermöge die Beklagte das hinsichtlich des Grundbetrages um 20% erweiterte Existenzminimum von insgesamt Fr. 3‘023.-- ohne weiteres zu decken, weshalb von der wirtschaftlichen Selbstständigkeit der Beklagten auszugehen sei.
 
Die Beklagte hält dem im Wesentlichen entgegen, sie habe den Kläger 1991 in Brasilien kennen gelernt; sie sei danach des öfteren als Touristin zum Kläger in die Schweiz gereist und habe ihn überdies des öfteren begleitet, wenn er als Montageleiter in verschiedene Länder gereist sei. Somit müsse davon ausgegangen werden, dass das faktische Zusammenleben von 1991 bis August 1998, also insgesamt sechseinhalb Jahre gedauert habe. Die Beklagte erachtet somit im Ergebnis die Gemeinschaft mit dem Kläger für lebensprägend, weshalb - entgegen der Auffassung des Obergerichts - in ihrem Existenzminimum auch der Grundbetrag für die Kinder zu berücksichtigen sei. Ferner seien bei der Betreuung der Kinder auch die vorehelichen Kinder zu berücksichtigen, zumal sich Art. 125 Abs. 2 Ziff. 6 ZGB nicht nur auf eheliche Kinder beziehe und sie (die Beklagte) nach wie vor für zwei ihrer drei Kinder zu sorgen habe.
 
Der Kläger schliesst sich der Auffassung des Obergerichts an und bestreitet insbesondere, dass die Parteien seit 1991 "mehr oder weniger zusammengelebt" hätten.
 
4.5 Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat eine Ehedauer von knapp fünf Jahren als kurz bezeichnet (Urteil 5C.278/2000 vom 4. April 2001, E. 3c), was von der Lehre nicht beanstandet worden ist (Schwenzer, in: Praxiskommentar Scheidungsrecht, 2000, N. 47 zu Art. 125 ZGB; Hausheer/Spycher/Kocher/Brunner, Handbuch des Unterhaltsrechts, 1997, 05.121 S. 287). Ob das voreheliche Zusammenleben bei der Bestimmung der Ehedauer überhaupt nicht zu berücksichtigen ist (Klopfer, Nachehelicher Unterhalt, Wohnungszuteilung, in: Neues Scheidungsrecht, 1999, S. 79 ff., S. 85; Schwander, Nachehelicher Unterhalt gemäss Art. 125 ff. nZGB, AJP 1999 S. 1627 ff., S. 1630) oder wenigstens insoweit in den Begriff "Ehedauer" einfliessen soll, als während dieser Zeit bereits gemeinschaftsbedingte Auswirkungen, insbesondere durch Haushalts- und Kinderbetreuung entstanden sind (Sutter/Freiburghaus, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, 1999, N. 30, und Schwenzer, a.a.O., N. 49, je zu Art. 125 ZGB), kann hier offen bleiben, zumal die für eine Berücksichtigung des vorehelichen Zusammenlebens notwendigen tatsächlichen Voraussetzungen nicht dargetan sind. Nach den obergerichtlichen Feststellungen ist die Beklagte auch nicht durch die Kinderbetreuung daran gehindert worden, einer vollen Erwerbstätigkeit nachzugehen, so dass auch offen bleiben kann, ob sich das Kriterium der Kinderbetreuung (Art. 125 Abs. 2 Ziff. 6 ZGB) nicht nur auf gemeinsame, sondern ebenso auf nicht gemeinsame Kinder bezieht (in diesem Sinne: Schwenzer, a.a.O., N. 61 zu Art. 125 ZGB). Dennoch erweckt die obergerichtliche Schlussfolgerung, es liege keine lebensprägende Ehe vor, Bedenken. Das Obergericht lässt sich zu sehr von der kurzen Ehedauer und dem Umstand leiten, dass keine Kinder zu betreuen sind und die Beklagte somit nicht durch die Kinderbetreuung an einer vollen Erwerbstätigkeit gehindert worden ist. Damit ist insbesondere nicht berücksichtigt worden, dass die Beklagte ihren Kulturkreis verlassen hat, um zum Kläger zu ziehen und hier ein neues Leben anzufangen, und dass sie schliesslich 1996 ihre Kinder aus erster Ehe im Einverständnis mit dem Kläger hat nachkommen lassen, auch wenn das Verlassen der Heimat nur eines der für die Lebensprägung massgebenden Kriterien darstellt. Hinzu kommt, dass die Beklagte vom leiblichen Vater der Kinder keinen Kinderunterhalt beanspruchen kann, weshalb der Kläger während der Ehe für den finanziellen Bedarf der ganzen Familie aufgekommen ist, während die Beklagte ausschliesslich den Haushalt besorgt hat. Damit aber lässt sich nicht vertreten, die Ehe der Parteien sei für die Beklagte nicht lebensprägend gewesen. Liegt eine lebensprägende Ehe vor, so ist von der zuletzt gelebten ehelichen Lebenshaltung und ihren Verhältnissen auszugehen und somit auch zu beachten, dass der finanzielle Bedarf der Kinder der Beklagten ausschliesslich vom Kläger gedeckt worden ist.
 
4.6 Dem angefochtenen Urteil lässt sich entnehmen, dass die Beklagte heute zu 100% einer Erwerbstätigkeit nachgeht und ein monatliches Einkommen von Fr. 3‘150.-- erzielt, mit dem sie - so das Obergericht - das bezüglich des Grundbetrages um 20% erhöhte persönliche Existenzminimum deckt. Aus dem erstinstanzlichen Urteil ergibt sich präziser, dass im konkreten Fall die Einkommen beider Ehegatten und ihre Existenzminima einander gegenübergestellt worden sind und der sich ergebende Überschuss zu zwei Dritteln der Beklagten und zu einem Drittel dem Kläger gutgeschrieben worden ist; auf dieser Basis ist je der Anspruch der Parteien ermittelt und alsdann abgeklärt worden, inwiefern die Eigenversorgungskapazität der Parteien diesen Anspruch deckt. Auch wenn die Methode der familienrechtlichen Existenzminimums- oder Grundbedarfsberechnung mit Überschussverteilung grundsätzlich auf richterlichem Ermessen beruht (Urteil 5C.230/2003 vom 17. Februar 2004, E. 3.2; Hausheer, a.a.O., S. 3.55 und 3.56 S. 149 f.), müsste obigen Ausführungen (E. 4.3 - 4.5) und der Billigkeit entsprechend grundsätzlich beim Existenzminimum der Beklagten wenigstens der Grundbedarf für die beiden jüngeren vorehelichen Kinder mit eingerechnet werden. In diesem Zusammenhang ist allerdings danach zu fragen, ob und in welchem Umfang diese Kinder mit eigenen Erwerbseinkommen (z.B. Lehrlingslohn) verhältnismässig an ihren Unterhalt beitragen und so ihre Mutter entlasten können (Art. 276 Abs. 3 ZGB), was allenfalls rechtfertigen könnte, den Grundbedarf für diese Kinder nicht oder nicht vollumfänglich in die Berechnung aufzunehmen. Dabei gilt es freilich ebenso zu beachten, dass der Lehrlingslohn nicht in jedem Falle voll, sondern verhältnismässig je nach Ausbildungsstand und Einkommenshöhe berücksichtigt werden sollte. Das Obergericht hat weder den Grundbedarf der Kinder berücksichtigt, noch Abklärungen über das Erwerbseinkommen der Kinder vorgenommen, noch sich gefragt, inwieweit ein allfälliger Lehrlingslohn zu berücksichtigen ist. Keine Abklärungen getroffen wurden aber auch über die Verhältnisse auf Seiten des Klägers; offen ist schliesslich, ob ein Unterhaltsbeitrag gestützt auf Art. 125 Abs. 3 ZGB zu verweigern oder zu kürzen sei. Zur Zeit erlauben es die tatsächlichen Voraussetzungen nicht, über den gebührenden Unterhalt der Beklagten zu entscheiden, weshalb das obergerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung im Sinne vorliegender Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 OG).
 
5.
 
Zufolge des offenen Verfahrensausgangs sind die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte aufzuerlegen und die Parteikosten wettzuschlagen (Art. 156 Abs. 3 und Art. 159 Abs. 3 OG).
 
6.
 
Beide Parteien gelten als bedürftig. Sodann kann ihr Standpunkt nicht als von Anfang an aussichtslos bezeichnet werden, weshalb es sich rechtfertigt, den Gesuchen um unentgeltliche Rechtspflege zu entsprechen. Den Parteien ist je ein amtlicher Rechtsbeistand zu bestellen, der für seine Bemühungen im bundesgerichtlichen Verfahren aus der Bundesgerichtskasse zu entschädigen ist. Überdies sind die Gerichtskosten auf die Bundesgerichtskasse zu nehmen (Art. 152 Abs. 1 und 2 OG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Berufung wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 2. Zivilkammer, vom 6. Mai 2004 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
 
2.
 
Die Gesuche der Parteien um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren werden gutgeheissen; der Beklagten wird Rechtsanwalt Giuseppe Dell‘Olivo-Wyss, Stadtturmstrasse 10, 5401 Baden, dem Kläger Rechtsanwalt Markus Leimbacher, Hauptstrasse 51, Postfach 148, 5330 Zurzach, als Rechtsbeistand bestellt.
 
3.
 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2‘000.-- wird jeder Partei zur Hälfte auferlegt, einstweilen aber auf die Bundesgerichtskasse genommen.
 
4.
 
Den Rechtsbeiständen wird für ihre Bemühungen im bundesgerichtlichen Verfahren je ein Honorar von Fr. 2‘000.-- aus der Bundesgerichtskasse entrichtet.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 6. Oktober 2004
 
Im Namen der II. Zivilabteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
 
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